Dieter Bindzus Karl-Heinz Musset
Das Kindschaftsverhältnis
Auszug aus: Grundzüge des Jugendrechts (3. Kapitel)
| Gliederung |
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1. | Kindschaftsrechtsreform von 1998 |
2. | System und Leitbild |
3. | Abstammung |
4. | Adoption Minderjähriger (Annahme als Kind) |
5. | Allgemeine Wirkungen der Kindschaft |
6. | Elterliche Sorge |
7. | Staat und elterliche Sorge |
8. | Vormundschaft und Pflegschaft |
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RandNr.
1. Kindschaftsrechtsreform von 1998
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Die letzte große Reform des
Kindschaftsrechts ist am 1.4. bzw. 1. 7. 1998 nicht durch ein
einheitliches Gesetz, sondern aus taktischen Gründen in vier
verschiedenen Gesetzen, dem Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG), dem
Beistandschaftsgesetz, dem Erbrechtsgleichstellungsgesetz
(ErbGleichG) und dem Kindesunterhaltsgesetz (KindUG) vollzogen
worden.
Ziele der Kindschaftsrechtsreform waren
neben der Verwirklichung der im Grundgesetz bereits vorgegebenen
Gleichstellung aller Kinder, die Verbesserung der Kindesrechte
und die Stärkung der Rechtsposition der Eltern. Das
führte zur Aufgabe der Differenzierung zwischen ehelichen und
nichtehelichen Kindern, soweit es sachlich geboten war. Folgerichtige
Konsequenz daraus war die Aufgabe der Legitimation nichtehelicher Kinder
durch nachfolgende Ehe der Eltern oder durch Ehelicherklärung auf Antrag
des Vaters bzw. des Kindes (§§ 1719 ff. BGB a. F.). Die
gesetzliche Verankerung der gemeinsamen elterlichen Sorge
(Elternverantwortung) nicht verheirateter Eltern sowie die Aufrechterhaltung der
gemeinsamen elterlichen Sorge nach Trennung oder Scheidung war der
zentrale Punkt bei der Stärkung der Elternrechte. Nicht zuletzt
sollte die Kindschaftsrechtsreform auch das bisher geltende Recht
vereinfachen und überschaubarer machen.
Im einzelnen erfassen die Reformgesetze fast das
gesamte Familienrecht. Das geht von der Abstammung über die
elterliche Sorge, die Adoption, das Namensrecht und
Umgangsrecht bis hin zum Unterhaltsrecht. In den genannten
Bereichen wird durch sie auch das Verfahrensrecht berührt. In der
Zuständigkeit für Kindschaftssachen wurde das Gewicht zwischen
Vormundschaftsgericht und FamG zum FamG hin verschoben, ohne daß
man sich allerdings auf ein einziges "großes" Gericht
einigen konnte. In nicht unerheblichen Umfang ändern die Reformgesetze auch
das im Zweiten Teil des Buches dargestellte Jugendhilferecht (vgl. unten
RN 288).
2. System und Leitbild
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Fall 6: "Die unterbundenen Kontakte zum krebskranken Vater"
Während eines Krankenhausaufenthaltes seines
krebskranken nichtehelichen Vaters und Adoptivvaters A fuhr der volljährige
B diesen zweimal in dessen Ehewohnung. Dort holte sich der Vater im Beisein des
B einige dringend benötigte Sachen. Die Ehefrau C des Vaters ließ
daraufhin gegen B durch Anwaltsschreiben unter Berufung auf ihren Mitbesitz an
der Wohnung ein Hausverbot aussprechen.
Wenige Tage später wurde der Vater aus der
Klinik in die Ehewohnung entlassen, da er nicht im Krankenhaus sterben wollte.
Von dort aus verhinderte C telefonische Kontaktaufnahmen zwischen B und seinem Vater, indem sie bei Anrufen des B erklärte, daß er seinen Vater nicht
sprechen könne. Als B seinen Vater besuchen wollte, öffnete C die
Wohnungstür nicht. Über einen ihrer Söhne ließ sie B
mitteilen, sie werde Auskünfte über den Zustand seines Vaters nur noch
an dessen Ehefrau erteilen; im übrigen bliebe das ihm gegenüber
ausgesprochene Hausverbot weiter aufrecht erhalten.
B möchte von seinem Rechtsanwalt wissen, ob
ihm tagsüber ein persönliches oder doch zumindest ein telefonisches
Zugangsrecht zu seinem krebskranken Vater, mit dessen Ableben alsbald zu rechnen
sei, zustehe.
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Durch die Abstammung wird das Kind seinen
(leiblichen) Eltern rechtlich zugeordnet. Daneben kennt das Recht noch als
weitere Möglichkeit der Zuordnung eines Kindes zu seinen Eltern die
Adoption (Annahme als Kind). Die rechtliche Zuordnung des Kindes
zu seinen Eltern wird als Kindschaftsverhältnis bezeichnet. Es
begründet zwischen den Eltern und dem Kind vielseitige
Rechtsbeziehungen, von denen im folgenden schwerpunktmäßig die
elterliche Sorge und das Unterhaltsrecht behandelt
werden.
Aus dem Kindschaftsverhältnis leitet das
Kind aber auch eigene Rechtspositionen ab. Insoweit werden nachfolgend
Namens-, Wohnsitz- und Staatsangehörigkeitsrecht
dargestellt. Eingegangen wird ebenfalls auf die durch das
Kindschaftsverhältnis begründeten Pflichten des Kindes seinen
Eltern gegenüber. Durch den Status als Kind wird ein auf
Dauer angelegtes Rechtsverhältnis geschaffen. Im Laufe der
Kindesentwicklung wandelt sich das Kindschaftsverhältnis inhaltlich.
Typische Fälle dafür sind: Erreichen der Volljährigkeit,
Heirat des Kindes und Ausscheiden des Kindes aus dem Elternhaus.
Den am schwersten wiegenden Eingriff in das Kindschaftsverhältnis
stellt die Adoption (Annahme als Kind) dar, weil durch sie das
ursprüngliche Kindschaftsverhältnis gänzlich aufgehoben und ein
völlig neues begründet wird.
Der durch das Kindschaftsverhältnis
begründeten Eltern-Kind-Beziehung liegt die Konzeption der Familie
als einer auf Partnerschaft beruhenden sozialen Einheit zugrunde. Ihr
Leitbild ist die gegenseitige Pflicht zu Beistand und
Rücksichtnahme von Eltern und Kind (§ 1618 a BGB),
die frei von einseitigem Anspruchs- und Herrschaftsdenken sein
sollte.
Das in diesem Familienmodell manifestierte
lebenslange Solidaritätsgebot überlagert und durchdringt alle
Regelungen des Kindschaftsverhältnisses. Es soll auch nicht zuletzt zu
einer größeren Unabhängigkeit und
Selbständigkeit der Familie als grundgesetzlich garantierter
Institution beitragen, um den ihr von außen und innen drohenden
Gefährdungen entgegenwirken.
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Die Pflicht zur Beistandsleistung gilt
für alle Lebensumstände und verpflichtet die einzelnen
Familienmitglieder vor allem in Notlagen (z. B. bei Krankheit und
Gebrechlichkeit) zur wechselseitigen Unterstützung und Hilfeleistung.
Aktuell wird die Pflicht zur Beistandsleistung, vorwiegend ihr Umfang und ihre
Reichweite, bei Konflikten und Problemen innerhalb der Familie.
Die damit in Zusammenhang stehende Pflicht zur Rücksichtnahme
betrifft den Umgang der einzelnen Familienmitglieder untereinander. Sie
beinhaltet das Zurückstellen eigener Wünsche hinter die Belange
der Familie oder einzelner Familienmitglieder und enthält gleichzeitig auch
die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung. Natürlich hat der
Umfang des Anspruches und der Verpflichtung den
Lebensumständen der einzelnen Familienmitglieder Rechnung zu tragen.
Bei seiner Konkretisierung sind Gegebenheiten wie Alter, Gesundheitszustand und
wirtschaftliche Verhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen.
Umstritten ist, ob und inwieweit die Pflicht zu Beistand und Rücksichtnahme
auch zwischen Geschwistern gilt und ob beim mit seinem Kind
zusammenlebenden nichtehelichen Vater Einschränkungen zu machen
sind.
Die Verpflichtung zu Beistand und
Rücksichtnahme, die sicherlich einen Wesensbestandteil der Familie
überhaupt bildet, ist erst 1979 durch das "Gesetz zur Neuregelung der
elterlichen Sorge" als ausdrückliche gesetzliche Bestimmung das BGB
eingefügt worden (§ 1618 a BGB). Weitgehend ungeklärt
ist aber immer noch, ob an den Verstoß dieser Rechtspflicht
unmittelbar einklagbare Rechtsfolgen geknüpft sind. Vereinzelt wird
ihr aber bereits zugebilligt, daß sie wegen ihres weitgespannten
Anwendungsbereiches die Chance hat, zur "Goldenen Regel des
Kindschaftsrechts" zu werden.
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Lösungsskizze zu Fall 6
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des
B gegen C, ihm den persönlichen oder doch zumindest telefonischen Kontakt
zu seinem Vater A in der ehelichen Wohnung von A und B zu gestatten, kommt
§ 1004 I
i. V. m.
§ 823 I, II BGB in Betracht. Aus § 1004 I BGB kann
der Berechtigte einen Beseitigungsanspruch zur Abwehr gegenwärtiger
Beeinträchtigungen bzw. einen Unterlassungsanspruch zur Abwehr
künftiger Beeinträchtigungen herleiten. Zwar schützt
§ 1004 BGB unmittelbar nur das Eigentum, doch stellt die Rspr. in
entsprechender (analoger) Anwendung dieser Vorschrift alle absoluten Rechte
i. S. v.
§ 823 I BGB sowie die von den Schutzgesetzen
i. S. v.
§ 823 II BGB geschützten Rechtsgüter unter den Schutz
dieses Abwehranspruches.
Absolute Rechte
i. S. v.
§ 823 I BGB sind solche subjektiven Rechte, die dem Berechtigten
ein bestimmtes Gut im Verhältnis zu allen anderen Personen so zuordnen,
daß jeder verpflichtet ist, ihm dieses Gut zu lassen und nicht zu
beeinträchtigen. Dazu werden auch die sich aus dem Familienrecht ergebenden
Besuchs- und Zugangsrechte gezählt. Doch wie verhält es sich mit
diesen, wenn das Kind bereits, wie in vorliegendem Fall, volljährig ist?
Hierfür enthält das Familienrecht des BGB zwar keine
ausdrückliche Grundlage, da § 1684 I BGB, wie sich aus dem
Regelungszusammenhang eindeutig ergibt, nur bis zur Volljährigkeit
anwendbar ist, doch ergibt sich ein Kontaktaufnahmerecht des volljährigen
Kindes aus der Generalklausel
§ 1618 a BGB. Wie anders
als durch persönliche Kontaktaufnahme sollte es denn seiner
Hilfeleistungsverpflichtung nachkommen können? C hat daher ein sonstiges
Recht des B
i. S. v.
§ 823 I BGB verletzt, indem sie vorsätzlich (wissentlich und
willentlich), das familiäre Zugangsrecht des B zu seinem Vater vereitelt
hat. Das geschah auch widerrechtlich, weil sie trotz des ihr zustehenden
Mitbesitzes an der gemeinsamen ehelichen Wohnung verpflichtet war, Besuchern
ihres Ehemannes - was für B als Familienangehörigen sogar noch
verstärkt galt - in angemessenem Umfang den Zutritt zu der Wohnung zu
gestatten. Sie war somit keineswegs berechtigt, Besucher ihres Ehemannes mit
einem Hausverbot zu belegen. Aus denselben Gründen war auch die Abweisung
des B durch C am Telefon ein rechtswidriger Eingriff in seine Rechte als naher
Angehöriger.
Allerdings wäre selbst bei Fehlen des
§ 1618 a BGB ein
Kontaktaufnahmerecht des Kindes von Verfassungs wegen geboten. Das
läßt sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
(Art. 2 I
i. V. m.
1 I GG) verfassungsrechtlich herleiten. Der Beseitigungs- bzw.
Unterlassungsanspruch nach § 1004 I BGB analog ergibt sich somit
auch aus dem Verstoß gegen die genannten verfassungsrechtlichen
Bestimmungen, die ein absolutes Recht
i. S. v.
§ 823 I BGB begründen.
Der Rechtsanwalt kann mithin die Frage des B in vollem Umfang bejahen.
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3. Abstammung
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Fall 7: "Der Vertragsbruch der
Leihmütter"
Der Wunsch der Eheleute Anna und Bert auf eigene
Kinder muß unerfüllt bleiben, weil die Ehefrau Anna nicht in der Lage
ist, Kinder auszutragen. Deshalb werden zwei Eizellen von ihr "in
vitro" (im Reagenzglas) mit dem Sperma ihres Ehemannes Bert befruchtet.
Danach werden die befruchteten Embryos der unverheirateten Carla und der
verheirateten Dora mit Einverständnis ihres Ehemannes Emil implantiert.
Carla hatte sich gegen Zahlung von
20 000,- DM, Dora
dagegen unentgeltlich aus reiner Freundschaft bereit erklärt, ein Kind
für die Eheleute Anna und Bert auszutragen. Carla bringt einen Jungen und
Dora ein Mädchen zur Welt. Beide weigern sich später, nachdem sie eine
starke Bindung zu ihren Kindern entwickelt hatten, diese an die Eheleute Anna
und Bert herauszugeben.
Können die Eheleute Anna und Bert im
Klagewege die Herausgabe der Kinder erzwingen oder doch zumindest die
Rückzahlung der
20 000,- DM verlangen?
Zusatzfrage: Mit wem sind die Kinder verwandt?
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3.1. Zuordnung des Kindes
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Unter dem Begriff Abstammung, den man
üblicherweise mit der Herkunft aus der Reihe aller Vorfahren
gleichsetzt, erfaßt das Recht nur die Herkunft von den Eltern.
Jedes Kind stammt von einer Mutter und von einem Vater ab. Diese
Eltern-Kind-Verbindung stellt nicht nur eine natürliche,
blutsmäßige, sondern auch eine rechtliche Beziehung dar. Die
Abstammung legt den Personenstand fest. Dies bedeutet, daß durch
sie das Kind sowohl der Mutter und dem Vater als auch deren Verwandtschaft
rechtlich zugeordnet wird.
Dem Nachweis der Abstammung dienen das
Geburtenbuch und das Familienbuch (§ 60 PStG) sowie die
sonstigen standesamtlichen Urkunden (§ 66 PStG).
92
Das BGB faßt unter den Begriff der
Verwandtschaft die (blutsmäßige) Verwandtschaft
(§ 1589 BGB), die Schwägerschaft (§ 1590 BGB)
und die durch gerichtlichen Ausspruch (Adoptionsdekret)
begründete Verwandtschaft (§ 1741 ff. BGB)
zusammen.
Bei der Verwandtschaft kommt es erheblich auf die
Art und den Grad der Verwandtschaft an, da hiervon
unterschiedliche Rechtswirkungen abhängen. Bei der Art wird grundlegend
zwischen gerader Linie und Seitenlinie unterschieden. Stammen
Personen voneinander ab, sind sie in gerader Linie miteinander
verwandt (§ 1589 Satz 1 BGB). Ein Kind ist danach also sowohl mit
seinen Eltern als auch mit seinen Großeltern in gerader Linie verwandt.
Stammen die Personen von derselben dritten Person ab, ohne in gerader
Linie miteinander verwandt zu sein, sind sie in der Seitenlinie
miteinander verwandt (§ 1589 Satz 2 BGB). Dies gilt
beispielsweise für das Verwandtschaftsverhältnis eines Onkels zu
seinem Neffen, von Vettern und Cousinen sowie von Geschwistern untereinander.
Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie
vermittelnden Geburten (§ 1589 Satz 3 BGB). Eltern und
Kinder sind daher im ersten Grad (in gerader Linie), Großeltern und Enkel
im zweiten Grad (in gerader Linie), Geschwister (Achtung: Hier muß man
über den gemeinschaftlichen Elternteil hinwegzählen!) sind im zweiten
Grad (in Seitenlinie), Onkel und Neffen im dritten Grad (in Seitenlinie), Vetter
und Cousine im vierten Grad (in Seitenlinie) verwandt.
Verwandtschaft wird sowohl durch eheliche
als auch durch nichteheliche Geburt begründet. Allerdings ist erst
seit der Reform des Nichtehelichenrechts im Jahre 1969 das nichteheliche
Kind nicht mehr nur mit seiner Mutter, sondern auch mit seinem leiblichen
Vater und dessen Verwandten verwandt.
Besonders die Verwandtschaft in gerader Linie
kann rechtlich bedeutsame Folgen haben. Vor allem gilt dies für das
Unterhaltsrecht. Nach diesem sind Verwandte in gerader Linie einander
unterhaltspflichtig, wenn sie einerseits bedürftig und andererseits
leistungsfähig sind (§ 1601 ff. BGB). Die Verwandtschaft
begründet darüber hinaus in einer abgestuften Rangfolge ein
gesetzliches Erbrecht (§ 1924 ff. BGB). Auch bei der
Bestellung und der Führung einer Vormundschaft sind Verwandtschaft
und Schwägerschaft von Bedeutung (§§ 1779 II 2, III,
1847 BGB).
Verwandtschaft und Schwägerschaft bringen
aber nicht nur Rechte und Pflichten mit sich, sondern sind auch
Grund für rechtliche Beschränkungen und Verbote.
Beispiele hierfür sind der Ausschluß eines Richters in Sachen seiner
Verwandten oder Verschwägerten (§ 41 Nr. 3 ZPO,
§ 22 Nr. 3 StPO), das Eheverbot zwischen Verwandten in gerader
Linie, zwischen vollbürtigen Geschwistern (dasselbe Elternpaar) und
halbbürtigen Geschwistern (nur ein gemeinsames Elternteil)
(§ 1307 BGB) sowie die Strafbarkeit des Beischlafes zwischen
Verwandten in gerader Linie und zwischen leiblichen Geschwistern
(§ 173 StGB: "Blutschande"). Andererseits bringen
verwandtschaftliche Beziehungen aber auch vor allem prozessuale
Vergünstigungen mit sich. Hier sind beispielhaft das
Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 I Nr. 3 StPO), das
Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO), das Eidesverweigerungsrecht
(§ 63 StPO, § 383 I Nr. 3, § 384
Nr. 1 ZPO) sowie das Angehörigenprivileg im Strafrecht
(§§ 35 I, 139 III, 247, 258 VI, 259 II
i. V. m. § 11 I Nr. 1 StGB u. a.) zu
nennen.
3.2. Abschaffung der Differenzierung zwischen nichtehelicher und ehelicher
Abstammung
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Bei der rechtlichen Ausgestaltung des
Kindschaftsverhältnisses wurde vor der Kindschaftsrechtsreform zwischen
ehelicher und nichtehelicher Abstammung unterschieden. Unter
Berücksichtigung des Verfassungsauftrags der Gleichstellung der
ehelichen und nichtehelich geborenen Kinder (Art. 6 V GG) war die Zahl
der für nichteheliche Kinder geltenden Sonderregelungen vom Gesetzgeber
zwar schon stark eingeschränkt worden, doch gab es solche immer noch auf
dem Gebiet des Namens-, Staatsangehörigkeits-,
Unterhalts- und Erbrechts sowie beim Recht der elterlichen
Sorge. Aus Gründen der Gleichbehandlung dieser beiden Gruppen
von Kindern ist die Differenzierung nunmehr endgültig aufgegeben worden,
ohne daß dieses Ziel in der Sache allerdings vollständig erreicht
werden konnte.
Für Kinder, die vor dem 1. Juli 1998
geboren wurden, hat der Gesetzgeber Übergangsvorschriften geschaffen
(Art. 224 EGBGB).
3.3. Ermittlung der Abstammung
3.3.1. Mutterschaft
94
Erstmalig hat der Gesetzgeber nunmehr auch den
Begriff "Mutter" definiert: "Mutter eines Kindes ist
die Frau, die es geboren hat" (§ 1591 BGB). Diese Aussage
ist deshalb nicht selbstverständlich, weil es die moderne
Fortpflanzungsmedizin (vgl. unten RN 100 ff.) möglich gemacht hat,
daß eine Frau eine befruchtete Eizelle austrägt, die nicht von ihr,
sondern von einer anderen Frau stammt.
Damit ist auch der lange Zeit herrschende Streit
zwischen genetischer und austragender Mutter beendet. Das bedeutet
gleichzeitig, daß sich die Mutterschaft stets sicher feststellen
läßt ("mater semper certa est"). Die nicht zulässige
Ei- bzw. Embryonenspende ist damit zumindest zivilrechtlich
kein Problem mehr: Die Spenderin hat keine Möglichkeit gegen das Kind auf
Feststellung seines genetischen Ursprungs zu klagen; ebenfalls ist wegen der
eindeutigen Definition der Mutterschaft für einen Rechtsstreit auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Eltern-Kind-Verhältnisses (§ 640 II Nr. 1 ZPO) kein
Raum.
3.3.2. Vaterschaft
95
Bereits die Tatsache, daß ein Mann im
Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, begründet die
Vermutung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 BGB). Die
bloße Lebensgemeinschaft mit der Mutter kann die Frage nach der
Vaterschaft noch nicht beantworten. Die Abgrenzung zwischen
ehelicher und nichtehelicher Geburt bleibt insoweit
unverändert bestehen. Die bisherige Kombination von Ehelichkeits-
und Beiwohnungsvermutung ist damit aufgegeben worden. Allein die Geburt
des Kindes in der Ehe macht den Ehemann zum Vater im Rechtssinne. Diese
Verknüpfung von Ehe und Geburt wird allerdings aufgehoben, wenn das Kind
erst nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird
und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des
dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils seine Vaterschaft anerkannt
hat (§ 1599 II 1 BGB). Diese Regelung hat den Vorteil, daß
sie den Beteiligten eine Anfechtungsklage erspart und das Kind zu keinem
Zeitpunkt ohne rechtlichen Vater ist.
Entgegen dem bisherigen Recht ist der geschiedene
Ehemann nicht mehr der Vater eines Kindes, das innerhalb von 302 Tagen nach
Auflösung der Ehe geboren wurde (§§ 1591 ff. BGB
a. F.; arg. § 1592 Nr. 1 BGB n. F.). Anders ist es bei
Auflösung der Ehe durch Tod: wird ein Kind innerhalb von 300 Tagen
nach dem Tod des Ehemannes geboren, gilt der verstorbene Ehemann als
Vater (§ 1593 I 1 BGB). Das ist aber nicht der Fall, wenn die
Witwe innerhalb dieses Zeitraumes wieder geheiratet hat und die Geburt
dem Eheschluß nachfolgt. In diesem Falle, in dem das Kind sowohl
des Kind des früheren Ehemannes (§ 1593 I 1 BGB) als auch
des neuen Ehemannes (§ 1592 Nr. 1 BGB) sein könnte, geht das
Gesetz von der Vaterschaft des neuen Ehemannes aus (§ 1593
I 3 BGB).
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Vater eines Kindes ist auch, wer die Vaterschaft
anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB). Die auch schon vor der Geburt
des Kindes mögliche Anerkennung der Vaterschaft
(§ 1594 IV BGB) ist eine einseitige nicht
empfangsbedürftige (Willens-) Erklärung, die der strengen Form
der öffentlichen Beurkundung unterliegt (§ 1597 I
BGB). Sie muß daher gegenüber einem Notar bzw. dem AG
(§ 62 I Nr. 1 BeurkG) oder gegenüber dem JugA
(§ 59 I Nr. 1 SGB VIII) bzw. dem Standesbeamten
(§ 29 a I PStG) abgegeben werden.
Die Anerkennung ist durch den Mann
widerrufbar, wenn sie ein Jahr nach der Beurkundung noch nicht wirksam
geworden ist (§ 1597 III 1 BGB). Schwebend unwirksam ist
die Anerkennung, solange ein anderer Mann als Vater des Kindes gilt; sie wird
erst nach erfolgreicher Anfechtung von dessen Vaterschaft wirksam (1594 II
BGB). Die Anerkennung bedarf jetzt auch der Zustimmung der Mutter
(§ 1595 I BGB), was gegenüber der Rechtslage vor der
Kindschaftsrechtsreform von 1998 eine Stärkung der rechtlichen Stellung der
Mutter bedeutet. Die Zustimmung des Kindes ist nur erforderlich, wenn der Mutter
insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht (§ 1595 II BGB). Auch
die Zustimmungserklärungen bedürfen im Gegensatz zu früher
der öffentlichen Beurkundung (§ 1597 I BGB).
Angefochten werden kann nur noch die Folge der
Anerkennung, das Bestehen der Vaterschaft selbst (§ 1600 BGB;
§ 640 I ZPO). Anfechtungsberechtigt sind der Mann, der die
Vaterschaft anerkannt hat, die Mutter und das Kind
(§ 1600 BGB). Die Anfechtungsfrist beträgt zwei Jahre
(§ 1600 b I 1
BGB).
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Vater eines Kindes ist schließlich der
Mann, dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist
(§ 1592 Nr. 3 BGB). Im Verfahren auf gerichtliche
Feststellung wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der
Empfängniszeit beigewohnt hat (§ 1600 d II 1 BGB).
Beiwohnung mit der Mutter ist jeder Kontakt, der nach medizinischer
Erfahrung geeignet ist, eine Befruchtung herbeizuführen. Die
künstliche Befruchtung (vgl. RN 100 ff. zu den Techniken der
Fortpflanzungsmedizin) fällt, sofern der Samenspender feststeht, unter den
Begriff "Beiwohnung". Als Empfängniszeit gilt nunmehr
nur noch die Zeit vom 300. bis zum 181. Tag vor der Geburt des Kindes, den
ersten und den letzten Tag ausdrücklich mit eingerechnet
(§ 1600 d III 1 BGB). Steht fest, daß das Kind
außerhalb dieser Empfängniszeit empfangen worden ist, verlängert
sich die entsprechende Frist (§ 1600 III 2 BGB).
Die Vaterschaftsvermutung gilt nicht, wenn
schwerwiegende Zweifel an der (biologischen) Vaterschaft bestehen
(§ 1600 d II 2 BGB). Die Entscheidung über schwerwiegende
Zweifel an der Vaterschaft basiert i. d. R. auf
Sachverständigengutachten (vgl. unten 98 ff.). Der
"Mehrverkehr" (Geschlechtsverkehr der Mutter mit mehreren
Männern während der Empfängniszeit) kann schwerwiegende Zweifel
an der Vaterschaft begründen, die zu Ausschluß der Vaterschaft
führen können.
Die Folgen der Vaterschaftsanerkennung und der
gerichtlichen Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft lassen sich nicht auf
einzelne Rechtswirkungen begrenzen. Sie wirken vielmehr umfassend und
gegen jedermann. Mit ihnen wird rückwirkend auf die Geburt
das Verwandtschaftsverhältnis des nichtehelichen Kindes zum nichtehelichen
Vater mit allen sich hieraus ergebenden rechtlichen Wirkungen
festgestellt.
3.4. Untersuchungsmethoden für den Nachweis der Abstammung
98
Bei ungewisser oder bestrittener
Abstammung birgt deren Nachweis im Einzelfall - i.d.R. wegen
der drohenden Unterhaltsverpflichtungen -
erhebliches Konfliktpotential in sich. Zur
Feststellung bzw. für den Ausschluß der Abstammung sind
eine Reihe Untersuchungsmethoden entwickelt worden, von denen allerdings bisher
keine als sichere Methode zur positiven Feststellung der
Abstammung Anerkennung gefunden hat. Für die Erstellung von
Abstammungsgutachten sind medizinische Untersuchungen notwendig, die alle
Beteiligten (Mutter, Kind und möglicher Vater) zu dulden haben
(§ 372 a ZPO).
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3.5 Untersuchungsmethoden zum Nachweis der
Vaterschaft:
Bei der Blutgruppenuntersuchung
(serologisches Gutachten) werden die Blutfaktoren der beteiligten
Personen (Mutter, Kind und in Betracht kommender Vater) miteinander verglichen
und daraus die Wahrscheinlichkeit der Abstammung anhand der entsprechenden
übereinstimmenden Blutmerkmale errechnet. Die Vorteile dieser
Methode sind zugleich auch ihre Nachteile. Mit Sicherheit kann man mit ihr einen
negativen Abstammungsbeweis (Ausschluß der Vaterschaft einer
Person) erbringen. Ihr Nachteil liegt auf der anderen Seite aber darin,
daß sie einen positiven Vaterschaftsbeweis nicht erbringen kann.
Diese Aussage gilt in gleicher Weise für das andrologische
Gutachten, das lediglich die Unmöglichkeit einer Vaterschaft durch die
positive Feststellung der Zeugungsunfähigkeit eines Mannes
beweisen kann.
Ein weiteres Verfahren, das auf Erkenntnisse der
klassischen Genetik zurückgreift, ist das serostatische Verfahren.
Bei ihm werden bestimmte vererbliche Bluteigenschaften der untersuchten
Personen mit der Häufigkeit ihres Vorkommens in der Bevölkerung
verglichen. Daraus werden Plausibilitäten für und gegen die
Abstammung errechnet, die zu einer Wahrscheinlichkeit bis zu 99.73% (Abstammung
praktisch erwiesen) oder 0.27% (Abstammung praktisch ausgeschlossen)
führen. Ihre Aussagekraft ist höchstrichterlich
grundsätzlich anerkannt (BGHZ 61, 170; 65, 171). Allerdings gibt es
innerhalb dieses Systems verschiedene Bewertungsmethoden, die teilweise noch
umstritten sind. Ihre Entwicklung schreitet aber voran und wird voraussichtlich
zu immer zuverlässigeren Ergebnissen bei der Feststellung der Abstammung
führen.
Beim anthropologisch-erbbiologischen
Verfahren werden bis zu 300 vererbbare phänotypische
(äußere) Merkmale wie z. B. die Form des Kopfes, des Gesichtes
oder der Wirbelsäule beim Kind und dem vermuteten Erzeuger miteinander
verglichen. Dies ist allerdings hinsichtlich verschiedener Merkmale des sich
entwickelnden Kindes erst ab dem vierten Lebensjahr möglich. Die Nachteile
dieser Untersuchungsmethode liegen auf der Hand. Sie kommt im Ergebnis nur zu
Annäherungswerten, bestenfalls zur Wahrscheinlichkeit der
Vaterschaft.
Besonders wenig Aussagekraft hat das sogenannte
Fertilitäts- bzw. Tragezeitgutachten. Bei diesem werden
Schlüsse aus dem Zusammenhang der Schwangerschaftsdauer und den
Reifemerkmalen des Kindes gezogen. Es ist ungeeignet für den
positiven Vaterschaftsnachweis, kann aber bei ungewöhnlich kurzen oder
langen Tragezeiten die Vaterschaft ausschließen. Wegen seiner begrenzten
Aussagekraft wird es allenfalls als Ergänzung zu den geschilderten
Gutachtenmethoden herangezogen.
Aktuell und zukunftsträchtig ist die
DNA-Analyse ("genetischer Fingerabdruck"). Sie basiert auf
verschiedenen Untersuchungen der Erbsubstanz und ermöglicht den
positiven Vaterschaftsnachweis. Zur Verstärkung serologischer
Ergebnisse hat sie sich bereits verdient gemacht. Neben ihrer hohen Genauigkeit
sprechen auch noch die wesentlich geringeren Kosten gegenüber
herkömmlichen Abstammungsnachweisen für eine Verbreiterung ihrer
Anwendung. Bei den offensichtlich gegebenen Vorteilen kann es nur verwundern,
daß nach der noch herrschenden Rspr. keine Verpflichtung der Gerichte zur
Einholung eines DNA-Gutachtens besteht.
3.5. Abstammungszuordnung künstlich gezeugter Kinder
100
Anders als noch zur Zeit des Inkrafttretens des
BGB (1900) macht es die Fortpflanzungsmedizin heute möglich,
daß ein Kind nicht im Wege des Beischlafs, sondern künstlich mittels
medizinischer Fortpflanzungshilfen gezeugt wird. Ziel der
"assistierten" Zeugung ist es, (Ehe-) Partnern (eigenen)
Nachwuchs zu ermöglichen, bei denen die Ehefrau
("Wunschmutter") auf natürliche Weise kein Kind empfangen oder
austragen und/oder der Ehemann ("Wunschvater") kein Kind zeugen
kann.
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Die Fortpflanzungsmedizin unterscheidet zwischen
der künstlichen Insemination (Besamung) und der künstlichen
Fertilisation (Befruchtung).
Die künstliche Insemination ist dadurch
gekennzeichnet, daß die Eizelle der Ehefrau ("Wunschmutter")
in ihrem Körper ("in vivo") mit dem Sperma (Samen) des
Ehemannes (homologe Insemination) oder eines (oft sogar unbekannten)
Dritten im Wege der Samenspende (heterologe Insemination) befruchtet
wird. Dabei ist es heute sogar schon möglich, eine männliche Keimzelle
direkt in die Eizelle der Frau zu injizieren
(Mikroinjektion).
Bei der künstlichen Fertilisation
wird eine Eizelle der Ehefrau ("Wunschmutter") oder einer anderen
Frau ("Eispenderin") homolog mit dem Sperma des Ehemannes
("Wunschvaters") oder heterolog mit dem Samen eines Dritten im
Reagenzglas ("in vitro") befruchtet. Der bei dieser
Befruchtung ("extrakorporale bzw. in vitro
Fertilisation") erzeugte Embryo wird in den Körper der
Wunschmutter übertragen. Diese trägt dann das Kind aus. Daneben gibt
es noch die Embryotransplantation ("Embryotransfer"). Bei
dieser wird im Körper einer anderen Frau eine Eizelle mit dem Samen des
Wunschvaters (homolog) oder eines Dritten (heterolog) befruchtet. Der daraus
entstehende Embryo wird danach in den Körper der Wunschmutter
transplantiert, die später das Kind austrägt.
102
Die Befruchtung im Wege der künstlichen
Insemination (Besamung) und der künstlichen Fertilisation (Befruchtung)
stehen der Zeugung im Wege des Beischlafs gleich. Aus diesem Grunde sind die
rechtlichen Regeln für die Zuordnung eines Kindes zu Vater und Mutter sowie
deren Verwandten auch für das mit Hilfe der Fortpflanzungsmedizin gezeugte
Kind anzuwenden.
Daher gilt: Wird die Ehefrau mit dem Samen des
Ehemannes künstlich befruchtet (homologe Insemination) bzw. eine Eizelle
der Ehefrau mit dem Samen des Ehemannes "in vitro" befruchtet, der
Embryo in die Gebärmutter der Ehefrau transferiert, die dann das Kind
austrägt (homologe Fertilisation), entsteht das Kindschaftsverhältnis
zwischen Ehefrau/Ehemann und dem Kind. Das ist auch so lange einleuchtend, als
sowohl der Samen als auch die Eizelle "wie im Normalfall" von den
Eheleuten stammen und die fortpflanzungsmedizinische Maßnahme lediglich
den zur Zeugung eines Kindes erforderlichen Beischlaf zwischen den Eheleuten
ersetzt.
Rechtlich interessant wird es erst, wenn Embryo
und/oder Samen nicht von den Eheleuten stammen. Hierbei muß
man klar zwischen Samen- und Embryospende differenzieren. Bei der
Samenspende eines Dritten (heterologe Insemination) ist die Zuordnung
entsprechend den für den Normalfall im BGB vorgesehenen Regelungen
(Abstammungsvermutung für den Ehemann und die gebärende Ehefrau) zu
treffen.
Danach gilt: Das Kind wird der gebärenden
Ehefrau und ihrem Ehemann rechtlich als deren eheliches Kind
zugeordnet. Ist die gebärende Frau nicht verheiratet, so ist
(nichtehelicher) Vater derjenige, der das Kind anerkennt bzw.
dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird. Diese Regelung ist aus
Sicht des BGB-Gesetzgebers leicht verständlich, denn die Situation,
daß der Ehemann und der Erzeuger eines Kindes nicht identisch sind, gab es
auch bei Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches.
103
Rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der
Zuordnung treten aber bei der künstlichen Fertilisation und der
Embryotransplantation ("Embryotransfer") auf. Beide Verfahren
könnten zu einer "gespaltenen Mutterschaft" führen.
Darunter versteht man eine Mutterschaft, bei der die genetische Mutter
nicht mit der das Kind austragenden Ersatzmutter
(§ 13 a AdVermiG), auch
Gast-, Leih- bzw. Mietmutter genannt, identisch ist. Die bei der rechtlichen
Einordnung der "gespaltenen Mutterschaft" entstehenden
Schwierigkeiten lassen sich nur aus der Sicht des medizinischen Kenntnisstandes
des BGB-Gesetzgebers verstehen. Naturgesetzlich stand damals fest, daß die
genetische mit der gebärenden Mutter identisch ist.
Deshalb knüpft das BGB bis heute die Zuordnung des Kindes
ausnahmslos an die Geburt.
Was aber gilt rechtlich bei einer
"gespaltenen Mutterschaft"? Nach der jetzt geltenden Rechtslage ist
die austragende Frau und nicht etwa die Frau, von der die Eizelle stammt,
allein die Mutter des Kindes (§ 1591 BGB). Die
Feststellung des Gesetzgebers ("mater semper certa est")
überzeugt, zumal sie einfach und eindeutig ist. Zudem kann sie sich zur
Begründung auch noch auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung
berufen. Es wäre nämlich kaum vermittelbar, warum die
Ersatzmutterschaft einerseits gesetzlich verboten (§ 1 I
Nr. 7 ESchG; § 13 c u. d AdVermG) sein soll, aber
andererseits dennoch zur Zuordnung des Kindes zur Wunschmutter als Mutter im
Rechtssinne führen soll. Das käme praktisch einer nachträglichen
Rechtfertigung der verbotenen Ersatzmutterschaft gleich.
3.6. Anfechtung der Vaterschaft
104
In dem Verfahren auf Anfechtung der
Vaterschaft werden die bisherige Ehelichkeitsanfechtung
(§§ 1594 ff. BGB a. F.) und die Anfechtung der
Vaterschaftsanerkennung
(§§ 1600 f ff.
BGB a. F.) zu einer einheitlichen Anfechtungsklage
(§§ 1600-1600 c,
1600 e BGB) zusammengefaßt.
Die aufgrund der Ehe mit der Mutter oder durch Anerkennung angenommene
Vaterschaft basiert auf der Vermutung, daß das Kind von dem Manne
abstammt, dessen Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593
BGB besteht (§ 1600 c I
BGB).
Anfechtbar sind mithin die Vaterschaft
durch Ehe mit der Mutter (§§ 1592 Nr. 1 BGB) und die
Vaterschaft durch Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB),
während die Vaterschaft durch gerichtliche Feststellung
(§ 1592 Nr. 3 BGB) allenfalls mit dem (außerordentlichen)
Rechtsmittel der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben werden kann
(§§ 578, 641 i ZPO).
105
Für das Verfahren zur Feststellung
der Vaterschaft ist ausschließlich das FamG (Amtsgericht)
zuständig (§ 1600 e
I BGB). Berechtigt zur Feststellungsklage sind der Mann, das Kind
und (neuerdings auch) die Mutter (§ 1600 BGB). Die
Anfechtungsfrist beträgt zwei Jahre, beginnend mit Kenntnis
der gegen die Vaterschaft sprechenden Umstände
(§ 1600 b I 1 BGB),
frühestens aber ab Geburt des Kindes bzw. wirksamer Anerkennung der
Vaterschaft (§ 1600 b II 1 BGB). Hat der gesetzliche Vertreter
eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig
angefochten, kann das Kind nach Eintritt der Volljährigkeit selbst
anfechten (§ 1600 b III 1
BGB).
3.7. Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung
106
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt
sich fast zwangsläufig die Frage, ob der Mensch einen Rechtsanspruch
auf Kenntnis seiner Abstammung hat. Da das BGB in keiner Norm dazu eine
(zumindest) direkte Aussage trifft, könnte sich die Anwort aus der
(höherrangigen) Verfassung ergeben. Tatsächlich hat dann auch das
BVerfG festgestellt, daß das grundrechtlich geschützte
allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I, 1 I GG)
auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung
mitumfaßt, allerdings seinerseits durch Rechte Dritter - wie
beispielsweise die grundrechtlich geschützte Privatsphäre der
Mutter - eingeschränkt sein kann. Mithin besitzt jedes Kind einen
gegen beide Elternteile gerichteten höchtspersönlichen
Auskunftsanspruch über seine Abstammung.
Die Offenbarungspflicht der Eltern ergibt
sich auch aus familienrechtlichen Vorschriften: für das minderjährige
Kind aus der dem Kindeswohl verpflichteten elterlichen Sorge
(§ 1626 I BGB) und für das bereits volljährige Kind aus
der Pflicht zu gegenseitigem Beistand und gegenseitiger
Rücksichtnahme zwischen Eltern- und Kindern (§ 1618 a
BGB in Verbindung mit Art. 2 I, 1 I GG).
107
Lösungsskizze zu Fall 7
Die Eheleute Anna und Bert haben einen Anspruch
auf die Herausgabe der von Carla und Dora geborenen Kinder, wenn ihnen das
elterliche Sorgerecht zusteht (§§ 1632 I, 1626 I BGB).
Das setzt voraus, daß die Eheleute mit Geburt der beiden Kinder deren
Eltern, also deren Mutter und Vater im Rechtssinne, geworden sind. Die Frage der
Zuordnung der Kinder zu den Eltern ist ihrerseits davon abhängig, wer
jeweils Mutter der beiden Kinder geworden ist. Es ist also zu klären, ob
die Kinder rechtlich der Ehefrau Anna, von der sie genetisch abstammen, oder
Carla bzw. Dora, die sie geboren haben, zuzuordnen sind. Das BGB enthielt bis
zur Reform des Kindschaftsrechts im Jahre 1998 - außer für den
Fall der Adoption - keine Vorschriften über die Begründung der
Mutterschaft. Es setzte vielmehr nach dem medizinischen Kenntnissstand der
damaligen Zeit stillschweigend die Identität von genetischer und
gebärender Mutter voraus. Auf Grund der Möglichkeiten der
Fortpflanzungsmedizin ist diese Identität hier nicht gegeben. Es liegt
daher eine "gespaltene Mutterschaft" vor. Nach jetzt geltender
Gesetzeslage ist unabhängig davon, wie die Kinder erzeugt worden sind, die
Geburt richtigerweise als Anknüpfungspunkt für die Begründung der
Mutterschaft heranzuziehen (§ 1591 BGB).
Mutter der beiden Kinder ist mithin nicht Anna,
von der sie genetisch abstammen, sondern Carla und Dora jeweils für das
Kind, das sie ausgetragen haben. Ehelicher Vater des von Dora ausgetragenen
Kindes ist ihr Ehemann Emil, da es während deren bestehender Ehe geboren
worden ist (§ 1592 Nr. 1 BGB). Angesichts der Tatsache, daß
die künstliche Fertilisation einer Beiwohnung gleichzusetzen ist, stehen
auch die Umstände der Zeugung seiner Vaterschaft nicht entgegen. Wenn man
die Vaterschaft des genetischen Vaters Bert rechtlich begründen wollte,
müßte demnach zunächst einmal die Ehelichkeit des Kindes
erfolgreich angefochten worden sein. Doch wie verhält es sich hinsichtlich
des von Carla geborenen Kindes? Carla ist nicht verheiratet. Dadurch wird jedoch
Bert nicht automatisch (nichtehelicher) Vater des Kindes. Dazu müßte
er nämlich zumindest seine Vaterschaft anerkannt haben oder diese
gerichtlich festgestellt worden sein (§ 1592 Nr. 2 bzw. 3 BGB).
Dies ist nicht ersichtlich. Die Eheleute Anna und Bert können mithin ihren
Anspruch auf Herausgabe der beiden Kinder nicht auf § 1632 I BGB
stützen.
Wollte man stattdessen das Herausgabeverlangen
auf eine aus dem Vertrag abgeleitete Anspruchsgrundlage stützen, so
müßte ein rechtsgültiger Vertrag
vorliegen. Das ist fraglich. Die
Willenserklärungen der Parteien beim Abschluß
ihrer Vereinbarungen waren auf die Herbeiführung
einer Ersatzmutterschaft gerichtet. Diese ist gesetzlich verboten
(§ 1 I Nr. 7 ESchG;
§ 13 c u. d. AdVermG).
Was gesetzlich verboten ist, kann nicht Gegenstand
eines rechtsgültigen Vertrages sein. Der Vertrag ist mithin nichtig
(§ 134 BGB). Hinsichtlich des Vertrages mit Carla
ergibt sich die Nichtigkeit - was nicht
unumstritten ist - auch aus § 138 BGB. Dies liegt darin
begründet, daß die Vereinbarung, einen fremden Embryo gegen ein
Entgelt auszutragen, zumindest nach herrschender
rechtlicher Bewertung als
sittenwidrig gilt.
Die Eheleute Anna und Bert können von Carla
mithin auch nicht die an sie gezahlten DM
20 000,-
zurückverlangen, weil ihnen weder ein Ersatzanspruch wegen
Unmöglichkeit der Leistung (§§ 134, 309, 307 I 2 BGB)
noch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
(§§ 812 I, 817 Satz 2 BGB) zusteht.
Zusatzfrage
Das von Carla geborene Kind ist als
(nichteheliches) Kind mit Carla und ihren Verwandten verwandt. Für Bert
gilt dasselbe erst dann, wenn er seine Vaterschaft anerkannt hat oder sie
gerichtlich festgestellt worden ist (§ 1592 Nr. 2 bzw. 3 BGB).
Dies würde dann sogar dazu führen, daß seine Ehefrau Anna mit
dem von Carla geborenen Kind verschwägert wäre, weil sie mit dem
nichtehelichen Vater verheiratet ist (§ 1590 I BGB). Doras Kind
ist ihr und ihres Ehemannes Emil eheliches Kind (§§ 1591, 1592
Nr. 1 BGB). Zu den genetischen Eltern Anna und Bert dagegen bestehen von
Rechts wegen keine verwandtschaftlichen Beziehungen. Allerdings ist diese
rechtliche Zuordnung nicht unveränderbar. Emil könnte nämlich
durchaus die Ehelichkeit des von Dora geborenen Kindes erfolgreich anfechten
(§§ 1592 Nr. 1, 1600,
1600 c BGB). Allerdings kann er
natürlich zu dieser Anfechtung nicht gezwungen werden. Die Mutter Dora und
ihr Kind besitzen neben Ehemann Emil ihr eigenes Anfechtungsrecht
(§ 1600 BGB). Nach erfolgter Anfechtung der Vaterschaft Emils kann
dann die (nichteheliche) Vaterschaft Berts durch Anerkennung oder im Klagewege
festgestellt werden.
|
4. Adoption Minderjähriger (Annahme als Kind)
108
Fall 8: "Das Kind der
Filipina"
A ist der (nichteheliche) Sohn der
philippinischen Staatsangehörigen B. Diese war nach Deutschland als
Touristin eingereist und gegen Zahlung von
10 000,- DM dem
60jährigen, noch verheirateten C zugeführt worden. In der Folgezeit
lebten B und C eheähnlich in einem als Schlafzimmer eingerichteten
Kellerraum der Gaststätte des C zusammen. Dort brachte sich die im
siebenten Monat schwangere und zwischenzeitlich 25 Jahre alte B in
Selbsttötungsabsicht einen Kopfschuß bei. In einem Abschiedsbrief an
eine Freundin gab sie als Grund ihrer Selbsttötung an, C habe ihr in jeder
Hinsicht das Leben zur Hölle gemacht, so daß sie den Tod einem
solchem Leben für sich und ihr ungeborenes Kind vorziehe. Schwerverletzt
wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie wenige Stunden nach der Geburt
ihres Kindes an der Schußverletzung verstarb. Nach dreimonatigem
Krankenhausaufenthalt wurde das Kind durch das JugA, das zwischenzeitlich
Amtsvormund geworden war, zu Pflegeeltern verbracht, wo es sich seitdem in
Adoptionspflege befindet.
Der in wirtschaftlich geordneten
Verhältnissen lebende C, ließ sich kurz darauf von seiner Ehefrau
scheiden und flog nach Auflösung seines gesamten Hausstandes auf die
Philippinen, um sich dort nach einer neuen Lebensgefährtin umzusehen. Zwei
Jahre später - das JugA hatte in dieser Zeit seinen Aufenthaltsort
nicht ermitteln können - kehrt C mit der 23 Jahre alten
philippinischen Staatsangehörigen D nach Deutschland zurück, mietet
für sich und seine neue Lebensgefährtin in einer guten Wohngegend ein
Haus und eröffnet wieder eine Gaststätte. Gleichzeitig erkennt er die
Vaterschaft des Kindes A an und erstattet dem JugA, das inzwischen das
Adoptionsverfahren der Pflegeeltern eingeleitet hatte, die bis dahin für A
aufgelaufenen Unterhaltszahlungen.
Danach verlangt C sein Kind A vom JugA heraus,
wobei er gleichzeitig angibt, daß seine neue Lebensgefährtin, die er
in naher Zukunft zu ehelichen beabsichtige, während seiner beruflichen
Abwesenheit die Betreuung des A übernehmen werde. Das JugA verweigert die
Herausgabe, weil dadurch die Interessen und das Wohl des Kindes A gefährdet
würden. Im einzelnen führt das JugA zur Begründung an: Dem Kind sei nicht zuzumuten, bei seinem Vater aufzuwachsen, dessentwegen seine Mutter sich aus Kummer erschossen habe und der seine neue Lebensgefährtin nach den glaubhaften Aussagen einiger Nachbarn
häufiger verprügle. Einem anderen Nachbarn, das sei aktenkundig, habe
er erzählt, daß er das Kind nur deshalb bei sich haben wolle, um
seine neue Lebensgefährtin, die keine Kinder bekommen könne, an sich
zu binden. Darüber hinaus müsse damit gerechnet werden, daß das
Kind A die Vorgeschichte seiner Geburt später von dritter Seite erfahren
würde. Im übrigen könne A keine besseren Eltern erhalten als
seine jetzigen Pflegeeltern, die es adoptieren wollten. Bei ihnen erfahre es
Liebe und Geborgenheit, die es zu seiner Entfaltung und Entwicklung brauche. Die
Pflegeeltern seien sehr vermögend; daher erwachse dem Kind kein
wirtschaftlicher Nachteil, wenn die Übergabe an C
unterbleibe.
Die Pflegeeltern fragen bei dem sie im
Adoptionsverfahren vertretenden Rechtsanwalt an, ob er ihnen rate, das
Adoptionsverfahren weiter zu betreiben.
|
4.1. Bedeutung
109
Adoption ist die Begründung eines
Eltern-Kind-Verhältnisses durch Rechtsakt. Die Bedeutung dieses
nicht auf die biologische Abstammung gegründeten
Eltern-Kind-Verhältnisses hat sich im Laufe der Zeit wesentlich gewandelt.
Ursprünglich diente die Adoption vor allem dazu, den Namen oder das
Vermögen einer Familie zu sichern. Diesem Zweck entsprechend
war es nach früherem Recht erforderlich, daß der Annehmende
über 50 Jahre alt war und keine ehelichen
Abkömmlinge besaß.
Heute hat die Adoption als eine
Fürsorgemaßnahme für das Kind eine fast
ausschließlich soziale Funktion: Sie soll Kindern, bei denen ein
Aufwachsen in einer harmonischen und intakten Gemeinschaft durch
die (leiblichen) Eltern nicht gewährleistet ist (Waisen, verlassene
Kinder, verwahrloste Kinder), eine am Menschenbild des Grundgesetzes
ausgerichtete Erziehung und Betreuung sichern. Das erklärt
auch, warum die nicht zur Zielvorstellung des Gesetzgebers gehörende
Adoption Volljähriger auf Ausnahmen begrenzt bleiben soll
(§ 1767 BGB). Der eingetretene Bedeutungswandel schlägt sich auch
in Form und Wirkung nieder: Die Adoption wird nicht mehr wie früher durch
Vertrag ("Vertragssystem"), sondern durch Dekret,
d. h. staatlichen Hoheitsakt in Form eines gerichtlichen Ausspruchs
("Dekretsystem") begründet; sie schafft zwischen Annehmenden
und Angenommenem ein Eltern-Kind-Verhältnis und gibt dem Kind
weitgehend die volle Rechtsstellung eines Kindes (§ 1741
BGB).
Für das durch Rechtsakt
begründete Eltern-Kind-Verhältnis verwendet die Lehre und Rspr.
fast ausschließlich - dem soll hier gefolgt werden -
die Bezeichnung Adoption (lat. hinzuwählen). Das überrascht
deshalb um so mehr, als in den Gesetzen diese Bezeichnung lediglich in der
Zusammensetzung "Adoptionsvermittlung" im
Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) auftaucht. Das Bürgerliche
Gesetzbuch benutzt jetzt - bis 1976 hatte es Annahme an Kindes
statt gelautet - durchgehend den Begriff Annahme als
Kind.
4.2. Voraussetzungen
110
Die Adoption ist nur zulässig, wenn
sie dem Wohl des Kindes (Verbesserung der Lage des Kindes) dient
und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein
Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 I 1
BGB). Allgemein gültige Regeln lassen sich für Adoptionsentscheidungen
nicht aufstellen, da sie in hohem Maße von den Umständen des
Einzelfalles abhängig sind. Wichtigstes Kriterium ist aber,
daß auf Seiten der Annehmenden die Bereitschaft und
Fähigkeit garantiert sind, das Kind zu versorgen und zu
erziehen.
Neben verheirateten Ehepaaren
(Ehegattenadoption) können auch nicht verheirate Einzelpersonen
allein ein Kind (Einzeladoption) annehmen (§ 1741 II 1 und
2 BGB). Durch die Kindschaftsrechtsreform von 1998 wurde die Möglichkeit
abgeschafft, sein eigenes nichteheliches Kind anzunehmen (§ 1741
II 2 1. HS. BGB a. F.) Zulässig ist weiterhin, daß ein
Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein ("Stiefkindadoption")
annimmt (§ 1741 II 3 BGB). Zur Vermeidung von
Kettenadoptionen ist die Adoption eines bereits angenommenen Kindes,
solange das Adoptionsverhältnis noch besteht, auf die Adoption durch den
Ehegatten des Annehmenden beschränkt (§ 1742
BGB).
Der oder die Annehmenden müssen
unbeschränkt geschäftsfähig sein und die gesetzlichen
Alterserfordernisse (Alleinadoption: 25 Jahre, bei Annahme des
Kindes des Ehegatten 21 Jahre; Ehegattenadoption: ein Ehegatte 25, der
andere 21 Jahre) erfüllen (§ 1743 BGB).
Die Adoption darf nicht ausgesprochen
werden, wenn ihr überwiegende Interesssen der Kinder des Annehmenden
oder des Anzunehmenden entgegenstehen, wobei Vermögensinteressen nicht
ausschlaggebend sein sollten (§ 1745 BGB). Die Aufhebung eines
bestehenden Adoptionsverhältnisses ist nur auf Antrag wegen Fehlens
notwendiger Erklärungen (§ 1760 BGB) oder von Amts wegen
in Ausnahmefällen aus schwerwiegenden Gründen
(§ 1763 BGB) möglich.
111
Möglich ist auch eine
"Inkognito"-Adoption, eine Form der Adoption, bei der den
leiblichen Eltern die Identität der Adoptiveltern verborgen
bleibt. Bei dieser stimmen die Eltern der Adoption durch Personen zu, die unter
einer bestimmten Nummer auf der Liste einer
Adoptionsvermittlungsstelle geführt werden. Dadurch wird erreicht,
daß den leiblichen Eltern Name und Adresse der Adoptiveltern
unbekannt bleiben. Rechtlich ist das deshalb möglich, weil im
Zeitpunkt der Einwilligung der Eltern zwar feststehen muß, wer das Kind
annimmt, dies den Eltern selbst aber nicht bekannt zu sein braucht
(§ 1747 II 2 BGB).
4.3. Einwilligung
112
Eine Adoption kann nur mit
Einwilligung (vorheriger Zustimmung) der Beteiligten erfolgen. Das
Verfahren für die Abgabe der erforderlichen Erklärungen ist aus
Gründen der Rechtssicherheit stark formalisiert. Die gegenüber
dem VormschG abzugebenden Erklärungen müssen persönlich
erfolgen und durch einen Notar beurkundet werden (§ 1750
I 2 BGB).
Unverzichtbar ist die Einwilligung
des Kindes, das adoptiert werden soll (§ 1746 I 1
BGB). Ist das Kind geschäftsunfähig oder noch nicht
vierzehn Jahre alt, so kann es die erforderliche Einwilligung nicht
selbst abgeben; dies kann an seiner Stelle nur sein gesetzlicher
Vertreter tun (§ 1746 I 2 BGB). Da mit zunehmendem Alter die
Verantwortungsfähigkeit und -willigkeit eines Menschen
zunimmt, sieht das Gesetz vor, daß Kinder über vierzehn Jahre ihre
Einwilligung nur persönlich mit Zustimmung ihres gesetzlichen
Vertreters erteilen können, d. h. Kinder über vierzehn Jahre
können nicht gegen ihren Willen adoptiert werden (§ 1746
I 3 BGB).
113
Erforderlich ist weiterhin die
Einwilligung der leiblichen Eltern, wozu Vater und Mutter -
egal ob sie verheiratet sind oder nicht - gehören (§ 1747
I 1 BGB).
Seine Einwilligung muß auch der
Vater eines nichtehelichen Kindes erteilen (§ 1747 I BGB).
Bis zur Kindschaftsrechtsreform von 1998 stand dem Vater eines nichtehelichen
Kindes ein Einwilligungsrecht nicht zu (§ 1747 I 1 BGB
a. F.). Mit der gleichzeitigen Einführung der vorläufigen
Vaterschaftsvermutung (§ 1747 I 2 BGB) im Adoptionsverfahren
hat die Rechtsposition der Vaterseite darüber hinaus sogar noch eine
weitere Verstärkung erfahren. Danach steht das Einwilligungsrecht nicht nur
demjenigen Mann zu, der als Vater durch Anerkennung oder gerichtliche
Feststellung feststeht, sondern bereits demjenigen, der durch Versicherung an
Eides Statt (§ 15 II FGG) glaubhaft macht, daß er
der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat
(§ 1600 d II1 BGB).
4.4. Ersetzung der Einwilligung
114
Verweigert ein Elternteil seine
Einwilligung, so kann das VormschG auf Antrag des Kindes die Einwilligung
ersetzen (vgl. RN 448 ff.). Nur in
wirklich krassen Fällen darf ein Kind gegen den Willen der Eltern
zwangsweise adoptiert werden. Das ist der Fall, wenn die Eltern
vollständig versagt haben und dadurch eine tiefgreifende
Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses eingetreten ist. Das ist
anzunehmen, wenn der die Einwilligung verweigernde Elternteil seine
Pflichten gegenüber dem Kind anhaltend gröblich verletzt
bzw. durch sein Verhalten gezeigt hat, daß ihm das Kind
gleichgültig ist (§ 1748 I 1. HS.
BGB).
Beispiele: Langandauernde Verletzung der Unterhaltspflicht, lockerer Lebenswandel i. V. m. übermäßigem Alkoholgenuß; total verwahrlostes Zuhause durch grobe Verschmutzung oder Fehlen menschenwürdiger Schlafgelegenheit, schwere leibliche oder seelische Vernachlässigung; Strafhaft; Kindesmißhandlung; Verlassen der Familie.
Nicht ausreichend sind dagegen:
Drogenabhängigkeit und Straftaten der Eltern, wenn sie keine konkreten
nachteiligen Folgen für die Kinder haben; Unterbringung in einem Heim, ohne
mit dem Kind eine an sich mögliche Verbindung aufrechtzuerhalten; wenn
Besitzanspruch auf das Kind keiner echten gefühlsmäßigen Bindung
entspringt, sondern auf anderen Motiven wie Neid, Rachsucht, Böswilligkeit
oder schlechtem Gewissen beruhen.
|
Darüber hinaus ist aber noch erforderlich, daß ein Unterbleiben der Zwangsadoption dem Kind einen
unverhältnismäßigen Nachteil zufügen würde
(§ 1748 I 1 BGB).
Beispiele: Ständig wechselnde
Bezugspersonen; Fehlen einer kontinuierlichen Unterbringung;
überdurchschnittliche Entwicklungsstörungen durch
außerfamiliäre Pflege.
|
115
Ein einmaliger besonders schwerer
Pflichtenverstoß reicht zur Ersetzung der Einwilligung aus,
wenn das Kind voraussichtlich dauernd nicht mehr der Obhut des
Elternteils anvertraut werden kann (§ 1748 I 2
BGB).
Beispiele: Strafhaft eines Elternteils
wegen eines Tötungsdeliktes am anderen Elternteil; von dem Elternteil
begangene Sittlichkeitsdelikte oder schwere
Kindesmißhandlungen.
|
Die Ersetzung der Einwilligung ist ferner
auch möglich, wenn ein Elternteil wegen besonders schwerer psychischer
Krankheit bzw. geistiger oder seelischer Behinderungen dauernd
unfähig ist, das Kind zu pflegen und zu erziehen. Hier muß
allerdings noch hinzukommen, daß ohne die Adoption die weitere
Entwicklung des Kindes gefährdet ist, weil eine geeignete
Pflegefamilie nicht vorhanden ist und Heimunterbringung vermieden werden soll
(§ 1748 III BGB).
Die Einwilligung oder Zustimmung eines
Vormunds oder Pflegers kann durch das VormschG ersetzt
werden, wenn dieser sie ohne triftigen Grund verweigert
(§ 1746 III BGB).
4.5. Wirkungen der Adoption
116
Eine Adoption auf Antrag des Annehmenden
wird durch staatlichen Hoheitsakt in Form eines Beschlusses des VormschG
("Adoptionsdekret") wirksam (§ 1752 BGB). Eine
Entscheidung mit solch tiefgreifender Wirkung für die weitere Entwicklung
des Kindes kann im Regelfall nicht unvorbereitet ergehen. Das VormschG wird sie
erst dann treffen, wenn die Annehmenden das Kind für eine
angemessene Zeit in Adoptionspflege gehabt haben (Faustregel: ein Jahr),
um sich aneinander zu gewöhnen und das gemeinsame Familienleben zu erproben
(§ 1744 BGB).
Bereits die elterliche Einwilligung in die
Adoption zieht Rechtsfolgen nach sich. Von diesem Zeitpunkt an
ruht die elterliche Sorge, und die Befugnis zum
persönlichen Umgang mit dem Kind darf nicht mehr
ausgeübt werden (§ 1751 I 1 BGB). Bis zum Ausspruch der
Adoption wird das Jugendamt, ohne daß es einer besonderen
Bestellung bedarf, automatisch Vormund (§ 1751 I 2 BGB).
Diese für die Fremdadoption sinnvolle Regelung gilt nicht, wenn das Kind
eines Ehegatten vom anderen Ehegatten adoptiert und damit gemeinschaftliches
eheliches Kind werden soll (§ 1751 II BGB). Mit der
Einwilligung der Eltern des Kindes in die Adoption wird der
Annehmende, der das Kind mit dem Ziel der Adoption in Pflege genommen
hat, gegenüber diesem vorrangig vor
dessen Verwandten unterhaltspflichtig
(§ 1751 IV BGB).
117
Die Adoption selbst zeitigt folgende
Rechtswirkungen: Der Anzunehmende wird bei Adoption durch ein Ehepaar
deren gemeinschaftliches Kind, in den anderen Fällen Kind des
Annehmenden (§ 1754 I II BGB). Gleichzeitig wird auch ein
volles gesetzliches Verwandtschaftsverhältnis zu den
Verwandten der Annehmenden begründet. Dadurch werden beispielsweise die
leiblichen (oder bereits angenommenen) Kinder des bzw. der Annehmenden mithin
Bruder oder Schwester bzw. die Eltern des bzw. der Annehmenden Großeltern
des angenommenen Kindes. Darüber hinaus treten mit der Adoption
konsequenterweise alle sonstigen bürgerlich-, aber auch
öffentlich-rechtlichen Wirkungen ein, die eingetreten wären,
wenn das Kind in die Ehe des oder der Annehmenden hinein geboren
wäre.
Demzufolge gelten für das angenommene Kind
u. a. die Regeln über Wohnsitz (vgl. unten RN 131 f.),
Unterhalt (vgl. unten RN 140 ff.), elterliche Sorge (vgl.
unten RN 152 ff.), Erbrecht (vgl. oben RN 81 ff.),
Namensrecht (vgl. unten RN 123 ff.), Staatsangehörigkeit
(vgl. unten RN 133 ff.).
Für die leiblichen Eltern bedeutet die
Adoption: Das zwischen ihnen und dem Kind bestehende
Eltern-Kind-Verhältnis wird aufgelöst. Dadurch verlieren sie
neben dem Recht der elterlichen Sorge jegliches Umgangsrecht mit
dem Kind. Gegenseitige Unterhaltspflichten erlöschen ebenso, wie das
gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht.
Das gleiche gilt hinsichtlich aller Ansprüche und
Vergünstigungen, die den Eltern wegen des Kindes bisher zustanden.
Konsequenterweise erlischt auch das Verwandtschaftsverhältnis zu den
bisherigen Verwandten mit allen sich daraus ergebenden Rechten und
Pflichten (§ 1755 I 1 BGB); nimmt allerdings ein Ehegatte
das Kind seines Ehegatten an, tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu
dem anderen Elternteil ein (§ 1755 II BGB). Eine Ausnahme macht
insoweit aus rechtspolitischen Gründen auch die Adoption unter
Verwandten, die "abgeschwächte Volladoption"
(§ 1756 BGB).
118
Allerdings kann das Recht die Tatsache der
weiterbestehenden Blutsverwandtschaft zwischen dem Kind und seinen
leiblichen Eltern nicht völlig ausblenden. Das hieße, in
sozial unerträglicher Weise die Wirklichkeit beiseite zu schieben. Deshalb
bleiben einige Wirkungen der Blutsverwandtschaft erhalten: das
Ehe- und Blutschandeverbot (§ 1307 I 2 BGB,
§ 173 II 1 StGB), ferner auf Verwandtschaft beruhende, bis zum
Zeitpunkt der Adoption entstandene Ansprüche des Kindes wie
Ansprüche auf Renten, Waisengeld und andere entsprechende wiederkehrende
Leistungen (§ 1755 I 2 BGB).
Dem Schutz des Adoptionsgeheimnisses dient
ein Offenbarungs- und Ausforschungsverbot. Danach dürfen
Tatsachen, die geeignet sind, die Adoption und ihre Umstände aufzudecken,
nur bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses ohne
Zustimmung des Annehmenden und des Kindes offenbart und ausgeforscht werden
(§ 1758 BGB). Die Rechtsordnung trägt außerdem zur
Wahrung des Adoptionsgeheimnisses bei, indem sie gewährleistet,
daß die Geburtsurkunde als Eltern nur die Annehmenden angibt
(§ 62 II PStG); strafrechtlich wird es überdies durch
die Strafvorschrift der Verletzung von Privatgeheimnissen
(§ 203 StGB) geschützt.
4.6. Adoptionsvermittlung
119
Adoptionen können - wie die
Adoptionspraxis einiger Länder in Südamerika und Asien zeigt -
richtig "vermarktet" zu einem lohnenden Geschäft werden. Um
dies in Deutschland zu vermeiden, kann nicht einfach jeder, der sich dazu
berufen fühlt, Adoptionsvermittlung (Zusammenführen von
Adoptionsbewerbern und Nachweis von Adoptionsgelegenheiten) betreiben. Hierzu
sind nur Jugendämter und Landesjugendämter berufen (vgl.
RN 448 ff.), die eine
Adoptionsvermittlungsstelle oder eine zentrale Adoptionsstelle
eingerichtet haben (§ 2 I AdVermiG). Darüber hinaus
können auch die freien Wohlfahrtsverbände (Diakonisches Werk,
Deutscher Caritas-Verband, Arbeiterwohlfahrt u. a.) Adoptionen vermitteln,
wenn sie von der nach Landesrecht zuständigen Behörde als
Adoptionsvermittlungsstelle anerkannt worden sind (§ 2 II
AdVermiG). Im übrigen besteht im Interesse der Kinder zu Recht ein
allgemeines Adoptionsvermittlungsverbot (§ 5 I, 14
AdVermiG).
4.7. Adoption ausländischer Kinder
120
Bei der Adoption ausländischer Kinder
gilt das Recht des Staates, dem der Annehmende bei Annahme
angehört (Art. 22 EGBGB). Ob und welche Zustimmungserklärungen zu
einer Adoption erforderlich sind, richtet sich grundsätzlich nach dem
Recht des Staates, dem das Kind angehört; deutsches
Recht ist jedoch anzuwenden, soweit es zum Wohl des Kindes
erforderlich ist (Art. 23 EGBGB).
Die internationale Zuständigkeit der
deutschen Gerichte in Adoptionsangelegenheiten ist gegeben, wenn der Annehmende,
einer der annehmenden Ehegatten oder das Kind Deutscher
(Art. 116 I GG) ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im
Inland hat (§ 43 b I FGG). Allerdings treten Besonderheiten ein,
wenn die Adoption im Ausland vorgenommen werden soll. Eine solche wird in
Deutschland im allgemeinen nur dann anerkannt, wenn sie durch einen
gerichtlichen oder behördlichen Staatsakt - wie nach
dem Dekretsystem - vollzogen wurde und ihre Anerkennung nicht nach §
16 a FGG ausgeschlossen
ist.
121
Lösungsskizze zu Fall 8
Das deutsche Recht ist anzuwenden, weil A durch
die Geburt als Kind des C, der deutscher Staatsangehöriger ist, die
deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat (§ 4 I 1 RuStAG)
und diese auch geltend machen kann, da C als sein Vater die Vaterschaft wirksam
anerkannt hat (§ 4 I 2 RuStAG).
Die Adoption des A ist nur zulässig, wenn
sie seinem Wohl dient und zu erwarten ist, daß zwischen seinen
Pflegeeltern als Annehmenden und ihm als Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis
entsteht (§ 1741 I 1 BGB). Da A bereits seit dem dritten
Lebensmonat bei den Pflegeeltern lebt und dort die zu seiner Entfaltung und
Entwicklung notwendige Liebe und Geborgenheit erfährt, bestehen
hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Adoption durch seine Pflegeeltern
keine Bedenken. Zum Zustandekommen der Adoption ist die Einwilligung des Kindes
erforderlich (§ 1746 I 1 BGB). Da A geschäftsunfähig
ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Einwilligung erteilen
(§§ 104 Nr. 1, 1746 I 2 BGB). Fraglich ist, wer
gesetzlicher Vertreter des A ist. Da er nach dem Tod seiner Mutter nicht mehr
unter elterlicher Sorge stand, wurde er, da er nunmehr eines Vormundes bedurfte,
unter Amtsvormundschaft des Jugendamtes gestellt (§§ 1773 I,
1791 c I 1 BGB).
Möglicherweise sind aber mit der Anerkennung
der Vaterschaft durch C die für die Begründung der Vormundschaft
bestimmten Voraussetzungen weggefallen (§ 1882 BGB). Das wäre der
Fall, wenn das FamG die elterliche Sorge dem C nach
§ 1680 II 2 BGB übertragen würde. Da die
elterliche Sorge B als nicht verheiratete Mutter bis zu ihrem Tod allein zustand
(§ 1626 a II BGB),
muß das FamG dem C die elterliche Sorge übertragen, wenn dies dem
Wohle des A entspricht. Dem Wohl des Kindes dient eine Übertragung, wenn
sich durch sie seine Lebensbedingungen im Vergleich zu seiner gegenwärtigen
Lage so ändern, daß eine bessere Entwicklung der Persönlichkeit
des Kindes zu erwarten ist. Bei dieser Prognose sind die persönlichen
Lebensumstände der Betroffenen maßgebend. Hierzu ergibt der
Sachverhalt, daß A sich in der Obhut der derzeitigen Pflegeeltern, bei
denen es sich in der Adoptionspflege befindet, sehr gut entwickelt und seinen
Bedürfnissen entsprechend gefördert wird. Dagegen ist bei C wegen
seiner nicht unproblematischen
persönlichen Lebensumstände keine Verbesserung,
sondern eher eine Verschlechterung der Lebensbedingungen des A zu erwarten. Die
Ankündigung, seine neue Lebensgefährtin werde während seiner
beruflichen Abwesenheit die Betreuung des A übernehmen, kann im Rahmen
dieser Einschätzung nicht entscheidend mit berücksichtigt werden, da
solange diese nicht verwirklicht ist, keine Überprüfung dahingehend
erfolgen kann, ob sie wirklich geeignet ist, dem Wohle des A zu dienen. Neben
dem erheblichen Altersunterschied zwischen C und A spricht vor allem auch die
Lebensführung gegen C. Besorgniserregend ist besonders die nachgewiesene
stetige Gewaltbereitschaft des C gegen seine beiden Lebensgefährtinnen, die
befürchten läßt, daß sich diese
u. U. auch gegen seinen Sohn A
richten wird. Ferner ist zu bedenken, daß nach der Lebenserfahrung auch
damit zu rechnen wäre, daß das Kind vom Schicksal seiner Mutter und
den Umständen ihres Todes erfahren würde, wenn es beim Vater
aufwachsen würde. Das würde möglicherweise die seelische und
sittliche Entwicklung des A nicht unerheblich beeinträchtigen können.
Demgegenüber ist es unerheblich, daß C in geordneten wirtschaftlichen
Verhältnissen lebt, weil dies auch bei den Pflegeeltern der Fall ist. Im
übrigen haben wirtschaftliche Erwägungen auch im Konfliktsfall hinter
persönlichen Interessen wie Pflege, seelische Ausgeglichenheit, Erziehung
und Ausbildung zurückzutreten. Deshalb ist davon auszugehen, daß das
FamG die elterliche Sorge nicht auf A übertragen wird. Mithin dürfte
die Amtsvormundschaft weiter bestehen und das JugA gesetzlicher Vertreter des A
bleiben. Durch die Einleitung des Adoptionsverfahrens - davon ist
nach dem Sachverhalt auszugehen - hat das JugA die erforderliche
Einwilligung des A in seine Adoption durch seine Pflegeeltern
erteilt.
Einzuwilligen in die Adoption hat auch C als
Vater des A (§ 1747 I 1 BGB). Da C die Einwilligung verweigert,
kann die Adoption des A durch die Pflegeeltern nur zustande kommen, wenn die
Einwilligung des C auf Antrag des A, der durch das JugA vertreten wird, durch
das VormschG ersetzt wird (§ 1748 I BGB). Voraussetzung
dafür ist zunächst, daß C seine elterlichen Pflichten
gegenüber A anhaltend gröblich verletzt oder durch sein Verhalten
gezeigt hat, daß ihm A gleichgültig ist. Indem C nach der Geburt des
A seinen gesamten Hausstand aufgelöst hat und in der Folgezeit spurlos
verschwand, ohne sich um C in irgendeiner Weise zu kümmern oder auch nur
einen einzigen Pfennig Unterhalt zu zahlen, hat er seine elterlichen Pflichten
gegenüber A anhaltend verletzt. Desweiteren hat er durch sein Verhalten
gezeigt, daß A ihm gleichgültig ist. Das ergibt sich aus der
Äußerung des C einem Nachbarn gegenüber, daß er A nur
deswegen bei sich haben wolle, um seine neue Lebensgefährtin, die keine
Kinder bekommen kann, an sich zu binden. Auch die weitere Voraussetzung für
die Ersetzung der Einwilligung des C, daß das Unterbleiben der Adoption
dem A zum unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde,
dürfte aufgrund der bereits zum Kindeswohl des A gemachten
Ausführungen zu bejahen sein. Nach alledem wird das Vormundschaftsgericht
vermutlich die Einwilligung des C in die Adoption seines Sohnes A durch die
Pflegeeltern ersetzen.
Der Rechtsanwalt sollte deshalb den Pflegeeltern
mit Nachdruck raten, das Adoptionsverfahren hinsichtlich des A weiter zu
betreiben.
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5. Allgemeine Wirkungen der Kindschaft
122
Fall 9: "Die Komplikationen im
Dreiecksverhältnis"
Eva Kluge und Adam Weise heiraten in der Gemeinde
A. Beide besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Vor dem Standesbeamten
verneinen sie vor der Eheschließung die Frage, ob sie einen gemeinsamen
Ehenamen bestimmen wollen. Bereits kurz nach der Heirat trennt sich Eva von Adam
wieder und zieht zu ihren in der Gemeinde B lebenden Eltern. Nach einem sich
alsbald daran anschließenden einjährigen Aufenthalt in den USA bringt
Eva in B ein mit dem US-Bürger John Bull gezeugtes Kind zur
Welt.
Auf ihr Ansinnen, das (männliche) Kind in B
vom Standesbeamten unter dem Vornamen John und dem Geburtsnamen Kluge eintragen
zu lassen, reagiert der durch die Trennung immer noch in seinen Gefühlen
verletzte Adam auch einen Monat nach der Geburt noch nicht.
Eva möchte nun von ihrem Rechtsanwalt
wissen, ob der Standesbeamte ihr auch ohne Mitwirkung von Adam für ihren
von einem amerikanischen Staatsbürger abstammenden Sohn eine Geburtsurkunde
auf den Namen John Kluge ausstellen wird. Darüber hinaus bittet sie um
Auskunft darüber, ob eine Scheidung von Adam oder eine
Ehelichkeitsanfechtung durch diesen auf die Rechtslage bzgl. des Namens, der
Staatsangehörigkeit und des Unterhalts ihres Kindes Einfluß haben
würde.
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5.1. Name
123
Das wichtigste Kennzeichen der
Identität einer (natürlichen) Person im Rechtsverkehr
ist der bürgerliche Name. Er besteht aus einem Familiennamen
und mindestens einem Vornamen.
Ehemalige Adelsprädikate sind
Bestandteile des Familiennamens (Art. 109 III 2 WeimRV, weitergeltend
als einfaches Bundesgesetz). Vom gesetzlich vorgeschriebenen Familiennamen sind
Wahlnamen (z. B. Pseudonym: Deckname bzw. Künstlername) zu
unterscheiden, die willkürlich gewählt und wieder abgelegt werden
können. Der bürgerliche Name ist gesetzlich geschützt
(§ 12 BGB).
5.1.1. Familienname
124
Der Familienname hat hauptsächlich zwei
Funktionen: Er ist Identifikationsmerkmal und Zeichen der
Familienzugehörigkeit; darüber hinaus bezeugt er die
Abstammung und die rechtliche Zuordnung zur Familie. Führen
die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes einen gemeinsamen
Familiennamen, so erhält auch das Kind diesen Namen (§ 1616
BGB).
Exkurs: Familienname (Ehename)
Auch um den hohen Wert zu unterstreichen, den die
Rechtsordnung der Familie (Art. 6 I GG) beimißt, geht das
BGB vom Prinzip des gemeinsamen Familiennamens aus. Die Eheleute sollen
grundsätzlich als äußeres Zeichen ihrer
Lebensgemeinschaft einen gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) bestimmen
(§ 1355 I 1 BGB), ohne daß dieses Gesetzesziel aber
erzwungen werden kann. Unterbleibt die Bestimmung des Familiennamens
durch die Eheleute, so führen beide jeweils ihren zur Zeit der
Eheschließung geführten Namen weiter (§ 1355 I 3
BGB).
Entscheiden sich die Eheleute für einen
Ehenamen, so können sie nur einen ihrer beiden
Geburtsnamen dazu bestimmen (§ 1355 II BGB). Ein aus den
Geburtsnamen beider Eheleute zusammengesetzter Ehename ist mithin
nicht möglich. Haben sich die Eheleute auf einen gemeinsamen
Familiennamen geeinigt, so muß notwendigerweise einer von beiden seinen
bisherigen Namen durch die Eheschließung
verlieren.
Zum Ausgleich dieses Nachteils darf er dem
Ehenamen als Begleitnamen seinen Geburtsnamen bzw. den zur Zeit
der Erklärung über die Bestimmung des Ehenamens geführten Namen
voranstellen oder anfügen (§ 1355 IV 1 BGB).
Nur in diesem Umfang sind Doppelnamen zulässig. Diese
Möglichkeit soll jedoch im Interesse des Verkehrsschutzes nicht zur
Entstehung von Namensketten führen. Deshalb ist sie dahingehend
eingeschränkt, daß von einem Namen, der aus mehreren Namen besteht,
nur einer dem Ehenamen hinzugefügt werden kann und daß ein
Begleitname nicht zulässig ist, wenn der Ehename bereits aus
mehreren Namen besteht (§ 1355 IV 2 und 3
BGB).
125
Führen die Eltern im Geburtszeitpunkt
keinen gemeinsamen Familiennamen und steht ihnen, wenn sie miteinander
verheiratet sind oder wenn sie Sorgeerklärungen abgegeben haben, die
elterliche Sorge gemeinsam zu, bestimmen sie gemeinsam durch
Erklärung vor dem Standesbeamten, ob das Kind den Familiennamen der Mutter
oder des Vaters erhalten soll (§ 1617 I BGB). Auch beim
Namen des Kindes ist mithin die gesetzlich unerwünschte Bildung von
Doppelnamen ausgeschlossen. Können die Eltern sich nicht binnen
eines Monats nach der Geburt des Kindes einigen, so überträgt
das FamG die Entscheidung einem Elternteil, wobei es diesem
für die Ausübung eine Frist setzen kann (§ 1617 II 1
und 3 BGB).
Dabei stellt sich die Frage, welche Kriterien das
FamG seiner Entscheidung zugrunde legen muß. Das Gesetz schweigt dazu. Es
räumt dem FamG mithin eine unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten
bedenklich weite Kompetenz ein, indem es keinerlei
Entscheidungsgrundlagen vorgibt und weder eine Begründung für
die Entscheidung verlangt noch dagegen einen Rechtsbehelf
zuläßt.
Ist nach Ablauf der gesetzten Frist das
Bestimmungsrecht nicht ausgeübt worden, erhält das Kind den Namen des
Elternteils, dem das Bestimmungsrecht übertragen wurde
(§ 1617 II 4 BGB). Begründen die Eltern später die
gemeinsame Sorge für ihr Kind, so können sie innerhalb von drei
Monaten den Familiennamen des Kindes neu bestimmen und zwischen dem von
der Mutter und dem vom Vater zu diesem Zeitpunkt geführten Namen
wählen
(§ 1617 b I 1
BGB).
Steht die elterliche Sorge bei der Geburt
allein der Mutter zu, erwirbt das Kind den Namen, den die Mutter
führt (§ 1617 a I BGB); die Mutter kann dem Kind auch
den Namen des Vaters erteilen, wenn dieser zustimmt
(§ 1617 a II BGB).
126
In den Fällen einer Adoption
erhält das Kind den Familiennamen (Geburtsnamen) des
Annehmenden (§ 1757 I 1 BGB). Führen bei der Annahme
eines Kindes durch ein Ehepaar oder bei der Annahme des Kindes eines Ehegatten
durch den anderen die Ehegatten keinen gemeinsamen Namen, bestimmen sie
den Familiennamen des Kindes vor Ausspruch der Annahme durch
Erklärung vor dem VormschG (§ 1757 II 1 BGB).
Ist das Kind allerdings bereits älter als fünf Jahre, ist die
Bestimmung des Familiennamens nur wirksam, wenn sich das Kind der Erklärung
der Eltern vor dem Ausspruch der Annahme durch eine entsprechende Erklärung
vor dem VormschG angeschlossen hat (§ 1757 II 2
BGB)
127
Wegen des Gesetzesziels der Namenseinheit
wirkt sich die Wahl bzw. Bestimmung des Namens beim ersten Kind auch bei den
nachfolgenden Geschwistern aus: Der für das erste Kind gewählte
oder bestimmte Geburtsname gilt auch für die weiteren Kinder
(§ 1617 I 3 BGB).
Ein Ehepaar, das sich auf keinen Ehenamen
geeinigt hat, kann dies nach der Eheschließung nachholen
(§ 1355 III 2 BGB). Was aber geschieht, wenn ein zwischenzeitlich
geborenes Kind einen davon abweichenden Geburtsnamen erhalten hat? In
diesem Fall wird bei einem Kind, das das fünfte Lebensjahr bereits
vollendet hat, der nachträglich bestimmte Ehename nur dann
Familienname (Geburtsname) des Kindes, wenn es sich der
Namensänderung anschließt (§ 1617 c I 1 BGB).
Entsprechendes gilt bei Änderung des Ehenamens bzw. des von einem
Elternteil übernommenen Namens, sofern die Änderung nicht infolge
Eheschließung erfolgt (§ 1617 c II BGB). Kinder, die
älter als fünf Jahre sind, haben bei der Namensänderung
bis zum Erreichen der Volljährigkeit nach ihrem Lebensalter
abgestufte Mitwirkungsrechte (§ 1617 c I
BGB).
5.1.2. Vorname
128
Der Vorname ist im Gegensatz zum
Familiennamen der individuelle Name einer Person. Er dient der
eindeutigen Identifizierung des Namensträgers im
Rechtsverkehr (Ordnungsfunktion).
Das Recht und die Pflicht zur
Erteilung des Vornamens ergeben sich aus der elterlichen
Personensorge (vgl. unten
RN 153 ff.). Deshalb steht das
Recht der Wahl des Vornamens bei ehelichen Kindern beiden Eltern
gemeinsam, ausnahmsweise dem allein zur Personensorge berechtigten
Elternteil zu (§§ 1626 I, 1627, 1672 BGB). Der Fall,
daß die gemeinsam personensorgeberechtigten Eltern sich nicht auf
einen Vornamen einigen können, ist ebenso geregelt wie der
vergleichbare Fall des Geburtsnamens bei fehlendem Ehenamen: Das FamG kann die
Entscheidung einem Elternteil übertragen (§ 1628 BGB);
steht das alleinige Sorgerecht im Zeitpunkt der Geburt eines
(nichtehelichen) Kindes der (unverheirateten) Mutter zu, so hat diese das
Wahlrecht (§ 1626 a II BGB).
Das Kind erhält bei der Geburt
zumindest einen Vornamen. Bei der Bestimmung des Vornamens haben die
Eltern folgendes zu beachten: Es ist ein Vornamen zu wählen, aus dem
das Geschlecht des Kindes hervorgeht (Geschlechtsoffenkundigkeit). Wird
ein geschlechtsneutraler gewählt, ist ein weiterer
geschlechtsspezifischer Vorname hinzuzufügen. Ferner darf der
Vorname nicht das Kindeswohl beeinträchtigen, etwa weil er
anstößig oder völlig ungewöhnlich ist. Schließlich
muß der Vorname seiner Ordnungsfunktion gerecht werden, was
beispielsweise dann nicht der Fall ist, wenn mehrere Geschwister einen
identischen Vornamen führen.
Den Vornamen erwirbt das Kind mit der
Namenswahl der Eltern. Die Eintragung ins Geburtenbuch hat
demgegenüber nur deklaratorischen Charakter. Hat ein Kind
mehrere Vornamen, so haben alle den gleichen Rang. Deshalb sind
Wahl und Wechsel des Rufnamens aus mehreren Vornamen den Eltern
und dem Kind jederzeit freigestellt.
Bei der Adoption kann auf Antrag des
Annehmenden mit Einwilligung des Kindes eine Änderung des Vornamens
- ein oder mehrere Vornamen sind dabei zulässig - vorgenommen
werden, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht (§ 1757
IV 1 BGB).
5.1.3. Eintragungen ins Geburtenbuch
129
Der Standesbeamte führt in seinem Bezirk
folgende vier Personenstandsbücher (§§ 1 II, 2
PStG): Heiratsbuch (Eheschließungen), Familienbuch
(Personenstand der Familienangehörigen), Geburtenbuch (Geburten) und
Sterbebuch (Sterbefälle).
Die Geburt eines lebend geborenen
Kindes muß dem Standesbeamten, in dessen Bezirk es geboren ist, innerhalb
einer Woche zur Eintragung ins Geburtenbuch angezeigt werden
(§ 16 PStG); bei einem tot geborenen Kind erfolgt eine
Eintragung im Sterbebuch. Das gilt auch für Kinder
nichtdeutscher Staatsangehörigkeit.
Dabei stellt sich die Frage, wen die
Anzeigepflicht trifft. Anzeigepflichtig sind in erster Linie der
(eheliche) Vater, sodann die Hebamme, der Arzt und
jede andere Person, die bei der Geburt anwesend war oder von ihr
aufgrund eigener Wahrnehmung Kenntnis hat, schließlich die Mutter,
soweit sie zur Anzeige imstande ist (§ 17 PStG). Bei Geburten in
Entbindungs- oder Krankenhäusern, deren Träger eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, wird die Anzeige der Geburt
jedoch auf andere Weise gewährleistet: Sie erfolgt in schriftlicher Form
durch den Leiter der Anstalt oder einen dazu ermächtigten Beamten
(§ 18 PStG).
Die Anzeige muß neben den
Personalien der Eltern insbesondere Ort, Tag und Stunde der Geburt sowie
den bzw. die Vornamen und den Familiennamen des Kindes
enthalten (§ 21 PStG). Führen die Eltern eines (ehelichen) Kindes
keinen Ehenamen und ist von ihnen binnen eines Monats nach der Geburt des
Kindes der Familienname (Geburtsname) des Kindes nicht bestimmt worden,
so teilt der zuständige Standesbeamte dies dem FamG mit
(§ 21 a PStG).
130
Nachträgliche Änderungen und
Ergänzungen, wie die Vaterschaftsanerkennung, die
Vaterschaftsfeststellung sowie Personenstands- und
Namensänderungen bei nichtehelichen Kindern, werden durch
Randvermerk im Geburtenbuch beurkundet. Die Eintragungen im
Geburtenbuch sind auch insofern rechtlich von Bedeutung, als auf ihrer Grundlage
eine Geburtsurkunde und eine Abstammungsurkunde ausgestellt wird
(§§ 61 a Nr. 3, 3 a, 62 PStG). Letztere sind
öffentliche Urkunden, die hinsichtlich des durch die Behörde
oder die Urkundsperson beurkundeten Inhalts vollen Beweis begründen
(§§ 66, 60I PStG).
Für "Findelkinder" und
andere Kinder, deren Personenstand nicht festgestellt werden kann, weil
die Eltern nicht bekannt sind, werden Vorname und Familienname
durch die zuständige Verwaltungsbehörde bestimmt und auf deren
Ersuchen bzw. Anordnung in das Geburtenbuch eingetragen
(§§ 25 f. PStG).
5.2. Wohnsitz
131
Der Wohnsitz ist der Ort, den ein Mensch
zum dauernden örtlichen Mittelpunkt seiner gesamten
Lebensverhältnisse macht. Ein kurzer Aufenthalt kann also noch
keinen Wohnsitz begründen. Weil der Mensch an seinem Wohnsitz
i. d. R. am besten zu erreichen ist, hat das Recht diesen auch als
Anknüpfungspunkt für zahlreiche Rechtsbeziehungen und
die Rechtsdurchsetzung gewählt. Der Wohnsitz hat insbesondere
für gerichtliche und behördliche Zuständigkeiten
Bedeutung.
Beispiele: Leistungsort
(§ 269 I BGB), Zahlungsort (§ 270 I BGB),
allgemeiner Gerichtsstand (§ 13 ZPO, § 8 StPO,
§ 52 VwGO, § 38 FGO, § 36 FGG).
|
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen dem
gewillkürten (freigewählten) und dem gesetzlichen
Wohnsitz (§§ 7, 9, 11 BGB). Der gewillkürte
Wohnsitz wird durch einen die Geschäftsfähigkeit erfordernden
Willensakt begründet, in dem sich der Domizilwillen ausdrückt.
Hinzukommen muß als Realakt die ständige Niederlassung an
diesem Ort (§ 7 I BGB). Durch einen Aufenthalt zu einem
vorübergehenden Zweck (z. B. Studium, Urlaub) wird infolgedessen
kein Wohnsitz begründet. Der Wohnsitz kann dabei gleichzeitig an
mehreren Orten (Doppelwohnsitz) bestehen (§ 7 II BGB).
Andererseits ist es aber auch möglich, ohne Wohnsitz zu sein
(Nichtseßhafte, Obdachlose). Die Aufhebung eines gewillkürten
Wohnsitzes erfolgt spiegelbildlich zur Begründung. Sie setzt daher neben
der tatsächlichen Aufhebung (Realakt) einen Aufgabewillen
(Willlensakt) voraus.
132
Ein beschränkt geschäftsfähiger
Minderjähriger kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters
einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben
(§ 8 I BGB); eine Sonderregelung gibt es insoweit nur für
den verheirateten bzw. verheiratet gewesenen Minderjährigen
(§ 8 II BGB).
Ein minderjähriges Kind teilt
grundsätzlich den Wohnsitz seiner Eltern (gesetzlicher Wohnsitz),
nicht aber den Wohnsitz eines nicht personensorgeberechtigten Elternteils
(§ 11 Satz 1 BGB). (Nichteheliche) Kinder teilen den
Wohnsitz der (unverheirateten) Mutter, wenn ihr das Personensorgerecht
allein zusteht (§ 1626 a II BGB); das gilt auch dann, wenn
die Mutter noch minderjährig ist (§ 1673 II 2
BGB).
Steht keinem der beiden Elternteile die
Personensorge zu, teilt das Kind den Wohnsitz mit seinem Vormund
(§§ 11 Satz 2, 1773 I BGB). Leben die Eltern
getrennt, ist - wie folgt - zu unterscheiden: Steht die
Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam zu, hat das Kind einen
doppelten Wohnsitz, besitzt dagegen ein Elternteil die alleinige
Personensorge, teilt das Kind mit diesem den Wohnsitz. Rechtlich ist es
auch möglich, daß der Wohnsitz des Kindes nicht mit dem der
Eltern zusammenfällt (Internat, Erziehungsheim). Das beschränkt
geschäftsfähige Kind kann mit Zustimmung des
Personensorgeberechtigten bereits einen eigenen Wohnsitz begründen.
5.3. Staatsangehörigkeit
5.3.1. Regelung
133
Unter Staatsangehörigkeit versteht
man die Zugehörigkeit eines Menschen zu dem Schutzverband seines
Heimatstaates. Durch sie wird regelmäßig bestimmt, welche
Rechtsordnung für einen Menschen gilt: Dies ist die nationale
Rechtsordnung des Staates, dessen Staatsbürger er ist
(Personalhoheit); beim Aufenthalt auf fremden Staatsgebiet gilt für
diesen Staatsbürger als Ausländer das dort geltende Recht, ohne
daß sich seine Staatsangehörigkeit ändert
(Gebietshoheit).
Nach der von den meisten Staaten geübten
Praxis wird der Erwerb der Staatsangehörigkeit entweder an die
Geburt im Staatsgebiet ("ius soli": Recht des Bodens) oder an
die Abstammung von einem Staatsangehörigen ("ius
sanguis": Recht des Blutes) geknüpft. Bei Konkurrenz zwischen dem
Territorial- und dem Abstammungsprinzip kann es zu
mehrfachen Staatsangehörigkeiten kommen. Wenn ein Kind auf dem
Gebiet eines Staates, der bei Festlegung seiner Staatsangehörigkeit dem
Territorialprinzip ("ius soli") folgt, von Eltern geboren wird, die
aus einem Land stammen, in dem das Abstammungsprinzip ("ius
sanguis") die Staatsangehörigkeit bestimmt, erwirbt es
i. d. R. - das muß durchaus nicht immer vorteilhaft sein
- beide Staatsangehörigkeiten ("Doppel- oder
Mehrstaater").
Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht
ist im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG)
geregelt. Die Staatsangehörigkeit ist mit staatsbürgerlichen
Rechten und Pflichten verbunden, die durch die innerstaatlichen
Rechtsordnungen festgelegt werden. Diese können entsprechend der Staatsform
unterschiedlich ausgestaltet sein (Rechte: Bürgerrechte, Wahlrecht,
konsularischer Schutz im Ausland u. a.; Pflichten: Schul-, Wehr- und
Steuerpflicht u. a.).
5.3.2. Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
134
Die deutsche Staatsangehörigkeit wird
durch Geburt (Abstammungsprinzip: "ius sanguis") erworben
(§ 3 I RuStAG). Durch Geburt erwirbt ein Kind die
deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die
deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 I 1 RuStAG). Ist
bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher
Staatsangehöriger und ist nach deutschem Recht zur Begründung der
Abstammung die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich,
muß die Anerkennung bzw. die Feststellung der Vaterschaft
zur Geltendmachung des Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft des Kindes
vorliegen, wobei die Anerkennungserklärung oder das Feststellungsverfahren
eingeleitet sein muß, bevor das Kind das 23. Lebensjahr
vollendet hat (§ 4 I 2 RuStAG).
Durch das Gesetz zur Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts vom 7. 5. 1999 hat die langjährige
Debatte ein vorläufiges Ende gefunden, wie das Abstammungsprinzip -
Deutscher ist, wer von einem Deutschen abstammt - für in Deutschland
geborene Kinder von länger in Deutschland lebenden ausländischen
Staatsbürgern ergänzt werden sollte. Danach erhält ein
Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche
Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren
rechtmäßig seinen Aufenthalt in Deutschland hat und zum
Zeitpunkt der Geburt des Kindes über eine Aufenthaltsberechtigung
oder seit drei Jahren über eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis verfügt (§ 4 III RuStA
n. F.). Nach Vollendung des
18. Lebensjahrs muß diejenige Person, die auf diese Weise die
deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sich innerhalb von fünf
Jahren für die deutsche Staatsangehörigkeit oder die
Staatsangehörigkeit seiner Eltern entscheiden; Ausnahmen von dieser
Optionspflicht sind vorgesehen, wenn die Aufgabe der ausländischen
Staatsbürgerschaft nicht möglich oder zumutbar ist
(§ 29 RuStA
n. F.).
Ergänzender Hinweis: Ende 1998 lebten nach Angaben des Ausländerzentralregisters
in Deutschland 7,32 Millionen Ausländer (ca. 9% der Gesamtbevölkerung), davon 51% seit mindestens
10 Jahren, 38% seit mindestens 15 Jahren und 30% seit mindestens 20 Jahren.
1,59 Millionen der in Deutschland lebenden Ausländer sind hier geboren; von
den 1,11 Millionen in Deutschland lebenden ausländischen Kindern sind 65,4%
in Deutschland geboren.
Ein vor dem 1. Juli 1993 geborenes Kind
eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter erwirbt
die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Erklärung, daß es
deutscher Staatsangehöriger werden will, wenn (1.) eine nach deutschem
Recht wirksame Anerkennung oder Feststellung erfolgt ist, (2.) das Kind sich
rechtmäßig drei Jahre in Deutschland aufhält und (3.) die
Erklärung vor der Vollendung des 23. Lebensjahres abgegeben wird
(§ 5 RuStAG n. F.).
Vom Abstammungsprinzip macht das Gesetz noch eine
weitere Ausnahme: "Findelkinder" erwerben bis zum
positiven Nachweis einer bestimmten Abstammung die deutsche
Staatsangehörigkeit (§ 4 II RuStAG).
Weiterhin kann ein Kind die deutsche
Staatsangehörigkeit durch Adoption durch einen Deutschen
erwerben, wenn es im Zeitpunkt des Annahmeantrages das
18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 6 I 1
RuStAG). Mit der Adoption werden auch die Abkömmlinge des
Adoptierten zugleich deutsche Staatsangehörige (§ 6 I 2
RuStAG).
135
Ein Ausländer kann die deutsche
Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung, das ist die Verleihung
der deutschen Staatsbürgerschaft auf Antrag, erwerben (§ 8
RuStAG). Erwirbt ein Ausländer mit minderjährigen
Kindern durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit,
werden auch diese Deutsche, wenn dem Eingebürgerten die elterliche
Sorge (vgl. unten RN 152 ff.) zusteht; ausgenommen sind davon jedoch
verheiratete bzw. verheiratet gewesene Töchter
(§ 16 II RuStAG).
Verloren geht die deutsche
Staatsangehörigkeit durch Entlassung, durch Erwerb einer
ausländischen Staatsangehörigkeit, durch Verzicht
sowie bei Adoption durch einen Ausländer (§ 17
RuStAG).
Die Frage, ob das Kind bei
verschiedener Nationalität seiner Eltern auch die
Staatsangehörigkeit des nichtdeutschen Elternteils erwirbt
("Doppelstaater"), ist nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des
fremden Staates zu entscheiden. Der Verzicht auf die deutsche
Staatsangehörigkeit ist bei doppelter Staatsangehörigkeit
jederzeit möglich (§ 26 I RuStAG).
5.3.3. Statusänderungen
136
Familienrechtliche Statusänderungen
können sich auch auf die Staatsangehörigkeit auswirken. So
verliert das deutsche, von einem Ausländer angenommene Kind die
deutsche Staatsangehörigkeit, wenn es die ausländische
Staatsangehörigkeit des Annehmenden erwirbt und nicht mit einem
Elternteil deutscher Staatsangehörigkeit verwandt bleibt
(§ 27 Satz 1 und 2 RuStAG). Erstreckt sich der Erwerb der fremden
Staatsangehörigkeit auch auf die Abkömmlinge des Angenommenen,
verlieren auch dessen minderjährige Abkömmlinge mit der
Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 27 Satz 3
RuStAG).
Beantragen die Eltern oder der sorgeberechtigte
Elternteil zugleich mit ihrer Entlassung auch für ihr minderjähriges
Kind die Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit, um
eine ausländische zu erwerben, erfaßt die Entlassung auch das
Kind, ohne daß es dazu der Mitwirkung des VormschG bedarf
(§ 19 I II 1 RuStAG).
Optieren die sorgeberechtigten Eltern
für eine fremde Staatsangehörigekeit, verlieren sie
kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit. Das führt
nicht automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
für ihr minderjähriges Kind. Dazu kommt es nur, wenn aus den
Willensbetätigungen der Eltern erkennbar ist, daß sich ihr
Einbürgerungsantrag auch auf ihr Kind erstrecken soll
(§ 25 I RuStAG).
5.4. Unterhalt
5.4.1. Verwandtenunterhalt
137
Das Unterhaltsrecht läßt sich
sozialpolitisch aus dem Solidaritätsprinzip herleiten. Dieses
besagt, daß Solidarpflichten sich zunächst aus engeren
natürlichen Gemeinschaftsbeziehungen ergeben; die
Gesamtsolidargemeinschaft - Staat und Gesellschaft
- hat solche Verpflichtungen erst in zweiter Linie
(Subsidiaritätsprinzip).
Das Familienrecht knüpft als Anhaltspunkt
für Unterhaltsverpflichtungen in erster Linie an die Verwandtschaft
(Verwandtenunterhalt), daneben an die Ehe und ihre Folgewirkungen nach
Trennung und Scheidung (Familien-, Trennungs- bzw. nachehelicher
Unterhalt) und in begrenztem Rahmen an die außereheliche
Schwangerschaft an. Nach dem Prinzip des Verwandtenunterhalts besteht
eine Unterhaltspflicht nur zwischen Verwandten gerader Linie
(§ 1601 BGB). Es gibt daher grundsätzlich keine
Unterhaltspflicht zwischen Geschwistern (mittelbare Ausnahme:
§ 1649 II BGB) und sonstigen Verwandten in der Seitenlinie
(vgl. RN 92).
138
Der Unterhaltsanspruch setzt zumindest
partiell Bedürftigkeit auf Seiten des Berechtigten und
Leistungsfähigkeit auf Seiten des Verpflichteten voraus.
Bedürftig ist, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten
(§ 1602 I BGB), wessen Einkünfte - z. B.
aus beruflicher Tätigkeit, aus Vermögen (Zinsen, Mieten)
oder Verwertung seines Vermögens (Grundbesitz, Geld, Wertpapiere) -
für seinen angemessenen Unterhalt nicht ausreichen. Verpflichtet
dagegen ist nur, wer Unterhalt gewähren kann, ohne seinen eigenen
angemessenen Unterhalt zu gefährden (§ 1603 I
BGB).
Bestimmte Sozialleistungen wie
Arbeitslosen-, Wohn-, Kindergeld bzw. Ausbildungsförderung sowie
Erziehungsbeihilfen und Ausbildungsvergütungen gelten dabei als
Einkünfte. Sozial- und Arbeitslosenhilfe sind nicht dazu
zurechnen. Auch Unterhaltsvorschußleistungen (vgl. RN 149)
beeinflussen die Bedürftigkeit nicht unmittelbar. Vielmehr gehen die
Ansprüche eines Unterhaltsberechtigten, der solche Leistungen erhalten hat,
auf den Leistungsträger über, soweit er anstatt eines an sich
Verpflichteten geleistet hat (§ 7 UnterhVorschG,
§§ 2 II, 90 f. BSHG u. a.). Der
Leistungsträger kann das bereits Geleistete vom
Unterhaltsverpflichteten zurückfordern.
139
Im Rahmen der Leistungsfähigkeit müssen
der Stamm des eigenen Vermögens (Beispiel: Ferienhaus) und jede
zumutbare Arbeits- und Erwerbsmöglichkeit genutzt werden.
Letztlich beurteilt sich die Leistungsfähigkeit nicht nur nach den
tatsächlichen Einkünften, sondern danach, was der
Unterhaltspflichtige an Einkünften bei zumutbarem Einsatz seiner
Arbeitskraft erzielen könnte ("verschleiertes
Einkommen"). Sind mehrere zum Unterhalt verpflichtet, so greift
im Unterhaltsrecht eine Rangfolge ein. Grundsätzlich gehen
bei der Verpflichtung die Abkömmlinge den Verwandten der
aufsteigenden Linie vor, wobei unter diesen die näheren vor den
entfernteren haften (§ 1606 I II BGB).
5.4.2. Recht des Kindes auf Unterhalt
140
Ein wichtiger Fall des
Verwandtenunterhaltes ist die Unterhaltspflicht der Eltern
gegenüber ihren Kindern, zu denen allerdings nicht
Stiefkinder zählen. Hierfür gibt es zwar einige
Sonderregelungen, es gelten aber grundsätzlich die allgemeinen für den
Unterhalt maßgebenden Regeln des Verwandtenunterhalts
(§§ 1601 ff. BGB). Darüber hinaus steht das
Unterhaltsrecht des Kindes in einer engen Verbindung und
Abhängigkeit zur elterlichen Sorge, die bereits die Eltern
verpflichtet, den Lebensunterhalt ihrer Kinder sicherzustellen (vgl.
unten RN 152 ff. ).
Kinder sind als Unterhaltsberechtigte in
mehrfacher Hinsicht privilegiert. Sie müssen sich zwar eigene
Einkünfte (Beispiele: Ausbildungsvergütung, Stipendium,
Vermögenszinsen) anrechnen lassen, müssen aber, wenn sie eigenes
Vermögen besitzen, nur dessen Einkünfte, nicht aber das
Vermögen selbst, für ihren Unterhalt verwenden
(§ 1602 II BGB).
141
Dagegen können sich die Eltern
gegenüber ihren unverheirateten minderjährigen Kindern nicht
darauf berufen, daß sie ohne Gefährdung des eigenen
angemessenen Unterhalts nicht leistungsfähig sind. Dies hat seinen
Grund darin, daß die Familie eine Solidargemeinschaft ist und
Solidarität gerade in der Not für die Familienmitglieder lebenswichtig
ist. Aus diesen Erwägungen heraus müssen die Eltern also alle
verfügbaren Mittel mit ihren minderjährigen unverheirateten Kindern
gleichmäßig teilen (§ 1603 II 1 BGB). Die Praxis
läßt den Eltern dabei lediglich einen "kleinen
Selbstbehalt", der etwas über den Sätzen der Sozialhilfe
liegt (Düsseldorfer Tabelle: monatlich 1500,- DM für
Erwerbstätige und 1300,- DM für Nichterwerbstätige).
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn das Kind eigenes verwertbares
Vermögen hat oder es einen anderen unterhaltspflichtigen und
leistungsfähigen Verwandten gibt (§ 1603 II 3 BGB).
Nur in diesen Fällen können sich die Eltern auf ihre eigene
Leistungsunfähigkeit berufen.
Bei mehreren Bedürftigen gehen
minderjährige unverheiratete Kinder den anderen Bedürftigen vor
(§ 1609 I BGB). Die Eltern haften anteilsmäßig
(§ 1606 III 1 BGB). Dabei kann ein Elternteil, der ein
minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seinen Unterhaltsbeitrag durch
die tatsächliche Pflege und Erziehung des Kindes erbringen
(§ 1606 III 2 BGB); der andere Elternteil ist in diesem Fall
barunterhaltspflichtig. Fällt ein Elternteil aus, weil er nicht
leistungsfähig ist, haftet der andere allein für den
gesamten Unterhalt § 1607 BGB).
5.4.3. Umfang und Form
142
Der Umfang des Unterhalts bestimmt sich
nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener
Unterhalt), die sich bei Kindern aus dem Lebenszuschnitt der Eltern
ergibt (§ 1610 I BGB). Im allgemeinen hängt die
Lebensstellung von sozialen Merkmalen wie Bildung, Ausbildung,
Beruf und Lebensweise ab, wird aber letztlich von den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen entscheidend bestimmt. Der Unterhalt
umfaßt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten
einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 II
BGB).
Gerade in einem für die Praxis so wichtigen
Bereich wie dem des Unterhaltsrechts muß die Frage interessieren, wie der
unbestimmte Rechtsbegriff "angemessener Unterhalt" näher
zu konkretisieren ist. Die Gerichte haben zur Vereinfachung und
Vereinheitlichung der Rspr. in Unterhaltssachen
Unterhaltsschlüssel entwickelt. Nach diesen wird das
Einkommen des Unterhaltsverpflichteten in einem bestimmten
Verhältnis zwischen Mann, Frau und Kindern aufgeteilt. Die Ergebnisse
haben ihren Niederschlag in Unterhaltstabellen gefunden.
Die bekannteste Unterhaltstabelle stammt vom LG
Düsseldorf ("Düsseldorfer Tabelle"). Sie beruht auf
den Lebenskosten einer Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern. Diese
Unterhaltstabelle ist vom OLG Düsseldorf und später von den
Familiensenaten der meisten Oberlandesgerichte teils mit Einschränkungen
oder Ergänzungen zusammen mit den Leitlinien zur Bemessung des
Unterhalts ehelicher Kinder, des Trennungsunterhalts sowie des nachehelichen
Unterhalts übernommen worden.
Die entwickelten Unterhaltsschlüssel
und Unterhaltstabellen sind jedoch rechtlich nicht verbindlich.
Sie stellen vielmehr für die Gerichte eine Orientierungshilfe dar.
Halten diese nach den Umständen des Einzelfalles eine andere
Unterhaltsregelung für angemessen, dann können sie in
begründeten Fällen davon abweichen. Die aktuell praktizierten
Unterhaltstabellen und Leitlinien der OLGe werden regelmäßig in den
Fachzeitschriften veröffentlicht.
143
Normalerweise erfolgt die Gewährung des
Unterhalts durch Entrichtung einer Geldrente
(§ 1612 I 1 BGB). Eltern unverheirateter minderjähriger
Kinder können dagegen frei bestimmen, wie sie den Unterhalt gewähren
wollen, wobei allerdings auf die Belange der Kinder Rücksicht zu
nehmen ist (§ 1612 II 1 BGB). Im Regelfall besteht die
Unterhaltsleistung vor allem bei jüngeren Kindern im
"Naturalunterhalt". Das bedeutet, daß die Kinder im
Haushalt der Eltern leben und dort mit Nahrung, Bekleidung
und allen sonstigen zum Leben notwendigen Gütern versorgt werden.
Geldleistungen an die Kinder werden sich üblicherweise auf ein
Taschengeld (vgl. oben RN 63) und sonstige kleinere finanzielle
Zuwendungen beschränken, ohne daß darauf ein
Rechtsanspruch besteht. Bei unverheirateten Kindern, selbst wenn diese
bereits volljährig sind, können die Eltern bestimmen, in welcher
Art und für welche Zeit im voraus der Unterhalt gewährt
werden soll (§ 1612 II 1 BGB); nur aus besonderen Gründen
kann das FamG die Bestimmung der Eltern ändern (§ 1612
II 2 BGB). Das Bestimmungsrecht über die Art des Unterhaltes
kann aber nicht losgelöst von der Personensorge (vgl. unten RN
164 ff.) betrachtet werden. Beide stehen den Eltern (nur) gemeinsam
zu. Können sich die Eltern nicht einigen, so kann das FamG dieses,
wie auch in anderen vergleichbaren elterlichen Konfliktsfällen, auf
einen Elternteil übertragen (§ 1628 BGB).
144
Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber
seinen Eltern geht über den Lebensbedarf hinaus und umfaßt
auch die Erziehungs- und Ausbildungskosten
(§ 1610 II BGB). Die Eltern haben also ihren Kindern eine in den
Grenzen des Zumutbaren liegende angemessene Schul- und
Berufsausbildung zu finanzieren. Diese Pflicht endet nicht mit der
Volljährigkeit des Kindes. Sie besteht grundsätzlich bis zum
Erreichen des vorgesehenen Berufsabschlusses fort. Das gilt immer dann,
wenn der Abschluß nach Art der Ausbildung (Studium) oder wegen besonderer
Umstände (Krankheit, Reifeverzögerungen) erst später erreicht
werden kann. Sie kann im Einzelfall sogar darüber hinaus gehen. Daher sind
auch die Kosten einer sich an die Ausbildung anschließenden
Weiterbildung vom Unterhaltsanspruch des Kindes u. U. gedeckt. Das
setzt allerdings voraus, daß die Weiterbildung der besonderen
Begabung und Leistungsfähigkeit des Kindes entspricht, ein enger
sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit den vorangegangenen
Ausbildungsabschnitten besteht sowie den Eltern hinsichtlich ihrer finanziellen
Leistungsfähigkeit zumutbar ist (BGHZ 107,
380 ff.).
Bejaht: Bankkaufmann - Studium der
Rechtswissenschaft (BGHZ, NJW 1992, 501 ff.); Bauzeichnerin -
Architekturstudium (BGHZ, FamRZ 1989, 853 ff.); verneint: Finanzinspektorin
- Psychologiestudium (BGHZ, FamRZ 1981, 344 ff.); Industriekaufmann
- Medizinstudium (BGHZ, FamRZ 1991, 1044 ff.).
145
Ein Anspruch auf eine zweite
Berufsausbildung besteht dagegen generell nicht. Ausnahmen gelten nur
insoweit, als die erste Berufsausbildung nicht der Eignung oder
Neigung des Kindes entsprochen hat oder das Kind dem erlernten
Beruf nicht gewachsen ist oder die Eltern es in einen
unbefriedigenden, seiner Begabung nicht Rechnung tragenden Beruf
gedrängt haben (BGHZ 69, 190, 194). Bei alledem ist immer zu
bedenken: Der Anspruch des Kindes ist kein Freibrief für Faulheit zu Lasten
der Eltern. Das Kind hat seine Ausbildung eingedenk dessen zielstrebig zu
betreiben. Eine nachhaltige Vernachlässigung, die nicht auf
Krankheit oder anderen wichtigen Gründen beruht, führt zum
Verlust des Anspruches auf Ausbildungsfinanzierung.
Auch bei der Schul- und Berufswahl
haben die Eltern aufgrund ihres Sorgerechts das Bestimmungsrecht; bei seiner
Ausübung müssen sie aber auf Eignung und Neigung des Kindes
Rücksicht nehmen (§ 1631 a I 1 BGB).
5.4.4. Unterhalt des nichtehelichen Kindes bis zur Kindschaftsrechtsreform von
1998
146
Als wichtigste Besonderheit beim Unterhalt
des nichtehelichen Kindes galt die vereinfachte Festsetzung der
Unterhaltsleistung des nichtehelichen Vaters. Das Kind konnte von
ihm bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zumindest den
Regelunterhalt verlangen, sofern es nicht in den väterlichen
Haushalt aufgenommen war
(§ 1615 f I 1 BGB
a. F.). Unter Regelunterhalt war derjenige Betrag zu verstehen, den das
Kind bei einfacher Lebensführung zu seinem Unterhalt brauchte. Dabei
wurde allerdings vorausgesetzt, daß es sich in der Pflege der
Mutter befand (§ 1615 f I
2 BGB a. F.). War letzteres nicht der Fall, so galten für die
Unterhaltspflicht der Mutter nicht die Vorschriften über den
Regelunterhalt, sondern die allgemeinen Regeln des Verwandtenunterhalts.
Die Höhe des Regelbedarfs wurde von
den Gerichten nicht durch Auslegung ermittelt, sondern nach einem in
regelmäßigen Abständen vom Statistischen Bundesamt zu
erstattenden Gutachten von der Bundesregierung durch
Rechtsverordnung festgelegt
(§ 1615 f II 1 BGB
a. F.). Die Regelunterhalt - Verordnung vom 27. 6. 1970
führte die gesetzlich möglichen Altersstufen ein
(§ 1615 f II 2 BGB
a. F.) und setzte den monatlichen Regelbedarf für Kinder bis
zum 6. Lebensjahr auf 108.- DM, vom 7.-12. Lebensjahr auf
132.- DM und vom 13.-18. Lebensjahr auf 156.- DM fest.
Danach wurden die Sätze siebenmal erhöht, letztmalig durch Verordnung
vom 25. 9. 1995, auf monatlich 349.- DM, 424.- DM bzw. 502.- DM, in den
neuen Bundesländern betrugen die entsprechenden Beträge DM 314.-, DM
380.- und DM 451.-
(§§ 1 f.
Regelbetrag-VO).
Dabei sollte der nichteheliche Vater nicht
schlechter als ein ehelicher Vater gestellt werden. Deshalb wurden
Kindergeld, Kindergeldzuschläge und ähnlich
regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen, sofern sie an die
Mutter, bei der sich das Kind aufhält, gezahlt werden, bei der Ermittlung
des Regelunterhaltes zur Hälfte auf den Regelbedarf angerechnet
(§ 1615 g I 1 a. F. BGB). Auf einen Nenner gebracht
bedeutete dies: Der Regelunterhalt entsprach dem Regelbedarf
abzüglich der Hälfte des Kindergeldes.
Da die Regelunterhalt-Verordnung nur
Mindestsätze angab und auch das nichteheliche Kind Anspruch auf den
der Lebensstellung seiner Eltern - war diese unterschiedlich, war
ein Mittelwert zu suchen - entsprechenden angemessenen Unterhalt
hatte, kamen bei höherem Lebensstandard der Eltern prozentuale
Zuschläge zum Regelunterhalt in Betracht
(§§ 1615 c , 1610 I BGB a. F.). Über die
Höhe enthielt die "Düsseldorfer Tabelle" entsprechende
Angaben. Ebenso konnte der nichteheliche Vater allerdings auch die
Herabsetzung des Regelunterhalts verlangen, wenn durch die Zahlung
desselben sein eigener Lebensunterhalt gefährdet wurde
(§ 1615 h BGB a. F.). Dieser geringere oder höhere
Unterhalt des Kindes wurde als Individualunterhalt
bezeichnet.
Das nichteheliche Kind konnte von seinem Vater
Unterhaltsbeiträge, die fällig geworden sind, bevor die Vaterschaft
anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war, auch rückwirkend
verlangen (§ 1615 d BGB a. F.). Möglich war es auch,
daß das nichteheliche Kind mit seinem Vater oder den unterhaltspflichtigen
Verwandten des Vaters einen Abfindungsvertrag über den Unterhalt
vereinbarte. Dieser bedurfte allerdings, soweit das Kind noch minderjährig
war, der Genehmigung durch das VormschG (§ 1615 e BGB
a. F.). Ein unentgeltlicher Verzicht auf Unterhalt für die
Zukunft war nicht möglich.
5.4.5. Vereinfachtes Verfahren
147
Seit dem Inkrafttreten des reformierten
Kindschaftsrechts am 1. Juli 1998 gibt es im Unterhaltsrecht des Kindes
keine Unterscheidung mehr zwischen ehelichen und
nichtehelichen Kindern. Die bis dahin für den Unterhalt
nichtehelicher Kinder geltenden
Sondervorschriften sind ersatzlos entfallen.
Nunmehr können alle Kinder den ihnen
zustehenden Individualunterhalt (vgl. oben RN 140 ff.) als
("statischen") Unterhalt verlangen (§ 1601 BGB).
Auch an den bis dahin geltenden Vorgaben für die Berechnung des Unterhalts
hat sich nichts geändert. Geschuldet wird demnach der sich aus der
(abgeleiteten) Lebensstellung des Kindes ergebende gesamte Lebensbedarf
einschließlich der Ausbildungskosten (§ 1610 II BGB).
Dieser wird aus den hierzu von der Rechtspraxis entwickelten
Unterhaltstabellen ermittelt. Änderungsbegehren können
- wie bisher - nur mit einer Abänderungsklage (§ 323
ZPO) durchgesetzt werden.
148
Neu eingeführt wurde mit dem
Kindesunterhaltsgesetz von 1998
ein vereinfachtes Verfahren vor dem
Rechtspfleger (§ 20 Nr. 10 a RPflG) zur
Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen von Kindern
(§§ 645 ff. ZPO). Nach diesem haben alle
minderjährigen Kinder, soweit sie nicht im Haushalt desjenigen
Elternteils leben, gegen den sie Unterhaltszahlungen geltend machen, den ihnen
zustehenden Individualunterhalt - unabhängig davon, ob die
Eltern verheiratet sind oder nicht - als Vomhundertsatz eines oder
des jeweiligen Regelbetrages geltend zu machen (§ 1612 a I
BGB). Dabei darf aber der geltend gemachte Unterhaltsbetrag das
Eineinhalbfache des Regelbetrages nicht übersteigen
(§ 645 I ZPO). Die Regelbeträge haben dabei lediglich die
Funktion einer Bezugsgröße für die Dynamisierung des
Individualunterhalts. Die Regelbeträge sind nach drei Altersstufen
festgesetzt
(§ 1612 a III
BGB):
Altersstufe
1: bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres;
Altersstufe
2: bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres;
Altersstufe
3: für die Zeit vom 13. Lebensjahr an.
Dabei hängt die automatische
Erhöhung des Unterhalts beim Eintritt des Kindes in eine neue
Altersstufe davon ab, ob das Kind seinen Unterhalt vom Vomhundertsatz
eines bzw. des jeweiligen Regelbetrages geltend gemacht hat
(§ 1612 a I IV BGB).
Die Regelbeträge betragen für
den Unterhalt eines minderjährigen Kindes nach der am 1. Juli 1998 in
Kraft gesetzten Regelbetrag-Verordnung in den alten Bundesländern DM
349.- (Altersstufe 1), DM 424.- (Altersstufe 2) und DM 502.-
(Altersstufe 3); in den neuen Bundesländern betragen die entsprechenden
Beträge DM 314.-, DM 380.- und DM 451.-
(§§ 1 f. Regelbetrag-VO). Das Bundesministerium der Justiz
hat die Regelbetrag-Verordnung durch Rechtsverordnung erstmals zum 1. Juli
1999 und danach zum 1. Juli jeden zweiten Jahres anzupassen
(§ 1612 a IV 1 und 3 BGB).
5.4.6. Sicherung des Kindesunterhalts
149
Der Sicherung und der erleichterten
Durchsetzung bestimmter Unterhaltsansprüche von Kindern dient
das Unterhaltsvorschußgesetz
(UnterhVorschG) von 1979. Nach diesem Gesetz haben
- das gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Ausländer
- noch nicht 13 Jahre alte Kinder, die bei einem ihrer
Elternteile leben, der ledig, verwitwet bzw. geschieden ist oder von seinem
Ehegatten dauernd getrennt lebt, einen Anspruch auf Leistung eines
Unterhaltsvorschusses bzw. einer Unterhaltsausfalleistung, wenn
der zahlungspflichtige andere Elternteil seinen Verpflichtungen
nicht oder nicht regelmäßig nachkommt (§ 1 I II
UnterhVorschG). Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird für höchstens
72 Monate, rückwirkend längstens für die letzten 3 Monate von
Antragstellung an, ein Unterhaltsvorschuß gewährt
(§§ 3 f. UnterhVorschG). Dieser wird monatlich in der
Höhe der für Kinder der ersten und zweiten Altersstufe jeweils
geltenden Regelbeträge
(§§ 1 f. der
Regelbetrag-Verordnung) gezahlt (§ 2 I UnterhVorschG; vgl. dazu
auch oben RN 147). Der Unterhaltsanspruch geht in der Höhe der
vorgestreckten Leistung auf den Staat über, der den Unterhaltsschuldner
dann in Regreß nimmt (§ 7
UnterhVorschG).
Das Unterhaltsvorschußgesetz wird im
Auftrag des Bundes von den Ländern ausgeführt; die Kosten werden je
zur Hälfte vom Bund und den Ländern getragen (§ 8 I III
UnterhVorschG).
5.5. Pflichten des Kindes
150
Der Unterhaltspflicht der Eltern
entspricht eine Dienstleistungspflicht des im elterlichen Haushalt
lebenden minderjährigen Kindes im Haus und Geschäft der
Eltern (§ 1619 BGB). Gegen erwachsene Kinder besteht ein
entsprechender Anspruch nur dann, wenn es von den Eltern unterhalten wird. Beide
Pflichten bestehen unabhängig nebeneinander. Die Dienste des Kindes
sind also keine Gegenleistung für Unterhaltsleistungen der
Eltern. Voraussetzung für die Dienstleistungspflicht des Kindes ist,
daß es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern
erzogen oder unterhalten wird.
Die unentgeltliche Dienstpflicht ist vom
Kind im Hauswesen (Mithilfe im Haushalt, Beaufsichtigung von
Geschwistern) oder im Geschäft (Handwerksbetrieb, Bauernhof) zu
leisten. Der Umfang der Dienstleistungspflicht bestimmt sich einerseits
nach den körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Kindes
(Alter, Gesundheit, Erziehung und Lebensstellung) und den Lebensumständen
seiner Familie.
Bei alledem stellt sich die Frage nach der
Durchsetzbarkeit dieses Anspruches der Eltern gegen das Kind. Die Eltern
können ihren Anspruch mit den ihnen im Rahmen ihres Erziehungsrechts
zustehenden Zwangsmitteln durchsetzen (vgl. unten RN 171 ff.). Gegen
mißbräuchliche Ausnutzung der Arbeitskraft des
Minderjährigen können Maßnahmen des FamG
(§ 1666 BGB) geboten sein (vgl. unten RN 185 f.). Wie die
Eltern ihren Kindern, sind auch die Kinder ihren Eltern
gegenüber als Verwandte in gerader Linie unterhaltspflichtig (vgl.
oben RN 140 ff.).
151
Lösungsskizze zu Fall 9
Zu Frage 1 (Geburtsurkunde auf den Namen John
Kluge)
Das Kind gilt wegen der noch bestehenden Ehe von
Eva Kluge und Adam Weise als eheliches Kind der beiden Eheleute
(§ 1592 Nr. 1 BGB). Demnach erhält es als Geburts- und
Familiennamen den Ehenamen der Eltern (§ 1616 BGB). Da Eva und Adam
aber keinen gemeinsamen Ehenamen führen, haben sie das Wahlrecht, den Namen
Kluge oder Weise durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten zum
Geburtsnamen des Kindes zu bestimmen (§ 1617 I 1 BGB). Zu
einer gemeinsamen Bestimmung ist es auch einen Monat nach der Geburt noch nicht
gekommen, weil Adam Weise sich bis dahin zu dem Vorschlag von Eva Kluge nicht
geäußert hat. Von dieser Tatsache hat der Standesbeamte in B dem FamG
Mitteilung zu machen
(§ 21 a PStG). Dieses hat
dann das Bestimmungsrecht einem von beiden Elternteilen zu übertragen
(§ 1617 II 1 BGB). Erhält Eva Kluge dieses Recht
- davon ist nach der gegebenen Sachlage auszugehen, da kein Grund
ersichtlich ist, der für eine Übertragung auf Adam Weise spricht
-, steht einem Eintrag des Kindes in das Geburtenbuch unter dem Geburts-
und Familiennamen Kluge nichts mehr im Wege.
Ähnlich sieht das Ergebnis hinsichtlich des
Vornamens aus. Hier steht den Eltern aufgrund des elterlichen Sorgerechts
gemeinsam das Recht auf Wahl des Vornamens eines ehelichen Kindes zu
(§§ 1626 I, 1627 BGB). Können sie sich nicht auf einen
Vornamen einigen, kann das FamG (früher: VormschG) auf Antrag eines
Elternteils das Wahlrecht übertragen (§ 1628 BGB). Auch insoweit
wird das FamG (früher: VormschG) das Bestimmungsrecht auf Eva Kluge
übertragen. Nach Eintragung des Vornamens John und des Geburts- und
Familiennamens Kluge sowie der übrigen erforderlichen Angaben in das
Geburtenbuch (§ 21 PStG), kann der Standesbeamte allein auf
Veranlassung von Eva Kluge für ihren Sohn eine Geburtsurkunde auf den Namen
John Kluge ausstellen.
Zu Frage 2 (Einfluß von Scheidung bzw.
Ehelichkeitsanfechtung auf Namen, Staatsangehörigkeit und
Unterhalt)
Die Scheidung löst die Ehe nur mit der
Wirkung "ex nunc" (von jetzt an) auf. Da die Ehelichkeitsvermutung
bestehen bleibt, kann sich die Scheidung nicht auf die Rechtsstellung des Kindes
auswirken. Es ergeben sich mithin auch bzgl. des Namens, der
Staatsangehörigkeit und der Unterhaltsansprüche des von Eva Kluge
geborenen Kindes keine Änderungen.
Eine erfolgreiche Ehelichkeitsanfechtungsklage
durch Adam würde dazu führen, daß aus dem bis dahin ehelichen
Kind der Eva Kluge ein nichteheliches Kind wird. Hinsichtlich des Geburts- und
Familiennamens des Kindes hat das aber keine Auswirkungen, da dieses als
nichteheliches Kind den Familiennamen der Mutter erhält (§ 1617
I 1 BGB), den es zu diesem Zeitpunkt bereits (vermutlich) trägt.
Dasselbe gilt hinsichtlich des Vornamens, weil bei diesem die nichteheliche
Mutter als Sorgeberechtigte in jedem Fall das alleinige Wahlrecht besitzt
(§ 1626 a II BGB). Da
nach dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht durch Geburt sowohl eheliche
als auch nichteheliche Kinder die deutsche
Staatsangehörigkeit erwerben (§ 4 I RuStAG), ergibt sich
auch hinsichtlich der Staatsangehörigkeit keine Änderung. Die Frage,
ob das Kind John Kluge über seinen nichtehelichen Vater auch die
amerikanische Staatsangehörigkeit erworben hat und insofern zum
"Doppelstaater" geworden ist, entscheidet sich allein nach
amerikanischem Recht.
Unterhaltsrechtlich bewirkt die erfolgreiche
Ehelichkeitsanfechtung folgendes: John Kluges Unterhaltsanspruch gegen Adam
Weise fällt rückwirkend weg. Dafür erhält er einen
Unterhaltsanspruch gegen seinen leiblichen Vater
(§§ 1601-1603,
1615 a BGB), wenn dieser seine
Vaterschaft anerkannt hat oder sie gerichtlich festgestellt worden ist. Adam
Weise hat einen Rückforderungsanspruch gegen John Bull, soweit er Unterhalt
an John Kluge bezahlt hat, weil dessen Unterhaltsanspruch auf ihn
übergegangen ist
(§§ 1600 a, 1607
III 2 BGB) bzw. (§ 812 I 1 Alt. 1 BGB
[str.]).
|
6. Elterliche Sorge
152
Fall 10: "Eine teure Reise in die
Toskana"
Bei einer Konzertveranstaltung lernte die
16jährige A den verheirateten, wesentlich älteren B kennen. Schon bald
danach entwickelte sie für ihn eine außergewöhnliche Zuneigung.
Sie schrieb ihm eine Vielzahl von Briefen und versuchte, mit ihm in näheren
Kontakt zu treten.
Kurz darauf reiste A ohne Wissen ihrer Eltern zu
B und dessen Ehefrau C und übernachtete bei ihnen. Trotz eines Versuchs der
Eltern, diese Beziehung durch ein klärendes Gespräch mit B und C zu
unterbinden, kam es zu einem zweiten Besuch. Einige Wochen später flog A
- wieder ohne Wissen ihrer Eltern - auf Kosten von B und C in die
Toskana, wo diese ein Landhaus hatten. Von hier aus ließ A durch C ihren
Eltern telefonisch mitteilen, daß sie nicht die Absicht hätte, nach
Haus zurückzukehren. Nachdem die Eltern den Aufenthaltsort ihrer Tochter
ausfindig gemacht hatten, erreichten sie in Rom durch Einschaltung der deutschen
Botschaft und der italienischen Polizei, daß A aus der Toskana nach Rom
gebracht wurde. Danach flogen die Eltern nach Italien. Dort nahmen sie ihre
Tochter in Empfang und kehrten mit ihr ebenfalls auf dem Luftwege nach Hause
zurück.
Nunmehr begehren sie im Klagewege von B und C die
Erstattung der Kosten in Höhe von 3800,- DM, die sie für das
Auffinden und die Rückführung ihrer Tochter aufgewendet haben. Das
Ehepaar B und C wendet ein, daß die Eltern ein Mitverschulden treffe, weil
sie A nicht einer strengeren Aufsicht unterworfen hätten. Darüber
hinaus meinen sie, hätte es ausgereicht, wenn nur ein Elternteil die
Flugreise angetreten hätte.
Zu Recht?
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6.1. Rechtlicher und geschichtlicher Standort
153
Das grundrechtlich verankerte
Elternrecht wird im Familienrecht des BGB näher
konkretisiert (vgl. dazu auch oben RN
30 ff.). Kernpunkt bildet
hier im Rahmen des Kindschaftsverhältnisses das als elterliche
Sorge bezeichnete Rechtsverhältnis der Eltern zu ihrem noch
minderjährigen Kind. In ihrer Ausgestaltung lehnt sich diese
Regelung eng an das Grundgesetz an. So entspricht die Bestimmung des BGB:
"Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das
minderjährige Kind zu sorgen" (§ 1626
I 1 BGB) voll dem Postulat des Grundgesetzes: "Pflege und Erziehung
der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst
ihnen obliegende Pflicht." (Art. 6 II 1 GG).
154
Der Rückblick auf die Geschichte
dieser Regelung zeigt den Wandel im Rechtsverständnis von
Familie und Jugend auf. Nach dem römischen und dem
germanischen Recht stand dem Vater über das Kind die
ausschließliche Gewalt (patria potestas, Munt) zu. Schicksalhaft
war dieses mithin eingebunden in den patriarchalisch organisierten
Herrschaftsverband der Familie. Das BGB ging grundsätzlich von der
elterlichen Gewalt über eheliche Kinder aus. Danach hatte die Mutter
zwar ebenfalls die Pflicht, für das persönliche Wohl des Kindes
zu sorgen, doch basierte die elterliche Gewalt letztlich auf dem
Entscheidungsrecht des Vaters.
Eine Änderung trat mit der Schaffung des
Grundgesetzes ein, das die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau
festschrieb (Art. 3 II GG). Zwischen dem Inkrafttreten des Grundsatzes
der Gleichberechtigung (Art. 117 I GG) im Jahre 1953 und dem Inkrafttreten
des Gleichberechtigungsgesetzes im Jahre 1958 gingen Praxis und Wissenschaft
überwiegend von der Gleichordnung der Eltern in der Familie
aus. 1959 stellte das BVerfG (BVerfGE 10,
59 ff.) verbindlich fest, daß
die zwischen den Eltern bestehende sittliche Lebensgemeinschaft und ihre
gemeinsame, unteilbare Verantwortung gegenüber dem Kind in
Verbindung mit dem umfassenden Gleichberechtigungsgebot der Verfassung
(Art. 3 II, 117 I GG) im Bereich der elterlichen Gewalt zu voller
Gleichordnung von Vater und Mutter führen.
Gesetzlich normiert und im einzelnen näher
ausgeformt wurde der Grundsatz aber erst durch das "Gesetz zur
Neuregelung der elterlichen Sorge" von 1979. Inhaltlich
verstärkte das Gesetz in Anerkennung der Tatsache, daß die
Fähigkeit des Kindes zu selbständigem und
verantwortungsvollem Handeln mit steigendem Alter zunimmt, die
Mitspracherechte des Kindes und engte die Befugnisse der Eltern
gegenüber dem Kind ein. Darüber hinaus beseitigte die Neuregelung
Rechtsfolgen, die dem Gleichberechtigungsgrundsatz von Mann und Frau
widersprachen. Schließlich ersetzte das Gesetz den Begriff
"elterliche Gewalt" durch den der "elterlichen
Sorge". Mit der neuen Wortwahl wollte man die
Pflichtengebundenheit des Elternrechts (vgl. oben RN
30 ff.) stärker herausheben
und darüber hinaus den Eindruck zu vermeiden helfen, daß das dem
Kinderschutz dienende Institut der elterlichen Sorge auf Zwang
beruht.
6.2. Begriff und Inhaber
155
Unter dem Begriff der elterlichen Sorge sind die
Rechte und Pflichten zusammengefaßt, die die Eltern gegenüber ihrem
minderjährigen Kind haben. Ziel der elterlichen Sorge ist es,
das heranwachsende Kind zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung
zu befähigen. Die Eltern müssen dabei alle ihre Handlungen und
Entscheidungen in Ausübung ihres Sorgerechtes an den zwischen den Polen der
Erziehungsbedürftigkeit und der
Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes entstehenden Spannungen
ausrichten (vgl. dazu auch oben RN
40 ff.), damit diese nach
Möglichkeit neutralisiert werden (§ 1626 II
BGB).
156
Die elterliche Sorge schließt die
Personensorge (persönliche Pflege und Erziehung des Kindes) und die
Vermögenssorge (Betreuung des Vermögens des Kindes) sowie die
gesetzliche Vertretung des Kindes durch die gleichberechtigten Eltern in
den beiden genannten Bereichen ein (§§ 1626 I, 1629 BGB).
Das elterliche Sorgerecht gegenüber dem Kind ist nahezu
unbeschränkt. Es gibt nur wenige Entscheidungen, die das Kind
bereits vor seiner Volljährigkeit selbständig (vgl.
§§ 1746 II 3, 1750 III 2, 2229 II,
2290 II 2, 2296 I 2, 2347 II 1 BGB) bzw. nur mit
Zustimmung der Eltern (vgl. §§ 1411 I, 1746 I 2,
2275 II, III BGB) treffen kann.
Unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet
sind oder nicht, obliegt ihnen seit der Kindschaftsrechtsreform 1998 die
elterliche Sorge gemeinsam (§§ 1626 I, 1629 I
BGB). Bis dahin konnten
lediglich verheiratete Eheleute die Sorge gemeinsam wahrnehmen. Ein gemeinsames
Sorgerecht für nicht verheiratete Eltern setzt allerdings
voraus, daß sie öffentlich beurkundete Sorgeerklärungen
mit dem Inhalt abgeben, die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen zu
wollen (§§ 1626 a I
Nr. 1, 1626 d I BGB) oder
einander heiraten
(§ 1626 a I
Nr. 2 BGB). Beim Tod eines Elternteils steht die elterliche Sorge
dem überlebenden Elternteil allein zu, wenn die Eltern miteinander
verheiratet gewesen waren oder Sorgeerklärungen abgegeben hatten
(§ 1680 I BGB). In allen anderen Fällen besitzt die (nicht
verheiratete) Mutter für das (nichteheliche) Kind das alleinige
Sorgerecht (§ 1626 a
II BGB). In der Praxis wird diese Sorgerechtsregelung bei (nicht verheirateten)
Müttern in näherer Zukunft noch der Regelfall bleiben. Beim Tod
der alleinsorgeberechtigten Mutter überträgt das FamG
die elterliche Sorge dem Vater, wenn dies dem Wohl des Kindes dient
(§ 1680 II 2 BGB). Die Entscheidung des Gerichts wird dabei stark
davon abhängen, ob ein gutes persönliches Verhältnis
zwischen Vater und Kind besteht.
Bei der Geburt eines (nichtehelichen) Kindes
durch eine Minderjährige wird das JugA gesetzlicher Vormund,
wobei es alle Rechte und Pflichten hat, die sich aus der elterlichen Sorge
ergeben
(§§ 1791 c I,
1773 I BGB; vgl. auch unten RN
200 ff.).
6.3. Beginn und Ende
157
Die elterliche Sorge beginnt mit der
Geburt des Kindes, rechtlich verantwortlich sind die Eltern aber bereits
für das werdende Leben. Als Vorwirkung der elterlichen Sorge
trifft sie insoweit bereits eine gemeinsame Fürsorgepflicht für die
Leibesfrucht (§ 1912 II BGB). Daraus folgt, daß
einem beabsichtigten strafbaren Schwangerschaftsabbruch mit
familiengerichtlichen Maßnahmen begegnet werden kann (§ 1666
BGB).
Beendet wird die elterliche Sorge mit dem
Erreichen der Volljährigkeit des Kindes (vgl. §§ 2,
1626 I BGB), bzw. mit dem Tod eines Elternteils oder des Kindes
(§ 1680 I BGB). Die Heirat des Kindes schränkt
zwar die elterliche Sorge ein, beendet sie aber nicht (§ 1633
BGB). Im Falle des Todes des Kindes bleibt den Eltern das Recht und die
Pflicht der Totenfürsorge; sie bestimmen nach dem Tod auch
über eine eventuelle Organspende oder Obduktion
(Leichenöffnung). Zu Lebzeiten der Eltern und des Kindes kann die
elterliche Sorge durch Adoption (§ 1754 BGB) und mit
Entziehung durch das FamG (§§ 1666,
1666 a BGB) enden. Um der Bedeutung
des Elternrechts (Art. 6 II GG) gerecht zu werden, muß das FamG
aber die Entziehung der elterlichen Sorge jederzeit ganz oder teilweise
wieder aufheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes
nicht mehr besteht (§ 1696 II BGB). Die elterliche Sorge endet
für einen Elternteil dann, wenn das FamG diese bei Trennung oder
nach der Scheidung auf Antrag eines der Elternteile nur dem beantragenden
Elternteil zugewiesen hat (§ 1671 I BGB).
158
Endet bei minderjährigen Kindern die
elterliche Sorge, ohne daß noch ein Elternteil zu deren Übernahme zur
Verfügung steht, muß das VormschG die Vormundschaft anordnen
und einen Vormund bestellen (§§ 1773 I, 1774 BGB).
Endet die elterliche Sorge dagegen nur in Teilbereichen, muß eine
Pflegschaft angeordnet und ein Pfleger bestellt werden
(§§ 1774 ff.,
1915 ff. BGB; Einzelheiten vgl.
unten RN 200 ff.).
Weggefallen ist die gesetzliche
Amtspflegschaft für das nichteheliche Kind durch das JugA,
das als Pfleger die Aufgabe hatte, vor allem die Interessen des Kindes bei der
Feststellung der Vaterschaft sowie der Geltendmachung von
Unterhalts- und Erbansprüchen zu vertreten
(§§ 1706, 1709 BGB
a. F.). An die Stelle der
Amtspflegschaft ist die Beistandschaft durch das JugA getreten,
die die Obliegenheiten der alten Amtspflegschaft wahrnimmt, jedoch nur auf
Antrag des Elternteils übernommen wird, dem für die beantragte
Aufgabe die Alleinsorge zusteht
(§§ 1712 ff.
BGB).
6.4. Kompetenzverteilung
159
Das gemeinsame Sorgerecht muß von den
Eltern in gegenseitigem Einvernehmen ausgeübt werden. Dies bedeutet:
Grundsätzlich müssen die Eltern versuchen, zu einer Einigung zu
kommen (§ 1627 BGB); nur in unüberwindlichen
Konfliktsfällen kann das FamG auf Antrag eines Elternteils in
Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind,
das Entscheidungsrecht auf einen Elternteil allein übertragen
(§ 1628 BGB).
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind
befindet, kann Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen
Elternteil geltend machen (§ 1629 II 2 BGB), bei Trennung und im
Scheidungsfall aber nur im eigenen Namen (§ 1629 III 1 BGB).
160
Leben die Eltern nicht zusammen, sind die
Kompetenzen bei der gemeinsamen Sorge in der Weise verteilt, daß der
Elternteil, bei dem das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder
aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung seinen Aufenthalt hat, in
Angelegenheiten des täglichen Lebens die Alleinentscheidung
besitzt (§ 1687 I 2 BGB). Angelegenheiten des täglichen
Lebens sind
i. d. R.
gegeben, wenn diese häufiger vorkommen und keine schwer abzuändernden
Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 I 3
BGB).
Beispiele (nach Schwab, Dieter, Elterliche
Sorge bei Trennung und Scheidung der Eltern, FamRZ, 1998, 457,
469):
Schule/Ausbildung:
Entschuldigung im Krankheitsfall, Teilnahme an Sonderveranstaltungen,
Nachhilfeunterricht, unbedeutendere Wahlmöglichkeiten im Rahmen des
gewählten Ausbildungsgangs (Wahlfächer, Teilnahme am Schulchor
u. a.);
Gesundheit: Alltägliche Gesundheitsvorsorge, Routineimpfungen, Behandlung
leichterer Erkrankungen;
Aufenthalt:
Aufenthaltsbestimmung im einzelnen, wie
u. a. Wahl des Wohnsitzes,
Teilnahme an Ferienlager, Besuch bei Verwandten;
Umgang:
Einzelentscheidungen im täglichen Vollzug, wie
u. a. Kontakte des Kindes zu
Nachbarn, Fernhalten unerwünschter "Freunde";
Vermögenssorge:
Verwaltung von Geldgeschenken
u. a.
|
161
Gegenseitiges Einvernehmen dagegen
muß vorliegen in Angelegenheiten,
deren Regelung für das Kind von besonderer Bedeutung sind
(§ 1687 I 1 BGB).
Beispiele (nach Schwab, Dieter, Elterliche
Sorge bei Trennung und Scheidung der Eltern, FamRZ, 1998, 457,
469):
Schule/Ausbildung:
Wahl der Schule und Schulart, der Ausbildungsstätte, der Fächer und
Fachrichtungen, Besprechung mit Lehrern über gefährdete Versetzung,
Entscheidung über Internatserziehung, Wahl der Lehre und
Lehrstätte;
Gesundheit:
Operationen mit Ausnahme von Eilfällen, medizinische
Behandlungen mit erheblichem Risiko, grundlegende
Entscheidungen in der
Gesundheitsvorsorge;
Aufenthalt:
Freiheitsentziehende Unterbringung; Grundentscheidung, bei welchem Elternteil
das Kind leben soll;
Umgang:
Grundentscheidung über Art und Umfang des Umgangs;
Vermögenssorge:
Anlage und Verwendung des Kindesvermögens.
|
Jeder Elternteil, der nicht Inhaber der
elterlichen Sorge ist und bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen
Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung aufhält, hat
unter Achtung des Selbstbestimmungsinteresses des Kindes die Befugnis zur
alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der
tatsächlichen Betreuung. Das FamG kann die
Alleinentscheidungsbefugnis einschränken oder
ausschließen, wenn dies das Wohl des Kindes erfordert
(§ 1687 I 4 und 5, II BGB).
6.5. Umgangsrecht der Eltern und des Kindes
162
Jeder Elternteil - das soll die
Elternverantwortung verdeutlichen - ist zum Umgang mit dem Kind
verpflichtet und berechtigt (§ 1684 I 2. HS. BGB).
Daraus ergibt sich, daß auch der Elternteil, dem die Personensorge -
aus welchem Grund auch immer - nicht zusteht, ein gesetzlich verbrieftes
Umgangsrecht mit allen Pflichten und Rechten hat.
Keine Regelung trifft das Gesetz über die
Ausgestaltung und Durchführung des Umgangsrechts im Einzelfall. Zum
Umgangsrecht gehört aber sicherlich vor allem das Recht, das Kind zu
sehen und zu sprechen. Mit dem Umgangsrecht der Eltern korrespondiert
- unabhängig von der Altersstufe - ein Umgangsrecht des
Kindes mit jedem Elternteil (§ 1684 I 1. HS. BGB). Da
Eheleute erfahrungsgemäß häufig versuchen, ihre Konflikte auch
nach gescheiterter Ehe oder nach Trennung weiter auszutragen, bisweilen sogar
unter Mißbrauch des
Kindschaftsverhältnisses, hat der Gesetzgeber an beide Elternteile
eine Klausel zu wechselseitigem loyalem Verhalten gerichtet. Danach haben
die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum
jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung
erschwert (§ 1684 II BGB).
Was geschieht, wenn das Kind den Umgang
nicht will? Das Umgangsrecht eines Elternteils entfällt nicht allein
schon deshalb, weil das Kind sich gegen den Umgang ausspricht. Besonders
bei jüngeren Kindern, die zu einer eigenen abgewogenen Willensbildung noch
nicht fähig sind, ist es grundsätzlich die Pflicht des Elternteils,
bei dem das Kind lebt, erzieherisch auf das Kind einzuwirken und es zu
ermutigen, den Kontakt zu dem Umgangsberechtigten zu pflegen. Fraglich ist auch,
was passiert, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, den Umgang
verhindern will. In diesem Fall kann sich der andere Elternteil, bevor er
das FamG bemüht, an das JugA wenden und sich dort beraten lassen. Das JugA
kann zwischen den Eltern vermitteln und darauf hinwirken, daß eine
zwischen ihnen getroffene Vereinbarung über den Umgang eingehalten wird.
163
Die Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Umgang mit
den für die Entwicklung des Kindes bedeutsamen Bezugspersonen
beimißt, zeigt sich darin, daß auch Großeltern, Geschwister,
Stiefeltern und frühere Pflegeeltern ein Umgangsrecht mit dem Kind
haben, wenn dies seinem Wohl entspricht (§ 1685 BGB). Über
Umfang und Ausübung des Umgangsrechts kann das FamG
nähere Bestimmungen (Umgangsregelung) treffen (§ 1684 III
BGB). Diese sind im Wege der Vollstreckung durchsetzbar; Gewalt gegen das
Kind zur Durchsetzung des Umgangsrechts ist allerdings unzulässig
(§ 33 II 2 FGG). Bei der gerichtlichen Regelung sind der Wille
des Kindes im Rahmen seines wohlverstandenen Interesses und das Interesse
des umgangsberechtigten Elternteils gegeneinander abzuwägen;
Alter und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sind dabei
entsprechend zu berücksichtigen. Das FamG wird den Eltern zunächst die
Bedeutung des Umgangs des Kindes mit beiden Elternteilen eindringlich vor
Augen halten, um eine gütliche Einigung zu erreichen. Nur wenn diese
Bemühungen fehlschlagen, wird es eine Entscheidung über die
Umgangsregelung fällen.
Zusätzlich zu dieser Möglichkeit hat
der Gesetzgeber bei der Reform des Kindschaftsrechts ein besonderes
gerichtliches Verfahren über den Umgang
eingeführt. Danach kann das FamG die Eltern auf Antrag eines Elternteils zu
einem Vermittlungstermin laden, wenn der andere Elternteil die
Durchführung einer gerichtlich angeordneten Umgangsregelung vereitelt
oder erschwert
(§ 52 a I FGG); zu
dem Vermittlungstermin kann das Gericht das JugA um Teilnahme bitten
(§ 52 a II 3 FGG). Das
Gericht erörtert mit den Eltern die Folgen, die sich aus der
Vereitelung oder Erschwerung ergeben können, insbesondere weist es auf die
Möglichkeit der Durchsetzung mit Zwangsmitteln (§ 33 FGG)
bzw. die Einschränkung oder den Entzug der Sorge (§§ 1666,
1671, 1696 BGB) sowie auch auf die bestehenden Möglichkeiten der Beratung
durch die Beratungsstellen und -dienste der Jugendhilfe hin
(§ 52 a III FGG; vgl.
auch unten RN 332).
Jeder Elternteil kann vom anderen Elternteil bei
berechtigtem Interesse - das wird
i. d. R.
der Fall sein, wenn einem Elternteil das Sorgerecht nicht zusteht -
Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes
verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (§ 1686
1 BGB). In Streitigkeiten über den Auskunftsanspruch entscheidet das
FamG (§ 1686 Satz 2 BGB).
6.6. Personensorge
6.6.1. Umfang
164
Die Personensorge umfaßt die
Betreuung des Kindes in allen Bereichen seiner persönlichen
Angelegenheiten. Dazu gehören dem Inhalt nach die Pflege und
Erziehung einschließlich der religiösen Kindererziehung
(§ 1 RelKErzG) sowie die Pflicht und das Recht, das Kind
zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen
(§ 1631 I BGB).
Den Kernbereich der Personensorge bilden
die Pflege und Erziehung des minderjährigen Kindes (vgl.
§ 1631 I BGB: "insbesondere"). Dabei stellt sich die
Frage, ob und wenn ja, wodurch sich die beiden Begriffe unterscheiden.
Während die Pflege mehr die körperliche Betreuung
umfaßt, mit der die Grundbedürfnisse des Kindes, wie
Ernährung, Bekleidung und ärztliche Versorgung befriedigt werden,
gehören zur Erziehung alle Maßnahmen für die
sittliche und geistige Entwicklung des Kindes auf dem Wege zum
Erwachsensein und zur Herausbildung einer eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (Mündigkeit). Zur
Pflege und Erziehung gehören auch die Wahl der Schulausbildung und
der sich daran anschließenden Berufsausbildung sowie die
Unterstützung förderungswürdiger Interessen des Kindes.
Von besonderem Gewicht ist dabei die Auswahl von Sport- und
Freizeitbetätigungen, die mit der Bestimmung von Ausgehzeiten sowie des
Besuchs entsprechender Einrichtungen und Örtlichkeiten verbunden
ist.
Als wichtige Bestandteile des Elternrechts
bedürfen wegen ihrer großen Bedeutung in der Praxis die Pflicht zur
Beaufsichtigung des Kindes, das Recht der Aufenthaltsbestimmung
(§ 1631 I BGB) und das Umgangsrecht
(§ 1632 II BGB) einer näheren Darstellung.
6.6.2. Aufsichtspflicht
165
Kinder bedürfen der Aufsicht, damit
sie sich nicht selbst schädigen oder durch Dritte
geschädigt werden, aber auch, damit sie Dritten keinen Schaden
zufügen. Die Aufsichtspflicht, die die Rspr. als eine
Nebenpflicht der Erziehung ansieht, obliegt in erster Linie den
Eltern (§ 1631 I BGB).
Hat das Kind einen Vormund oder einen
Pfleger, so obliegt diesem jeweils kraft Gesetzes die elterliche
Aufsicht (§§ 1793, 1800, 1915 BGB).
Während des Schulbesuchs (Zeit der Teilnahme
am Unterricht und sonstigen Schulveranstaltungen) besteht eine
gesetzliche Aufsichtspflicht der Schule gegenüber den
Schülern; das gleiche gilt entsprechend für den
Ausbilder gegenüber den Auszubildenden
in einem beruflichen Ausbildungsverhältnis (§ 6 Nr. 5
BerBG).
166
Inhalt und Umfang der
Aufsichtspflicht - über die anzulegenden Maßstäbe
schweigt das Gesetz - werden im wesentlichen durch in der Person des
Kindes liegende Umstände bestimmt. Dazu zählen Alter,
Reifegrad sowie körperlicher und geistiger Entwicklungs- und
Erfahrungsstand; daneben spielt die augenblickliche konkrete
Lebenssituation des Kindes (beispielsweise Art der Beschäftigung oder
örtliche Umgebung) für Beschaffenheit und Umfang der Aufsichtspflicht
eine Rolle. Allerdings ist die Aufsichtspflicht der Eltern und sonstigen
aufsichtspflichtigen Personen nicht uferlos. Sie findet dort ihre
Grenzen, wo die erforderlichen Maßnahmen pädagogisch
nicht mehr vertretbar sind oder ein Aufsichtsverhalten erforderlich erscheint,
das dem Aufsichtspflichtigen nicht mehr zumutbar ist.
167
Aufsichtspflichtverletzungen und ihre
rechtlichen Folgen sind von erheblicher praktischer Bedeutung. Sie
können zivilrechtliche Folgen für das zu beaufsichtigende Kind
und den Aufsichtspflichtigen nach sich ziehen. Möglich sind
Schadensersatzansprüche Dritter gegen das Kind, die
Aufsichtspflichtigen sowie Schadensersatzansprüche des Kindes gegen
die Aufsichtspflichtigen und/oder Dritte.
Von Verletzungs- bzw.
Schädigungshandlungen, die im Rahmen der Aufsichtspflicht
Schadensersatzansprüche nach sich ziehen können, sollen beispielhaft
drei denkbare Fallkonstellationen im folgenden näher erörtert
werden: Das Kind verletzt bzw. schädigt sich selbst oder einen
Dritten und das Kind wird von einem Dritten verletzt bzw.
geschädigt.
Haben
im Falle der Selbstschädigung des Kindes die aufsichtspflichtigen
Eltern ihre Pflicht verletzt, haften sie dem Kind gegenüber für
die Folgen. Dabei greift allerdings das Haftungsprivileg der Eltern ein.
Dieses besagt, daß die Eltern bei Ausübung der elterlichen Sorge
unter Ausschluß der groben Fahrlässigkeit nur für die Sorgfalt
einzustehen haben, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen
(§§ 1664 I, 277 BGB).
Eine
verschärfte Haftung für den Aufsichtspflichtigen tritt
dagegen im Fall der Verletzung eines Dritten durch das Kind ein. Hier
löst nämlich bereits die bloße rechtswidrige
Schadenszufügung durch das Kind eine Schadensersatzverpflichtung aus.
Dabei wird gesetzlich sogar noch vermutet, daß die
Pflichtverletzung schuldhaft und für den Eintritt des Schadens
ursächlich war (§ 832 I 1 BGB). Die gesetzliche
Vermutung kann der Aufsichtspflichtige allerdings widerlegen. Das
geschieht durch den von ihm zu führenden Nachweis, daß er
seiner Aufsichtspflicht genügt hat oder der Schaden auch bei gehöriger
Aufsichtsführung entstanden wäre (§ 832 I 2 BGB).
Überläßt der Sorgerechtsinhaber die Ausübung der
Aufsichtspflicht einem Dritten, haftet er für das Verschulden
des Dritten, wenn dieser die Aufsichtspflicht verletzt hat (§ 278
BGB).
Schädigungen
des Kindes durch einen Dritten lösen
Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung aus
(§§ 823 ff. BGB).
Trifft dabei die unerlaubte Handlung des Dritten gleichzeitig mit der
Aufsichtspflichtverletzung der Eltern zusammen, wirkt das Haftungsprivileg
der Eltern (§ 1664 I BGB) nicht nur im Innenverhältnis
zwischen Eltern und Kind, sondern auch zu Lasten des Dritten. In diesem
Fall steht dem Dritten weder ein Rückgriff auf die
aufsichtspflichtigen Eltern zu, noch wird der Anspruch des Kindes gegen den
Dritten geschmälert. In diesem Falle haftet der schädigende Dritte
also wie ein Alleinverursacher.
168
Die Verletzung der Aufsichtspflicht kann für
den Aufsichtspflichtigen neben den zivilrechtlichen auch
strafrechtliche Konsequenzen haben. Den Straftatbestand der
"Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht"
erfüllt, wer diese Pflicht gröblich gegenüber einer Person unter
sechzehn Jahren verletzt und sie in die Gefahr einer erheblichen
Schädigung ihrer körperlichen oder psychischen Entwicklung, eines
kriminellen Lebenswandels oder der Prostitution bringt (§ 171
StGB).
Beispiele: Abhalten vom Schulbesuch oder
Anhalten zum Betteln; Nichteinschreiten gegen die Mitgliedschaft in einer
Diebesbande; offene Ausübung der Prostitution in der gemeinsamen
Familienwohnung; Duldung von Alkohol- oder
Rauschgiftmißbrauch.
|
Der Aufsichtspflichtige kann sich auch
durch positives Tun oder durch Unterlassen (§ 13 StGB) nach
allgemeinen Fahrlässigkeitstatbeständen strafbar machen, wenn
er seine Aufsichtspflicht verletzt: bei Verletzung oder Tötung des Kindes
bzw. eines Dritten wegen fahrlässiger Körperverletzung
(§ 229 StGB) bzw. fahrlässiger Tötung (§ 222
StGB); auch andere Delikte, die fahrlässig begangen werden können,
sind denkbar (u. a.
§§ 306 d,
315 b, 317 III StGB).
Wer die Aufsicht über Kinder
vertraglich übernimmt, haftet zivil- und strafrechtlich in demselben
Umfang wie der gesetzlich zur Aufsicht Verpflichtete (§ 832 II
BGB). Diese Haftungsmöglichkeit ist für Einrichtungen und
Veranstaltungen der Jugendhilfe (Kindertagesstätten, Jugendheime,
Ferienlager u. ä.), die Kinder
in ihre Obhut nehmen, von Bedeutung (vgl. unten RN
351 ff.).
Im Schulbereich ist das
Haftungsrisiko für den unmittelbar Aufsichtspflichtigen durch
die primäre Staatshaftung (Art. 34 GG) und die Einbeziehung der
Schüler in die gesetzliche Unfallversicherung gemindert. Jedoch
besteht bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit die Möglichkeit des
Rückgriffs auf die Lehrer. Daneben kann die Verletzung der
Aufsichtspflicht im Schulbereich auch disziplinar- und
strafrechtliche Folgen für den Lehrer nach sich
ziehen.
6.6.3. Aufenthaltsbestimmungs- und Umgangsrecht
169
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht
umfaßt die Bestimmung von Wohnort und Wohnung. In ihm
wurzelt auch das Recht der Eltern, das Kind in einem Heim oder einer
Anstalt unterzubringen. Ist die Unterbringung mit einer
Freiheitsentziehung verbunden (geschlossene Abteilung eines
psychiatrischen Krankenhauses oder Erziehungsanstalt), so bedarf es dazu der
Genehmigung des FamG
(§ 1631 b 1
BGB).
Aufgrund des Aufenthaltsbestimmungsrechts
können die Eltern bzw. auch ein Elternteil die Herausgabe des Kindes
von jedem verlangen, der es ihnen bzw. ihm widerrechtlich vorenthält
(§ 1632 I BGB). Das kann auch der
nicht-sorgeberechtigte Elternteil sein. Zuständig
für die Entscheidung über das Herausgabeverlangen
gegenüber Dritten (bzgl. Pflegeeltern siehe unten RN
196 ff.) sowie eines Elternteils
gegenüber dem anderen, der ihm das Kind widerrechtlich vorenthält, ist
das FamG (§ 1632 III BGB).
170
Regelung und Überwachung des Umgangs
(persönlich, brieflich, telefonisch) des Kindes mit anderen Personen liegen
im Grenzbereich zwischen Erziehung und Beaufsichtigung. Den Eltern steht
das Recht zu, den Umgang des Kindes mit Wirkung für und gegen Dritte
durch Gebote und Verbote zu bestimmen (§ 1632 II
BGB). Der Verkehr mit Dritten wird
i. d. R
durch Umgangsverbote unterbunden.
Zu der Frage, wann Umgangsverbote
zulässig sind, schweigt das Gesetz. Die Rspr. sieht das Recht der Eltern
insoweit durch das Verbot des Sorgerechtsmißbrauchs begrenzt. Unter
Sorgerechtsmißbrauch versteht man das Ausnutzen der elterlichen
Sorge zum Schaden des Kindes (§ 1666 I BGB). Teilweise
fordert sie auch im Hinblick auf die wachsende Selbstbestimmung des Kindes das
Vorliegen triftiger oder zumindest doch plausibler Gründe.
Dem betroffenen Dritten gegenüber muß das Umgangsverbot nicht
begründet werden.
Zulässige
Umgangsverbote: Verschiebung der Lebensphasen (ältere Frau mit Kindern
will Minderjährigen heiraten); lesbisches Verhältnis;
Geschlechtsverkehr einer 15jährigen mit einem erheblich älteren Mann;
Versuch, einen Jugendlichen völlig dem elterlichen Einfluß zu
entziehen; Umgang mit einem wegen Raubes zu einer höheren Freiheitsstrafe
Verurteilten; Rauschgiftmilieu.
Unzulässige
Umgangsverbote: Abbruch jeglichen Kontaktes aus schulischen Gründen;
Ausschluß jeglichen Kontaktes mit wirksam Verlobten; Brief- und
Geschenkkontakte eines
16 jährigen mit einer
17 jährigen.
Über Streitigkeiten zwischen Eltern
und Dritten wegen des Umgangsrechts entscheidet das FamG auf
Antrag eines Elternteils (§ 1632 III BGB). Dabei kann das FamG
gegen Dritte, die dem elterlichen Umgangsverbot zuwiderhandeln, Gebote
und Verbote anordnen, zu deren Einhaltung die Festsetzung eines
Zwangsgeldes möglich ist (§ 33 I
FGG).
6.6.4. Mittel und Wege der Erziehung
171
In der Wahl des Weges und der Mittel zur
Durchsetzung des Erziehungsziels "Befähigung des Kindes zur
Selbstbestimmung" unterliegen die Eltern grundsätzlich keiner
Beschränkung.
Ein allgemeines Mitentscheidungsrecht des
Kindes bei der Erziehung, das dessen Anspruch mit steigendem Lebensalter und
größer werdender Reife auf Selbständigkeit gerecht wird,
kennt das Gesetz nicht. Hiervon gibt es nur wenige
Ausnahmen. Ausdrückliche gesetzliche Erwähnung findet die
Berücksichtigung des Kindeswillens bei der Entscheidung über
die elterliche Sorge im Falle der Scheidung oder bei Getrenntleben der
Eltern (§§ 1671 II Nr. 1 BGB). Dennoch müssen die
Eltern im Sinne eines partnerschaftlichen Handelns bei der
Erziehung des Kindes generell seine wachsende Fähigkeit und
sein wachsendes Bedürfnis zu selbständigem
verantwortungsbewußtem Handeln berücksichtigen. Konkret
bedeutet dies, daß Fragen der elterlichen Sorge mit dem Kind zu
besprechen sind und Einvernehmen anzustreben ist, soweit es nach
dem Entwicklungsstand des Kindes angebracht ist (§ 1626 II
BGB).
Einvernehmen bedeutet
tatsächliche Übereinstimmung oder Zurückstellung
der jeweiligen eigenen Meinung. Hieraus ergibt sich, daß ein rein auf
Gehorsam ausgerichteter und das Kind unter den Willen der Eltern
zwingender Erziehungsstil verboten ist und zu einem staatlichen
Eingriff in die elterliche Sorge führen kann (vgl. unten
RN 185 ff.).
Berücksichtigung der Fähigkeit des Kindes zu selbständigem
verantwortungsbewußtem Handeln bedeutet aber nur, daß das Kind an
der Suche nach geeigneten Erziehungsmaßnahmen zu beteiligen
ist, keinesfalls dagegen, daß die Eltern dem Willen des Kindes zu
folgen haben. Kommt eine Einigung zwischen den Eltern und dem Kind in
Fragen der Personensorge nicht zustande, so entscheiden die Eltern
letztlich allein. Daraus folgt allerdings auch, daß die Eltern ihre
Erziehungsverantwortung nicht im Sinne einer falsch verstandenen
partnerschaftlichen Erziehung auf das Kind abwälzen
dürfen.
172
Die Eltern können ihre im Rahmen der
Erziehung getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen auch mit
angemessenen Zuchtmitteln durchsetzen. Entwürdigende
Erziehungsmaßnahmen, durch die das Kind dem Gespött oder der
Verachtung Dritter preisgegeben und sein Ehrgefühl in
unverhältnismäßiger Weise verletzt
(z. B. Kahlscheren des Kopfes) oder
es erniedrigt wird (§ 1631 II BGB), sind als Erziehungsmittel
nicht erlaubt; unzulässig sind körperliche und seelische
Mißhandlungen (§ 1631 II BGB).
Dieser Mißhandlungsbegriff ist flexibel und
ermöglicht es, bei der Überprüfung der Unangemessenheit von
elterlichen Maßnahmen auch Anlaß und Motive der körperlichen
Einwirkung zu berücksichtigen. Körperliche Züchtigung ist
daher nicht generell untersagt. Die körperliche Züchtigung muß
sich aber immer im Rahmen des durch den Erziehungszweck gebotenen
Maßes halten. Alter, Gesundheitszustand und die seelisch - geistige
Verfassung des Kindes sind hierbei entsprechend berücksichtigen. Zu dem in
der öffentlichen Diskussion häufig geforderten
Gewaltverbot gegenüber Kindern hat sich der Gesetzgeber aus guten
Gründen bisher noch nicht entschließen können; es scheint aber
aus pädagogischer Sicht weitgehend Einigkeit darüber zu bestehen,
daß Gewalt kein sinnvolles Erziehungsmittel ist.
Die Eltern können zur Erziehung
selbständig die geeigneten
Maßnahmen ergreifen und sich hierbei auf Antrag
durch das FamG unterstützen lassen (§ 1631 III BGB). In
Betracht kommen insoweit Ermahnungen und Verwarnungen an das Kind
bis hin zu Zwangsmaßnahmen
(z. B.
Rückführung des aus dem Elternhaus entwichenen
Kindes oder sein Verbringen in ein Internat).
6.7. Vermögenssorge
6.7.1. Umfang und Pflichten
173
Die Vermögenssorge umfaßt alle
tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die darauf
gerichtet sind, das Kindesvermögen zu vermehren, zu erhalten oder zu
verwerten. Die Vermögensverwaltung, bei der die Eltern an das
Kindeswohl gebunden sind, erstreckt sich auf das gesamte
Kindesvermögen.
Dazu gehören auch die Einkünfte
aus dem Kindesvermögen, aus einem dem Kind gestatteten
selbständigen Erwerbsgeschäft sowie aus einem Arbeits-
und Dienstverhältnis des Kindes
(§§ 112 f. BGB).
Hinsichtlich des Arbeitseinkommens und des aus einem selbständigen Betrieb
eines Erwerbsgeschäftes Erworbenen ist die Vermögensverwaltung
der Eltern beschränkt. Der Minderjährige kann nämlich
insoweit Verpflichtungen (wie
z. B. Schadensersatzansprüche
aus seinem Arbeits- und Dienstverhältnis) selbständig
erfüllen und aus einem selbständigen Betrieb eines
Erwerbsgeschäfts erworbenes Vermögen in das Erwerbsgeschäft
selbständig reinvestieren.
174
Die Eltern haben das ihrer Vermögenssorge
unterliegende Geld des Kindes nach den Grundsätzen einer
wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es
nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist (§ 1642 BGB).
Sie genügen dieser Verpflichtung, wenn sie sich bei der Anlage des
Geldes im Rahmen dessen halten, was ein wirtschaftlich denkender
Privatmann als günstige und sichere Anlage
ansähe. Bei Verstößen gegen die Grundsätze
wirtschaftlicher Vermögensverwaltung kann sich eine Haftung
der Eltern ergeben (§ 1664 BGB); auch sind Maßnahmen des FamG
möglich (§ 1667 BGB).
Der Minderjährige selbst besitzt in
Vermögensangelegenheiten nur eine begrenzte
Eigenverantwortung. Mit vollendetem 16. Lebensjahr kann er ohne
Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters ein Testament in Form einer
mündlichen Erklärung vor dem Notar oder durch Übergabe einer
offenen Schrift errichten (§ 2233 I BGB). Das
Vermögen, das dem Kind von dritter Seite durch Schenkung oder
Erbschaft mit der Bestimmung zugewendet wird, daß die Eltern es
nicht verwalten sollen, unterliegt nicht der Vermögensverwaltung
der Eltern (§ 1638 BGB). Anstatt die Eltern von der Verwaltung
auszuschließen, kann der Schenker oder Erblasser auch
bestimmen, wie die Eltern die Schenkung oder Erbschaft zu verwalten haben
(§ 1639 I BGB).
Erst seit dem 1. 1. 1999 ist mit dem
Inkrafttreten des Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes
die Haftung des Volljährigen für bestimmte Geschäfte
während der Zeit seiner Minderjährigkeit - den
größten Anteil an diesen Geschäften haben die
Rechtsgeschäfte, die Kraft elterlicher Vertretungsmacht zustande gekommen
sind - aus Gründen eines wünschenswerten erweiterten
Minderjährigenschutzes auf das bei Eintritt der Volljährigkeit
noch vorhandene Vermögen beschränkt worden
(§ 1629 a BGB). Diese
Haftungsbeschränkung erstreckt sich auch auf das Verhältnis zwischen
Vormund und Mündel (§ 1793 II BGB); sie gilt
auch in demselben Umfang für die Pflegschaft (§ 1915 I
i. V. m.
III n. F. BGB).
6.7.2. Beschränkungen
175
Beschränkungen in der
Vermögensverwaltung bestehen bei der Anlegung von Kindesgeld und
für genehmigungspflichtige Geschäfte der Eltern. Die
elterliche Vermögensverwaltung erfolgt grundsätzlich
unentgeltlich; für das Kind gemachte Aufwendungen sind den
Eltern jedoch zu ersetzen (§ 1648 BGB). Die Eltern können im
Namen des Kindes keine Schenkungen machen. Ausgenommen davon sind
Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den
Regeln des Anstands beruhenden Pflicht (Beispiele: Geschenke zu
persönlichen Festen oder Feiertagen; Schenkungen an bedürftige
Geschwister) entsprochen wird (§ 1641 BGB).
Überschießende Einkünfte
aus dem Kindesvermögen sind zum Unterhalt des Kindes zu verwenden
(§ 1649 I 1 BGB). Den danach verbleibenden Betrag
können die Eltern nach ihrem freien Ermessen für den eigenen
Unterhalt und den Unterhalt minderjähriger unverheirateter
Geschwister verwenden, soweit dieses der Billigkeit entspricht. Das ist
nach den Vermögens- und Erwerbsverhältnissen aller Beteiligten
zu beurteilen (§ 1649 II 1 BGB). Diese Befugnis erlischt
allerdings mit der Eheschließung des Kindes (§ 1649
II 2 BGB). Das Verwendungsrecht der Eltern, das nicht
übertragbar und nicht pfändbar ist, dient der Aufbesserung des
Familienunterhalts. Sind die Eltern selbst vermögend,
dürfte die Inanspruchnahme dieses Rechtes daher nicht der Billigkeit
entsprechen.
6.8. Vertretung des Kindes - Beschränkung und Ausschluß der
Vertretungsmacht der Eltern
176
Aus dem Sorgerecht ergibt sich auch das
Recht und die Pflicht der Eltern zur Vertretung des Kindes
(§ 1629 I 1 BGB). Dazu gehört jedes rechtsgeschäftliche
Handeln, das Rechtswirkungen für (und gegen) das Kind begründet. Sind
beide Eltern sorgeberechtigt, vertreten sie das Kind
gemeinschaftlich (§ 1629 I 2 BGB); ist das nicht der Fall,
vertritt die Mutter das Kind allein
(§ 1626 a II BGB).
Jeder Elternteil ist aber bei Gefahr im Verzug berechtigt, rechtlich
alles zu tun, was zum Wohle des Kindes notwendig ist; allerdings ist er
verpflichtet, den anderen Elternteil unverzüglich davon zu unterrichten
(§ 1629 I 4 BGB).
Für die Abgabe einer
Willenserklärung gegenüber dem Kind wird der Grundsatz der
Gesamtvertretung durchbrochen. Dies bedeutet, daß die Abgabe einer
Willenserklärung, die gegenüber dem Kind abzugeben ist, gegenüber
einem Elternteil genügt (§ 1629 I 2 BGB). Ein
Elternteil vertritt das Kind auch dann allein, wenn er die
elterliche Sorge allein ausübt bzw. ihm im Rahmen einer
Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern das Alleinentscheidungsrecht vom
FamG übertragen worden ist (§ 1629 I 3
BGB).
Auch wenn den Eltern das Sorgerecht gemeinsam
zusteht, kann derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet,
jedenfalls Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen
Elternteil geltend machen (§ 1629 II 2 BGB). Während
einer bestehenden Ehe kann ein Elternteil, solange die Eltern getrennt leben
oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche
des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend
machen (§ 1629 III 1 BGB).
177
Wichtigen Rechtsgeschäften der Eltern
für das Kind muß das FamG zustimmen (§ 1643 BGB).
Maßgebend hierfür ist das Interesse des Kindes. Die Vorschriften
über die genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte sind über
das gesamte BGB verstreut. Das FamG kann von der Genehmigungspflicht
keine Befreiung erteilen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche
Rechtsgeschäfte genehmigungspflichtig sind.
Der Schwerpunkt dieser
Rechtsgeschäfte liegt im Bereich der Vermögenssorge.
Grundstücksgeschäfte, Erwerbsgeschäfte,
Gesellschaftsverträge, Verfügung(en) über das Vermögen als
Ganzes, Miet- und Pachtverträge sowie andere Verträge mit der
Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen, Aufnahme von Geldkrediten,
Übernahme von fremden Verbindlichkeiten einschließlich der Eingehung
von Bürgschaften, die Bestellung von Prokuristen sowie die Ausschlagung
einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses oder der Verzicht auf einen
angefallenen Pflichtteil bedürfen der Zustimmung des FamG (vgl. dazu
§ 1643 BGB).
Die Zustimmung des FamG ist erforderlich, wenn
das Kind im Rahmen der Personensorge unter Freiheitsentziehung in einem
geschlossenen Heim oder in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden soll
(§ 1631 b Satz 1
BGB).
178
Keine Vertretungsmacht steht den Eltern
zu, soweit das beschränkt geschäftsfähige Kind ein
Rechtsgeschäft nur höchstpersönlich vornehmen kann. Dazu
gehören u. a.
Einwilligungserklärung in die Annahme als Kind
(§ 1746 I BGB); Eheschließung
(§§ 1310 I, 1311 BGB); Ehevertrag (§ 1411
I 1 und 4 BGB), Testamentserrichtung (§ 2064 BGB),
selbständiger Betrieb Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB),
Dienst- oder Arbeitsverhältnis (§ 113 BGB),
Schenkungen im Namen des Kindes (§ 1641 BGB).
Beide Eltern sind von der Vertretung des
Kindes ausgeschlossen, wenn ein Elternteil an der Ausübung der
elterlichen Sorge verhindert oder ihm die Vertretungsmacht entzogen ist. In
diesen Fällen wird das Kind nach Anordnung einer
Ergänzungspflegschaft durch einen Pfleger vertreten. Die
Eltern sind von der Vertretung des Kindes außerdem in Fällen, in
denen ein Interessenwiderstreit in Betracht kommt (§§ 1629
II 1, 1795, 181 BGB) oder bei Entziehung der Vertretungsmacht kraft
Gesetzes ausgeschlossen (§§ 1629 II 3, 1796 BGB).
Nach dem "Elternprivileg" haften die Eltern für alle
Handlungen, die sie in Ausübung der elterlichen Sorge vornehmen, dem
Kind gegenüber nur für die Sorgfalt, die sie in eigenen
Angelegenheiten anzuwenden pflegen (§ 1664 I
BGB).
6.9. Sorgerecht bei Trennung und Ehescheidung der Eltern
179
Bis zum Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform
von 1998 wurde der Fortbestand der gemeinsamen Sorge im
Scheidungsverfahren einer zwingenden - vor der Trennungszeit nur auf
Antrag eines Elternteils - gerichtlichen Prüfung unterzogen.
Das Gericht traf danach eine Regelung, die dem Kindeswohl - was durchaus
auch das Fortbestehen der gemeinsamen Sorge bedeuten konnte - am besten
entsprach (§ 1671 I II BGB
a. F.). Für
verfassungswidrig hatte das BVerfG die Vorschrift erklärt, daß
das Gericht die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu
übertragen hat (§ 1671 IV BGB
a. F.). Da sowohl nach
"altem" als auch nach "neuem" Recht Änderungen von
bereits ergangenen Entscheidungen zur elterlichen Sorge nur aus triftigen, das
Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen vorgenommen werden konnten
bzw. können, bleiben bereits vor der Kindschaftsrechtsreform von 1998
getroffene Sorgerechtsentscheidungen ("Altfälle") durch die
Neuordnung des Sorgerechts unberührt.
180
Nunmehr besteht bei Trennung bzw.
Scheidung der Eltern das gemeinsame Sorgerecht
i. d. R.
fort. Diese Lösung liegt im wohlverstandenen Interesse des Kindes,
weil sie die besten Rahmenbedingungen für den Erhalt der Beziehungen
des Kindes zu beiden Elternteilen verspricht, wenn die Eltern zur
Kooperation bereit und fähig sind. Eltern können
durchaus in der Lage sein, ihre aus der Zweierbeziehung entstehenden Konflikte
von ihrer Elternschaft zu trennen. Die Stichhaltigkeit dieser Annahme ergibt
sich aus der Tatsache, daß bereits in der letzten Zeit vor der Reform des
Kindschaftsrechts fast jedes fünfte Ehepaar nach der Scheidung die
gemeinsame Sorge behalten hat. Bei der Entwicklung eines einvernehmlichen
Konzepts haben die Eltern Anspruch auf Beratung durch das JugA (vgl.
§ 17 SGB VIII und unten RN
335 ff.).
181
Nur wenn bei dauerndem Getrenntleben oder
Scheidung ein Elternteil beantragt, daß ihm die elterliche Sorge
ganz oder teilweise allein übertragen wird, muß das FamG eine
Sorgerechtsentscheidung treffen (§ 1671 I BGB). Dem Antrag
ist zu entsprechen, wenn zu erwarten ist, daß die Aufhebung der
gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den beantragenden Elternteil dem
Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 II Nr. 2
BGB) bzw. der andere Elternteil der Übertragung zustimmt, wobei allerdings
ein Kind über 14 Jahren ein Widerspruchsrecht hat
(§ 1671 II Nr. 1 BGB).
Leben Eltern dauernd getrennt und
steht die elterliche Sorge der (nichtehelichen) Mutter allein zu, kann
der Vater mit Zustimmung der Mutter beantragen, daß ihm das
FamG die elterliche Sorge ganz oder teilweise allein
überträgt (§ 1672 I 1 BGB). Dem Antrag muß
stattgegeben werden, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient
(§ 1672 I 2 BGB). Hat eine solche Übertragung stattgefunden,
kann das FamG auf Antrag eines Elternteils mit Zustimmung des anderen
Elternteils entscheiden, daß die elterliche Sorge den Eltern
gemeinsam zusteht, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht
(§ 1672 II 1 BGB).
Bei der Entscheidung sind sowohl die
objektiven Gegebenheiten wie Vorhandensein von Wohnraum und Zeit zur
Betreuung des Kindes als auch die persönlichen Fähigkeiten zu
seiner Pflege und Erziehung unter Berücksichtigung seiner individuellen
Bedürfnisse zu würdigen. Orientierungshilfen bieten bei der
Beurteilung der Frage, welche Entscheidung dem Wohl des Kindes am besten
entspricht, das Förderungsprinzip und der Grundsatz von
Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der
Erziehung.
6.10. Pflegekindschaft (Familienpflege)
182
Das BGB kennt zwar den Begriff
"Familienpflege" (vgl. §§ 1630 III,
1632 IV, 1688 BGB), definiert ihn selbst aber nicht. Nach der Rspr. fallen
darunter alle faktischen Pflegeverhältnisse für
Minderjährige bis zur Volljährigkeit, bei der zumindest eine Person
-
i. d. R.
handelt es sich aber um Pflegeeltern - außerhalb des
Elternhauses die elterliche Sorge ausübt und zwischen ihr und dem
Kind ein familienähnliches Verhältnis mit entsprechenden
Beziehungen besteht. Die familienähnliche Unterbringung
unterscheidet die Familienpflege von der
Heimunterbringung.
Die rechtliche Regelung des
Pflegekindverhältnisses (Unterbringung in einer Familie mit voller
familiärer Integration) kann privatrechtlich im Wege eines
Pflegevertrages oder im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe
(vgl. unten RN 397 ff.) getroffen
werden, wobei die Aufnahme des Kindes in die Familienpflege auch durch
gerichtliche Intervention mit Herausnahme des Kindes aus dem Elternhaus und
Entzug des Sorgerechts ausgelöst werden kann
(§§ 1666 f.
BGB).
183
Familienrechtlich gibt es zum
Pflegekindschaftsrecht folgende Einzelregelungen (vgl. auch unten RN
377):
Auf
Antrag der Eltern oder Pflegeperson kann das FamG
Angelegenheiten der elterlichen Sorge - unzulässig ist
die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge (str.) - auf die
Pflegeperson übertragen (§ 1630 III 1 BGB), wobei es
für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson allerdings auch der
Zustimmung der Eltern bedarf (§ 1630 III 2
BGB).
Entscheidungs-
und Vertretungsrecht der Pflegeperson in Angelegenheiten des
täglichen Lebens (§ 1688 I 1 BGB), wobei die
Pflegeperson befugt ist, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie
Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen
für das Kind geltend zu machen und zu verwalten (§ 1688 I 2
BGB); bei Gefahr im Verzug ist die Pflegeperson berechtigt, alle
Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind, hat
aber die leiblichen Eltern unverzüglich zu unterrichten
(§ 1688 I 3
i. V.
m.
§ 1629 I 4 BGB).
Von
Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson kann das FamG unter bestimmten
Voraussetzungen den Verbleib des Pflegekindes bei der Pflegeperson (vgl.
unten RN 196 ff.) anordnen
(§ 1632 IV BGB).
184
Lösungsskizze zu
Fall 10
Die Eltern erhalten die ihnen entstandenen Kosten
in Höhe von DM 3800.- DM erstattet, wenn ihnen gegen das Ehepaar B
und C ein Anspruch gemäß §§ 823 I, 830 I,
840 BGB zusteht.
Dies setzt voraus, daß ein von
§ 823 I BGB geschütztes Recht verletzt worden ist. Als
sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschrift wird auch das elterliche Sorgerecht
(§ 1626 ff. BGB)
angesehen, da es ein absolut geschütztes Recht (vgl. dazu
Lösungsskizze zu Fall 4) ist. Nach § 1632 BGB umfaßt
die Personensorge das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen,
der es den Eltern (oder dem Elternteil) widerrechtlich vorenthält, und den
Umgang des Kindes mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen. Ohne eine
Anerkennung als absolutes und damit den Schutz des § 823 I BGB
genießendes Recht wäre aber die Personensorge gegenüber
Störungen Dritter nur unvollkommen zu verwirklichen. Das Ehepaar B und C
hat gemeinschaftlich (§ 830 I BGB) das elterliche Sorgerecht
verletzt, indem es A - nicht zuletzt auch durch Übernahme der
Reisekosten - veranlaßte, nach Italien in die Toskana zu reisen.
Dadurch wurde den Eltern der A die Wahrnehmung der elterlichen Sorge zeitweise
unmöglich gemacht und ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht
(§ 1631 I BGB), das ein vom Gesetz besonders hervorgehobener Teil
des Personensorgerechts ist, verletzt. Zwar muß bei der Ausübung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts der Entwicklungsstand des betroffenen
Minderjährigen in der Weise Beachtung finden, daß dieses entsprechend
zu der Fähigkeit des Minderjährigen, eigenverantwortliche
Entscheidungen zu treffen, zurücktritt und auch Rechte gegen Dritte nicht
entstehen; jedoch lag bei der unter den gegebenen Umständen unternommenen
Reise nach Italien keine eigenverantwortliche, von den Eltern zu respektierende
Entscheidung der A vor. Das Recht der Eltern geht jedenfalls so weit, als
daß sie eine Auslandsreise, von der die näheren Umstände nicht
bekannt sind, von ihrer Einwilligung abhängig machen können. Die
Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Ehepaars B und C ist offensichtlich, denn
ein Recht zum Entzug der elterlichen Sorge stand ihnen nicht zu. B und C
handelten auch (vorsätzlich) schuldhaft, da ihnen schon aufgrund
früherer Gespräche bekannt war, daß die Eltern der A nähere
Kontakte zu ihnen nicht wünschten und erst recht nicht eine Auslandsreise
nach Italien billigen würden.
Nach § 249 BGB haben B und C die
Aufwendungen zu erstatten, die erforderlich waren, um A zu ihrem Wohnsitz
zurückzuführen und dadurch die Situation herzustellen, die ohne ihren
Eingriff ins Elternrecht vorgelegen hätte. B und C können den Eltern
aber auch kein Mitverschulden (§ 254 I BGB) anlasten, wenn sie
behaupten, daß es ausreichend gewesen wäre, wenn nur ein Elternteil
die Reise nach Italien angetreten hätte. Diese Einwendung greift deshalb
nicht, weil einmal beiden Elternteilen die Personensorge zusteht und es zum
anderen auch geboten war, gemeinsam auf ihre Tochter A einzuwirken und sich
dabei zu unterstützen, weil diese ihnen telefonisch hatte mitteilen lassen,
daß sie auf keinen Fall nach Hause zurückkehren würde. Auch
läßt sich nicht beanstanden, daß die Eltern auf das
Verhältnis zum Ehepaar B und C nicht mit Drohungen oder einer permanenten
Beaufsichtigung reagiert haben, sondern sich um erzieherisch sinnvolle Mittel
(wie z. B. gemeinsame
Gespräche) bemüht haben; bei der Wahl der Erziehungsmittel sind die
Eltern bis zu der in § 1666 BGB aufgezeigten Grenze frei. Die Eltern
können daher zu Recht die ihnen entstandenen Kosten in voller Höhe
gerichtlich geltend machen.
|
7. Staat und elterliche Sorge
185
Fall 11: "Eltern contra
Schulbesuch"
A und B sind die Eltern von drei im
schulpflichtigen Alter stehenden Kindern. Diese besuchen bereits seit Jahren
keine Schule. Die Eltern lehnen aus grundsätzlichen Erwägungen eine
Schulerziehung ab und sind der Ansicht, daß es ausreiche, wenn das
erforderliche Schulwissen den Kindern von der als Lehrerin ausgebildeten B
vermittelt werde.
Wiederholte Versuche des mit der Angelegenheit
befaßten JugA, durch Gespräche eine Sinnesänderung der Eltern
herbeizuführen, blieben ebenso erfolglos wie mehrere gegen diese ergangene
Bußgeldbescheide und Festsetzungen von Zwangsgeldern. Auch Versuche, die
Kinder zwangsweise zum Unterricht vorzuführen, blieben erfolglos, weil
jedesmal die Eltern die Herausgabe der Kinder verweigert und die Polizeibeamten
auf die Anwendung unmittelbaren Zwangs verzichtet hatten.
Der Landkreis beantragte daraufhin beim FamG
(früher: VormschG), den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen
und dem Kreisjugendamt zu übertragen. Dieser Antrag wurde nach
persönlicher Anhörung der Eltern und der drei Kinder durch den
Familienrichter (früher: Vormundschaftsrichter) zurückgewiesen, weil
die begehrte Maßnahme unverhältnismäßig sei. Hiergegen
legte der Landkreis Beschwerde zum OLG (früher: LG) ein. Wie wird das OLG
entscheiden?
|
7.1. Hoheitliche Eingriffe in das Elternrecht
186
Nicht immer sind die Eltern den Aufgaben
gewachsen, die sich aus der elterlichen Sorge ergeben. Deshalb hat
das Grundgesetz den Staat dazu verpflichtet (Art. 6 II 2
GG), über die Betätigung des Elternrechts zu wachen (vgl. oben RN
45 ff.). Jedoch gilt genau wie für das Elternrecht für das
staatliche Wächteramt die Regel, daß Pflichten auch
Rechte mit sich bringen. Aus der Pflicht, über die Betätigung
des Elternrechtes zu wachen, erwächst daher zugleich das Recht des
Staates, in das Elternrecht einzugreifen, wenn das Wohl des Kindes
durch die Eltern oder Dritte auf Dauer erheblich gefährdet
wird.
Dabei ist aber der Grundsatz zu
berücksichtigen, daß Hilfe durch die staatliche Gemeinschaft
gegenüber staatlichem Zwang Vorrang hat. Der Gefährdung von
Kindern muß infolgedessen zunächst durch die Gewährung
von Hilfen für die Eltern und Kinder begegnet werden. Nur wenn diese
nicht ausreichen, darf der Staat hoheitlich in das elterliche
Sorgerecht eingreifen. Die dazu gebotenen Mittel bestimmen sich
allein nach dem Kindeswohl und dem Elternrecht; finanzielle
Erwägungen dürfen dagegen keine Rolle spielen. Die Erfüllung
der Aufgaben aus dem staatlichen Wächteramt obliegen in erster Linie
dem FamG und der von öffentlichen (JugA) und freien
Trägern wahrgenommenen Jugendhilfe.
187
Die Aufgaben des FamG werden vornehmlich im
Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt; die Jugendhilfe hat ihre
gesetzlichen Grundlagen dagegen im Kinder- und Jugendhilfegesetz, das als
achtes Buch in das Sozialgesetzbuch eingegliedert ist. Bis zum
Außerkrafttreten des Gesetzes für Jugendwohlfahrt
(1. 1. 1991) konnte die öffentliche Jugendhilfe (JugA) bei der
Erziehungsbeistandschaft (Bestellung eines Erziehungsbeistandes) und
Fürsorgeerziehung (Antragsrecht) eigenständig in das
elterliche Sorgerecht eingreifen (§§ 57, 65 JWG). Seit
Erlaß des Kinder- und Jugendhilfegesetzes beschränkt sich das
Eingriffsrecht der öffentlichen Jugendhilfe in das
Elternrecht lediglich auf vorläufige Maßnahmen.
Darunter fallen die Inobhutnahme auf Bitte des Kindes oder des
Jugendlichen bzw. bei Bestehen einer dringenden Gefahr für das Wohl
des Minderjährigen (§ 42 II 1, III 1 SGB VIII).
Definitiv bindende Eingriffe in das Elternrecht kann jetzt nur noch das
FamG anordnen (§§ 1666 ff. BGB).
7.2. Gefährdung des Kindeswohls oder des Kindesvermögens
188
Der Eingriff in das Recht der
Personen- bzw. Vermögenssorge ist ein besonders
schwerwiegender staatlicher Grundrechtseingriff. Das FamG kann daher nur
bei einer konkreten und aktuellen Gefährdung des Kindeswohls
in die Personen- bzw. Vermögenssorge eingreifen; die Besorgnis einer
künftigen Gefährdung reicht nicht aus. Das Wohl des
Kindes ist gefährdet, wenn bei Fortentwicklung einer
Gefährdungslage ohne Eingriff des FamG mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
erhebliche Schädigung des Kindes selbst oder seines
Vermögens zu erwarten ist. Das ist der Fall, wenn für die
Entwicklung des Kindes in körperlicher, geistiger oder
seelischer Hinsicht oder für das Kindesvermögen schwerwiegende
Nachteile drohen.
189
Voraussetzung dafür ist, daß
das Wohl des Kindes oder sein Vermögen (1) durch
mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, (2) durch
Vernachlässigung des Kindes, (3) durch unverschuldetes
Versagen der Eltern oder (4) durch das Verhalten eines Dritten
gefährdet wird.
Die vom Gesetz offen gestalteten Formulierungen
("unbestimmte Rechtsbegriffe") sind nur schwer voneinander
abgrenzbar, da sie sich teilweise überschneiden bzw. sogar ein Begriff den
anderen voll miterfaßt
(Sorgerechtsmißbrauch/Vernachlässigung).
190
(1) Unter
Sorgerechtsmißbrauch ist die zweck- und sinnwidrige, den
Kindesinteressen grob zuwiderlaufende Ausübung des elterlichen
Sorgerechts, mithin die Ausnutzung der elterlichen Sorge zum Schaden
des Kindes zu verstehen. Dabei geht aus dem Wortsinn des Merkmales
"Mißbrauch" deutlich hervor, daß lediglich
schwerwiegende Verstöße gegen die Elternpflichten erfaßt
werden. Unzweckmäßige oder dem Willen bzw. den Neigungen des Kindes
widersprechende Erziehungsmaßnahmen der Eltern stellen keinen
Sorgerechtsmißbrauch dar. Nach h. M. ist ein Verschulden
(vorsätzliches bzw. fahrlässiges Handeln) für die Erfüllung
des Tatbestandes nicht erforderlich, wird aber angesichts der
Anforderungen an das Merkmal in aller Regel gegeben sein.
Beispiele: körperliche
Mißhandlung des Kindes, besonders von Kleinkindern, durch grausames
Prügeln, Hungernlassen, Alleinlassen, Einsperren;
übermäßige Ausnutzung der Arbeitskraft des Kindes; sexueller
Mißbrauch des Kindes; Anleiten zum Betteln und Begehung von Straftaten;
Weigerung der Einwilligung zu einem notwendigen medizinischen Eingriff
(Operation, Bluttransfusion); Unterbindung des Umgangs mit den Großeltern;
Überschreitung eines noch vertretbaren Erziehungsstils durch
körperliche oder psychische Züchtigung bzw.
"overprotection".
| |
(2) Vernachlässigung des Kindes ist
die grob pflichtwidrige Unterlassung einer durch die Elternpflicht
gebotenen Handlung, vornehmlich auf dem Gebiet der Pflege und
Beaufsichtigung des Kindes, wobei hinsichtlich des Verschuldens die beim
Sorgerechtsmißbrauch gemachten Ausführungen entsprechend
gelten.
Beispiele: schwere Mängel bei der
Unterbringung, Ernährung, Bekleidung, ärztlichen Versorgung und
sonstigen Betreuung des Kindes; Vernachlässigung von Begabung und Eignung in Schule und Ausbildung; Duldung des Herumtreibens; mangelhafte Beaufsichtigung; unzureichende Überwachung des Schulbesuchs des Kindes.
|
(3) Unverschuldetes Versagen der Eltern
ist gegeben, wenn diese wegen offenbarer Überforderung oder
fehlender Eignung ihre Elternpflichten nicht erfüllen können.
Ihr Fehlverhalten kann aber auch auf unbelehrbarem Starrsinn beruhen oder
in besonderen schicksalhaften Zwangslagen seine Ursache haben. Das
Merkmal unverschuldetes Versagen hat Auffangfunktion; es kann gegeben sein, wenn
ein Verschulden der Eltern zweifelhaft ist.
Beispiele: langjährige Alkohol- bzw.
Drogenabhängigkeit eines Elternteils; Unvermögen der Eltern, die
geistige Entwicklung ihrer Kinder überhaupt zu fördern;
Unterbleibenlassen der notwendigen ärztlichen Behandlung aus
religiöser Überzeugung oder wegen Vorurteils gegen bestimmte Methoden;
problematische Sachlagen können sich bei Zusammentreffen verschiedener
religiöser Wertvorstellungen ergeben.
|
(4) Der Eingriffstatbestand der
Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten eines
Dritten unterscheidet sich in der Zielrichtung eindeutig dadurch von den
bisher geschilderten Tatbeständen, daß er sich nicht gegen die
Eltern richtet: Er soll vielmehr dem FamG die Möglichkeit zu einem
unmittelbaren Vorgehen gegen Dritte geben, um nicht willigen oder nicht
durchsetzungsfähigen Eltern diese Belastung abzunehmen.
Beispiel:
"Auf-die-schiefe-Bahn-bringen" des Kindes durch familienfremde
Personen (Zuhälter, Terroristen, sonstige Straftäter, Alkohol- bzw.
Rauschgiftsüchtige).
|
191
Als zusätzliches Merkmal muß zur
mißbräuchlichen Ausübung des Sorgerechts, zur
Vernachlässigung, zum Versagen oder dem Verhalten Dritter die mangelnde
Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern hinzutreten, selbst
die Gefahr vom dem Kind abzuwenden. Dabei spielt jedoch keine
Rolle, ob die Eltern dazu in der Lage, aber unwillig oder ob sie willig, aber
nicht in der Lage sind. Unerheblich ist dabei ferner, ob die mangelnde
Gefahrabwendung auf Hilflosigkeit, fehlender Einsicht oder
Gleichgültigkeit der Eltern beruht. Gutwillige Eltern sind
vor einer Trennung von ihrem Kind zumindest dadurch geschützt, daß
diese nur erfolgen darf, wenn der Gefahr für dieses selbst mit
öffentlichen Mitteln nicht begegnet werden kann.
192
Ist das Wohl des Kindes gefährdet, hat das
FamG die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu
treffen, hat sich dabei allerdings auch auf diese zu beschränken
(§ 1666 I 1 BGB). Da der Eingriff in das Elternrecht ein den
Bürger belastender Akt der öffentlichen Gewalt ist, muß
er wie alle diese Akte dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) genügen.
Dies bedeutet, daß die nach der Lage des Einzelfalles zu treffenden
Maßnahmen danach auszuwählen sind, ob sie zur Lösung des
Konfliktes geeignet, erforderlich und angemessen
(verhältnismäßig im engeren Sinne) sind.
Verhältnismäßig im engeren Sinne ist ein Eingriff, wenn die
Schwere des Eingriffes zum angestrebten Erfolg in einem
angemessenen Verhältnis steht. Dies bedeutet konkret: Je
geringer die Kindesgefährdung ist, desto weniger belastend dürfen die
vom FamG angeordneten Maßnahmen sein, wobei bei länger dauernden Ermittlungen auch einstweilige Anordnungen möglich sind.
Notwendig und erforderlich
können zur Behebung der Gefahr sein: Belehrungen, Ermahnungen,
Verwarnungen, Verhaltensgebote und -verbote; Entziehung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Vertretungsmacht oder anderer Bereiche der
elterlichen Personensorge (Umgangsrecht, Berufswahl u. a.);
öffentliche Erziehungshilfen (vgl. unten RN 357 ff.), die den Vorrang
vor staatlichen Eingriffen haben.
193
Die Personensorge kann einem
Elternteil oder beiden Eltern teilweise oder sogar ganz
entzogen werden. Die gesamte Personensorge darf allerdings nur
entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind
oder wenn anzunehmen ist, daß diese zur Abwendung der Gefahr nicht
ausreichen (§ 1666 a II
BGB).
Neben diesen Maßnahmen kommt noch eine
besondere Maßnahme in Betracht, die der Jugendrichter treffen kann: Er
kann in dem gegen einen Jugendlichen durchgeführten Jugendstrafverfahren
den Sorgeberechtigten die ihnen in Bezug auf den Jugendlichen zustehenden
Beteiligungsrechte (Wahl des Verteidigers, rechtliches Gehör, Frage- und
Antragsrecht, letztes Wort, Einlegung von Rechtsbehelfen) entziehen, wenn sie
sich an dessen Straftat beteiligt haben und somit ein Mißbrauch dieser
Rechte zu befürchten ist (§ 67 IV JGG).
194
Die Maßnahme der Trennung des Kindes
von der elterlichen Familie durch Unterbringung bei einer
Pflegefamilie oder in einem Heim bzw. Anstalt ist nur
zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch
öffentliche Hilfen begegnet werden kann (§ 1666 a I
BGB). Das FamG kann bei der Anordnung von Maßnahmen
Erklärungen der Eltern oder eines Elternteils (Beispiel:
Einwilligung in eine Operation) ersetzen (§ 1666 III
BGB).
Im Rahmen einer Kindesgefährdung
getroffene Maßnahmen (§ 1666 BGB) kann das FamG
jederzeit ändern, wenn es dies im Interesse des Kindeswohls
für angebracht hält (§ 1696 I BGB); es hat sie
aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Kindeswohl nicht mehr besteht
(§ 1696 II BGB). Länger dauernde Maßnahmen hat
das FamG in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen
(§ 1696 III BGB).
195
Das Vermögen des Kindes ist
i. d. R. gefährdet, wenn der Inhaber der
Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind
verletzt, seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten
verletzt bzw. Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge
beziehen, nicht befolgt (§ 1666 II BGB). Art und Umfang der
zulässigen Maßnahmen im Rahmen der Eingriffsbefugnisse sind im
einzelnen nicht näher geregelt, stehen aber auch unter dem
rechtsstaatlichen Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.
Zulässige Maßnahmen sind,
daß das FamG anordnet, ein Vermögensverzeichnis einzureichen,
über die Verwaltung Rechnung zu legen oder das Geld des Kindes
in bestimmter Weise anzulegen wird (§ 1667 I II BGB). Dem
Elternteil, der das Kindesvermögen gefährdet, kann das FamG
Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen
auferlegen (§ 1667 III 1 und 2 BGB), wobei die
Sicherheitsleistung nur dadurch erzwungen werden darf, daß die
Vermögenssorge ganz oder teilweise entzogen wird (§ 1667
III 4 BGB). Auch bei diesen Maßnahmen hat das FamG den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten: Einerseits müssen
sie eine Gefährdung des Kindesvermögens ausschließen, sich
andererseits für die Eltern am wenigsten einschneidend
erweisen.
7.3. Schutz von Kindern in Familienpflege
196
Aufgrund des ihnen zustehenden
Personensorgerechts können die Eltern die Herausgabe des Kindes von
jedem verlangen, der es ihnen widerrechtlich vorenthält
(§ 1632 I BGB). Lebt das Kind allerdings schon seit
längerer Zeit in Familienpflege, können sich die
Pflegeeltern (Pflegeperson) dem Herausgabeverlangen der Eltern dadurch
widersetzen, daß sie beim FamG - das auch vom Amts wegen tätig
werden kann - für das (Pflege-) Kind eine Verbleibensanordnung
beantragen (1632 IV BGB); für das in einer Stieffamilie
(Elternteil und dessen Ehegatte) lebende Kind besteht die gleiche Regelung
(§ 1682 I 1 BGB).
Durch die Verbleibensanordnung soll das Kind, das
bereits seit längerer Zeit mit erwachsenen Bezugspersonen
zusammenlebt, vor durch die Herausnahme drohenden psychischen und
physischen Gefährdungen geschützt werden. Da es sich bei dem
Pflegeverhältnis nicht notwendigerweise um ein solches zu handeln
braucht, das unter Einschaltung des JugA als Sozialleistung im Rahmen der
Kinder- und Jugendhilfe zustande gekommen ist, vielmehr ein
faktisches Pflegeverhältnis ausreicht, kommen als
Pflegepersonen auch Verwandte, wie die Großeltern oder der nicht
sorgeberechtigte nichteheliche Vater in Betracht. Voraussetzung für die
Verbleibensanordnung ist allerdings, daß die Herausnahme aus der
Pflegefamilie das Kindeswohl gefährden würde. Da diese
Anordnung das elterliche Sorgerecht erheblich einschränkt,
kann sie nur aus dringenden Gründen gerechtfertigt sein. Dem
Herausgabeverlangen der Eltern ist also stattzugeben, wenn mit
hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des körperlichen,
seelischen oder geistigen Wohls des Kindes ausgeschlossen werden
kann.
197
Bei der Frage der Gefährdung des Kindeswohls
ist in erster Linie auf das bestehende und funktionierende
Pflegeeltern-Kind-Verhältnis abzustellen. Je länger danach das
Pflegeverhältnis andauert und je intensiver die entstandenen Bindungen
zwischen dem Kind und den Pflegeeltern sind, desto eher wird das Gericht
anordnen, daß das Kind bei letzteren zu verbleiben hat. Das hat zur
Voraussetzung, daß das Kind seine Bezugswelt in der Pflegefamilie
gefunden hat und daß die Herausnahme aus ihr zu diesem Zeitpunkt die
Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden mit sich bringen
würde. Bei intakten Pflegeverhältnissen von über zwei Jahren
Dauer - das haben Untersuchungen ergeben - neigen die Gerichte im
allgemeinen dazu, die Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie abzulehnen.
198
Die Pflegekinder unterstehen darüber
hinaus dem besonderen Schutz der Jugendämter (vgl. unten RN
397 ff.). Zur Aufnahme eines Pflegekindes bedarf es daher einer
besonderen Erlaubnis durch das JugA, das zugleich auch die Pflegeeltern
in ihrer Sorgetätigkeit beaufsichtigt (§ 44 I III
SGB VIII). Probleme kann das FamG dadurch abmildern,
daß es auf Antrag der Eltern einzelne Angelegenheiten der
elterlichen Sorge auf die Pflegeperson überträgt. Diese
erhält insoweit dann die Rechte und Pflichten eines Pflegers (vgl.
unten RN 200 ff.). Damit soll gewährleistet werden, daß das
Pflegekind ordnungsgemäß durch seine Pflegeeltern betreut wird. Die
Regelung gilt auch bei der Adoptionspflege (§§ 1751
I 5, 1688 I III BGB).
199
Lösungsskizze zu
Fall 11
Wenn die beharrliche Weigerung der Eltern A und
B, ihre drei schulpflichtigen Kinder in die Schule zu schicken, eine
mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge darstellt, durch
die das geistige oder seelische Wohl der Kinder gefährdet wird, hat das
FamG (früher: VormschG) die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen
Maßnahmen zu treffen (§ 1666 I BGB). Der unbestimmte
Rechtsbegriff "Mißbrauch des Sorgerechts" umfaßt den
falschen, rechts- und zweckwidrigen Gebrauch des Personensorgerechts durch
positives Handeln (Tun) in einer dem Wohl der Kinder und dem Erziehungsziel
objektiv zuwiderlaufenden, jedem besonnenen Elternteil erkennbaren Weise. Die
Personensorge umfaßt insbesondere das Recht und die Pflicht der Eltern,
ihre Kinder zu erziehen (§ 1631 I BGB); dieses Recht ist
verfassungsrechtlich verankert (Art. 6 II 1 GG). Erziehung ist der
Inbegriff aller pädagogischen Maßnahmen, durch die das Kind zum
Erwachsenen wird. Zwar ist die Art und Weise der Erziehung grundsätzlich
den Eltern überlassen, doch ergibt sich bereits aus dem Wort
"zuvörderst" in Art. 6 II 1 GG, daß keineswegs
die Eltern allein für die Erziehung der Kinder verantwortlich sind. Neben
den Eltern hat auch der Staat - das ergibt sich aus Art. 7 I GG
- ein eigenes Erziehungsrecht, das dem der Eltern gleichrangig ist. Dieses
hat der Staat durch die Einrichtung von öffentlichen Schulen und die
gesetzliche Einführung der allgemeinen Schulpflicht konkretisiert. Da die
Eltern A und B als Erziehungsberechtigte dafür zu sorgen haben, daß
ihre minderjährigen schulpflichtigen Kinder ihrer Schulpflicht nachkommen,
stellt sich ihre Weigerung, die Kinder zur Schule zu schicken, als Verstoß
gegen das Erziehungsrecht des Staates und damit als Mißbrauch ihres
Sorgerechts dar. Die Eltern können keinesfalls aus ihrem
verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht das Recht herleiten, ihre
schulpflichtigen Kinder vom Besuch der Schule fernzuhalten. Der Mißbrauch
des Sorgerechts ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, daß die Eltern das
gegenwärtige Schulsystem für unzulänglich
halten.
Eine weitere Voraussetzung für die
Rechtmäßigkeit des Eingriffs ist das Vorliegen einer auf der
mißbräuchlichen Ausübung des Elternrechts beruhenden
gegenwärtigen Gefährdung für das geistige oder körperliche
Wohl der drei Kinder. Diese ist gegeben, wenn ohne gerichtliches Eingreifen eine
erhebliche Schädigung der Kinder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist.
Bei der Gefährdung des geistigen und seelischen Wohls der Kinder geht es
nicht nur um deren augenblickliches Wohlbefinden, sondern auch darum, daß
die Voraussetzungen für ihre gedeihliche altersmäßige
Entwicklung in jeder Beziehung sichergestellt sind. Dazu ist die schulische
Erziehung unbedingt erforderlich, selbst wenn sie im Einzelfall dieser Aufgabe
nicht immer optimal gerecht werden kann. Selbst wenn die Eltern, wie es
vorliegend der Fall ist, in der Lage sein sollten, ihren Kindern das
übliche Schulwissen zu vermitteln, würde dieses dennoch nicht
ausreichen. Die Schule dient nämlich nicht nur der Wissensvermittlung,
sondern hat im Rahmen des staatlichen Erziehungsauftrags die Aufgabe, die Kinder
bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb
der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern.
Dazu gehört auch die Erziehung zur Toleranz
und zur Befähigung der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der
Gesellschaft. Auf einen Nenner gebracht: Durch den gemeinschaftlichen
Schulbesuch sollen die Kinder in das Gemeinschaftsleben hineinwachsen. Im Rahmen
der Erziehung müssen die Kinder notwendigerweise auch anderen
Einflüssen als denen des Elternhauses ausgesetzt werden, weil sie nur auf
diese Weise die erforderlichen Erfahrungen zum Bestehen in der
Gesellschaft gewinnen können, selbst wenn diese manchmal
auch negativer Art sein mögen. Die Verhältnisse in der heutigen Zeit
stellen Erziehungs- und Ausbildungsanforderungen, die von den Eltern allein
nicht bewältigt werden können, sondern der Hilfe und der
Unterstützung der Schule als staatlicher Einrichtung bedürfen. Ferner
fällt auch stark ins Gewicht, daß die Eltern durch die Verhinderung
des Schulbesuches ihrer drei Kinder letztlich auch deren Berufs- und
Lebenschancen (zumindest) stark vermindern, da der Zugang zu den meisten Berufen
eine abgeschlossene Schulbildung erfordert. Die Verweigerung der Eltern, ihre
drei Kinder zur Schule zu schicken, gefährdet damit deren geistiges und
seelisches Wohl.
Da die Eltern A und B offensichtlich auch nicht
gewillt sind, die für das geistige und seelische Wohl ihrer Kinder gegebene
Gefahr abzuwenden, hat das FamG (früher: VormschG) die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen. Die Auswahl der gebotenen Maßnahmen steht im
pflichtgemäßen Ermessen des FamG (früher: VormschG). Sie
müssen zu dieser Gefahr in einem angemessenen Verhältnis stehen
(Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Nachdem das JugA mit den
Eltern wiederholt Gespräche geführt und darüber hinaus
Zwangsmaßnahmen (Bußgeld, Vorführung zum Unterricht) angedroht
und versucht hat, verspricht die Fortsetzung dieser Maßnahmen keinen
Erfolg mehr. Bei der gegebenen Sachlage ist die Entziehung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre drei Kinder einschließlich
einer damit möglicherweise verbundenen Trennung von Eltern und Kindern als
verhältnismäßig anzusehen. Folglich hat das FamG (früher:
VormschG) das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Pfleger zu übertragen. Als
Pfleger kommt hier nur das JugA in Betracht, da andere Personen angesichts des
bisher gezeigten Verhaltens der Eltern aller Voraussicht nach nicht in der Lage
wären, den Schulbesuch der Kinder durchzusetzen. Das JugA hätte bei
seiner Einsetzung als Pfleger dann zu entscheiden, ob der Schulbesuch auch ohne
Trennung der Kinder vom Elternhaus gewährleistet werden kann oder ob eine
Heimunterbringung der drei Kinder unumgänglich ist.
Fazit: Das LG wird die angefochtene Entscheidung
des FamG (früher: VormschG) aufheben, den Eltern A und B das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre drei Kinder entziehen und dieses dem
JugA des Landkreises als Pfleger übertragen.
|
8. Vormundschaft und Pflegschaft
200
Fall 12: "Der Streit um das
Kind"
A lebte mit B, dem Vater ihrer vierjährigen Tochter C, in nichtehelicher Gemeinschaft zusammen. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem FamG über das JugA bekannt, daß C schwer mißhandelt worden war. Dabei ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob dem Kind die zahlreichen Hämatome von A oder B zugefügt worden waren. Das veranlaßte den Familienrichter, die elterliche Sorge für C - A und B hatten kurz vor der Entscheidung des FamG noch geheiratet - zu entziehen und durch das VormschG das JugA zum Amtsvormund bestellen zu lassen. C wurde daraufhin durch das JugA zunächst in einem Heim und später bei
einer Pflegefamilie untergebracht.
Nach ihrer bald darauf erfolgten Scheidung von B stellte A beim FamG den Antrag, ihr nunmehr das Sorgerecht für C zu übertragen. Das JugA als Amtsvormund beantragte, den Antrag der A zurückzuweisen. Dazu trug es vor: Die Persönlichkeitsstruktur der A ließe es nicht zu, ihr als Mutter das Sorgerecht für C (zurück)zu übertragen. C habe sich zudem zwischenzeitlich hervorragend in die Pflegefamilie integriert und könne dort mit Sicherheit eine bessere Entwicklung als bei ihrer Mutter A erwarten. Darüber hinaus ließe sich keine sichere Prognose darüber treffen, ob Mißhandlungen der C in Zukunft auszuschließen seien.
Das FamG wies den Antrag der A zurück. Gegen diesen Beschluß legt A nunmehr beim OLG Beschwerde ein. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe eine starke Bindung zu ihrem Kind. Während des Heimaufenthalts habe sie C regelmäßig besucht. Ferner habe sie, um ihrer Elternverantwortung besser gerecht werden zu können, zwischenzeitlich auf eigene Initiative therapeutisch geleitete Kurse für Erziehungshilfe besucht. Die Erzieher im Heim hätten ihr bestätigt, daß C ein gutes Verhältnis zu
ihr habe und sehr an ihr hänge. Das JugA habe den Pflegeeltern zugesichert, daß das Kind nie mehr zur Mutter zurückkehren werde.
Das JugA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Dabei stützt es sich im wesentlichen auf seinen Vortrag in der ersten Instanz. Im übrigen bestehe die Gefahr, daß durch eine Rückübertragung des Sorgerechts auf A die günstige Entwicklung, die C bei den Pflegeeltern nehme, gefährdet würde. Die mittlerweile sechsjährige C gibt bei ihrer richterlichen Anhörung an, daß es ihr bei ihrer Pflegefamilie zwar gut gefalle, sie aber doch lieber wieder bei ihrer Mutter leben möchte. B spricht sich vor dem Familiensenat dafür aus, seine Tochter weiterhin in der Pflegefamilie zu belassen.
Wie wird der Familiensenat des OLG
entscheiden?
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8.1. Geschichte, Zweck und Inhalt
201
Die Vormundschaft ist ein altes
Rechtsinstitut. Im germanischen Recht wurde die unumschränkte
Gewalt des Vaters über das Kind, die zugleich für dieses auch ein
Schutzrecht beinhaltete, als "Munt" bezeichnet.
Ursprünglich garantierte die Familie selbst den Schutz für ihre
hilfsbedürftigen Mitglieder. Doch schon im Mittelalter begann
man das Vormundschaftswesen unter öffentliche Kontrolle zu stellen,
bis schließlich sogar die Übernahme von Vormundschaften durch
den Staat selbst (Amtsvormundschaft) erfolgte.
202
Vormundschaft und Pflegschaft
für Minderjährige) sollen für fehlende oder
verhinderte elterliche Sorge Ersatz schaffen
(§§ 1773 ff., 1909 ff. BGB). Für
Volljährige, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen ihre Angelegenheiten
ganz oder teilweise nicht besorgen können, kommt an deren Stelle (heute)
nur die Betreuung in Betracht. (§§ 1896 ff. BGB).
Gegenstand der Vormundschaft ist grundsätzlich die allgemeine
Fürsorge für Person und Vermögen des Minderjährigen
(Mündels). Der Vormund wird vom Staat bestimmt und ersetzt unter
gerichtlicher Aufsicht und Kontrolle die Eltern (Vollwaise) oder tritt an
die Stelle der Eltern, wenn sie unbekannt sind (Findelkind) oder wenn sie
die elterliche Sorge nicht ausüben können oder dürfen. Die
Pflegschaft (Sorgerechts-, Nichtehelichen- bzw.
Ergänzungspflegschaft) beschränkt sich im Gegensatz zur Vormundschaft,
die die gesamte elterliche Sorge ersetzt, auf einen begrenzten
Sorgebereich. Sie erstreckt sich stets nur auf bestimmte
Angelegenheiten der Personen- oder Vermögensfürsorge des
Minderjährigen.
Der Staat sieht es heute als seine Aufgabe
an, den Schutz fürsorgebedürftiger Personen sicherzustellen.
Nach diesem Selbstverständnis sind auch die Vormundschaft und
Pflegschaft als öffentliche Aufgabe anzusehen. Doch da diese
i. d. R. durch Privatpersonen wahrgenommen wird, ist
folgerichtig auch das Rechtsverhältnis zwischen Vormund und
Mündel bzw. Pfleger und Pflegebefohlenen dem Privatrecht
zuzurechnen. Begründung, Kontrolle und Beendigung dieser
Rechtsverhältnisse wiederum erfolgen durch (staatliche) Gerichte.
Mithin treffen öffentliches und privates Recht bei der
Ausgestaltung der Rechtsinstitute der Vormundschaft und Pflegschaft in
besonderer Weise aufeinander.
8.2. (Minderjährigen-)Vormundschaft
8.2.1. Voraussetzungen und Begründung
203
Die Vormundschaft über
Minderjährige ersetzt die fehlende elterliche Sorge. Deshalb
erhält ein Minderjähriger immer dann einen Vormund, wenn er
nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person
(Personensorge) noch in den das Vermögen (Vermögenssorge) betreffenden
Angelegenheiten zur Vertretung des Kindes berechtigt sind
(§ 1773 I BGB).
Nicht unter elterliche Sorge stehen
Kinder, wenn beide Eltern tot sind (vgl. § 1773 I BGB) oder
beiden Eltern die elterliche Sorge entzogen ist (vgl. § 1666 BGB). Ein
Fall, in dem die Eltern das Kind weder in den die Person noch in den das
Vermögen betreffenden Angelegenheiten vertreten dürfen, liegt
beispielsweise vor, wenn die elterliche Sorge ruht
(§§ 1673 ff BGB). Die Bestellung des Vormunds
kann bereits vor der Geburt eines Kindes mit Wirksamkeit von seiner
Geburt an erfolgen, wenn anzunehmen ist, daß es mit seiner Geburt eines
Vormunds bedarf (§ 1774 Satz 2 BGB). Auch der Minderjährige,
dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist ("Findelkind"),
erhält einen Vormund (§ 1773 II
BGB).
Die Vormundschaft muß
i. d. R. vom VormschG von Amts wegen angeordnet werden
(§ 1774 Satz 1 BGB). (Amts-)Vormundschaft kraft Gesetzes
dagegen tritt ein, wenn die Mutter eines nichtehelichen Kindes vor oder in der
Geburt stirbt bzw. minderjährig oder sonst beschränkt
geschäftsfähig ist und das Kind daher eines Vormundes bedarf
(§§ 1773 I, 1791 c I 1 BGB). Letzteres ist auch der
Fall, wenn die Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder
kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) rechtskräftig
angefochten wird und das Kind daher eines Vormunds bedarf
(§ 1791 c I 2
BGB).
Die Vormundschaft endet kraft Gesetzes mit
dem Wegfall ihrer Voraussetzungen (Volljährigkeit bzw. Tod des
Mündels, Eintritt der elterlichen Sorge) bzw. mit ihrer Aufhebung
durch das Gericht (§§ 1882, 1884 BGB). Von der Frage der
Beendigung der Vormundschaft ist die Frage nach dem Ende des Amtes
des Vormundes zu trennen. Dieses endet mit dem Ende der Vormundschaft, dem
Tod des Vormundes oder seiner Entlassung. Die durch das VormschG
ausgesprochene Entlassung kann auf zwei Wegen erfolgen:
entweder von Amts wegen oder aus wichtigem
Grunde auf eigenen Antrag des Vormunds hin (§§ 1886, 1889
BGB). Den Amts- bzw. Vereinsvormund hat das VormschG indes schon
dann zu entlassen und einen anderen Vormund zu bestellen, wenn dies dem Wohl
des Mündels dient und eine andere als Vormund geeignete Person
vorhanden ist (§ 1887 I BGB).
8.2.2. Auswahl und Bestellung des Vormunds
204
Ist die Vormundschaft durch Anordnung des
VormschG eingeleitet worden, obliegt diesem auch die Bestellung des
Vormunds. Dabei gilt: I. d. R. soll der Mündel nur einen
Vormund erhalten (§ 1775 BGB); die Bestellung mehrerer
Vormünder, die die Vormundschaft gemeinschaftlich oder jeweilig
selbständig in getrennten Wirkungsbereichen zu führen haben,
ist möglich (§ 1797 I
II BGB).
Neben dem Vormund kann, wovon in der Praxis aber
relativ selten Gebrauch gemacht wird, ein Gegenvormund bestellt werden
(§ 1792 I 1 BGB). Das ist allerdings ausgeschlossen, wenn das
JugA, das selbst Gegenvormund sein kann, Vormund ist (§ 1792 I 2
BGB). Der Gegenvormund ist nur Aufsichtsorgan und nicht selbst Vertreter
des Mündels. Er überwacht nur die Amtsführung des Vormunds
und hat von Pflichtwidrigkeiten des Vormunds dem VormschG Anzeige zu
erstatten (§ 1799 I BGB). Daneben hat der Gegenvormund in
Einzelfällen bestimmte Geschäfte des Vormunds zu genehmigen
(§§ 1809, 1810, 1812 BGB). Ein Gegenvormund soll vor allem
bestellt werden, wenn mit der Vormundschaft die Verwaltung eines
Vermögens verbunden ist; dies gilt aber dann nicht, wenn die
Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich zu
führen ist oder wenn die Verwaltung nicht erheblich ist
(§ 1792 II BGB).
Wen soll das VormschG bei der Auswahl des
Vormundes berücksichtigen? Das BGB geht hinsichtlich des in Betracht
kommenden Personenkreises von der Vorstellung aus, daß im
Freundeskreis der Eltern oder unter den Verwandten eine Person
existiert, die in der Lage ist, die Vormundschaft über einen zu
betreuenden Minderjährigen unentgeltlich zu führen. Dies ist
aber in der Realität sehr häufig nicht der Fall. Daher kann auch das
JugA zum Vormund bestellt werden (bestellte Amtsvormundschaft),
wenn keine als Einzelvormund geeignete Person vorhanden ist
(§ 1791 b I BGB). Bei den nichtehelichen Kindern, die
einen Vormund benötigen, wird das JugA mit der Geburt kraft
Gesetzes (gesetzliche Amtsvormundschaft) Vormund (§ 1791 c
I II BGB). Bei der Amtsvormundschaft wird die Ausübung der Aufgaben
eines Vormunds einzelnen Bediensteten des JugA übertragen
(§ 55 II SGB VIII).
Zum Vormund kann auch ein rechtsfähiger
Verein bestellt werden (Vereinsvormundschaft), wenn eine als
Einzelvormund geeignete Person fehlt oder wenn der Verein von den
Eltern des Mündels als Vormund berufen worden ist
(§ 1791 a I BGB). Zur Führung der Vormundschaft bedient sich
der Verein einzelner seiner Mitglieder oder Mitarbeiter
(§ 1791 a III 1 BGB).
205
Das VormschG ist bei der Auswahl des zu
bestellenden Vormunds nicht frei. Grundsätzlich ist als Vormund zu
berufen, wer von den Eltern des Mündels durch letztwillige
Verfügung als Vormund benannt worden ist
(§§ 1776 I, 1777 III BGB). Der durch die Eltern
berufene Vormund darf ohne seine Zustimmung nur in eng begrenzten
Fällen übergangen werden (§ 1778 BGB). Die Eltern
können als Vormund auch einen Verein benennen
(§ 1791 a I BGB), nicht
aber das JugA (§ 1791 b I
2 BGB). Die Auswahl des Vormunds durch das VormschG erfolgt unter
Berücksichtigung bestimmter Eignungskriterien
(§ 1779 II BGB), wobei Verwandte und Verschwägerte bevorzugt
zu berücksichtigen sind (§ 1779 III BGB). Der
Einzelvormundschaft ist vor der Vereins- und Amtsvormundschaft der
Vorzug einzuräumen. Bei natürlichen Personen, die für die
Vormundschaft nicht oder nur schlecht geeignet sind, differenziert das BGB:
Geschäftsunfähige Personen können nicht zum Vormund
bestellt werden (§ 1780 BGB); Minderjährige, unter Betreuung
gestellte sowie in Konkurs geratene Personen während des Konkurses
sollen nicht zum Vormund bestellt werden (§ 1781
BGB).
Bei alledem stellt sich die Frage, was geschieht,
wenn eine zum Vormund bestellte Person, das ihr übertragene Amt
ablehnt. Grundsätzlich gilt: Jeder Deutsche
(Art. 116 I GG), der vom VormschG ausgewählt wird, ist zur
Übernahme einer Vormundschaft verpflichtet (1785 BGB). Die
Übernahme einer Vormundschaft kann nur aus den gesetzlich festgelegten
Ablehnungsgründen (§ 1786 I Nr. 1-8 BGB)
abgelehnt werden. Das VormschG kann den zum Vormund Ausgewählten
durch die Festsetzung von Zwangsgeld (§ 1788 BGB) zur
Übernahme der Vormundschaft anhalten; die unbegründete Ablehnung kann
Schadensersatzpflichten nach sich ziehen (§ 1787
BGB).
Der Vormund wird vom VormschG unter
Aushändigung einer Bestallungsurkunde bestellt und mittels
Handschlags an Eides Statt zu treuer und gewissenhafter
Führung verpflichtet (§§ 1789, 1791 BGB). Die
Bestellung der Vereins- und Amtsvormundschaft erfolgt durch
einfache schriftliche Verfügung des VormschG
(§§ 1791 a II, 1791 b II BGB).
8.2.3. Führung der Vormundschaft
206
Die Vormundschaft über Minderjährige
ist Ersatz für die elterliche Sorge. Daher hat der Vormund wie die
Eltern das Recht und die Pflicht, für die Person und
das Vermögen des Mündels zu sorgen und ihn in allen
Angelegenheiten zu vertreten (§ 1793 Satz 1 BGB).
Für bestimmte Geschäfte - insbesondere
Grundstücksgeschäfte - bedarf der Vormund der Genehmigung
durch das VormschG (§§ 1821 f BGB).
Die Vertretungsmacht des Vormundes ist
ausgeschlossen
für
Angelegenheiten, für die ein Pfleger bestellt ist (§ 1794
BGB);
für
Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Mündel und den
nächsten Angehörigen des Vormundes mit Ausnahme der
Erfüllungsgeschäfte (§ 1795 I Nr. 1 und 3
BGB);
bei bestimmten Arten von Geschäften, die eine durch Pfandrecht, Hypothek oder Bürgschaft gesicherte Forderung betreffen, und bei denen der Vormund
Schuldner des Mündels ist (§ 1795 I Nr. 2
BGB).
Für bestimmte Angelegenheiten kann dem
Vormund die Vertretungsmacht entzogen werden. Das soll allerdings nur bei
erheblichen Interessengegensätzen erfolgen (§ 1796
BGB).
Die Personensorge des Vormunds entspricht
grundsätzlich der der Eltern für das Kind (§ 1800
BGB). Er hat also das Recht und die Pflicht, den Mündel zu
pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen
Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 I BGB). Das
Sorgerecht umfaßt auch das Recht, über die
religiöse Erziehung des Mündels zu bestimmen. Allerdings kann
dem Vormund das Sorgerecht insoweit entzogen werden, wenn er nicht dem
Bekenntnis des Mündels angehört (§ 1801 I
BGB).
Auch die Vermögenssorge entspricht
hinsichtlich ihres Inhalts der der Eltern. Sie ist demnach auf Erhalt
des Vermögens und eine nutzbringende Verwertung im Rahmen
ordnungsgemäßer Geschäftsführung angelegt (vgl.
§ 1802 BGB). Hinsichtlich der Vermögensanlage ist der
Vormund teilweise ins einzelne gehenden Regelungen unterworfen
(§§ 1806 ff. BGB), die darauf abzielen, daß das
Vermögen des Mündels mündelsicher angelegt
wird.
8.2.4. Rechtsverhältnis zwischen Vormund und Mündel
207
Zwischen Vormund und Mündel
besteht ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis, das eine
unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Die Kosten
für die Führung der Vormundschaft gehen zu Lasten des
Mündels. Der Vormund hat gegen den Mündel insoweit einen Anspruch auf
Leistung eines Vorschusses bzw. auf Ersatz seiner Aufwendungen
(§ 1835 I BGB). Bei Mittellosigkeit des Mündels
besteht ein Anspruch des Vormunds gegen die Staatskasse
(§ 1835 IV BGB). Der Vormund hat die Vormundschaft
grundsätzlich unentgeltlich zu führen; aus besonderen
Gründen kann das VormschG dem Vormund jedoch eine Vergütung
gewähren, wenn das Vermögen des Mündels sowie der Umfang und die
Bedeutung der vormundschaftlichen Geschäfte es rechtfertigen
(§ 1836 I BGB). Das gilt nicht für Amts- und
Vereinsvormünder (§ 1836 IV BGB).
Der Vormund haftet dem Mündel
für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden
uneingeschränkt für Vorsatz und (jede) Fahrlässigkeit
(§ 1833 I 1 BGB). Seine Haftung ist damit strenger als die
der Eltern, die nur für die Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten
anzuwenden pflegen, einzustehen haben (§ 1664 I
BGB).
8.3. Pflegschaft
208
Während die Vormundschaft ebenso wie die
elterliche Sorge die allgemeine Fürsorge für Person und
Vermögen einer Person umfaßt, kommt eine Pflegschaft
i. d. R. nur in Betracht, wenn ein Fürsorgebedürfnis
für eine einzelne Angelegenheit oder einen Kreis von
Angelegenheiten besteht (Teilvormundschaft). Pflegschaft ist folglich
Fürsorge mit einem festumrissenen Wirkungskreis. Die im BGB
geregelten Pflegschaften (§§ 1909 ff. BGB) sind mit
Ausnahme der Pflegschaft für ein Sammelvermögen
(§ 1914 BGB) Personalpflegschaften, da sie grundsätzlich
die Fürsorge schutzbedürftiger Personen zum Gegenstand
haben.
Für die Berufung des Pflegers und die
Führung der Pflegschaft gelten die Vorschriften über die
Vormundschaft entsprechend (§ 1915 BGB). Die
Beendigung der Pflegschaft tritt je nach Art der Pflegschaft durch ein
bestimmtes Ereignis, durch Zweckfortfall oder durch Aufhebung
ein (§§ 1918 f. BGB).
209
Dem Minderjährigen ist ein Pfleger für
solche Angelegenheiten zu bestellen (Ergänzungspflegschaft), an
deren Wahrnehmung die Sorgeberechtigten (Eltern, Vormund) aus
tatsächlichen (wie Abwesenheit, Krankheit, Strafhaft) oder
rechtlichen Gründen (Ausschluß oder Entziehung der
Vertretungsmacht der Eltern oder des Vormunds) verhindert sind
(§ 1909 I BGB ).
Aufgehoben wurde durch das Beistandschaftsgesetz
am 1. 4. 1998 die Nichtehelichenpflegschaft: Danach wurde die elterliche
Sorge der geschäftsfähigen (nichtehelichen) Mutter in
rechtlichen Angelegenheiten des Kindes gegenüber seinem Vater (u. a.
Feststellung der Vaterschaft, Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen)
durch eine kraft Gesetzes eintretende Amtspflegschaft
eingeschränkt und ergänzt (§§ 1706, 1709 BGB
a. F.). Diese trat auf einen vor der Geburt des Kindes gestellten Antrag
der Mutter nicht ein bzw. war auf einen entsprechenden nach der Geburt
gestellten Antrag aufzuheben bzw. einzuschränken, sofern dies
dem Kindeswohl nicht widersprach (§ 1707 BGB a. F.). An die
Stelle der Amtspflegschaft ist die Beistandschaft getreten, nach der das JugA
auf Antrag eines Elternteils Beistand vor allem für die Feststellung
der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen wird
(§ 1712 I Nr. 1 und 2 BGB; vgl. unten RN 454 f.).
Für das Jugendrecht relevant sind ferner die
Pflegschaft für die Leibesfrucht (§ 1912 BGB) und die
Ergänzungspflegschaft (§ 1909 III BGB) als Vorstufe
für eine Vormundschaft. Für Erwachsene und Minderjährige kommen
die Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913
BGB) sowie die Nachlaßpflegschaft (§ 1960 ff. BGB)
in Betracht.
210
Lösungsskizze zu
Fall 12
Die von A eingelegte Beschwerde zum Familiensenat
des OLG ist zulässig (§ 119 I Nr. 2 GVG,
§ 621 e I ZPO). A wird
mit ihrer Beschwerde Erfolg haben, wenn die ursprünglich vom FamG
festgestellte Gefahr für das Wohl ihrer sechsjährigen Tochter C nicht
mehr besteht (§§ 1696 I BGB). Da davon auszugehen ist,
daß grundsätzlich den Eltern das Sorgerecht für ihr
minderjähriges Kind zusteht (§ 1626 I BGB), darf dieses
Recht durch staatlichen Eingriff nur dann weiter vorenthalten bleiben, wenn
befürchtet werden muß, daß die Übertragung der elterlichen
Sorge auf die Eltern bzw. auf einen Elternteil eine erhebliche Schädigung
des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls zur Folge haben
würde.
Geprüft werden muß daher, ob von
Seiten der zwischenzeitlich von ihrem Ehemann geschiedenen A in Zukunft
Mißhandlungen des Kindes zu befürchten sind oder ob sonstige Gefahren
für C bestehen. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte
dafür, daß A die unabweisbaren Mindestanforderungen, die eine
verantwortliche Elternschaft erfordert, nicht erfüllen kann: Sie ist weder
alkohol- noch drogenabhängig, noch ist sie verwahrlost oder psychisch
krank. Im Gegenteil: Man kann zu ihren Gunsten ins Feld führen, daß
sie therapeutische Erziehungshilfe in Anspruch genommen hat. Das ist ein Zeichen
dafür, daß sie ernsthaft darum bemüht ist, die Verantwortung
für die Erziehung ihrer Tochter zu übernehmen. Auch wenn sich im
Vorfeld nicht klären ließ, wer C die Mißhandlungen
zugefügt hatte, spricht die Trennung von B und die damit einhergehende
Veränderung der Lebensumstände der A dafür, daß
körperliche Gewalt gegenüber C nicht mehr befürchtet werden
muß.
Für das Begehren der A spricht weiterhin,
daß die Erzieher im Heim ihr Vorbringen durch ihre Aussagen
unterstützen und bekräftigen, C habe sich immer auf die Besuche ihrer
Mutter gefreut. Letzteres wird auch durch die von C bei der richterlichen
Anhörung gemachte Aussage bestätigt, daß sie lieber wieder bei
ihrer Mutter leben möchte. Diese eindeutig für A sprechende Tatsache
kann auch nicht durch den Einwand des JugA entkräftet werden, C habe sich
zwischenzeitlich hervorragend in die Pflegefamilie integriert und könne
dort mit Sicherheit eine bessere Zukunft als bei A erwarten. Das ergibt sich aus
folgender Überlegung: Während die für das Kindeswohl beste
Entscheidung immer zu treffen ist, wenn nach Getrenntleben oder Scheidung der
Eltern die elterliche Sorge bei einem Elternteil bleiben kann, ist ein
Ausschluß der Eltern vom Sorgerecht für ihr Kind und eine
Aufrechterhaltung einer Vormundschaft nur dann zulässig, wenn bei
Fortbestehen der elterlichen Sorge wesentliche Mindestvoraussetzungen für
eine einigermaßen gedeihliche Entwicklung des Kindes nicht mehr gegeben
wären und es deshalb wegen schwerwiegenden Versagens der Eltern nicht
hinnehmbar ist, das Kind in derart unerträglichen Verhältnissen zu
belassen. Das ist bei A nicht der Fall. Ohne Vorliegen dieser engen
Voraussetzungen darf der Staat nicht der Versuchung unterliegen, durch
hoheitlichen Eingriff in das Elternrecht die schicksalhaft gegebenen
Verhältnisse von Kindern verbessern zu wollen.
Der Beschwerde der A ist folglich stattzugeben:
Die Vormundschaft ist aufzuheben und das Sorgerecht für C auf A
zurückzuübertragen.
|
Hinweise zur Vertiefung
Literatur
211
Kindschaftsrechtsreform
1998
Graf von Luxburg, Harro, Das neue
Kindschaftsrecht, 1998; Gressmann, Michael, Neues Kindschaftsrecht, 1998;
Gressmann, Michael/Kirchmeier, Karl-Heinz/Mühlen,
Elisabeth, Das neue Kindschaftsrecht: erläuternde Darstellung des neuen
Rechts anhand der Materialien, 1998; Lakies, Thomas, Das Recht der
Pflegekindschaft im BGB nach der Kindschaftsrechtsreform, ZblJugR 1998,
129 ff.; Lipp, Martin, Das
elterliche Sorgerecht für das nichteheliche Kind nach dem
Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRRG), FamRZ 1998,
65 ff.; Lüke, Wolfgang,
Neuordnung des Kindschaftsrechts, JuS 1998,
857 ff.; Rummel, Carsten, Die
Kindschaftsrechtsreform - ein einführender Überblick, RdJB 1999,
156 ff.; Schimke,
Hans-Jürgen, Das neue Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 1998; Schwab,
Dieter/Wagenitz, Thomas, Einführung in das neue
Kindschaftsrecht, FamRZ 1997,
1377 ff.
Kindschaftsverhältnis
(allgemein)
Beitzke,
Günther/Lüderitz, Alexander, Familienrecht, 26. Aufl.
1992, Kindschaft, §§ 21-34,
220 ff., Vormundschaft und
Betreuung §§ 35-39,
378 ff.; Gernhuber,
Joachim/Coester-Waltjen, Dagmar, Lehrbuch des Familienrechts,
4. Aufl. 1994, V. Abschnitt: Kinder
(741 ff.), VI. Abschnitt: Sonstige
Schutzverhältnisse (1155 ff.);
Henrich, Dieter, Familienrecht, 4. Aufl. 1991,
§§ 17-26,
184 ff.; Schlüter,
Wilfried, BGB-Familienrecht, 7. Aufl. 1991, Teil III:
Kindschaftsrecht (167 ff.);
Schwab, Dieter, Familienrecht, 8. Aufl. 1995, Teil II: Das
Kindschaftsrecht (198 ff.),
Teil III: Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung
(324 ff.).
Kindschaftsverhältnis
(besonders)
System und Leitbild: Knöpfel,
Gottfried, Beistand und Rücksicht zwischen Eltern und Kindern
(§ 1618 a BGB), FamRZ
1985, 554 ff.;
Abstammung: Coester-Waltjen,
Dagmar, Rechtliche Probleme bei der Ersatzmutterschaft, NJW 1982,
2528 ff.; dsb., Befruchtung
und Gentechnologie bei Menschen - Rechtliche Probleme von Morgen?, FamRZ
1984, 230 ff.; dsb., Zur
Rückforderung der im Rahmen eines "Leihmutter-Arrangements"
erbrachten Zahlungen - OLG Hamm, NJW 1986, 781, JuS 1987,
193 ff.; Gaul, Hans
Friedhelm, Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das
Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1997,
1442 ff.; Harder, Manfred,
Wer sind Vater und Mutter? - Familienrechtliche Probleme der
Fortpflanzungsmedizin, JuS 1986,
505 ff.; Kollhosser, Helmut,
Rechtsprobleme bei medizinischen Zeugungshilfen, JA 1985,
553 ff.; Jüdes, Ulrich
(Hrsg.), In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer (Retortenbaby),
1983.
Eheliche und nichteheliche Abstammung:
Beitzke, Günther, Reform der Ehelichkeitsanfechtung?, FS für
Wolfram Müller-Freienfels, 1986,
31 ff.; Schwenzer, Ingeborg,
Ehelichkeitsvermutung und Ehelichkeitsanfechtung, FamRZ 1985,
1 ff.
Adoption Minderjähriger - Annahme
als Kind: Baer, Ingrid/Gross, Helga, Adoption und
Adoptionsvermittlung, 2. Aufl. 1981; Bosch, Friedrich-Wilhelm,
Entwicklungen und Probleme des Adoptionsrechts in der Bundesrepublik
Deutschlands, FamRZ 1984, 829 ff.;
Frank, Rainer, Die Neuregelung des Adoptionsrechts, FamRZ 1997,
393 ff.; Lüderitz,
Alexander, Problemfelder des Adoptionsrechts, FamRZ 1981,
524 ff.
Allgemeine Wirkungen der Kindschaft:
Brühl, Günter/Göppinger, Horst, Unterhaltsrecht,
6. Aufl. 1994; Diederichsen, Uwe, Die Neuordnung des
Familiennamensrechts, NJW 1994, 1089; Kalthoener,
Elmar/Büttner, Helmut, Die Rechtsprechung zur Höhe des
Unterhalts, 6. Aufl. 1997; Kleinle, Friedrich, Vorläufige
Bemerkungen zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts
minderjähriger Kinder (KindUG), ZblJugR 1998,
225 ff.; Knittel, Bernhard,
Das neue Kindesunterhaltsrecht, DAvorm 1998,
177 ff.; Köhler,
Wolfgang/Luthin, Horst, Handbuch des Unterhaltsrechts, 8. Aufl.
1993; Lüke, Wolfgang, Neuregelung des Namensrechts, JuS 1994, 810;
Oelkers, Harald, Das neue Kindesunterhaltsrecht - Grundzüge
und erste Erfahrungen mit dem neuen Recht, ZfJ 1999,
239 ff.; Renner,
Günter, Kinder und Jugendliche und das Ausländerrecht in
Deutschland, RdJ 1999, 15 ff.;
Wagenitz, Thomas, Grundlinien des neuen Familiennamensrechts, FamRZ 1994,
409.
Elterliche Sorge: Behnke, Thorsten,
Das neue Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, NJW 1998,
3078 ff.; Dieckmann,
Albrecht, Betrachtungen zum Recht der elterlichen Sorge - vornehmlich
für Kinder aus gescheiterter Ehe, AcP 178,
298 ff.; Diederichsen, Uwe,
Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge, NJW 1980,
1 ff.; Gernhuber, Joachim,
Elterliche Gewalt heute, FamRZ 1962,
89 ff.; Klocke, Detlef,
Elterliche Gewalt, Umgangsverbote und Freizeitverhalten des heranwachsenden
Kindes, JuS 1974, 75 ff.;
Lüderitz, Alexander, Elterliche Sorge als privates Recht, AcP 178,
263 ff.; Oelkers, Harald,
Das neue Sorge- und Umgangsrecht - Grundzüge und erste Erfahrungen,
ZfJ 1999, 263 ff.; Rauscher,
Thomas, Das Umgangsrecht im Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998,
329 ff.; Schwab, Dieter,
Elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung der Eltern - Die Neuregelung
des Kindschaftsrechtsreformgesetzes, FamRZ, 1998,
457 ff.
Staat und elterliche Sorge: Erichsen,
Hans-Uwe, Die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffstatbestände
des elterlichen Sorgerechts, Elternrecht - Kindeswohl -
Staatsgewalt, 61 ff.; Reuter,
Dieter, Kindesgrundrechte und elterliche Gewalt, 1968.
Vormundschaft und Pflegschaft:
Bienwald, Werner, Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht in
der sozialen Arbeit; Jochum, Günter/Pohl, Kay-Thomas,
Vormundschaft und Pflegschaft, 1989; Meyer-Stolte,
Klaus/Bobenhausen, Dieter, Vormundschaftsrecht, 3. Aufl. 1993;
Oberloskamp, Helga (Hrsg.), Vormundschaft, Pflegschaft und
Vermögenssorge bei Minderjährigen, 1990.
Entscheidungen
BVerfGE 60, 79 (Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel bei Trennung des
Kindes von der Familie); BVerfGE 79, 257 (Recht auf Kenntnis der eigenen
Abstammung); BGH, NJW 1991, 749 (Vaterschaftsfeststellung unter
Berücksichtigung der DNA-Analyse); BGH, FamRZ 1991, 426 (zur Genom-Analyse,
dem DNA-Gutachten); BGHZ 69, 190, 194; 107, 376,
381 f. (zur Frage der Finanzierung
einer Zweitausbildung durch die Eltern); BayObLGZ 1983, 23, BayObLG NJW 84, 928,
BayObLG FamRZ 1985, 635, BayObLG FamRZ 1987, 1080 (Mißbrauch des
elterlichen Sorgerechts bei Verweigerung des Schulbesuchs); OLG Karlsruhe, FamRZ
1989, 393 und FamRZ 1994, 393 (Rückübertragung der elterlichen Sorge
nach angeordneter Vormundschaft); KG NJW-RR 1988,
1226 ff.; Urteilsanmerkung:
Lehmann, Herbert, JZ 1989,
39 ff. (Kontaktaufnahme zum
krebskranken Vater; vgl. Fall 6); KG, NJW-RR 1988, 1226 (Persönliches,
ggf. telefonisches Kontaktaufnahmerecht unter Familienangehörigen); LG
Aachen, FamRZ 1986, 713 (Schadensersatzpflicht bei schuldhaftem Eingriff Dritter
in das elterliche Sorgerecht).
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