Maximilian Herberger
Herausforderung Informationsgesellschaft:
Die Anwendung moderner Technologien im Zivilprozeß und anderen Verfahren
11. Weltkongreß für Prozeßrecht
Länderbericht Bundesrepublik Deutschland
Bayern
Berlin
Brandenburg
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
- Zusammenfassung
Vorbemerkung
Die EDV-Anwendungen bei Gericht in der Bundesrepublik Deutschland sind durch die
föderale Struktur geprägt, da die Zuständigkeit für diesen Bereich bei den Ländern
liegt. Eine vom Bund und den Ländern gegründete Kommission, die sogenannte
"Bund-Länder-Kommission", bemüht sich um Vereinheitlichung im Feld der
Justiz-EDV. Trotzdem ist eine gewisse Vielfalt charakteristisch für die Bemühungen der
Bundesländer im Bereich der gerichtlichen Informationstechnik-Projekte. Um dem Rechnung
zu tragen, ist der folgende Bericht nach Ländern gegliedert.
Die Informationen für den vorliegenden Bericht beruhen auf einer Umfrage bei allen
Bundesländern. Im folgenden sind die Länder berücksichtigt, die auf die Umfrage
geantwortet haben.
Ein früherer Gesamtbericht, der für die Tagung der Justizministerkonferenz in
Saarbrücken erarbeitet wurde, ist im Internet verfügbar unter der Adresse
http://www.jura.uni-sb.de/laenderberichte/
Wer die Arbeit der Bund-Länder-Kommission verfolgen will, kann dies über die
Veröffentlichungen des EDV-Gerichtstages tun (http://edvgt.jura.uni-sb.de/).
Im Rahmen von dessen Programm gestaltet die Bund-Länder-Kommission seit einigen Jahren
einen Arbeitskreis, der stets auch einen Überblick über die EDV-Situation in den
Gerichten der Länder bietet.
Bayern
In Bayern sind in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Zeit ca. 14.000 Bedienstete mit
etwa 10.500 Bildschirmarbeitsplätzen ausgestattet. In dieser Umgebung stehen über 40
justizspezifische Programme zur Verfügung. Bei den Zivilsachen konzentriert sich die
EDV-Ausstattung auf folgende Felder:
Geschäftsstellenautomation
Für die EDV-Unterstützung der Geschäftsstellentätigkeit in Zivilsachen wird
SIJUS-ZIVIL von der Firma Siemens in Verbindung mit der justizintern entwickelten
Standard-Software ZIVTEXT als Textverarbeitung eingesetzt. Dadurch abgedeckt ist die
Textverarbeitung (einschließlich der Protokollführung im Sitzungssaal, der Registratur
und der Vorgangsverwaltung, sowie der Fristenverwaltung, der Statistik und der
Kostenberechnung). Die Vollausstattung aller bayerischen Zivilgerichte mit einem der
beiden EDV-Programme ist bis Mitte 1999 projektiert.
Richterarbeitsplatz
In einer ersten Phase erstreckte sich die Ausstattung der Justiz mit EDV auf die
Geschäftsstellen und Kanzleien bzw. die neugebildeten Service-Einheiten.
(Vgl. zur Erläuterung dieses mittlerweile länderübergreifend akzeptierten
Organisationskonzepts http://www.jm.nrw.de/seiten/aktuell/ji197/itorga.htm:
"Die grundlegenden Strukturen dieses neuen Organisationsmodells sind die
ganzheitliche Verfahrensbearbeitung, die Aufhebung der herkömmlichen Arbeitsteilung,
Teamarbeit, Aufgabenvielfalt und damit verbunden eine Tätigkeitsanreicherung im Bereich
der nichtrichterlichen bzw. staatsanwaltlichen Mitarbeiter.").
Man hatte diesem Bereich Priorität gegeben, da dort nach Einschätzung der
Verantwortlichen die strukturellen Probleme am größten waren. Im Anschluß an diese
Phase kam allerdings auch die Integration des Richterarbeitsplatzes in die
DV-unterstützten Arbeitsabläufe in den Blick. Aus diesem Grunde wurden auch in der
Vergangenheit bereits Richterarbeitsplätze mit EDV ausgestattet. Diese Ansätze sind
nunmehr in dem Projekt CORIS ("Computerunterstützung für Richter und
Staatsanwälte") gebündelt worden. Im Rahmen dieses Konzepts sollen dem Richter
am Arbeitsplatz geboten werden:
- Eine elektronische Auskunft über Verfahrensstand und beteiligte
- Zugangs zu Rechts- und Fachinformationssystemen
- Hilfsprogramme für Aktenauswertung und Sitzungsvorbereitung
- Möglichkeiten der elektronischen Textverarbeitung.
Grundbuch
Mit dem Programm zur maschinellen Grundbuchführung SOLUM-STAR werden
Grundbucheintragungen nicht mehr in Papiergrundbücher ausgegeben, sondern mit
konstitutiver Rechtswirkung auf nur einmal beschreibbare Datenträger abgespeichert. Auf
die Inhalte des Grundbuchs kann von außen im automatisierten Abrufverfahren zugegriffen
werden. Knapp 400 Teilnehmer (vor allem Notare und Kreditinstitute) nutzen bereits das
automatisierte Abrufverfahren. Mit dem inzwischen bei 30 Grundbuchämtern eingesetzten
Verfahren sollen bis Ende 2001 alle bayerischen Grundbuchämter ausgestattet sein.
Gegenwärtig wird die Hälfte der 5,5 Millionen Grundbuchblätter mit einem Gesamtbestand
von rund 60 Millionen Seiten maschinell geführt.
(Vgl. zu den datenschutzrechtlichen Fragen um SOLUM-STAR den 16. Tätigkeitsbericht des
bayerischen Datenschutzbeauftragten (Nr. 7.2.4, http://www.datenschutz-bayern.de/tbs/tb16/k7.htm#K7A2B4)
und den 17. Tätigkeitsbericht (Nr. 7.6.9, http://www.datenschutz-bayern.de/tbs/tb17/k7.htm#K7A6B9).
Handelsregister
Angekündigt ist, daß die bayerische Justiz die Handelsregister der Amtsgerichte mit
einem EDV-System zur maschinellen Registerführung (RegisSTAR) ausrüsten wird, das an die
Stelle des bisherigen, für die Papierregisterführung konzipierten Verfahrens HAREG
treten soll.
RegisSTAR ist eine Fortentwicklung des mit dem maschinell geführten Grundbuch
SOLUM-STAR bereits eingeschlagenen Weges einer papierlosen Registerführung. Die
Eintragungen in das Handelsregister werden mit RegisSTAR nicht mehr auf Papier ausgegeben,
sondern auf elektronischen Datenträgern gespeichert. Über eine
"Online-Auskunft" können dann externe Nutzer wie Rechtsanwälte, Notare und
Kreditinstitute in ihren Büroräumen vom Schreibtisch aus in das Handelsregister Einsicht
nehmen.
Nachdem inzwischen die notwendigen Konzepte für das neue Programm vorliegen, hat
Bayern in einem Verbund mit Nordrhein-Westfalen und Sachsen die programmtechnische
Realisierung von RegisSTAR in Auftrag gegeben. Die Erprobung des Programmes soll im
Frühjahr 2000 beginnen.
(vgl. dazu die Presseerklärung von Justizminister Alfred Sauter 15. April 1999 unter http://www.justiz.bayern.de/presseer.htm).
juris
Die juris-Datenbanken sind im Rahmen eines Landesvertrages verfügbar.
Aufbau eines Justiznetzes
Geplant ist, die ordentlichen Gerichte Bayerns wie alle anderen bayerischen
Justizbehörden in naher Zukunft untereinander und mit anderen Behörden in einem
elektronischen Netz zusammenzuführen. Zu diesem Zweck wird ein bayerisches Justiznetz mit
einem Übergang zum allgemeinen bayerischen Behördennetz aufgebaut. Der Übergang vom
Justiznetz zum Behördennetz ist durch Firewall-Technologie abgesichert. Erwartet wird,
daß diese Vernetzung in Zivilsachen zu einer Beschleunigung und Verbesserung des
Informationsaustausches und damit zu einer Verkürzung der gerichtlichen Verfahrensdauer
führt.
Berlin
Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind zur Zeit ca. 1.800
Bildschirmarbeitsplätze vorhanden. Diese Bildschirmarbeitsplätze konzentrieren sich
weitgehend in den Schreibarbeitsplätzen der Gerichte. Mit dem Übergang von der
traditionellen Kanzleistruktur zu den neuen Serviceeinheiten ist eine Umstrukturierung
dieser EDV-Infrastruktur verbunden. Zugleich wächst in den Serviceeinheiten der Bedarf
für informationstechnische Unterstützung.
Im einzelnen sind im Bereich der Berliner ordentlichen Gerichtsbarkeit folgende
EDV-Lösungen im Einsatz:
Justizkasse
In der Justizkasse wird mit dem System AJUK seit Ende 1990 automatisiert gebucht. Eine
durchgreifende Umstellung des Systems wurde Anfang 1996 durchgeführt. Seitdem handelt es
sich bei AJUK um ein datenbankgestütztes UNIX-Mehrplatzsystem mit 55 Terminals.
Zivilprozeß
Mit dem Ziel einer einheitlichen Automationsunterstützung in der ordentlichen
Gerichtsbarkeit wird unter der Bezeichnung AULAK ("Automation des Landgerichts,
der Amtsgerichte und des Kammergerichts") eine Gerichtsorganisations-Software
entwickelt. Die Software soll alle Organisationseinheiten unterstützen, das heißt z.B.
die Geschäftsstelle, die Kanzlei, die Protokollführung, die Rechtsantragsstelle, den
Richter- sowie den Rechtspflegerarbeitsplatz. Gleichzeitig wird sie
organisationsformenübergreifend entwickelt, d. h. sie soll den neuen Service-Einheiten
und der Zentralkanzlei dienen. Die Fertigstellung der Zivilprozeßmodule wird für
Spätsommer 1999 projektiert.
Familiengericht
Das Familiengericht im Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg wurde 1995 modellartig mit
EDV-Technik versehen. Innerhalb des Projekts AUFAM erhielt jeder der 227 Arbeitsplätze
einen PC. AUFAM bietet eine Automationsunterstützung für das Schreibwerk und die
Eingangsregistratur. Der Planung nach wird AUFAM in AULAK integriert werden. Im
AUFAM-Projekt ist eine umfangreiche Bibliothek von Textbausteinen entstanden (zur Zeit
etwa 1.250). Auf diese Textbaustein-Bibliothek greifen auch die anderen Berliner
Familiengerichte zu. Für die Rechtsantragstelle des Familiengerichts sind 140 Anträge in
der richterlichen Tenorierungsform elektronisch verfügbar, die den Bereich der
Standardfälle abdecken. AUFAM ist des weiteren dadurch gekennzeichnet, daß die
richterliche Arbeit durch den netzwerkweiten Zugriff auf Entscheidungssammlungen und das
Berechnungsprogramm "Familienrechtliche Berechnungen" (Autor: RiOLG Gutdeutsch)
unterstützt wird.
Handelsregister
Für das Handelsregister existiert mit HAREG ein System zur Führung des Handels-,
Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregisters mit 96 Bildschirmarbeitsplätzen im
zentralen Registergericht am Amtsgericht Charlottenburg. Das Register selbst wird zur Zeit
noch in Papierform auf Registerblättern geführt. Projektiert ist die papierlose Führung
des Handelsregisters für das Jahr 2000.
Insolvenzverfahren
Mit KOKA verfügte die Berliner Justiz über eine Automationsunterstützung im Bereich
des Konkursverfahrens. Dieses Programm zielte vor allem auf den Geschäftsstellenbereich.
Richter und Rechtspfleger waren mit Leserechten mit einbezogen. Das System war für den
verbundmäßigen Zugriff auf die Handelsregisteranwendung HAREG konzipiert. 1998 wurde
KOKA den Erfordernissen des neuen Insolvenzverfahrens angeglichen. Seit Anfang 1999 werden
mit dem so entstandenen System KIKO (Kartei in Insolvenz- und Konkurssachen) sowohl
die Unternehmens- als auch die Verbraucherinsolvenzen arbeitet.
Mahnverfahren
Unter Verzicht auf Papierdokumente werden im System AUMAV (Automation des
gerichtlichen Mahnverfahrens) alle eingehenden Daten erfaßt und verarbeitet. Die
Infrastruktur des Systems besteht unter Nutzung eines Großrechners des Landesbetriebs
für Informationstechnik aus drei Unix-Rechnern im Amtsgericht Wedding, an denen 80
PC-Arbeitsplätze betrieben werden. Dabei hat jeder Rechtspfleger und
Geschäftsstellenbeamter über einen eigenen PC Zugriff auf das System. Geplant ist noch
für 1999 eine Realisierung des Datenaustauschs mit Antragstellern über
Datenfernübertragung (Internet).
Schuldnerverzeichnis
Das beim Amtsgericht Schöneberg geführte zentrale Schuldnerverzeichnis ist mit Hilfe
des Programms SCHUF/EV automatisiert worden. Alle Berliner Amtsgerichte sind per
ISDN-Verbindungen an das System angeschlossen, weswegen auf die früher in Karteiform
geführten örtlichen Schuldnerverzeichnisse verzichtet werden konnte. Die Einrichtung
eines Online-Abruf-Systems ist gegenwärtig nicht geplant. Die Industrie- und
Handelskammer bezieht als bislang einziger ermächtigter Kunde die Auskünfte aus dem
Schuldnerverzeichnis über einen Diskettenaustausch.
Aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage wurde die inzwischen entwickelte
Geschäftsstellenlösung für den Zwangsvollstreckungsbereich an weiteren Amtsgerichten
zurückgestellt. Der Grund lag darin, daß mit der zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle ab
dem 1. Januar 1999 die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung auf die
Gerichtsvollzieher übergegangen ist. Dadurch war die bisherige EDV-Planung überholt
worden, die es nun anzupassen gilt.
Maschinell geführtes Grundbuch
Bis Ende des Jahres 2000 wird das IT-Verfahren SOLUM-STAR das bisher eingesetzte System
SOLUM ablösen. Mit SOLUM-STAR wird das Grundbuch vollautomatisiert geführt. Ab diesem
Zeitpunkt werden die Rechtsverhältnisse an Grundstücken nicht mehr in Papierform
dokumentiert. Vielmehr sind alle Informationen auf Datenträgern gespeichert. Auf diese
Weise wird der Zugriff zu den Grundbuchinformationen von außerhalb möglich, was Vorteile
für Notare und Banken mit sich bringt. Das System SOLUM-STAR wurde von den Ländern
Bayern, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt entwickelt. Berlin schließt sich als fünftes
Bundesland dieser Gruppe der Entwicklerländer an. Am 5. März 1999 wurde das erste
Berliner Grundbuchblatt angelegt. Die Nachführung der Daten der restlichen Berliner
Grundbuchblätter soll bis Ende 2000 abgeschlossen sein.
Immobiliarversteigerung
Für die Immobiliarversteigerung existiert mit ADIMMOV eine Automationsunterstützung
für den Rechtspfleger. Das Programm bietet Textbausteine für die Terminsvor- und
nachbereitung sowie Berechnungshilfen. Die Register, Listen, Vorblätter und
Adressenverzeichnisse werden im Rahmen von ADIMMOV automatisiert geführt. Bisher wird
ADIMMOV an zwei Amtsgerichten eingesetzt.
juris
Die juris-Datenbanken können im Rahmen eines Landesvertrages genutzt werden.
Brandenburg
Grundbuch
Mit SOLUM wird eine Automationsunterstützung des Grundbuchverfahrens praktiziert. Es
handelt sich dabei um eine Automationsunterstützung für das bisherige Grundbuch in
Papierform. Vor einem etwaigen Übergang auf ein vollständig maschinell geführtes
Grundbuch sollen die Erfahrungen anderer Bundesländer mit SOLUM-STAR und FOLIO abgewartet
werden.
Handelsregister
In den vier am Sitz der Landgerichte konzentrierten Registergerichten wird das
Verfahren HAREG eingesetzt. Es handelt sich hierbei um eine Automationsunterstützung für
das Eintragungsverfahren, innerhalb dessen auch eine Firmendatei gepflegt wird.
(Ein Zugriff auf das Handelsregister ist beispielsweise möglich beim Amtsgericht
Potsdam über http://www.amtsgericht-potsdam.org/potsueb.htm.
Auf dieser Seite sind auch die anderen zur Verfügung stehenden Register aufgeführt.)
In Zusammenarbeit mit sieben anderen Bundesländern ist Brandenburg an der
Arbeitsgruppe REGIS beteiligt. Ziel von REGIS ist die Entwicklung eines Konzepts für ein
vollektronisches Handelsregister. Auch die übrigen Register werden dabei berücksichtigt.
Zivil-, Familien-, Nachlaß- und Zwangsvollstreckungssachen
Gemeinsam mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Tübingen hat Brandenburg eine
Entwicklungskooperation für das System MEGA begründet. MEGA versteht sich als System
für eine Vielzahl von Aufgaben im Bereich der ordentlichen Gerichte. Es ist sowohl für
den Geschäftsstellen- als den Kanzleibereich ausgelegt. Zugleich werden die
Rechtspfleger- und Richterarbeitsplätze mit unterstützt.
Automatisiertes Mahnverfahren
Eine eigene Lösung für das automatisierte Mahnverfahren existiert nicht. Angesichts
der Zahl der Verfahren gibt es Überlegungen für Kooperation mit dem Land Berlin.
juris
Ein juris-Landesvertrag erlaubt die Nutzung der juris-Datenbanken.
Hamburg
Grundbuch
Eine volle Automationsunterstützung des Grundbuchs ist in Hamburg Ende 1997 auf der
Basis von SOLUM-STAR 1.2 (Entwicklungsverbund mit Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt)
flächendeckend abgeschlossen worden. In der Weiterentwicklung zum elektronischen
Grundbuch soll SOLUM-STAR 2.0 eingesetzt werden, dies mit einer Schnittstelle zum
automatisierten Liegenschaftskataster.
Handelsregister
Das Handelsregister baut hinsichtlich der Automationsunterstützung auf HAREG II auf,
einer Verbundentwicklung von zehn Landesjustizverwaltungen. Die Planungen für ein
vollelektronisches Handelsregister sind begonnen worden.
Zivilprozeß
Bei Amts- und Landgericht ist das Verfahren SIJUS-Zivil (Registratur, Termin- und
Fristenverwaltung, Textverarbeitung und Statistik) im Einsatz. Die Geschäftsstellen und
Schreibbereiche sind damit komplett ausgestattet. Die Vernetzung von Richter- und
Rechtspflegerarbeitsplätzen wird gegenwärtig forciert.
Beim Hanseatischen Oberlandesgericht ist mit MEGA eine Client-Server-Lösung
eingeführt worden, die auch in Brandenburg, Thüringen und Schleswig-Holstein Kern der
Modernisierungsstrategien ist. Sie liegt den künftigen Planungen für die
Zivilgerichtsbarkeit zu Grunde.
Familienrechtssachen
Die sechs Hamburger Amtsgerichte arbeiten in Familiensachen mit SIJUS-Zivil. Die
Integration der Richter- und Rechtspflegerarbeitsplätze wird angestrebt.
Insolvenzverfahren
Das von Nordrhein-Westfalen entwickelte System IT-InsO befindet sich seit Inkrafttreten
der Insolvenzreform zum 1.1.1999 im Einsatz. Diese Client-Server-Lösung beinhaltet die
Funktionalität "Datenpflege" sowie die Integration der Stammdaten bei der
Schreibwerkerstellung. Schnittstellen zu externen Verfahrensbeteiligten
(Insolvenzverwalter, Schuldnerberatungsstellen) sind noch zu realisierender Teil der
Konzeption.
Zwangsvollstreckung
In einer Informix-Datenbank werden die Schuldnerverzeichnisse seit 1993 automatisiert
geführt. Eine funktionelle Erweiterung (Registerführung, Anbindung
"Rechtsanwender") wird für 2000 mit einem Nachfolgeprodukt angestrebt. Für die
Zwangsversteigerung findet eine Eigenentwicklung (SINIX, HIT, INFORMIX) Anwendung.
Mahnverfahren
Seit Mitte 1996 läuft das Mahnverfahren hinsichtlich des Datenträgeraustausches
automatisiert. Im Frühjahr 1998 fand eine Ausdehnung auf die in Papierform eingereichten
Anträge statt. Beleglese-Technologien werden z.Zt. implementiert.
juris
juris steht im Rahmen eines Landesvertrages zur Verfügung.
Hessen
Grundbuch
Das automationsunterstützte Grundbuchverfahren SOLUM ist inzwischen bei 52 von 58
hessischen Amtsgerichten im Einsatz. Die Ausstattung der restlichen sechs hessischen
Amtsgerichte wird 1999 abgeschlossen. Nach dieser flächendeckenden Einführung von SOLUM
soll die Phase des elektronischen Grundbuchs (SOLUM II) in Angriff genommen werden.
Handelsregister
Hessen beteiligt sich mit HAREG am Einsatz des automationsunterstützten
Eintragungssystems mit Geschäftsstellenmodul und einem Auskunftssystem für
Handelsregistereinsichten. HAREG wurde von zehn Landesjustizverwaltungen gemeinsam
entwickelt. In naher Zukunft sind weitere Ausbauschritte von HAREG in Richtung
Einbeziehung weiterer Gerichte geplant. HAREG ist damit noch keine flächendeckende
Struktur. Hinsichtlich der Planung für ein elektronisches Handelsregister unter der
Bezeichnung "REGIS-STAR" sind konkrete Einführungsbeschlüsse noch nicht
gefallen.
Zivilprozeß
Das den Verfahrensablauf im Zivilprozeß unterstützende Programm SIJUS-ZIVIL wurde an
den Zivilprozeßabteilungen der Amts- und Landgerichte durch EUREKA-ZIVIL abgelöst.
SIJUS-ZIVIL wurde unter Unix betrieben. EUREKA-ZIVIL basiert demgegenüber auf einer
Client-Server-Architektur in PC-Netzwerken unter Einsatz von Windows. Sowohl SIJUS-ZIVIL
wie EUREKA-ZIVIL bieten Unterstützung für die Registrierung, die Vorgangsverwaltung, die
Termin- und Fristenverwaltung, den Protokolldienst, die Textverarbeitung und die
Statistik. Im Rahmen der Textverarbeitung sind Makromöglichkeiten vorgesehen.
Familienrechtsabteilung
Das Programmpaket SIJUS-FAMILIE findet bei drei großen Amtsgerichten Anwendung.
SIJUS-FAMILIE folgt dem SIJUS-Konzept und ist auf die Abläufe im Familiengericht
zugeschnitten. Abgesehen von familienrechtlichen Besonderheiten deckt sich der
Funktionsumfang weitgehend mit dem des Verfahrens SIJUS-ZIVIL. SIJUS-FAMILIE soll durch
EUREKA-FAMILIE abgelöst werden. Dieser Übergang ist für 1999 mit einer Pilotphase bei
einem Gericht und einem Echteinsatz bei vier weiteren Gerichten geplant. Wie EUREKA-ZIVIL
soll auch EUREKA-FAMILIE eine Client-Server-Architektur in PC-Netzwerken in Verbindung mit
dem Einsatz von Windows bieten. Insgesamt sind in Hessen 36 Familiengerichte auszustatten.
Zwangsvollstreckungsabteilungen
Die Massensachen in den Vollstreckungsabteilungen der Amtsgerichte wurden
automationsunterstützt bei 14 Gerichten mit Hilfe der Unixanwendung SIJUS-VOLLSTRECKUNG
bearbeitet. Auch dieses Programm befindet sich im Übergang zu dem Nachfolgeprogramm
EUREKA-VOLLSTRECKUNG, das in seiner Systematik EUREKA-ZIVIL gleicht.
Während die Erstentwicklung von EUREKA-ZIVIL eine reine Access-Lösung war, ist man
bei den späteren EUREKA-Entwicklungen auf die Programmierung mit DELPHI umgestiegen. In
diesem Zusammenhang wurden auch Techniken der graphischen Visualisierung erprobt.
Verfahrensbeteiligte und Verfahrensobjekte erscheinen in einer Baumstruktur.
Automatisiertes gerichtliches Mahnverfahren
Hessen verfügt in Hünfeld über ein zentrales Mahngericht. In Hünfeld werden die
Verfahren vollautomatisiert bearbeitet, in denen die Anträge mit Hilfe von Datenträgern
gestellt worden sind. Mit gegenwärtig ca. 450.000 Verfahren ist dies ein Anteil von mehr
als 50 % aller Fälle. Noch im Jahr 1999 soll die Antragstellung per Datenfernübertragung
ermöglicht werden. Es existieren Pläne dafür, die per Papier gestellten Anträge in
automationsgestützte Verfahren überzuleiten.
juris
Für den Einsatz von juris existiert ein Landesvertrag.
Mecklenburg-Vorpommern
Die EDV-Planung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist dadurch geprägt, daß auf der
Basis einer Entscheidung von 1991 eine einheitliche auf ein PC-Netzwerk gestützte
Justizanwendung ARGUS entwickelt wird. Die Vollausstattung soll 1999 abgeschlossen werden.
Die Software ARGUS setzt sich aus Modulen zusammen.
Es gibt einen anwendungsunabhängigen Kern, der für alle Arbeitsplätze gleich ist.
Dabei handelt es sich z. B. um die Unterstützung von Geschäftsverteilungen, die
automatische Bildung von Aktenzeichen, die Behandlung von Verfahren im Sinne von Abgabe,
Verbindung oder Trennung, die Statistik. Ergänzt wird das Kernmodul durch
anwendungsspezifische Einzelmodule. Eine verbindende Gesamtstruktur für die Kommunikation
in der Justiz ist das Justiznetz Mecklenburg-Vorpommern, das für den Herbst 1999
flächendeckend zur Verfügung stehen soll.
Amtsgerichte (Grundbuchämter)
Im Bereich der Grundbuchämter existiert bereits seit Ende 1992 eine Vollausstattung.
Eingesetzt wird das Programm ARGUS-GB. Unterstützt wird durch dieses Programm die
Geschäftsstellen- und Eintragungsfunktionalität im Rahmen des Papiergrundbuchs. Ein
Prototyp eines elektronischen Grundbuchs ist für den Testeinsatz im Jahr 1999 in Aussicht
genommen. Geplant ist dieses System mit einer offenen Schnittstelle, die für Notare,
Banken und Versicherungen die Einbindung gestattet.
(Vgl. zu den datenschutzrechtlichen Aspekten von ARGUS-GB die Stellungnahme des
Datenschutzbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern unter 2.2.2 - Entwurf eines
Registerverfahrenbeschleunigungsgesetze- ), http://www.tec.informatik.uni-rostock.de/RA/LfD-MV/taetberi/tb1/1_200-02.html).
Amtsgerichte (Handelsregister)
Die Situation beim Handelsregister ist der beim Grundbuch vergleichbar: Vollausstattung
seit 1992. Die Software ARGUS-REG hat Eintragungsfunktionalität und erlaubt die Führung
eines Firmenverzeichnisses. Im Anschluß an die Einführung des elektronischen Grundbuchs
soll die Einführung des elektronischen Handelsregisters folgen.
Amtsgerichte (Zivilsachen)
Alle Amtsgerichte im Land einschließlich der Zweigstellen sind mit der Software
ARGUS-ZIVIL ausgestattet.
Amtsgerichte (Familiensachen)
Alle Amtsgerichte und Zweigstellen verwenden die Software ARGUS-FAMILIE.
Amtsgerichte (Nachlaßsachen)
Für das Programm ARGUS-NACHLASS gibt es eine Pilotanwendung bei einem Amtsgericht.
Amtsgerichte (Schuldnerverzeichnis)
Das Programm zur Führung des Schuldnerverzeichnisses ARGUS-M ist mit Ausnahme eines
Amtsgerichts auf der Amtsgerichtsebene ansonsten vollständig vorhanden.
Landgerichte, Oberlandesgericht
Auf der Ebene der Landgerichte und des Oberlandesgerichts befindet sich ARGUS in seiner
Grundfunktionalität in einer Pilotphase bei zwei Landgerichten und dem Oberlandesgericht.
Gegenstand der Pilotierung ist gegenwärtig die Textanbindung.
juris
juris wird im Rahmen eines Landesvertrages von der Justiz genutzt.
Niedersachsen
Für den EDV-Einsatz bei Gericht arbeitet die Justizverwaltung Niedersachsen mit den
Ländern Hessen, Sachsen-Anhalt und teilweise auch Bremen zusammen. Das gemeinsame
Programmsystem ist auf die Unterstützung der Service-Einheiten ausgelegt. Zu diesem Zweck
kommt das Programmsystem EUREKA (EDV-Unterstützung für Rechtsgeschäftsstellen
und Kanzleien) in Einsatz. Derzeit sind mit rund 6.700
Bildschirmarbeitsplätzen mehr als 50% aller für eine EDV-Unterstützung in Betracht
kommende Arbeitsplätze mit der nötigen Technologie ausgestattet. Die Vollausstattung ist
zum Ende des Jahres 2000 vorgesehen.
Grundbuch
Eingesetzt wird das automationsunterstützte Grundbuchverfahren SOLUM. Es handelt sich
dabei um ein Unterstützungssystem für die Verfügung bei Grundbucheintragungen. Die
Vollausstattung der Grundbuchämter mit SOLUM wird im Jahre 1999 abgeschlossen werden. Die
weitere Planungsperspektive ist die Führung des Grundbuchs in vollelektronischer Form.
Voraussichtlich wird SOLUM-STAR zum Einsatz kommen.
Mobiliarzwangsvollstreckungs-, Familien-, Zivilprozeß- und Nachlaßsachen
Das Alt-ADV-Verfahren SIJUS hat die Arbeitsabläufe in den Geschäftsstellenabteilungen
für Mobiliarzwangsvollstreckungssachen (SIJUS-VOLL) und Familiensachen (SIJUS-FAM) sowie
den Schreibdiensten (SIJUS-TEXT) bei den Amtsgerichten rationalisiert. Auf diese Weise ist
eine Automationsunterstützung für Arbeiten in der Registratur, für die Führung von
Karteien und Listen sowie die Aktenverwaltung eingeführt worden.
Die ältere Verfahrensweise wird bis zum Jahrtausendwechsel durch EUREKA abgelöst werden.
EUREKA ist von der Architektur her eine Client-Server-Lösung, die am Ende der Entwicklung
die Bearbeitung von Vorgängen in allen Geschäftsbereichen unterstützen soll. Dabei ist
die Unabhängigkeit von den Organisationsstrukturen der Behörden ein
Konstruktionsgesichtspunkt oberster Art. Das Programm-Modul für die amtsgerichtlichen
Zivilprozeßsachen (EUREKA-AG-ZIV) befindet sich bereits bei 27 Amtsgerichten im Einsatz.
Die Programmteile für die Mobiliarzwangsvollstreckungssachen (EUREKA-AG-VOLL) und die
landgerichtlichen Zivilsachen (EUREKA-LG-ZIV) sind fertiggestellt. Das Modul für die
Familiensachen (EUREKA-AG-FAM) steht unmittelbar vor der Fertigstellung. Die Programmteile
für Nachlaßsachen (EUREKA-AG-NACH) stehen zur Realisierung an. Daneben wird derzeit eine
Automation für die Schreibdienste (EUREKA-TEXT) und ein allgemeines Modul für die Kosten
(EUREKA-KOST) entwickelt.
(EUREKA hat übrigens das Interesse der süd-koreanischen Justiz gefunden. Vgl. dazu
die Presse-Erklärung des OLG Oldenburg "Gerichtssoftware EUREKA- ein Modell für
Südkorea", http://www.olg-oldb.uni-oldenburg.de/presse/press020.htm.
Zu den Schulungsaspekten rund um EUREKA vgl. "Das Justizschulungszentrum für
IUK-Technik in Wildeshausen",
http://www.olg-oldb.uni-oldenburg.de/jusschul.htm).
Registersachen
Niedersachsen ist mit sieben weiteren Bundesländern im Projekt REGIS (Registerinformationssystem)
verbunden. Die betreffende Arbeitsgruppe erarbeitet das Konzept einer vollelektronischen
Registerführung.
Mahnsachen
Niedersachsen beteiligt sich ab der ersten Jahreshälfte 1999 am automatisierten
Mahnverfahren (AMV). In einer ersten Stufe ist das Verfahren zunächst für den Bereich
des Datenträgeraustausches realisiert.
Dezernatsarbeitsplatz
Die Automationsunterstützung am Dezernatsarbeitsplatz ist Gegenstand verstärkter
Förderung. Konzeptionell wird dabei die Möglichkeit gesehen, die Aufgaben des jeweiligen
Arbeitsplatzes durch Standardsoftware ergänzt durch spezielle Programme zu unterstützen.
juris
juris ist für die Justiz auf der Grundlage eines Landesvertrages nutzbar.
Nordrhein-Westfalen
Das Land Nordrhein-Westfalen verfolgt ein ambitioniertes Programm der Vollausstattung
der Justiz mit EDV-Technologie bis zum Jahr 2003 (vgl. dazu "Justiz 2003 - Konzept
zur Vollausstattung der Justiz mit moderner Informationstechnik", http://www.jm.nrw.de/jm-cgi/jm/pub/visit.cgi/Themen).
Im einzelnen sind unter dem Aspekt des vorliegenden Berichts die folgenden IT-Vorhaben und
Verfahren hervorzuheben:
Gesamter Justizbereich
Abgesehen von Programmen zur Unterstützung allgemeiner Verwaltungsaufgaben ist
besonders das Justizinformationssystem (JIS) von Interesse, das sich als Auskunftssystem
"Recht" für die externe Online-Bereitstellung entsprechender Informationen und
als Dokumentationssystem für die Instanzrechtsprechung versteht. Im Rahmen des
Dokumentationssystems zur Instanzrechtsprechung soll der Online-Zugriff auf dokumentierte
Rechtsprechung der Instanzen ermöglicht werden.
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Die Verfahrensunterstützung im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit soll das
System JUDICA (u.a. für Zivil- und Familiensachen) gewährleisten. Es befindet sich in
der Programmentwicklung und zielt auf die Unterstützung sämtlicher Arbeitsplätze bei
Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten ab.
(Vgl. zu JUDICA "Von SESAM zu JUDICA - Softwareentwicklung für die ordentliche
Gerichtsbarkeit", http://www.jm.nrw.de/seiten/aktuell/ji198/sesam.htm).
Im Bereich des Grundbuchs wird die Eintragungsunterstützung durch die
Verfahrenslösung FOLIA gewährleistet. Dieses System ist in Betrieb. Die
vollelektronische Grundbuchführung befindet sich in Planung.
Für das Partnerschaftsregister ist mit der Verfahrenslösung BREG eine
vollelektronische Führung realisiert.
In Entwicklung befindet sich die vollelektronische Arbeit bezüglich des Handels-,
Genossenschafts- und Vereinsregisters.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung soll eine IT-Unterstützung sämtlicher
Arbeitsplätze erreicht werden. In Betrieb befindet sich das Verfahren AUSCHU für die
automatisierte Führung des Schuldnerverzeichnisses.
Die Führung des Namensverzeichnisses zum Erbrechtsregister im Rahmen der
Nachlaßverfahren wird mit dem Verfahren ERBREG abgewickelt.
Für das automatisierte gerichtliche Mahnverfahren wurde eine länderübergreifende
Verfahrenslösung eingeführt. Sie ist konzentriert bei den Amtsgerichten Hagen und
Euskirchen und umfaßt alle Verfahren.
Mit Beginn des Jahres 1999 wurde für die Insolvenzsachen eine IT-Unterstützung
sämtlicher Arbeitsplätze realisiert.
In vergleichbarer Weise wie bei den Insolvenzsachen soll eine Verfahrensunterstützung
für die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zum 1. Januar 2001 eingeführt
werden.
Unter dem Aspekt der Bürgernähe verdient besondere Aufmerksamkeit das Verfahren
RASYS, das die Antragsaufnahme und allgemeine Auskunftserteilung in der
Rechtsantragsstelle im Rahmen eines EDV-Systems unterstützt.
juris
juris wird in der Justiz des Landes auf der Grundlage eines Landesvertrages verwendet.
Rheinland-Pfalz
MAJA
In Rheinland-Pfalz existiert mit MAJA (Mainzer Automatisierte Justizanwendungen)
eine zentrale Programmlösung für den EDV-Einsatz in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
MAJA bezieht sich auf sämtliche Funktionsabläufe einer Geschäftsstelle der ordentlichen
Gerichtsbarkeit. Dies bedeutet, daß Aktenkontrolle, Fristenkontrolle, Terminbearbeitung,
Dokumentenerstellung, Verfahrensdaten- und Personendatenverwaltung in MAJA integriert
sind. Auf diese Weise werden bisherige konventionelle Register und Bewegungskarteien
entbehrlich. MAJA ist eine in Zusammenarbeit mit der Firma IBM-Deutschland entwickelte
Lösung. Das MAJA-Grundmodul, das die Abläufe der Zivil- und Familiengeschäftsstelle
integriert, ist seit Oktober 1996 im Wirkbetrieb. Für Ende 1999 ist eine nahezu
flächendeckende Ausstattung sämtlicher Amts- und Landgerichte vorgesehen. Das
Oberlandesgericht Koblenz verwendet diese Software gleichfalls.
Weitere Zusatzmodule sind in Arbeit. Im Laufe des Jahres 2000 sollen für Statistik und
Prozeßkostenhilfe die nötigen Programmergänzungen bei Gericht eingeführt werden. Diese
beiden Module befinden sich derzeit im Testbetrieb.
juris
Informationsmanagement in einem weiteren Sinn gewährleistet das Informationssystem
juris, das im Rahmen eines Landesvertrages eingesetzt wird.
Saarland
Zivilprozeß
Im Bereich der Zivilgeschäftsstelle und kanzlei steht bei den saarländischen
Amtsgerichten und beim Landgericht in Saarbrücken die auf den Standardsoftwareprodukten
HIT und INFORMIX aufbauende Anwendersoftware "SIJUS-ZIVIL" zur Verfügung. Durch
dieses Verfahren werden unter anderem die Tätigkeiten der Registratur, die Termin- und
Fristenverwaltung, die Textverarbeitung sowohl im Bereich der Kanzlei als auch im
Protokolldienst, sowie die Vorgangsverwaltung im allgemeinen und die Erstellung von
Statistiken unterstützt.
Für die Richter ist eine allerdings noch nicht flächendeckende Ausstattung mit PC´s
vorgesehen. Über ein local area network kann auf die Verfahrensdaten in
SIJUS-ZIVIL zugegriffen werden.
Das saarländische Oberlandesgericht ist im Bereich der Zivilkanzleien mit dem
Standard-Textsystem HIT der Firma Siemens ausgestattet.
juris
Im Bereich der saarländischen Gerichtsbarkeit können Richterinnen und Richter sowie
Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger im Rahmen eines Landesvertrages den Zugang zum
juristischen Informationssystem juris nutzen. Als Recherche-Software wird juris-Formular
für Windows eingesetzt. Es ist möglich, vom häuslichen Arbeitsplatz aus zur
dienstlichen Nutzung auf juris zuzugreifen.
Sachsen
DV-Verfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit
In den größeren Zivilgerichten wird das Geschäftsstellen-Automationsprogramm
SIJUS-ZIVIL eingesetzt. Kleinere Gerichte verwenden die Textlösung ZIVTEXT.
SIJUS-ZIVIL unterstützt hier die Registratur, die Termins- und Fristenverwaltung, den
Protokolldienst, die Textverarbeitung, die Vorgangsverwaltung und die Statistik.
ZIVTEXT ist ein Verfahren, das basierend auf HIT-CLOU auf das gesamte Schreibwerk der
Zivilabteilung zugeschnitten ist.
Vollstreckungsabteilungen
Die Vollstreckungsabteilungen der größeren Amtsgerichte verwenden das Programm
SIJUS-VOLLSTRECKUNG. Mit diesem Programm werden die Schuldnerkartei und die Register
geführt.
Die Vollstreckungsabteilungen der kleineren Vollstreckungsgerichte verwenden das
Programm VOLLJUS.
Familienabteilungen
Die Familiengerichte setzen das Verfahren FAMJUS ein. Zugeschnitten ist dieses Programm
auf das gesamte Schreibwerk der Familienabteilung der Amtsgerichte. Die in den einzelnen
Verfahren wiederholt benötigten gleichartigen Daten werden in einer zentralen Datenbank
vorgehalten.
Mahnabteilungen
Die Mahnabteilungen arbeiten mit dem Verfahren MAHNTEXT. Diese Software ist konzipiert
als Unterstützung beim manuellen Mahnverfahren. Die Verfahrensstammdaten sind in einer
Datenbank vorhanden, dem EDV-Mahnregister. MAHNTEXT erlaubt die automatisierte Erstellung
aller im Mahnverfahren wiederkehrenden Texte. Einbezogen ist die automatische Berechnung
der Kosten für das jeweilige Verfahren. Gewährleistet ist auch eine Fristenkontrolle
sowie die Statistik.
Grundbuchämter
Die Grundbuchämter arbeiten mit dem automationsunterstützten Eintragungsverfahren
SOLUM. Wie in anderen Bundesländern auch verfolgt Sachsen bei der Einführung des
elektronischen Grundbuches die Strategie von SOLUM-STAR. Dieses elektronisch geführte
Grundbuch verwirklicht auf der Grundlage der §§ 126-134 GBO das papierlose
Grundbuch. Die Umstellung auf das elektronische Grundbuch erfolgt in Sachsen durch
Neufassung des Grundbuchdatenbestandes gemäß § 69 GBVfg.
Dabei dient SOLUM als Verfahren der Dateneingabe. Der Grundbuchinhalt wird externen
Benutzern wie Banken, Kreditinstituten und Notaren im automatisierten Abrufverfahren für
die Einsicht zur Verfügung gestellt. Die Hardware-Ausstattung der sächsischen
Grundbuchämter für SOLUM-STAR ist durch einen privatwirtschaftlichen
Finanzierungsvertrag gewährleistet.
Automatisiertes Grundbuch- und Liegenschaftsbuchverfahren (AGLB)
AGLB ist eine Datenbank der Vermessungsverwaltung. Ein Duplikat der Datenbank wird auf
dem lokalen Rechner der Grundbuchämter geführt. Das AGLB besteht aus einer
Flurstücksdatei, die durch die Vermessungsämter erstellt wird, und einer
Eigentümerdatei, die durch die Grundbuchämter aktualisiert wird. Die Datenbank dient den
Grundbuchämtern als Suchverzeichnis und Auskunftsdatei gemäß § 12a GBO.
Die direkte Dateneingabe durch die Grundbuchämter ersetzt die Fortsetzungsmitteilungen
gemäß § 55 GBO, die die Grundbuchämter an die Vermessungsämter zu erteilen haben
(Veränderungslisten).
Kostenprogramm für Grundbuchämter (SOLKOST)
SOLKOST ist ein Teil von SOLUM und in das elektronische Grundbuch eingebunden. Es
realisiert die Kosten-Soll-Stellungen sowie die Eingabe von Kostentatbeständen und die
Berechnung der Kosten.
Registergerichte
Die Registergerichte verwenden das Programm HAREG. HAREG ist eine Datenbank-Anwendung
zur Führung des Handelsregisters in Papierform. Das System umfaßt im wesentlichen einen
Eintragungseditor und Funktionen zum Arbeiten in der Datenbank.
Gemeinsam mit den Landesjustizverwaltungen der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und
Sachsen-Anhalt arbeitet Sachsen an der Entwicklung eines maschinell geführten
Handelsregisters. Zielstellung ist es, die bisherigen einschlägigen Register nicht mehr
in Papierform, sondern auf EDV zu führen. Ein automatisiertes Abrufverfahren erlaubt den
Zugriff auf die wesentlichen Registerdaten ohne Einsichtnahme vor Ort in den
Registergerichten. Im Sinne des "business process re-engineering" soll durch
eine Vorgangssteuerung die Bearbeitung der Registersachen optimiert werden.
Die Vormundschaftsgerichte verwenden das Programm VORMTEXT. Es handelt sich dabei um
ein Programm, das die gesamte Registerführung und die Fristenüberwachung integriert und
zudem das Erstellen des Schreibwerks der Vormundschaftsgerichte beim Amtsgericht erlaubt.
Gesteuert werden die Arbeitsabläufe in VORMTEXT von einer zentralen Datenbank, die
sämtliche Daten enthält, auf den die Verfahrensdurchführung beruht. Textbausteine
können verfahrensbezogen abgerufen werden.
In den Nachlaßabteilungen kommt NACHTEXT zum Einsatz. Um zentrale Datenbanken herum
angelegt erlaubt NACHTEXT die Abarbeitung der nachlaßbezogenen Gerichtshandlungen unter
Einsatz von Textbausteinen. Bei der Fertigung der Niederschrift im Nachlaßtermin mit
NACHTEXT wird der Rechtspfleger logisch durch das Verfahren geführt. Er erstellt zum
Beispiel die Niederschrift durch Beantworten von Abfragen des Programms. Die Führung von
Erbrechtsregister und Namensverzeichnis zum Erbrechtsregister sowie des
Testamentsregisters wird durch das Programm erledigt.
Der Kostenberechnungsteil in Nachlaßsachen wird durch das Programm NACHKOST erledigt.
Dem Konkurs-/Gesamtvollstreckungsverfahren widmet sich das Programm KOKA. KOKA ist ein
Verfahren zur Geschäftsstellen-Automation, das einen Großteil der gerichtlichen
Verfahren im Rahmen der genannten Verfahrensarten abdeckt. KOKA wird insgesamt an die
Insolvenzordnung angepaßt und in diesem Rahmen weiterentwickelt zum Verfahren INKA. INKA
zielt auf ein anspruchsvolles Konzept der Auskunftserteilung auf Anfragen vielfältiger
Art. Integriert sind die nötigen Unterstützungshandlungen etwa im Rahmen des Ansetzens
und Verwaltens von Terminen. Im Rahmen dieser Ablaufsunterstützung kann das gesamte
Schreibwerk erledigt werden.
Insgesamt wird bei der EDV-Unterstützung der Justiz darauf Wert gelegt, daß die
Arbeitsplätze von Richtern in Abhängigkeit vom Aufgabengebiet mit PC´s ausgestattet
werden. Dies gilt insbesondere für Richter in Familiensachen. Die PC´s werden vernetzt
eingesetzt und haben Zugriff auf die in den jeweiligen Verfahren gespeicherten Stammdaten.
juris
Die juris-Datenbanken stehen innerhalb der Justiz auf der Grundlage eines
Landesvertrages bereit.
Sachsen-Anhalt
Geschäftsstellenautomation/Service-Einheiten bei Amts- und Landgerichten
In Kooperation mit Niedersachsen und Hessen wird für die Automationsunterstützung in
amts- und landgerichtlichen Zivilsachen das Programmsystem "EUREKA" verwendet.
Die Einführung des Programms ist mit der Umstellung der Organisation auf
Service-Einheiten synchronisiert.
Automationsunterstützung beim OLG Naumburg
Das OLG Naumburg verwendet ein Bürokommunikationssystem, das u.a. den PC-Einsatz zur
Protokollführung im Sitzungssaal integriert. Der Umstieg auf eine OLG-EUREKA-Lösung ist
geplant.
juris-Nutzung
Bei 19 Gerichten und Justizbehörden des Landes kann juris genutzt werden. Das OLG
Naumburg erfaßt seine Rechtsprechung in einer eigenen Rechtsprechungsdatenbank.
Automationsunterstützung am Richterarbeitsplatz
über die Automationsunterstützung durch EUREKA hinaus werden an Amts- und
Landgerichten 127 Einzelplatz-PC´s eingesetzt, dies vor allem in Familien- und
Zivilprozeßsachen. Die Software setzt sich aus Standardsoftware und Programmen zur
Unterstützung der richterlichen Tätigkeit zusammen.
Schleswig-Holstein
Vor dem Hintergrund einer historisch gewachsenen heterogenen Struktur (Software SIJUS
und Bürokommunikationslösung BUTLER, Eritronzentraleinheiten etc.) hat sich
Schleswig-Holstein dazu entschlossen, mit Hilfe des Systems MEGA eine Modernisierung und
Vereinheitlichung durchzuführen. MEGA ist eine Kooperation der drei Länder
Schleswig-Holstein, Brandenburg und Thüringen. Es handelt sich dabei um eine modular
aufgebaute Anwenderlösung für die Justiz, die für Hard- und Software ausschließlich
Standardprodukte verwendet. Von den insgesamt fast 2.300 Arbeitsplätzen in den 28
Amtsgerichten des Landes Schleswig-Holstein sollen bis zum Jahr 2001 die ca. 1.900
Arbeitsplätze der Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern sowie
des Büro- und Schreibdienstes ausgestattet werden. Pro Arbeitsplatz rechnet man mit
Kosten von 28.500.-DM Investitionskosten pro Arbeitsplatz, was zu einem Gesamtvolumen von
über 53 Millionen DM führt. Von 1995 bis 1998 sind bereits acht Amtsgerichte umgestellt
worden, darunter die größten Amtsgerichte des Landes in Kiel und Lübeck. Im Verlauf des
Jahres 1999 werden fünf weitere Amtsgerichte folgen. Die Anwendung MEGA befindet sich in
einer laufenden Fortentwicklung. Inzwischen sind die Module für Landgerichte und
Oberlandesgerichte verfügbar. In Schleswig-Holstein wird der Einsatz in den Landgerichten
und im Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorbereitet. Das Verfahren
MEGA-Landgerichte soll beim Landgericht Lübeck pilotiert werden. Für das neue
Insolvenzrecht wird MEGA-InsO eingesetzt, eine Entwicklung im Auftrag von
Schleswig-Holstein und Brandenburg.
Parallel zu den allgemeinen Reorganisationsmaßnahmen in den Amtsgerichten haben
Vorarbeiten für ein elektronisches Grundbuch begonnen. In Kooperation mit der
Landesjustizverwaltung Mecklenburg-Vorpommern ist ein Entwicklungsauftrag an eine externe
Firma vergeben worden. Die Planung und Einführung des elektronischen Grundbuchs ist durch
die IT-Kommission und das Kabinett befürwortet worden. Die Pilotierung soll 1999
stattfinden.
(Vgl. zu den datenschutzrechtlichen Aspekten von MEGA den 19. Tätigkeitsbericht des
schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten unter 4.4.1, http://www2.bdaserver.de/bda/nat/ldsh/TB19/KAP4_4.HTM#Tz4.4.1)
Die juris-Datenbanken stehen für das Informationsmanagement der Gerichte im Rahmen
eines Landesvertrages zur Verfügung.
Thüringen
Thüringen hat sich dem MEGA (Mehrländer Gerichtsautomation)-System
angeschlossen, das für die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte in den Justizverwaltungen
der Länder Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Thüringen entwickelt wird.
Folgende Module sind fertiggestellt und im Einsatz: Die Zivillösung und die
Familienlösung auf Oberlandesgerichtsebene, die Zivillösung für die Landgerichte, die
Zivillösung und die Familienlösung bei den Amtsgerichten, die Insolvenzkomponente und
die Nachlaßkomponente (zu 80%).
Eine bereits weit fortgeschrittene Ausstattung der Justizarbeitsplätze mit der
nötigen Technologie soll bis zum Jahre 2000 vervollständigt werden.
Die juris-Datenbanken können innerhalb der Justiz auf der Basis eines Landesvertrages
recherchiert werden.
Zusammenfassung
Die EDV bei Gericht in Deutschland bildet, wie die vorstehende Beschreibung erwiesen
hat, kein einheitliches Bild. Alt-EDV-Lösungen koexistieren mit zeitgemäßen
Architekturen. Client-Server-Lösungen und neuere Programmiersprachen sind im Vordringen
begriffen. Netze als Grundinfrastruktur sind vorhanden bzw. in Planung. Die Intranets
modellieren sich dabei in Anlehnung an die Internet-Standardisierungen. Eine
vereinheitlichende Wirkung innerhalb der Heterogenität geht von Entwicklungspools und
Konsortien aus, die Gruppen von Ländern miteinander gebildet haben (z.B. MEGA für
Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Thüringen). Pläne zur Vollausstattung der
Justiz mit EDV existieren in zahlreichen Ländern mit einem Planungshorizont jenseits der
Jahrtausendwende. Ein weiterer, deutlich zu beobachtender Trend geht hin zu
(voll-)elektronischen Registern mit Schnittstellen nach außen, für die die gesetzlichen
Möglichkeiten jetzt durchgehend geschaffen sind. Der Richterarbeitsplatz hat in
integrativer Sicht mit den neuen "Service-Einheiten" überall die verdiente
Aufmerksamkeit gefunden. Der Einbau eines zeitgemäßen Informationsmanagements
einschließlich der Datenbanknutzung (hier vor allem der juris-Datenbanken und
gerichtseigener Datenbanken) ist ein durchlaufender Faktor des EDV-Einsatzes. Als deutsche
Besonderheit muß die von Datenschutzbeauftragten des öfteren angemerkte Spannungslage
von Implementierungseinzelheiten zum datenschutzrechtlichen Rahmen festgehalten werden.
Leitende Motive der EDV-Ausstattung zielen den politischen Erklärungen nach auf
Verfahrensbeschleunigung und Personaleinsparungen. Aus richterlicher und
wissenschaftlicher Sicht wird demgegenüber in erster Linie auf die Möglichkeiten der
Qualitätsverbesserung hingewiesen (vgl. Herberger, Can computing in the law contribute
to more justice?, JurPC Web-Dok. 84/1998, http://www.jura.uni-sb.de/jurpc/aufsatz/19980084.htm).
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