![]() S a a r b r ü c k e r B i b l i o t h e k (http://www.jura.uni-sb.de/projekte/Bibliothek) | Erstveröffentlichung: Vortrag, gehalten am 25. November 1997 im Europa-Institut der Universität des Saarlandes |
Günther WinklerRaum und Recht
I. Vorbemerkungen
Eine eingehendere Befassung mit dem Thema "Raum und Recht"
wurde mir von Georg Ress und Friedrich Barounig vor Jahren nahegelegt, als sie
mein Buch über Zeit und Recht gelesen
hatten[1]. Der Raum war begreiflicherweise schon
für meine Zeitstudien von Bedeutung gewesen. Für die Zeit und in
Verbindung mit dieser ist auch der Raum ein wesentlicher Faktor des Rechtes.
Raum und Zeit bilden trotz ihrer phänomenalen Vielfalt und begrifflichen
Eigenständigkeit im Recht und im juristischen Denken eine notwendige duale
Einheit. Daher nahm ich die Anregung der beiden Herren dankbar auf. Ich
vertiefte mich von neuem in das Rechtsmaterial und befaßte mich nun
schwerpunktmäßig mit dem Verhältnis von Raum und Recht.
Dabei erfuhr auch mein logisches und erkenntnistheoretisches Vorverständnis
für ein empirisch-rationales rechtswissenschaftliches Denken wichtige
Klärungen und Bestätigungen.
Die vorliegenden Ausführungen gründen sich auf
Vorarbeiten zu einem Gastvortrag.[2] In diesem
Vortrag und in der darauffolgenden Diskussion habe ich nur einige der
wichtigsten Gedanken dargeboten. Nach dem Vortrag setzte ich meine Raumstudien
fort. Das Thema nahm mich für lange Zeit voll in Anspruch. Meine
Vorstellungen gewannen stärkere Konturen und eine weitere Vertiefung. Der
Arbeitsertrag wurde umfangreicher und gehaltvoller. Seine Darstellung erforderte
eine sinnvolle Auswahl, die Setzung von Schwerpunkten und Verallgemeinerungen,
um das Wesentliche sichtbar zu machen und dennoch eine informative
Anschaulichkeit von der Vielfalt der Raumaspekte aus rechtlicher Sicht zu
vermitteln.
Gemäß der Eigenart des Rechtes bieten sich für
die Frage nach dem Verhältnis von Raum und Recht drei verschiedene
Ansatzpunkte an: im Hinblick auf die tatsächliche und rechtliche Existenz
(Geltung, Rechtskraft und Rechtsbestand) der vielgestaltigen generell-abstrakten
Erzeugungs- und Erscheinungsformen des positiven Rechtes, im Hinblick auf die
Verbindlichkeit ihrer generell-abstrakten Sinngehalte und im Hinblick auf die
individuell-konkrete Umsetzung dieser Sinngehalte in die kulturell-soziale
Wirklichkeit. In diesem mehrfachen Sinn ist die Frage nach der Bedeutung des
Raumes für die juristische Praxis und für die Wissenschaft vom Recht
gleich wichtig.
Die Bedeutung des Raumes für das Recht und für das
Rechtsdenken wurde mir vor Jahrzehnten schlagartig bewußt, als ich auf dem
Heimweg von meinem Arbeitsplatz an der Universität Innsbruck durch den
Hofgarten in den Saggen ging. In der Mitte einer offenen Parkwiese, neben dem
Weg entlang dem Inn, sah ich im Laternenschimmer einen grüngestrichenen
gußeisernen Pfahl. An dessen Spitze befand sich eine kunstvoll
eingerahmte, barock anmutende Tafel mit schwarzen Lettern auf weißem
Email. Ich wurde neugierig und betrat den Rasen, um den Text lesen zu
können. Auf der Tafel stand geschrieben: "Das Betreten der Anlagen des
Ambraser Schloßparks ist bei Strafe verboten. Der Magistrat der Stadt
Innsbruck". Als ich diesen Text gelesen hatte, dachte ich an das weitab liegende
Schloß Ambras mit seinen gepflegten Parkanlagen. Angesichts des Wortlauts
und im Hinblick auf den offensichtlich falschen Aufstellungsort der Verbotstafel
fragte ich mich, ob ich nun strafbar sei, da ich den Rasen des Hofgartens
betreten hatte. Das Verbot erschien mir nach seinem Wortlaut zwar sinnvoll und
eindeutig, doch der Ort seiner ausdrücklich angegebenen Verbindlichkeit
stimmte nicht mit dem Ort seiner Kundmachung überein. Der Gärtner
hatte die Verbotstafel für den Hofgarten mit der gleich aussehenden
Verbotstafel für den Ambraser Schloßpark
verwechselt.
Damals befaßte ich mich gerade mit dem Thema der
absoluten Nichtigkeit von
Verwaltungsakten.[3]
Daher erschien mir die barocke Verbotstafel, deren
verbindlicher Sinngehalt ausdrücklich auf einen weitab liegenden anderen
Ort bezogen war, wie eine museale Schaustellung. Im Hinblick auf seine
Verbindlichkeit für einen ausdrücklich erklärten anderen Ort als
den Ort seiner Kundmachung und trotz seines sachlichen Bezuges auf eine
Parkanlage dachte ich mir, daß ein solches Verbot nur absolut nichtig sein
kann. Der Ort der Rechtsbefolgung, die räumliche Verbindlichkeit und die
räumliche Geltung des Verbotes müssen einander entsprechen, so meinte
ich damals spontan. Angesichts des an und für sich sinnvollen Wortlauts des
Verbotes mutet diese Auffassung gewiß formalistisch an. Doch die
räumliche Homogenität der Geltung von Erzeugungs- und
Erscheinungsformen des Rechtes mit der Verbindlichkeit ihrer Sinngehalte ist
eine wesentliche Voraussetzung für deren Verwirklichung als Anwendung und
Befolgung. Sie ermöglicht dem Adressaten das Vertrauen auf den
äußeren Tatbestand. Im vorliegenden Fall herrscht keine
räumliche Homogenität von Kundmachung und Verbindlichkeit, die
für den Adressaten im Hinblick auf Befolgung und Anwendung des Verbotes ein
solches Vertrauen auf den äußeren Tatbestand ermöglichen
würde.
[4]
Rechtsvorschriften entstehen durch sinn- und zweckhaftes
menschliches Verhalten im Raum. Sie treten infolge ihrer Erzeugtheit durch ein
tatsächliches menschliches Verhalten in einem bestimmten Raum als empirisch
erfaßbare Tatsachen sinn- und zweckhaft in Erscheinung. Durch den Akt
ihrer Erzeugtheit und durch ihre Erscheinungsform werden die Rechtsvorschriften
im Raum tatsächlich und rechtlich existent. Die tatsächliche und
rechtliche Existenz des Erzeugungsaktes ist eine notwendige Voraussetzung
für die Verbindlichkeit seiner Sinngehalte gegenüber den darin
angegebenen Adressaten. Die Sinngehalte der Rechtsvorschriften sind durch ihre
Erzeugungs- und Erscheinungsform für die Adressaten erfahrbar, anschaubar
und wahrnehmbar auf ein von diesen zu setzendes Verhalten in einem begrenzten
Raum gerichtet. Als intentionale und finale hoheitliche Willensbekundungen der
Rechtssetzungsautorität müssen sie daher auch für ihre Adressaten
erkennbar auf ihre Beachtung in dem als verbindlich erklärten Raum
abgestellt sein.
Die in den Sinngehalten der Rechtsvorschriften zumeist
abstrakt ausgedrückte räumliche Verbindlichkeit kann gleich weit
reichen wie die räumliche Geltung ihrer Erzeugungs- und Erscheinungsform.
Sie kann aber auch enger gezogen sein, muß mit dieser jedoch konform sein.
Das in den Sinngehalten der Rechtsvorschriften geforderte menschliche Verhalten
ist gemäß den Raumkriterien der abstrakten Sinngehalte entweder als
Rechtsbefolgung oder als Rechtsanwendung an einem bestimmten Ort räumlich
und konkret zu setzen. Daher muß der Ort des konkreten Verhaltens dem
räumlichen Verbindlichkeitsbereich der abstrakten Sinngehalte von
Rechtsvorschriften und dieser dem räumlichen Geltungsbereich ihrer
Erzeugungs- und Erscheinungsform entsprechen.
Das einfache Beispiel der Verbotstafel zeigt deutlich,
daß der rechtliche Raum unterschiedlich erhebliche Reichweiten hat:
gemäß der tatsächlichen und rechtlichen Existenz der Erzeugungs-
und Erscheinungsform einer Rechtsvorschrift, gemäß der
Verbindlichkeit der generell-abstrakten Sinngehalte der Rechtsvorschrift sowie
gemäß der Möglichkeit der konkreten Verwirklichung ihrer
abstrakt verbindlichen Sinngehalte in der kulturell-sozialen Wirklichkeit durch
deren Adressaten; sei es eines Einzelnen, sei es eines staatlichen
Organs.[5] Das Recht ist in diesem Sinn eine
mehrschichtige, räumlich differenziert konzipierte Ordnung für
menschliches Verhalten. Seine abstrakten Sinngehalte werden durch menschliches
Verhalten räumlich konkret verwirklicht. Daher ist es sinnvoll und
notwendig, den rechtlichen Raum entsprechend differenziert zu sehen.
Für den Juristen ist die empirisch-rationale Erfassung
des rechtlich differenzierten Raumes vor allem im Hinblick auf die Zuordnung von
individuell-konkreten Verhaltensweisen der Adressaten zu den generell-abstrakten
Sinngehalten von Rechtsvorschriften von großer praktischer Bedeutung. Das
positive Recht ist mit seinen abstrakten Sinngehalten auf konkretes menschliches
Verhalten in Raum und Zeit abgestellt. Es ist ungeachtet der konkreten
räumlichen und zeitlichen Existenz seiner vielfältigen Erzeugungs- und
Erscheinungsformen gemäß seinem Sinn und Zweck grundsätzlich
zweischichtig angelegt. Das zeigt sich vor allem am Raum im Recht: einerseits in
der Schicht zweckhafter abstrakter Raumbindungen von abstrakten Sinngehalten
für generell bestimmbare Adressaten und andererseits in der Schicht von
konkreten Sinngehalten ihrer räumlichen Verwirklichung durch individuell
bestimmte Adressaten. Das wird auch durch den mehrgliedrigen Stufenbau der
Rechtserzeugungsformen des modernen Verfassungsstaates von jeder höheren
Rechtserzeugungsstufe zur niedrigeren bestätigt. Jede Art von
generell-abstrakter Rechtsvorschrift - also auch ein Verfassungsgesetz - kann
mit einer anderen räumlichen Reichweite individuell-konkret befolgt oder
angewendet werden. Abstrakte Rechtssetzung und konkrete Rechtsverwirklichung
bilden einen notwendigen zweckhaften Zusammenhang.
Das sei nun am Beispiel des Gesetzesrechtes verdeutlicht.
Dieses wird durch den Akt der Erlassung in einem bestimmten rechtlichen Raum
konkret erzeugt. Kraft tatsächlicher Erzeugtheit seiner Erzeugungs- und
Erscheinungsform erlangt ein Gesetz für das ganze Staatsgebiet (Bundes-
oder Landesgebiet) eine konkrete, tatsächliche und rechtliche Existenz
(Geltung). Gemäß den von tatsächlicher und rechtlicher Existenz
(Geltung) der Erzeugungs- und Erscheinungsform getragenen generell-abstrakten
Sinngehalten ist es aber nur in dem durch diese erfaßten Raum verbindlich.
Entsprechend ihrer unterschiedlichen räumlichen Verbindlichkeit werden die
abstrakten Sinngehalte eines Gesetzes durch ein konkretes menschliches Verhalten
entweder als Befolgung oder als Anwendung immer an einem bestimmten Ort
verwirklicht. Die konkrete Verwirklichung der verbindlichen abstrakten
Sinngehalte erfolgt örtlich und entfaltet zumeist nur eine
gebietsmäßig begrenzte Wirksamkeit. Die konkrete Raumbindung der
Sinngehalte von Gesetzen durch den Akt ihrer Erzeugung, die differenzierten
Raumbindungen der generell-abstrakten Sinngehalte und ihre unterschiedlichen
ortsgebundenen und gebietsmäßig begrenzten individuell-konkreten
Verwirklichungen haben eine unterschiedliche räumliche Reichweite. Zwischen
dem Staatsgebiet, als Raum der tatsächlichen und rechtlichen Existenz oder
Geltung eines Gesetzes, den zumeist sachlich differenzierten und begrenzten
Räumen der Verbindlichkeit seiner abstrakten Sinngehalte und den
unterschiedlichen Orten ihrer konkreten räumlichen Verwirklichung muß
Homogenität herrschen.
Geleitet von solchen Überlegungen durchforschte ich die
Fülle der mehrschichtigen Erzeugungsformen und Sinngehalte des geltenden
österreichischen Rechtes. Dabei traf ich auf eine Vielfalt von
Raumaspekten. Anhand des Rechtsmaterials suchte ich zunächst nach Kriterien
für eine Gedankenordnung zum Thema, um das Verhältnis von Raum und
Recht gemäß den verschiedenen Erzeugungs- und Erscheinungsformen des
Rechtes, gemäß den vielfältigen abstrakten Sinngehalten und
gemäß ihren unzähligen konkreten Verwirklichungen
gegenstandsadäquat erfassen und anschaulich darstellen zu können. Ich
durchforschte im vergleichenden Blick auf andere Rechtsordnungen, auf das
Europarecht und auf das Völkerrecht die Fülle des
österreichischen Rechtsmaterials nach dem Allgemeinen, nach dem Typischen
und nach dem Besonderen des rechtlichen Raumes. Ich unternahm kritische Analysen
des Materials, vor allem des geltenden österreichischen Rechtes, nach
konkreten Erzeugungs- und Erscheinungsformen sowie nach den abstrakten
Sinngehalten und ihren konkreten Verwirklichungen, im Hinblick auf
Gleichartigkeit und Verschiedenheit des Raumes im Recht. In diesem Sinn
bemühte ich mich um eine dem Rechtsmaterial gemäße
differenzierte Vorstellung vom rechtlichen Raum. Daraus ergab sich
zwangsläufig auch die Frage nach dem Raum im allgemeinen und nach der
Möglichkeit seiner empirisch-rationalen Erfassung.
Die hier aufgeworfenen Fragen nach der Bedeutung des Raumes
für das Recht setzen das geltende Recht als ein in Raum und Zeit konkret
existierendes, komplexes kulturell-soziales Phänomen besonderer Art voraus,
das durch Raum und Zeit nach Form und Inhalt differenziert empirisch erfahrbar
und rational erfaßbar ist. Trotz seiner Einheit von Form und Inhalt bietet
sich das positive Recht einer empirisch-rationalen Rechtswissenschaft in einer
Vielfalt von Raumbindungen dar. Die unterschiedlichen räumlichen Aspekte
der Vielfalt des nach Form und Inhalt empirisch erfahrbaren und rational
erfaßbaren, mehrschichtigen Materials des positiven Rechtes weist der
Rechtswissenschaft den Weg zu einer differenzierten Auffassung vom rechtlichen
Raum. Die Rechtsdogmatik und die daran anschließende Rechtstheorie sind
vom Gegenstand her zu einem diesem gemäßen differenzierten
Raumrechtsdenken verhalten. Der Bogen der Raumperspektiven dieser Studie ist
also weit gespannt. Eine Erklärung dafür liegt im mehrschichtig
angelegten, formal und inhaltlich vielfältigen Recht. Eine andere
Erklärung liegt aber in der Aufgabe einer dem Gegenstand nach Form und
Inhalt verpflichteten kritischen und selbstkritischen Rechtswissenschaft.
Meine auf die Vielfalt des Rechtsmaterials gegründete
Zusammenschau führte aus Intuition und Spontaneität des Denkens,
über Kritik und Selbstkritik zu einer Gedankenfolge, die der Gliederung
dieser Studie zugrunde liegt. Schwerpunkte bilden die Fragen nach der
Rechtlichkeit des Raumes, nach der Raumgebundenheit des Rechtes und nach dem
Raum in den abstrakten und konkreten Sinngehalten des Rechtes. Diese Fragen
ergeben sich aus der Vielfalt der Phänomene des Rechtes, wie es sich nach
Form und Inhalt der Erkenntnis durch Erfahrung aus Anschauung kraft Wahrnehmung
mehrschichtig darbietet. In induktiver Arbeitsweise werden zunächst
positivrechtliche Analysen vorgenommen und nach den drei genannten
Hauptgesichtspunkten zu Synthesen des Verhältnisses von Raum und Recht
gefügt. Darauf folgen rechtsdogmatische und rechtstheoretische
Fragestellungen aus staatsrechtlicher, europarechtlicher und
völkerrechtlicher Sicht. Die empirische Erfassung des vielfältigen
rechtlichen Raumes gemäß dem Material des Rechtes bildet die
Voraussetzung für eine kritische und selbstkritische Standortbestimmung des
juristischen Denkens zum Thema. Anhand des Rechtsmaterials suchte ich aber auch
nach grammatischen, logischen und erkenntnistheoretischen Perspektiven,
gemäß ihrer Bedeutung für das raumgebundene Rechtsdenken. Daraus
ergaben sich allgemeine methodologische, wissenschaftstheoretische und
wissenschaftspolitische Orientierungen.
Mit einer solchen Standortbestimmung ist zwangsläufig
auch Kritik verbunden. Diese richtet sich zunächst gegen eine
Rechtswissenschaft, die als eine Gesetzeswissenschaft vorwiegend
rechtstechnische Aspekte behandelt. Sie richtet sich vor allem aber gegen
formalisierende normativistische Theorien, die im Hinblick auf das Recht Sollen
und Sein, Wert und Wirklichkeit, Geist und Natur voneinander trennen. Sie ist
daher auch eine Absage an die Vergegenständlichung der rein formalen
Denkformen und Deutungsschemata von Norm, Imperativ, Rechtssatz und Sollen.
Durch die Kritik soll dargetan werden, daß und warum die
Rechtswissenschaft herausgefordert ist, an Hand des mehrschichtigen
Rechtsmaterials über das vielfältige Verhältnis von Raum und
Recht differenziert nachzudenken. Sie muß sich vor allem frei von jedem
formalisierenden normativistischen Vorurteil den Weg zu einer
empirisch-rationalen Erfassung des Rechtsmaterials und gemäß diesem
zur Erklärung des Verhältnisses von Raum und Recht erschließen.
Eine Rechtsdogmatik, die das positive Recht von vornherein mit
dem Gesetzesrecht gleichsetzt, vor allem aber eine Rechtstheorie, die den
Gegenstand Recht mit der Kategorie des Sollens identifiziert und an die rein
formalen Denkformen und Deutungsschemata der Norm, des Imperativs und des
urteilsförmigen Rechtssatzes bindet, errichtet zwischen dem
empirisch-rational erfaßbaren Material des Rechtes und der
Rechtswissenschaft formal-logische Barrieren, die eine gegenstandsadäquate,
logisch schlüssige Erklärung des Verhältnisses von Recht und
kulturell-sozialer Wirklichkeit und daher auch von Raum und Recht von vornherein
unmöglich machen. Theoretische Prämissen sollen das Recht nicht von
der kulturell-sozialen Wirklichkeit der es angehört trennen, sondern eine
gegenstandsgerechte Erklärung ihrer notwendigen Verbindung
ermöglichen. Eine kritische Analyse des Rechtsmaterials läßt
manche Vorstellungen der traditionellen Rechtsdogmatik der Beziehung zwischen
Raum und Recht zwar als brauchbar, aber dennoch als vordergründig
erscheinen. Der Rechtsdogmatik mangelt es zumeist an einer erkenntnistheoretisch
fundierten, empirisch-rationalen Vorstellung vom Recht und daher auch an einer
schlüssigen Erklärung für die Räume im Recht und für
das Recht in den Räumen der kulturell-sozialen Wirklichkeit.
Es ist bemerkenswert, daß Praktiker des Rechtes keine
Schwierigkeit haben, das Verhältnis von Raum und Recht zu verstehen und
rechtstechnisch zu bewältigen. Sie benötigen dafür keine logische
Erklärung. Leider gilt das nicht auch für die Rechtstheoretiker.
Für diese ist die Deutung des Rechtes aus Norm, Imperativ, Rechtssatz und
Sollen noch immer ein problematisches Anliegen. Die von der Rechtstheorie
gelieferten Erklärungsgründe für das Verhältnis von Recht
und Norm sind für das Verständnis des Verhältnisses von Raum und
Recht nicht nur unzureichend, sie sind sogar vom Grund her verfehlt. Was der
Rechtspraxis selbstverständlich ist, scheint der Rechtstheorie
problematisch. Daher gibt es zwischen dem Raumrechtsverständnis der
Rechtspraxis und jenem der Rechtstheorie eine unauflösbare Diskrepanz.
Die Diskrepanz zwischen einem geradezu
selbstverständlichen Raumrechtsdenken der Praktiker des Rechtes und einem
hinkenden normlogischen Diskurs der Rechtstheoretiker, für die der
Raum nicht sollenshaft erfassbar ist, fordert zu einer Besinnung auf die
erkenntnistheoretischen Voraussetzungen eines auch den praktischen
Bedürfnissen genügenden wissenschaftlichen Rechtsdenkens heraus. Der
Ansatz zur Kritik liegt in den formalisierten und logifizierten Prämissen
einer antiempirischen, kategorial-deduktiven Rechtstheorie. Eine wichtige
Zielsetzung dieser Studie ist daher auch die Offenlegung der
Unzulänglichkeit solcher Prämissen. Dazu bedarf es zunächst einer
hinreichenden Orientierung am Material des Rechtes und einer Besinnung auf einen
gegenstandsadäquaten Rechtsbegriff. Von da her erfolgt eine fundierte
rationale Auflösung der zwischen dem Material des Rechtes und dessen
Deutung errichteten formal-logischen Versperrungen durch eine Rechtstheorie, die
normtheoretische Denkformen und Deutungsschemata nicht nur zu notwendigen
Kriterien ihrer Methode sondern sogar zu Wesenseigenschaften des Rechtes
macht.
Durch die vorliegende Studie soll das Verhältnis von Raum
und Recht empirisch und rational aufgehellt werden. Daher überschreiten die
nachfolgenden Analysen und Synthesen die üblichen rechtsdogmatischen und
rechtstheoretischen Fragestellungen bei weitem. Sie richten sich letztlich auf
methodologische, erkenntnistheoretische und wissenschaftstheoretische
Erklärungen des Verhältnisses von Raum und Recht, von Raumdenken und
Rechtsdenken. Diese Erklärungen gründen sich auf meine jahrzehntelange
praktische Befassung mit dem Recht und auf meine aus praktischer Sicht
gewonnenen und immer wieder auf ihre Brauchbarkeit überprüften
theoretischen Deutungen und Begründungen. In diesem Sinn dient die
vorliegende Studie auch der Darlegung von Möglichkeit und Grenzen eines
allgemeinen empirisch-rationalen Raumrechtsdenkens in Theorie und
Praxis.
1. Vom Naturmaß zum rechtlichen Maß
Als die Erde noch dünn besiedelt war, zog der Mensch
innerhalb der Reichweite seines Nahrungsbedarfs von einem Ort zum anderen. Er
lebte in Höhlen und nutzte mit der Gemeinschaft, der er angehörte, ein
natürlich begrenztes Stück Erdboden nach seinem Bedarf. Er baute
Laubhütten und ließ sie hinter sich, er schlug seine Zelte auf und
brach sie wieder ab. Das Territorium gehörte zunächst allen - wie
heute das Meer und der Weltraum. Der Raum hatte zwar natürliche aber keine
rechtlichen Grenzen. Nur die Wohngebiete um Höhlen, Hütten und Zelte
waren dem Einzelnen und den Familien ausschließlich vorbehalten.
Es gab noch keine exakte Raumvermessung. Dennoch gibt es aus
dieser Zeit bereits ein reiches Anschauungsmaterial für archaische
geometrische Formen. Nachweise dafür findet man in den Studien der
Archäologie und der vergleichenden Völkerkunde über
Kulturdokumente der Völker Asiens, Vorderasiens, Nordafrikas, des
ägäischen Mittelmeerraumes und Südeuropas. Die geometrischen
Grundformen des kreuzförmig viergeteilten Kreises, des kreuzförmig und
diagonal geteilten Quadrats sowie des durch Punkte begrenzten Linienkreuzes;
formalisierte Symbole urgeschichtlicher Völker in Höhlen Nordafrikas
und Südeuropas, vermutlich zur Bestimmung der Richtungen des Himmels und
zur sakralen Orientierung auf der Erde, sind mehrere zehntausend Jahre
alt.[6]
Als der Mensch seßhaft wurde, als er sich auf dem
offenen Land zu organisierten Rechtsgemeinschaften zusammenschloß und sich
vor allem an Flüssen, an Berghängen und in Tälern auf Dauer
niederzulassen begann, wurden Bodenmaße, Bodenmessungen und Einteilungen
des Bodens zu einer notwendigen Existenzvoraussetzung. Der Mensch begann
Tausende von Jahren vor unserer Zeitrechnung mit dem Bau von Städten und
lernte alsbald, den Raum seiner Wohnsiedlungen nach geometrischen Formen
rechtlich abzugrenzen. Er benutzte dafür den Fuß, die Elle und den
Schritt als standardisierte körperliche Längenmaße, die ihm im
Wirtschaftsleben allgemein als rechtliche Maßeinheiten dienten.
Gemäß den üblichen körperlichen Längenmaßen
bestimmte er die Wohnflächen des Erdbodens nach den geometrischen Formen
des Quadrats, des Dreiecks und des Kreises durch standardisierte
Längenmaße.[7]
Die geteilten geometrischen Urformen des Quadrats und des
Kreises der Höhlenbewohner waren möglicherweise Vorbilder für die
im Zweistromland Mesopotamiens aus praktischen Gründen entwickelten
geometrischen Formen des Quadrats, des Kreises und des Dreiecks zur Vermessung
des Erdbodens. Das im Wirtschaftsleben gebräuchliche Längenmaß
wurde verallgemeinert und diente als ein einheitliches Maß auch für
die Festlegung der geometrischen Grundrisse der durch Mauern befestigten und
zugleich begrenzten dauerhaften Wohnstätten der Menschen. Innerhalb der
Mauern und Gehege von Städten wurde der Boden in geometrischen Flächen
vermessen und in Ausrichtung auf öffentliche Straßen und Plätze
den Menschen als Wohnbereich rechtlich
zugeteilt.[8] Die rechtliche Vermessung und
Abgrenzung des Bodens nach einem allgemein verbindlichen, standardisierten
Längenmaß war in den Städten zu einer Existenznotwendigkeit
geworden. Tausende von Jahren vor unserer Zeitrechnung entstand aus der
Landvermessung in Mesopotamien der Beruf des Geometers. Im beruflichen
Fachwissen des Geometers hat die mathematische Lehre von der Geometrie ihren
Ursprung. Sie gelangte aus dem Zweistromland Mesopotamiens über
Ägypten in die Ägäis und in das antike Griechenland. Dort wurde
sie auf das Abstraktionsniveau einer rein formalen und exakten Wissenschaft
angehoben (Euklid).[9]
2. Das rechtliche Metermaß
Der Mensch lebt und handelt naturgemäß
räumlich. Vor vielen tausenden von Jahren begann er das Umfeld seiner
Existenz und seines Verhaltens nach durchschnittlichen körperlichen
Maßen des Fußes und der Elle rechtlich zu bestimmen. Im Alltag
orientierte er sich aber auch nach anderen durchschnittlichen Maßen seines
Körpers: nach der Daumenbreite, nach der Breite der vier Finger einer Hand,
nach der Spanne der Hand und nach der Länge des Schrittes. In der deutschen
Umgangssprache ist heute noch von der Daumen- und Handbreite, von der
Spannenlänge, von der Knietiefe, von der Schrittlänge, von der
Manneshöhe und von der Sprungweite die Rede. Im Recht mancher Staaten sind
die standardisierten Maße von Elle und Fuß noch immer
gebräuchlich.
Die alten körperlichen Maße von Fuß und Elle
waren als vereinheitlichte durchschnittliche Maße zwar durch Kundmachung
verbindlich festgelegt, sie waren regional aber von unterschiedlicher
Länge[10]. Angesichts der internationalen
Ausweitung von Handel und Wirtschaft im 18. Jahrhundert erwiesen sich die
regional unterschiedlichen Maße als unpraktisch. Man erfand das
formalisierte abstrakte Meter. Dessen Länge wurde nach dem Umfang der Erde
mathematisch genau errechnet. Die nach den Vorbildern des menschlichen
Körpers festgelegten Längenmaße wurden nach und nach
verdrängt. Nach Jahrtausenden anschaulicher Bindung der
Längenmaße und damit auch der Raummaße an durchschnittliche
menschliche Körpermaße wurde das formalisierte abstrakte Meter als
mathematisch exakt berechnetes Längenmaß schließlich zum
Einheitsmaß der Welt.
Im Jahr 1791 wurde das Meter in Paris als der
vierzigmillionste Teil des Erdumfanges oder als der zehnmillionste Teil eines
Erdquadranten definiert, der dem kürzesten Bogen des Globus von einem Pol
zum Äquator entspricht. In diesem Sinn wurde das Meter im Jahr 1875
durch die Internationale
Meter-Convention[11]
gemäß einem rechtlich festgelegten Prototyp zum allgemeinen
Längenmaß der Staaten der Welt erklärt. Aufgrund der
Internationalen Meter-Convention wurde auf der ersten Generalkonferenz
für Maße und Gewichte im Jahr 1889 die angegebene Länge auf
einem vierkantigen Stab zwischen zwei Strichen bestimmt. Dieser Stab ist als
Legierung von Platin und 10 % Irridium, bei der Temperatur des schmelzenden
Eises bis zu einer Genauigkeit von 0,0001 und mit einer Schwankungsbreite von
0,01 Millimetern, zwischen markierten Punkten definiert. Gemäß dieser
Definition wurde ein konkreter Platinstab als internationaler Prototyp für
die nationalen Prototype des Meters in Paris verbindlich
hinterlegt.[12] Mit dem Fortschritt der Technik
und mit dem zunehmenden Bedarf an beständiger Genauigkeit erwies sich
dieses Maß jedoch als unzureichend. Daher definierte man im Jahr 1960 das
Meter genauer: als das "1.650.763,73fache der Wellenlänge der von Atomen
des Nuklids 86Kr beim Übergang vom Zustand 5d5 zum Zustand 2p10
ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung". Mit dem Fortschritt
der Technik erwies sich jedoch auch diese Definition als zu ungenau. Auf der 17.
Generalkonferenz des Jahres 1983 definierte man daher das Meter als die
Länge jenes Weges, den das Licht während einer Zeitspanne von einem
299.792,458 Millionstelteil einer Sekunde im luftleeren Raum
zurücklegt.[13] Die derart zwischen
zwei festen Punkten als Meter noch genauer definierte kontinuierliche Strecke
ist zur Zeit das völkerrechtliche und staatsrechtliche Grundmaß des
Raumes. Es ist in seiner mathematisch berechneten Länge als ein
standardisiertes und formalisiertes Maß allgemein verbindlich.
Durch einen Beschluß der 11. Generalkonferenz aus dem
Jahr 1960 wurde für alle standardisierten internationalen
Maßeinheiten zur Bestimmung ihrer Vielfachen und ihrer Teile der
Multiplikationsfaktor von zehn einheitlich
festgelegt.[14] In diesem Sinn wurde auch das
Meter gemäß dem Dezimalsystem nach Zahlen eingeteilt. Seither ist es
gleich den anderen Maßeinheiten im Dezimalsystem nach Zahlen zählbar,
vermehrbar und teilbar. In diesem Sinn bilden in der Einheit des Meters zehn
Millimeter einen Zentimeter, zehn Zentimeter einen Dezimeter, zehn Dezimeter
einen Meter; 100 Meter bilden einen Hektometer und 1.000 Meter bilden einen
Kilometer etc.
Das rechtsverbindlich definierte Meter ist gemäß
seiner dezimalen Teile und Vielfachen das Maß für die drei
Dimensionen des Raumes: der Länge, der Breite und der Höhe. In diesem
Sinn dient es
Die
völkerrechtlichen Regelungen über das Meter und über den
Multiplikationsfaktor zehn, in Richtung plus und minus, sind durch staatliche
Maß- und Eichgesetze für den rechtsgeschäftlichen und für
den amtlichen Verkehr innerstaatlich allgemein für verbindlich
erklärt.[15] Die völkerrechtliche und
die staatsrechtliche Verbindlichkeit des Metermaßes gibt den rechtlichen
Messungen von Räumen und den rechtlich gemessenen Räumen einen
rechtlichen Charakter. Durch das rechtliche Metermaß wurde der Raum zu
einem exakt meßbaren rechtlichen Phänomen.
3. Das Gradmaß der Erde
Die Erde wurde von den Pythagoräern in Anlehnung an die
Chaldäer als eine Kugel gedeutet und nach deren hexagesimalen Maßen
in Grade eingeteilt.[16] Die Orientierung nach
den Gradmaßen der Kugel hatte sich für die Schiffahrt der
Phönizier und der alten Griechen im Mittelmeer als nützlich erwiesen.
Nach Ideen von Erathostenes (275 - 194 v. Chr.), Hipparch (180 - 125 v. Chr.)
und Ptolemäus (87 - 150 n. Chr.) wird heute die Länge der Erdkugel
durch 180 in den zwei Polen einander schneidende Kreise (Meridiane) rund um die
Erde in 360 Abständen je von einem Grad
gemessen.[17] Die Breite der Erdkugel wird
durch parallele Kreise nach 9 x 10 Breitengraden bestimmt; ausgehend vom
Äquator in Richtung Nordpol und in Richtung
Südpol.[18]
Zwei mal 90 Grade bilden in parallelen Kreisen um die Erde, in
gleich weiten Abständen von je 10 Gradeinheiten, vom Äquator
nördlich zur Arktis und vom Äquator südlich zur Antarktis das
Schema von 90 nördlichen und 90 südlichen
Breitengraden.[19]
In diesem Sinn finden für die Raumbestimmung auf der
Erdoberfläche die Maße des Kreises und der Kugel Anwendung:
Die abstrakten
geometrischen Maßeinheiten der Kugel benötigen für ihre
praktische Anwendung in der Raum- und Zeitmessung auf der Erde einen
geographischen Anfang. Auf der Internationalen Meridiankonferenz von
Washington wurde daher im Jahr 1884 als Ursprung und Beginn der Stundenzeit
auf der Erde ein Längengrad als Null-Meridian (Anfangsmeridian)
geographisch durch Greenwich einheitlich
festgelegt.[20] Dieser Null-Meridian schneidet
die Mitte des Pfeilers des Meridianinstrumentes der Sternwarte von Greenwich. Im
Nullmeridian beginnt der 24 Stundentag der Weltzeit um Mitternacht. In der
Reichweite von je 180 Graden, nach Osten zunehmend und nach Westen abnehmend,
wird der Tagesbeginn in 12 Abständen von je 15 Graden als
Stundenzeit-Abschnitte nach Greenwich bestimmt. Ausgehend von Greenwich beginnt
der Tag gemäß der Erdumdrehung, in Abständen von 15
Längengraden um die Erde, in Richtung Osten jeweils um eine Stunde
verschoben, 24 mal von neuem. Jeder dieser Stunden-Zeitabschnitte auf der
Erdoberfläche hat im Weltzeitschema nach Greenwich seinen eigenen
Tagesbeginn. Seit 1884 nimmt die auf regionale Zeitzonen umgelegte Stundenzeit
zur Mitternacht eines jeden Tages ihren Anfang im Null-Meridian von Greenwich.
Der Mittag des Tages nach Greenwich liegt auf dem 12 östliche Stundenzonen
von Greenwich entfernten 180. Längengrad im Pazifik. Der Tag von Greenwich
endet nach 24 Stunden Erdumdrehung um Mitternacht in Greenwich.
Der englische Null-Meridian von Greenwich, zugleich der 360.
Längengrad, wurde dem auf die Antike zurückgehenden französischen
Null-Meridian von Ferro (Paris) auf den Kanarischen
Inseln[21] vorgezogen, weil um das Jahr 1880
auf dem Atlantik die weitaus größere Anzahl von Schiffen (37.663) mit
der größeren Gesamttonnage (14,600.972) nach dem Null-Meridian der
Sternwarte von Greenwich navigiert wurde. Diese Festlegung war also nicht
naturbedingt. Sie entsprang letztlich der Rivalität der Seefahrernationen
Frankreich und England um ihren eigenen Null-Meridian und erfolgte im Dienst an
der Meeres-Schiffahrt teils nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, teils aber
unter Bedachtnahme auf die wissenschaftliche Bedeutung der Sternwarte von
Greenwich. Diese Entscheidung für den Beginn der Meridianzählung und
für den Zeitanfang auf der Erde hatte alsbald eine weltweite
Vereinheitlichung der Bestimmung von Zeiten, Orten und Routen der Schiffahrt auf
allen Meeren zur Folge. Die Vereinheitlichung der Voraussetzungen für
Ortsbestimmung und Zeitmessung auf den Meeren erwies sich schließlich auch
für Zeitmessung und Ortsbestimmung der Eisenbahnen als nützlich, als
diese im 19. Jahrhundert über die Kontinente von Europa und Nordamerika
netzförmig ausgebaut wurden. Heute erfolgt die an die Gradmaße der
Erdoberfläche nach Längen- und Breitengraden gebundene Zeit- und
Ortsbestimmung für den Landverkehr, für die Schiffahrt auf den Meeren,
für den Verkehr in der Luft und für die Raumschiffahrt in den Weltraum
und zurück, gemäß den vier Himmelsrichtungen weltweit nach
Punkten, nach Linien, Winkeln und Quadraten, innerhalb des Netzwerks der
einander rechtwinkelig schneidenden kreisförmigen Längen- und
Breitengrade auf der ganzen Erde. Sie dient dem auf der Erde seßhaften,
auf dem Erdboden, auf dem Wasser und im Luftraum nach Kompaß und Uhr
wandernden und wirkenden Menschen ganz allgemein zur zeitlichen und
räumlichen Orientierung.
Die Oberfläche der Erde ist zur Bestimmung von Orten,
Wegen und Gebieten, von Entfernungen und Weiten, von Höhen und Tiefen des
Raumes, in diesem Sinn nach Metern und Graden in Punkte, Linien, Winkel,
Quadrate und Gradnetze rechtsverbindlich geometrisch eingeteilt.
Gemäß den geometrischen Formen der Kugel ist die Erdoberfläche
innerhalb des Netzes der einander schneidenden Längen- und Breitengrade
durch das Meter nach Punkten, Linien, Winkeln und Graden in irregulären
Raumnetzen und regulären Raumquadraten rechtlich vermessen und
meßbar.
Im Alltag orientiert sich der Mensch zur Messung einer
Wegstrecke üblicherweise weder nach dem Metermaß noch nach dem
Gradmaß. Bei der Überwindung von räumlichen Distanzen durch
Gehen, Fahren oder Fliegen von Ort zu Ort, in Gebiete und Räume, richtet er
sich zumeist nach dem dafür erforderlichen
Zeitaufwand.[22]
Er mißt seine Wege eher nach Minuten, Stunden oder Tagen, als
nach Meter- und Kilometerlänge einer Wegstrecke vom Ausgangsort zum
Zielort. Dennoch ist das Meter für die Existenz und für die
Lebensentfaltung des Menschen, vor allem in den Räumen auf der
Erdoberfläche, das allgemein verbindliche Maß und
Richtmaß.
4. Die europarechtlichen Raummaße
Im Jahr 1971 erging die Richtlinie des Rates zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Einheiten im
Messwesen.[23]
Die bisher erlassenen fünf Richtlinien dienen der
verbindlichen Harmonisierung der Maßeinheiten in den Mitgliedsstaaten der
EG (EU), vor allem zur Erleichterung des Handels, der Wirtschaft und des
Verkehrs. Im Hinblick auf den Raum ist das Meter für Europa das
Grundmaß der Länge. Die besondere Bedeutung der Richtlinie liegt in
der Einbeziehung Großbritanniens und Irlands in das System der geltenden
internationalen Maßeinheiten gemäß der Meterkonvention 1875 und
der darauf gegründeten Beschlüsse der Generalkonferenz für
Maße und Gewichte, in einer Angleichung an die bereits geltenden
internationalen und nationalen Regelungen in Europa.
Die ursprüngliche Definition des Meters aus dem Jahr 1971
wurde ab dem Jahr 1983 obsolet. Im Jahr 1984 wurde das Meter gemäß
dem letzten internationalen Standard auf Grund des Beschlusses der 17.
Generalkonferenz aus dem Jahr 1983[24] auch
europarechtlich neu definiert (siehe oben unter Punkt 2). Als raumbezogene
Maßeinheiten sind auch der ebene Winkel (der Radiant) und der Raumwinkel
(der Steradiant) europarechtlich definiert. Für die internationalen
Basiseinheiten und für ergänzende Einheiten sind nach dem
Dezimalsystem Vielfache und Teile von Einheiten allgemein festgelegt, also auch
für das Meter. Darüber hinaus sind auch räumliche
Maßeinheiten definiert. Diese gehen zwar von internationalen Einheiten
aus, sind aber nicht dezimale Vielfache oder Teile davon, wie zB der Vollwinkel,
der Grad, der Neugrad, die Winkelminute. Unabhängig von den internationalen
Basiseinheiten sind auch einige räumliche Einheiten definiert sowie
bestimmte Einheiten und Namen von Einheiten für spezielle
Anwendungsbereiche vorgesehen, wie die Fläche von Grundstücken und
Flurstücken. Abweichende Maßeinheiten einzelner Mitgliedsstaaten, wie
zB inch, foot, fathom, mile, yard für die Länge, square foot, acre,
square yard für die Fläche ua sind nur noch befristet
zugelassen.
Neben der Richtlinie über die Maßeinheiten
80/181/EWG des Rates gilt die Richtlinie 71/316/EWG des Rates zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend gemeinsame Vorschriften
über Messgeräte sowie über Mess- und
Prüfverfahren.[25] In ihr ist eine
EWG-Bauartzulassung und eine EWG Erst-Eichung von Messgeräten vorgesehen.
Die Mitgliedsstaaten verstehen die EWG Bauartzulassung und die EWG Erst-Eichung
als den entsprechenden einzelstaatlichen Maßnahmen gleichwertig. Die
Mitgliedsstaaten können EWG Bauartzulassung und EWG Erst-Eichung für
eine Geräteart fordern, wenn entsprechende Maßnahmen einzelstaatlich
vorgeschrieben sind. Zur Ausführung der Richtlinie sind in
Einzelrichtlinien die messtechnischen Eigenschaften und die technischen
Vorschriften über Ausführung und Arbeitsweise der Gerätearten
festgelegt.
Die auf die internationalen Regelungen der Maßeinheiten,
der Meßgeräte und der Meßverfahren für den Raum
abgestellten europarechtlichen und nationalen Vorschriften werden durch
nationale, europäische und internationale Normungen auf konkrete
Sachbereiche von Wirtschaft und Technik erstreckt. Die Durchführung
obliegt nichtstaatlichen Organisationen und Vereinen als beliehene
öffentliche Unternehmen. Die ISO (International Organization for
Standardization) stützt ihre Normungen auf die Beschlüsse der
Generalkonferenzen für Maße und Gewichte. Diese haben ihre
Rechtsgrundlage in der Meterkonvention. Der ISO, als Dachorganisation für
die nationalen Normungsorganisationen, entspricht auf europäischer Ebene
das Comité Européen de Normalisation (CEN), das für die
Erlassung europäischer Normen zuständig
ist.[26]
In der Richtlinie 98/34 EWG des Rates über ein
Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen
Vorschriften[27] ist zum Abbau von technischen
Handelsbeschränkungen und zur Vereinheitlichung technischer Vorschriften
ein Informations- und Konsultationsmechanismus zwischen den Mitgliedsstaaten und
der Kommission sowie zwischen den Mitgliedsstaaten untereinander vorgesehen.
Wesentlicher Regelungsinhalt der Richtlinie sind auch die Aufgaben und das
Zusammenwirken der europäischen Normungsgremien und der nationalen
Normungsorganisationen im Dienst an der
Rechtsvereinheitlichung.[28]
5. Der vermessene Erdboden
Auf das dezimal definierte, international, europäisch und
national verbindliche Längenmaß des Meters, auf die international,
europäisch und national definierten geometrischen Formen des Quadrats, des
Winkels und des Kreises gründen sich die Einteilungen des Staatsgebietes in
Parzellen und Katastralgemeinden sowie die Festlegung von Grundgrenzen durch
Vermessung und Vermarkung nach Punkten und Linien. Das österreichische
Vermessungsgesetz[29] schreibt
Grundlagenvermessungen, die Festlegung von Raum- und Höhepunkten,
flächenmäßige Vermessungen, Festlegungen und Vermarkungen von
Grenzen nach trigonometrischen Punkten und Festpunktfeldern für alle
Grundstücke innerhalb der Grenzen des Staatsgebietes vor. Es regelt
Festlegung und Vermarkung der Grenzen von geschlossenen Katastralgemeinden, die
Herstellung von staatlichen Grenzkatastern für die Grundstücke einer
Katastralgemeinde sowie die Vermessung und Vermarkung der Staatsgrenzen und die
Herstellung von staatlichen Landkarten.
In den Grenzkatastern sind die Grundstücke als Parzellen
durch Nummern gekennzeichnet, nach Flächenausmaßen und nach
allgemeinen Zweckwidmungen eingetragen. In den Grenzkatastern sind die Grenzen
der Grundstücke innerhalb der Grenzen einer Katastralgemeinde in
Ausrichtung auf trigometrische Punkte und Festpunktfelder planmäßig
festgelegt und ersichtlich gemacht (vermarkt). Die Grenzkataster dienen dem
Nachweis von Grenzen, Flächenausmaßen und Nutzungsarten aller
parzellenmäßig ausgemessenen und durch Zahlen bezeichneten
Grundstücke einer Katastralgemeinde. Parzellengrenzen dürfen im
allgemeinen die Grenzen der Katastralgemeinden nicht schneiden.
Die katastermäßige Inventarisierung des Bodens
innerhalb einer Katastralgemeinde nach Parzellen, die Grenzfestlegungen und die
Vermarkungen in der Natur erfolgen aufgrund von Vermessungen. Die Grenzen werden
in der Naturwirklichkeit durch Zeichen sichtbar
gemacht.[30] Auch die Grenzen der
Katastralgemeinden sind durch Grenzzeichen vermarkt. Derart sind Parzellen und
Katastralgemeinden in der Natur als rechtliche Flächennetze empirisch
erfahrbar.
Die Kataster waren in Österreich seit der Zeit Maria
Theresias Liegenschafts-Listen für die Grundsteuer der Eigentümer.
Heute dienen sie neben dem ursprünglichen Steuerzweck ganz allgemein der
rechtsverbindlichen Information der Öffentlichkeit über rechtliche
Einteilungen, Flächenmaße, Zweckwidmungen und Grenzen des Erdbodens
in den parzellenmäßigen Netzen der Katastralgemeinden. Die Einteilung
des Erdbodens nach Parzellen, innerhalb von Katastralgemeinden und
gemäß den Katastern, gründet sich auf das Individualeigentum.
Katastereintragungen müssen mit den Grundbuchseintragungen
übereinstimmen. Privatrechtliche Grundstückszusammenlegungen und
Teilungen haben daher Änderungen in den Katastern zur Folge. Das Vertrauen
auf rechtliche Eintragungen in den Kataster genießt im Vorrang vor den in
der Natur ersichtlichen Grenzen einen besonderen rechtlichen Schutz.
6. Der Boden als verbüchertes Eigentum
Für die in den Grenzkatastern rechtlich verbindlich
dargestellten, zumeist den historisch gewordenen Eigentumsgrenzen nachgemessenen
parzellenmäßigen Netze der Bodenflächen von ungleich
großen Katastralgemeinden werden in Gerichtsbezirken, die innerhalb der
Grenzen eines Landes liegen, Grundbücher
geführt.[31] Gerichtsbezirke bestehen aus
mehreren Katastralgemeinden. Ihre Grenzen sollen die Grenzen von
Katastralgemeinden nicht schneiden.
Die Grundbücher verdrängten nach Maßgabe der
Eintragungen nach und nach die alten Urbare und Landtafeln. Diesen kommt aber
noch immer eine urkundliche Beweiskraft zu. Neben den Grundbüchern, Urbaren
und Landtafeln gibt es noch andere Bodenordnungsbücher für die
Verzeichnung von territorialen Zweckbindungen und Berechtigungen: das Bergbuch,
das Eisenbahnbuch, das Wasserbuch, Fischereibücher, Verzeichnisse für
Bundesstraßen und Landesstraßen, Verzeichnisse für
öffentliche Gewässer, für Elektrizitätswege etc. Diese
besonderen bücherlichen Aufzeichnungen sind öffentlich und rechtlich
erheblich; ihnen kommen Urkundsqualität und Vertrauensschutz zu, es fehlt
ihnen jedoch die besondere rechtsschützende Kraft der Eintragungen in das
Grundbuch. Neben den Grundbüchern haben öffentlich-rechtliche
Bebauungspläne und Flächenwidmungspläne für Land- und
Stadtgemeinden gemäß den Bauordnungen, die regionalen
Raumordnungswidmungen nach den besonderen und allgemeinen Raumrechtsregelungen
des Bundes und der Länder sowie die Naturschutzgebiete aufgrund von
Naturschutzgesetzen für rechtliche Zweckbindungen gleichfalls konstitutive
Bedeutung.
In den Grundbüchern sind primär die individuellen
Eigentumsrechte an den in den Grenzkatastern durch Nummern und Grenzen sowie
durch Nutzungsarten und Flächenausmaße konkret gekennzeichneten
Grundparzellen rechtsverbindlich eingetragen (einverleibt). Mit dem
individuellen Eigentum sind aber auch die an diesem haftenden anderen dinglichen
Rechte rechtsverbindlich verzeichnet. Die konkrete Verbücherung
(Einverleibung) des Eigentums und anderer Rechte für bestimmte Personen ist
gegenüber der Öffentlichkeit konstitutiv. Sie begründet vor allem
für die Eigentümer das dingliche Herrschaftsrecht (dominium) über
den Boden und sein Zubehör gegenüber der Öffentlichkeit. Die
Ersitzung von dinglichen Rechten an Grund und Boden genießt allerdings
auch ohne Grundbuchseintragung einen besonderen Vertrauensschutz.
Die individuellen Eigentumsrechte sind durch die
Parzellengrenzen räumlich festgelegt und bestimmbar. Auf einer Parzelle
können mehrere Personen als dinglich Berechtigte verbüchert sein.
Individuelle Eigentumsrechte an Parzellen können die Grenzen der
Katastralgemeinden, der Gemeinden, der Bezirke, der Länder und des
Gesamtstaates überschreiten. Der parzellenmäßig vermessene und
begrenzte Boden des Staates ist zur Gänze eigentumsmäßig
verbüchert. Seit geraumer Zeit gilt das auch für die öffentlichen
Gewässer. Grund und Boden innerhalb der Katastralgemeinden stehen durchwegs
im grundbücherlichen Eigentum von bestimmten physischen oder juristischen
Personen; weitgehend von öffentlichen juristischen Personen, insbesondere
der Gebietskörperschaften des Staates. Die Republik Österreich ist mit
ihrem Eigentum an Grundstücken als größter Grundeigentümer
im Staat nunmehr auch mit ihrem Eigentum an öffentlichen Gewässern
grundbücherlich eingetragen.
7. Der rechtlich gewidmete und bebaute Boden
Gesetzliche Bauordnungen der Staaten (Länder, Kantone)
regeln die Bebauung und anderweitige Nutzungen der für bestimmte private
und öffentliche Zwecke rechtlich gewidmeten Flächen der Landgemeinden
und der Stadtgemeinden.[32] Die Bauordnungen
unterscheiden nach Nutzungsarten zwischen Bauland, Grünland oder Freiland,
zwischen Plätzen und Verkehrsflächen. Sie regeln Verkehrswege und
öffentliche Plätze sowie - ausgerichtet nach diesen - Baulinien,
Bauabstände und Bauhöhen. Sie sehen Bebauungsweisen als offene oder
geschlossene vor. Planimetrische Flächenwidmungs- und Bebauungspläne
der Land- und Stadtgemeinden, deren Grenzen mit den äußeren Grenzen
von Katastralgemeinden zusammenfallen, erfassen aufgrund der Bauordnungen
für Land- und Stadtgemeinden, nach den Zielen der regionalen und
örtlichen Raumplanung sowie gemäß den regionalen
Raumordnungskonzepten, gebietsgebundene Zweckwidmungen und Nutzungen des nach
Grundparzellen vermessenen und im Eigentum von einzelnen physischen und
juristischen Personen stehenden Bodens. Die Gebiete der Landgemeinden und der
Stadtgemeinden sind ungeachtet verbücherter Eigentumsrechte in diesem Sinn
nach öffentlich-rechtlichen Widmungen allgemein verbindlich und
zweckgebunden räumlich vernetzt. Die widmungsgemäße Verbauung
ist zwar ein Ausfluß des Eigentumsrechtes, doch das individuelle Eigentum
erfährt durch die örtlichen Flächenwidmungen aufgrund des
Baurechtes erhebliche institutionelle
Verfügungsbeschränkungen.
8. Raumordnung und Raumplanung
Die Gesetzgebung des 20. Jahrhunderts hat im Anschluß an
die örtlichen Flächenwidmungen aufgrund der Bauordnungen, vor allem im
Hinblick auf den Umweltschutz, die überörtliche regionale Raumplanung
und Raumordnung als zukunftsweisende Staatsaufgaben
hervorgebracht.[33] Bebauungspläne und
Flächenwidmungen von Stadt- und Landgemeinden, die allgemeine
Städteplanung, die überörtliche und die regionale Raumplanung
(der Länder oder Kantone und Provinzen) werden mit den überregionalen
Raumordnungskonzepten der Materiengesetze des Staates in regionalen
(föderalen) Raumordnungsgesetzen
koordiniert.[34] In den Raumordnungsgesetzen
der Länder sind unter Bedachtnahme auf örtliche und auf regionale
Flächenwidmungen sowie im Hinblick auf die in den Materiengesetzen des
Gesamtstaates nach öffentlichen Zwecken überregional bestimmten Arten
von Bodenwidmungen die Raumordnung und die Raumplanung generell-abstrakt
nachgezeichnet. Die Raumordnungsgesetze beinhalten unter Beachtung der
örtlichen, überörtlichen und gesamtstaatlichen Strukturpolitik
richtungweisende Festlegungen von materiengebundenen Raumordnungsprogrammen
für Regionen (Länder) zur Sicherung folgender öffentlicher
Zwecke:
im
Hinblick auf die Forstwirtschaft, auf den Bergbau, auf Handel und Gewerbe, auf
die Industrie, auf die Energieversorgung, auf den Verkehr, auf die
Wasserwirtschaft, auf die Abfallwirtschaft, auf Bildungseinrichtungen, auf die
Gesundheit ebenso wie auf die
Landesverteidigung.[35] Die regionalen
Raumordnungsgesetze dienen einerseits der Wegweisung für konkrete
Bodenwidmungen und Bodennutzungen durch örtliche
Flächenwidmungspläne für Land- und Stadtgemeinden aufgrund der
Bauordnungen; andererseits aber auch der regionalen und örtlichen
Bedachtnahme auf gesamtstaatliche Raumrechtsvorschriften in zahlreichen
Materiengesetzen, vor allem im Hinblick auf den Umweltschutz.
In Übereinstimmung mit den durch Materiengesetze des
Gesamtstaates vorbestimmten rechtlichen Raumbindungen wird in den regionalen
Raumordnungsgesetzen auch auf die Regelungen des Gesamtstaates für
Straßen, für Elektrizitätswege, Fernmeldewege, Wasser- und
Erdgasleitungen (Pipelines), für Eisenbahnwege und Seilbahnwege,
schließlich aber auch für nationale und internationale Wasserwege auf
Flüssen, Strömen und Seen Bedacht genommen.
In seinem dreibändigen
Handbuch[36] zählt Pernthaler sechzehn
durch ihn empirisch ermittelte Typen und Formen rechtlicher
Raumordnungsmaterien auf. Diese sind durch gesetzliche Regelungen,
überwiegend des Bundes als Gesamtstaat, direkt (explizit) oder indirekt
(implizit) raumgebunden. Ihre gebietsmäßigen Grenzziehungen erfolgen
nach generell-abstrakten Aufgabenstellungen und Zielvorgaben der staatlichen
Gemeinschaft. Sie sind in ihrer Umsetzung zwangsläufig auch auf
kulturell-soziale Zwecke des Einzelnen ausgerichtet.
Die auf die rechtlichen Gebietsnetze der Katastralgemeinden
gegründeten Gebiete der Grundbuchsbezirke, die über beide gelagerten
planhaften Flächenwidmungsnetze der Land- und Stadtgemeinden und die
territorialen und überregionalen Zweckbestimmungen der Raumordnung sind in
Verbindung mit der staatsorganisatorischen Gebietseinteilung in Gemeinden,
Bezirke (Kreise), Gemeindeverbände, Länder oder Kantone (Provinzen)
auch für den Bund als Gesamtstaat verbindliche räumliche
Orientierungsfaktoren; und zwar sowohl für das behördliche Handeln von
Staatsorganen zur Verwirklichung der Ziele und Zwecke des Staates wie auch
für das Verhalten des Einzelnen gemäß seinen eigenen Zielen und
Zwecken in Raum und Zeit.
Raumordnung und Raumplanung zeigen sich dergestalt in einer
Vielfalt von materienbezogenen Gebietsnetzen, die an die mehrschichtigen
organisatorischen Gebietsnetze und hierarchischen Organisationsstrukturen des
Staates rechtlich gebunden sind. Die dem öffentlichen Interesse dienenden
Raumordnungen und Raumplanungen, welchen die Sachzwecke des Wohnens, von
Gesundheit und Freizeit, der Arbeit, des Verkehrs, des Handels, des Gewerbes,
der Industrie, der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, des Bergbaus, der
Wasserwirtschaft und der Energiewirtschaft - im Hinblick auf den Naturschutz und
auf den Umweltschutz, auf die Staatsverwaltung und auf die Landesverteidigung -
zugrunde liegen, sind gemäß ihrer Eigenart zukunftsweisende
Zielvorgaben. Raumordnung und Raumplanung sind in Österreich durch die
Widmungen in den staatlichen Grundkatastern, in den Grundbüchern und in den
Flächenwidmungsplänen rechtlich vorbestimmt. Für die konkreten
Grundstückswidmungen und individuellen Eigentumsrechte am Boden bedeuten
sie erhebliche rechtliche
Nutzungsbeschränkungen.[37]
Österreich ist ein Bundesstaat (Art 2 B-VG). Seine
Aufgaben sind durch Enumeration schwergewichtsmäßig dem Bund
zugewiesen. Im Kompetenzkatalog des Bundes fehlt aber ein bundeseinheitlicher
Kompetenztatbestand Raumplanung.[38]
Daher ist es verständlich, daß die Länder ihren
Aufgabenbereichen des Baurechts, des Agrarrechts, des regionalen Wegerechts, des
Almrechts, des Sportrechts, des Jagdrechts, des Naturschutzes, des
Ortsbildschutzes und der Ortspolizei den gemeindlichen Flächenwidmungen
aufgrund der Bauordnungen auch erweiterte Kompetenztatbestände
Raumordnung und Raumplanung anfügten. Die
Unverhältnismäßigkeit dieser Kompetenzlage tritt nun mehr und
mehr zutage. Die Länder haben nämlich nur wenige Sachkompetenzen. Sie
müssen daher in ihren Raumordnungsgesetzen auch auf die zahlreichen
sachgebundenen Raumordnungskonzepte des Bundes Bedacht nehmen, welche weitaus
überwiegen und die Kulturlandschaft des ganzen Staates
prägen.[39]
Hierin zeigt sich eine allgemeine Problematik des
Bundesstaates am österreichischen Beispiel. Die österreichische
Bundesstaatlichkeit behindert trotz ihrer Schwäche die notwendige
gesamtstaatliche Einheit, vor allem auf den Gebieten der Wirtschaft, der
Raumordnung und des Umweltschutzes. Diese Aufgaben erweisen sich mehr und mehr
sogar als globale Zukunftsaufgaben. Sie haben das für örtliche
Flächenwidmungen und regionale Raumplanungen an sich sinnvolle
Subsidiaritätsprinzip längst gesprengt. Sie haben die
Ländergrenzen überschritten, beherrschen den Gesamtstaat und reichen
nun über die Grenzen des Gesamtstaates hinaus in die Europäische
Gemeinschaft[40] und in die Kontinente der
Erde. Die Säumigkeit des Bundes bei der Inanspruchnahme einer
vereinheitlichten Kompetenz zur überregionalen Gesetzgebung ist den
inhaltlichen Bedachtnahmen der Raumordnungsgesetze der Länder auf die
Raumstrukturen der Materiengesetze des Bundes direkt ablesbar. Angesichts der
modernen gesamtstaatlichen, europäischen und internationalen
Ordnungsbedürfnisse, vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes, ist eine
verfassungsrechtliche Korrektur in nächster Zukunft
unerläßlich.
In den regionalen Gesetzen überwiegen die Bedachtnahmen
auf überregionale Raumordnungs- und Raumplanungsaufgaben des Gesamtstaates
bei weitem. Tendenzen zu staatsgrenzenüberschreitenden, zu kontinentalen
und globalen Raumordnungsanliegen, vor allem des Verkehrs, der Industrie, der
Landwirtschaft und des Umweltschutzes, geben nun den materiengebundenen
Raumordnungskonzepten des Gesamtstaates auch großräumige
staatsgrenzenüberschreitende Zukunftsperspektiven. Die Raumordnung ist
bereits zu einer europäischen und internationalen Aufgabe
geworden.[41] Angesichts dessen erscheint neben
der örtlichen und regionalen Raumordnung die Schaffung einer
gesamtstaatlichen Raumordnungsgesetzgebung und deren Öffnung zur
europäischen und internationalen Entwicklung dringend geboten.
9. Das vernetzte Staatsgebiet
Die Menschen entwickelten schon vor tausenden von Jahren
ortsgebundene Herrschaften innerhalb von Gebietsgrenzen. Aus ihnen ragten die
Stadtstaaten hervor. Die Städte waren durch Wälle oder Mauern
gesicherte und begrenzte Lebensräume von organisierten
Rechtsgemeinschaften.
Das Territorium jenseits von Stadtgebieten war offenes Land.
Die Städte erstreckten ihre Herrschaft über ihr durch Mauern
begrenztes Gebiet in die offene Landschaft. Sie trieben Wirtschaft und Handel
über die Grenzen des Stadtgebietes hinaus. Sie beanspruchten
gemäß den Lebensbedürfnissen ihrer Bewohner Gebiete der
Nachbarschaft, erweiterten ihre Herrschaft nach und nach in das offene Land und
unterwarfen ländliche Siedlungsgemeinschaften. Die Stadtherrschaften wurden
durch Landherrschaften regional ausgeweitet. Im Lauf der Zeit wurden
nachbarschaftliche Stadt- und Landbereiche vertraglich oder kriegerisch zu
gebietsmäßigen Verbänden zusammengeschlossen. Es entstanden
gegliederte Territorialherrschaften und mit ihnen auch neue Außengrenzen.
Örtliche, städtische und ländliche Herrschaftsbereiche wurden
mehr und mehr zu regionalen Gebietsherrschaften zusammengeschlossen. Die
Gebietsgrenzen der ursprünglichen Herrschaften, der Städte und der
Landbereiche blieben meistens weiter bestehen. Wälle und Stadtmauern
verloren jedoch ihre ursprüngliche Bedeutung als Grenzen nach außen.
Sie wurden zu lokalen
Innengrenzen.[42]
Babylon, Griechenland unter Alexander, das Imperium Romanum,
das Großreich der Chinesen vor unserer Zeitrechnung, das habsburgische
Österreich vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, das alte Deutsche Reich mit den
zahlreichen, verschieden großen Herrschaftsbereichen innerhalb von zehn
regionalen Reichskreisen vom 16. bis zum 19.
Jahrhundert[43] sind anschauliche Beispiele
für territorial gegliederte Großraumstaaten. Die Erweiterung der
Staaten zu Imperien machte die historisch gewordenen Gebietsnetze vormaliger
souveräner Staaten zu dezentralen autonomen Innenbereichen des Imperiums.
In räumlicher Hinsicht verlief die geschichtliche
Entwicklung vieler Staaten ähnlich und vergleichbar. Herrschaften über
Städte wurden auf Landbereiche ausgeweitet, Städte und Landbereiche
wurden nach und nach zu größeren Territorialherrschaften
zusammengefaßt, ohne ihre bisherigen Grenzen zu verlieren. Nicht von
ungefähr weisen daher die heutigen Territorialstaaten innerhalb ihres
überregionalen Gesamtgebietes durchwegs mehrfache und mehrschichtige,
jeweils durch rechtliche Grenzen umschlossene Gebietsnetze auf: örtliche,
ländliche, städtische und regionale. Die historisch gewordenen
mehrgliedrigen und mehrschichtigen rechtlichen Gebietsnetze und die an diese
gebundenen hierarchischen Organisationsstrukturen tragen die herrschaftliche
Einheit der modernen Territorialstaaten.
Ein anschauliches Beispiel für den Höhepunkt einer
solchen Entwicklung zu mehrschichtigen staatsorganisatorischen Gebietsnetzen und
hierarchischen Herrschaftsstrukturen bietet die Geschichte Österreichs von
1848 bis 1868.[44] In dieser Zeit wurden die
Katastralgemeinden als territoriale Grundeinheiten des Staates rechtlich
verfestigt. Auf deren Grundlage wurden Ortsgemeinden als
Selbstverwaltungskörper[45] errichtet,
Gebietsgemeinden geplant, Bezirke (Kreise) und Länder (Viertel) als
begrenzte Territorien in den Dienst von Verwaltung und Gerichtsbarkeit
gestellt.[46] Diese mehrschichtigen
Gebietsnetze von Gemeinden, Bezirken und Ländern sind heute noch
territoriale Grundeinheiten für die Staatsorganisation und für den
räumlichen Geltungs-, Verbindlichkeits- und Wirkungsbereich der
Rechtsordnung des Bundesstaates Österreich.
Die Staaten Europas sind heute aufgrund einer ähnlichen
geschichtlichen Entwicklung vergleichbar von mehrgliedrigen, mehrschichtig
übereinander gelagerten rechtlichen Gebietsnetzen und an diese gebundenen
hierarchischen Organisationsstrukturen
geprägt.[47] Innerhalb der
staatsorganisatorischen Gebietsnetze liegen rechtliche Hauptorte wie
räumliche Drehscheiben, die durch rechtlich geregelte Straßen,
Eisenbahnwege, Wasserwege, Elektrizitätswege, Fernsprechwege, Luftwege,
Wege der Telekommunikation und des Internet rechtlich miteinander verbunden
sind. Netze von rechtlichen Wegen verbinden über rechtliche Orte die
mehrschichtigen staatsorganisatorischen Gebietsnetze und die an diese gebundenen
hierarchischen Organisationsstrukturen zur rechtlichen Funktionseinheit des
Gesamtstaates. Die mehrschichtigen Gebietsnetze und die diesen zugeordneten
hierarchischen Organisationsstrukturen des Staates sind ihrerseits auf die
Gebietsnetze des durch Kataster und Grundbücher erfaßten
Grundeigentums gegründet. Auf die staatsorganisatorischen Gebietsnetze sind
die staatlichen Bebauungspläne, Flächenwidmungen und Raumordnungen
ausgerichtet. Alle diese Gebietsnetze werden durch die Staatsgrenzen zu einer
Einheit verbunden. Über die vielfältigen rechtlichen Gebietsnetze
werden in arbeitsteiliger Weise, gewaltenteilend und gewaltenverbindend, durch
die Organe von Verwaltung und Rechtsprechung gemäß den Gesetzen die
Aufgaben des Staates mehrgliedrig und mehrschichtig raumgebunden besorgt.
Innerhalb der Grenzen der rechtlichen Gebietsnetze wenden die Organe des Staates
die Gesetze an, befolgen die Bürger die Gesetze und die Anordnungen der
Organe.
Für Österreich sind die Staatsgrenzen vor allem
durch multilaterale Staatsverträge in der Funktion von
Friedensverträgen festgelegt.[48] Auf der
Grundlage von solchen Verträgen und konform mit diesen sind durch
bilaterale Übereinkommen mit Nachbarstaaten, durch nationale Gesetze und
Durchführungsverordnungen die Grenzziehungen und Grenzvermarkungen
gegenüber den Nachbarstaaten und aufgrund des Vermessungsgesetzes konkret
vorgeschrieben. Staatsgrenzen sind durch Grenzsteine vermarkt und
gekennzeichnet. Die Staatsgrenzen und die innerstaatlichen Gebietsgrenzen folgen
oft natürlichen Grenzen, wie Gebirgskämme, Täler und Flüsse.
Sie sind zumeist das Ergebnis von langwährenden politischen Entwicklungen.
Das gilt nicht nur für die Grenzen der Länder (Kantone und Provinzen)
und deren Grenzen, sondern auch für die Grenzen der Bezirke und der
Gemeinden.
Österreich ist gemäß Art 2 B-VG ein
Bundesstaat, der neun Bundesländern
umfaßt.[49] Zu diesen zählt auch
Wien. "Das Bundesgebiet umfaßt die Gebiete der Bundesländer"
heißt es im Art 3 Abs 1 B-VG. Im Anschluß daran bestätigen die
Art 116 und 120 B-VG die historisch gewordene territoriale Gliederung des
Bundesgebietes in Landesgebiete und die Gliederung der Landesgebiete in Bezirke
und Gemeinden.[50] Gemäß Art 10 Abs
1 Zif. 16 B-VG liegt die Einrichtung von Bundesbehörden in der
Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Art 120 B-VG weist aber auch die Organisation
der allgemeinen staatlichen Verwaltung und der Kommunalverwaltung in den
Ländern grundsätzlich dem Bundesverfassungsgesetzgeber
zu.[51] Konkrete Änderungen durch die
Länder bedürfen der Zustimmung des Bundes. Dadurch ist die
Einheitlichkeit der territorialen Gliederung des Staates
gewährleistet.
Die mehrschichtig angelegten Gebietsnetze von Gemeinden,
Bezirken und Ländern bilden innerhalb des Staatsgebietes einander konforme
räumliche Wirkungsbereiche von hierarchischen Organisationsstrukturen der
Gebietskörperschaften des Staates.[52] Im
Art 116 Abs 1 B-VG heißt es für die territoriale Organisation der
Länder: "Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist
Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich
Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muß zu einer Gemeinde
gehören". Gemeinden eines Bundeslandes können sich auf Grund von
Landesgesetzen zum Zweck der Besorgung "einzelner Aufgaben des eigenen
Wirkungsbereiches" mit Genehmigung der Landesregierung durch Vereinbarung auch
zu Gemeindeverbänden zusammenschließen oder durch Gesetz und
Verordnung zusammengeschlossen werden (Art 116a B-VG). Gebietsgemeinden sind
vorderhand nur programmatisch vorgesehen (Art 120 B-VG). Gemeinden sind noch
aufgrund älterer Regelungen aus dem vergangenen Jahrhundert zu Bezirken
zusammengefaßt. Städte mit eigenem Statut fungieren zugleich als
Verwaltungsbezirke (Art 116 Abs 3 B-VG). Die Bundeshauptstadt Wien ist
gemäß Art 108 ff B-VG zugleich Gemeinde, gegliederter Bezirk und
Bundesland.[53]
Die Regelungen der österreichischen Bundesverfassung
über die staatsorganisatorische Gebietseinteilung und über die daran
gebundenen hierarchischen Organisationsstrukturen haben Grundsatzcharakter und
bedürfen der näheren gesetzlichen Ausführung durch Bund und
Länder. Gebietsänderungen von Bund und Ländern erfolgen durch
übereinstimmende Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder.
Landesverfassungen bestimmen das Landesgebiet und dessen Grenzen konform mit der
Bundesverfassung. Die Gebiete der Bezirke werden gemäß den
bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben durch die Landesgesetzgeber festgelegt.
Für die territoriale Gliederung der Länder in Bezirke, Gemeinden und
Gemeindeverbände sind Gesetze der Länder vorgesehen (Art 115 Abs 2
B-VG). Gemeindeordnungen der Länder regeln Gebietsänderungen und
Grenzänderungen, Trennungen und Vereinigungen von Gemeinden und deren
Rechtsfolgen.[54] Grenzänderungen von
Gemeinden werden aufgrund von übereinstimmenden Beschlüssen der
beteiligten Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung
vorgenommen.[55]
Die Bestimmung der Grenzen der mehrschichtigen
staatsorganisatorischen Gebietsnetze erfolgt nach den Grenzen der
Katastralgemeinden. Die Gemeindegrenzen sind äußere Grenzen mehrerer
Katastralgemeinden. Die äußeren Grenzen von mehreren Gemeinden bilden
die Bezirksgrenzen. Die Landesgrenzen sind durch äußere Grenzen von
mehreren Bezirken bestimmt. Die Staatsgrenzen (Bundesgrenzen) decken sich mit
den äußeren Landesgrenzen. Sie unterliegen aber besonderen
staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Regelungen.
Die Bundesgrenzen dürfen Landesgrenzen nicht schneiden.
Die Landesgrenzen dürfen Bezirksgrenzen nicht schneiden. Die Bezirksgrenzen
dürfen Gemeindegrenzen nicht schneiden. Gemeindegrenzen dürfen die
Grenzen von Katastralgemeinden nicht schneiden. Katastralgemeindegrenzen
dürfen Grund-Parzellengrenzen nicht schneiden. Das gilt auch umgekehrt. In
diesem Sinn ist jede bestehende Grenze eine verbindliche Vorgegebenheit für
jede neue Grenze.
Die organisatorische Gliederung des österreichischen
Staatsgebietes in Länder, Bezirke und Gemeinden wurde in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung und Vereinheitlichung vom zentralen Gesetzgeber
für den ganzen Staat einheitlich verfestigt. Gemeindegebiete,
Verwaltungsbezirke und Gerichtsbezirke bilden seither im wesentlichen
unverändert die Amtssprengel von behördlichen Organen I. Instanz.
Diesen sind behördliche Organe II. (III.) Instanz der Länder
(früher auch Kreise) und des Bundes regional unterschiedlich
übergeordnet. Deren Amtssprengel umfassen die Amtssprengel der
behördlichen Organe I. Instanz. Allen diesen behördlichen Organen sind
Aufgaben des föderalen Staates nach arbeitsteiligen und gewaltenteilenden
(trennenden und verbindenden) Gesichtspunkten entweder als Verwaltung oder als
Gerichtsbarkeit räumlich zugewiesen. Derart ist der Staat zur Besorgung
seiner Aufgaben durch die Gemeinden, durch die Bezirke und durch die Länder
zur Gänze gebietsmäßig gegliedert und gleichförmig
organisatorisch strukturiert. Die mehrschichtigen Gebietsnetze des Staates
schließen aneinander an, überlagern und umfassen einander strukturell
und verbinden einander funktionell. Es gibt kein ausschließliches oder
bundesunmittelbares Gebiet.
Die rechtlichen Gebietsnetze der Gemeinden, der Bezirke und
der Länder Österreichs sind mit den an sie gebundenen hierarchischen
Organisationsstrukturen seit etwa 150 Jahren zur Besorgung der Staatsaufgaben zu
einer gebietsmäßig strukturierten Einheit miteinander
verbunden.[56] Parallel zu den allgemeinen
Verwaltungs- und Gerichtsbezirken sind aber auch noch erstinstanzliche
Finanzämter, Schulbehörden, Bergbehörden und andere Behörden
des Bundes und der Länder eingerichtet (Wahlbehörden). Die nach Art
102 Abs 2 B-VG zulässigen Sonderbehörden des Bundes sind nach
historisch gewordenen Einheiten gegliedert. Die allgemeinen Bezirkssprengel
bilden für Zwecke der Gerichtsbarkeit und der Verwaltung
gebietsmäßige Einheiten innerhalb eines Landes. Auf Landesebene
werden die allgemeine staatliche Verwaltung der Länder und des Bundes sowie
die Gerichtsbarkeit des Bundes in Zivil- und Strafrechtssachen in höherer
Instanz besorgt. Die derart mehrschichtig vernetzten Landesgebiete bilden im
föderalen Verband die Einheit des Staatsgebietes des Bundes, innerhalb
welches oberste Staatsorgane in letzter Instanz Staatsaufgaben besorgen. Die
wirtschaftliche, berufliche, soziale und kulturelle Selbstverwaltung ist dieser
territorialen Gliederung des Staates angepaßt.
Der föderale Staat von heute ist zur Besorgung seiner
Aufgaben zumeist in Gemeinden, in Bezirke (Kreise) und in Länder (Kantone,
Landschaften oder Provinzen) mehrschichtig gebietsmäßig gegliedert.
Die Gebietsnetze der Gemeinden sind die organisatorischen Grundeinheiten des
demokratischen Territorialstaates. Mehrere Gemeinden bilden das Gebietsnetz
eines Bezirkes (Kreise). Sie werden von dessen Grenzen zu einer
übergeordneten Einheit umschlossen. Die Gebietsnetze mehrerer Bezirke
(Kreise) sind von den Gebietsgrenzen eines Landes (Kantons oder Provinz)
umschlossen. Sie werden von dessen Grenzen zu einer übergeordneten Einheit
umfaßt. Die Gebietsnetze der Länder bilden das gegliederte
Gebietsnetz des Bundes als Gesamtstaat. Dessen Grenzen stimmen mit den
Außengrenzen der Länder überein. Die Staatsgrenzen verbinden die
mehrschichtigen Gebietsnetze der Gemeinden, der Bezirke (Kreise), der
Länder (Kantone und Provinzen) zur rechtlichen Gebietseinheit des
Gesamtstaates als Rechtsträger, als eine allen anderen übergeordnete
Gebietskörperschaft.[57]
Der Blick auf die Einheitsstaaten unserer Zeit ergibt ein
vergleichbar einheitliches Bild. Auch nicht föderalistisch organisierte
Staaten sind mit mehrgliedrigen und mehrschichtigen staatsorganisatorischen
Gebietsnetzen und mit Gebietsnetzen von Verbauungsplänen,
Flächenwidmungen und Raumordnungen
überzogen.[58] Sie sind gleich den
Bundesstaaten durch gebietsgebundene hierarchische Organisationsstrukturen der
Verwaltung und der Gerichtsbarkeit über mehrere Instanzen zu
Funktionseinheiten des Gesamtstaates miteinander verbunden. Die untergeordneten
Organisationsstrukturen haben zwar eine relative Eigenständigkeit
(Autonomie), ihnen fehlt aber die Qualität von staatlichen
Rechtsträgern als dezentralisierte Gebietskörperschaften.
Gemeindegrenzen, Bezirksgrenzen, Provinzgrenzen und
Staatsgrenzen sind rechtliche Sprengelgrenzen der Kompetenzbereiche für
amtliches Handeln. Sie machen den Staat zu einer gebietsmäßig
vernetzten, grenzenumschlossenen dezentralisierten Gebietskörperschaft;
nicht nur nach innen sondern auch gegenüber den Nachbarstaaten,
gegenüber dem Staatenverbund Europas und schließlich gegenüber
der Staatengemeinschaft der Welt. Die mehrschichtigen Gebietsnetze der Staaten
und die an diese gebundenen hierarchischen Organisationsstrukturen sind
über rechtswegemäßige Fernverbindungen miteinander verbunden.
Durch diese werden die hierarchisch und arbeitsteilig eingerichteten
Organisationsstrukturen der Staaten zu transnationalen, kontinentalen und
globalen rechtlichen Funktionseinheiten.
Rechtliche Wege des Verkehrs, der Versorgung mit Gütern
und der Erfüllung von Staatsaufgaben verbinden die Hauptorte von Gemeinden
mit jenen eines Bezirks. Rechtliche Wege verbinden die Bezirksorte und
Städte mit dem Hauptort eines Landes (Provinz). Rechtliche Wege verbinden
die Länder (Provinzen) und die Landeshauptstädte mit dem Gebiet und
mit der Hauptstadt des Gesamtstaates. Zur Vielfalt der staatsorganisatorischen
Gebietsnetze tritt die große Vielfalt von rechtlichen Orten und von
rechtlichen Wegenetzen sowie von materiengebundenen Flächenwidmungen der
Gemeinden, der Länder und des Bundes hinzu. Über diese
mehrschichtigen, zu föderalen und zu zentralen Funktionseinheiten
verbundenen vielgestaltigen rechtlichen Gebiets- und Wegenetze entfalten
örtlich zuständige Staatsorgane in hierarchisch aufgebauten
Organisationsstrukturen gemäß ihren instanzenmäßigen
Kompetenzen eine Vielfalt von Aufgaben, gehen die Menschen gemäß den
Gesetzen ihren persönlichen, beruflichen und kulturellen Lebensinteressen
nach. Die mehrschichtigen rechtlichen Netze von Gebieten, Wegen und Orten sowie
die diesen entsprechenden hierarchischen Organisationsstrukturen des Staates,
die über rechtliche Orte durch rechtliche Wege instanzenmäßig zu
rechtlichen Funktionseinheiten miteinander verbunden sind, bilden teils einander
umfassende, teils einander überlagernde rechtliche Räume für die
Vielfalt des rechtlichen Handelns des Einzelnen und der staatlichen Organe. Die
Einheit von Staat und Recht wird durch die zentralen Kompetenzen der obersten
Organe des Staates gewährleistet. Diese haben ihren Sitz in der Hauptstadt
des Staates. Ihre territoriale Zuständigkeit erstreckt sich auf das ganze
Staatsgebiet.
Der Boden eines Staates, der aus zahllosen im Eigentum von
Privaten und der öffentlichen Hand stehenden, rechtlich vermessenen und
rechtlich abgegrenzten, rechtlich vermarkten, rechtlich verbücherten und
rechtlich gewidmeten Grundparzellen zusammengesetzt ist, bildet innerhalb von
gewohnheitsrechtlich oder staatsvertraglich festgelegten Staatsgrenzen ein nach
außen und nach innen rechtlich zur Einheit verbundenes,
parzellenmäßig vernetztes Territorium staatlicher Herrschafts- und
Hoheitsmacht.[59] Der institutionelle
Zusammenhang der gebietsmäßig vernetzten Herrschaftsmacht (imperium)
des Staates mit dem individuellen Eigentum des Einzelnen (dominium) an Grund und
Boden ist evident. Das gilt nicht so sehr für den Staat als einen privaten
rechtlichen Eigentümer und Unternehmer, wohl aber für den Staat als
Träger von Hoheitsgewalt. Das zeigt sich bei den Steuern und bei zahllosen
anderen institutionellen Eigentumsbeschränkungen durch
öffentlich-rechtliche Belastungen, neuerdings vor allem durch Raumordnung
und Umweltschutz. Diese Regelungen haben enorme Sozialbindungen des
Grundeigentums zur Folge. Sie sind Ausdruck eines verdeckten
Obereigentums des Staates am individuellen privatrechtlichen
Grundeigentum. Nicht von ungefähr wird daher der rechtlichen Herrschaft des
Staates über das Staatsgebiet im Hinblick auf den allseits vermessenen und
als individuelles Eigentum verbücherten Grund und Boden von der
Völkerrechtswissenschaft auch eine dingliche Rechtsqualität
zugeschrieben. Analog dem individuellen Eigentumsrecht an Grund und Boden wird
die Souveränität eines Staates innerhalb der Staatsgrenzen als
eine Art übergeordnetes Eigentumsrecht gedeutet, wird die
Gebietshoheit eines Staates als ein übergeordneter Besitz
verstanden.[60]
III. Staatsgebiet und Raumbindungen des
Rechtes
1. Die räumliche Geltung und Verbindlichkeit des
Rechtes
In der Rechtswissenschaft wird die staatliche Rechtsordnung
dem vielgestaltig und mehrschichtig vernetzten Staatsgebiet über den
räumlichen Geltungsbereich zugeordnet. Die Geltung definiert man als die
Seinsform[61], als die spezifisch rechtliche
Existenz oder Seinsweise[62] des Rechtes. Das
Staatsgebiet wird in diesem Sinn vor allem als räumlicher Bestimmungsgrund
von tatsächlicher rechtlicher Existenz oder Geltung des Gesetzesrechtes
gedeutet. In der traditionellen Rechtsdogmatik versteht man unter der Geltung
vereinfacht und allgemein sowohl die tatsächliche und rechtliche Existenz
von Gesetzen, hervorgegangen aus einer formalisierten rechtlichen Erzeugung
durch den Gesetzgeber, als auch die Verbindlichkeit ihrer Sinngehalte. Der
Erklärungsgrund dafür liegt in der notwendigen Einheit von Form und
Inhalt. Trotz dieser Einheit von Form und Inhalt eines Gesetzes in der
tatsächlichen und rechtlichen Existenz seiner Erzeugungs- und
Erscheinungsform bedarf es vor allem in räumlicher und zeitlicher Hinsicht
einer Unterscheidung zwischen der tatsächlichen und rechtlichen Existenz
oder Geltung eines Gesetzes als erzeugter Rechtsakt einerseits und der
Verbindlichkeit seiner Sinngehalte für Rechtsbefolgung und Rechtsanwendung
andererseits.
Vermöge ihrer Erzeugungsform und Erscheinungsform
erlangen die Gesetze eine raumgebundene tatsächliche und rechtliche
Existenz. Die tatsächliche und rechtliche Erzeugtheit von Gesetzen,
letztlich durch ihre Kundmachung im Gesetzblatt, bedeutet tatsächliche und
rechtliche Existenz oder Geltung im Staatsgebiet. Sie ist die notwendige und
zureichende Voraussetzung der räumlichen Verbindlichkeit (des
Gehorsamsanspruchs) der Sinngehalte von Gesetzen gegenüber ihren
Adressaten. Ohne ihre Kundmachung im Gesetzblatt, als tatsächliches und
rechtliches Inkraftsetzen der Erzeugungsform und Erscheinungsform seitens des
Gesetzgebers, gibt es keine räumliche Geltung der Gesetze als Staatsakte
und keine räumliche Verbindlichkeit ihrer Sinngehalte gegenüber den
Adressaten.
Die Verbindlichkeit der Sinngehalte von Gesetzen muß
nicht gleichzeitig mit der Geltung eintreten. Ein Gesetz kann gelten ohne
verbindlich zu sein. Geltung und Verbindlichkeit müssen auch nicht von
gleicher räumlicher Reichweite sein. Die Geltung ist die spezifisch
rechtliche Eigenschaft der tatsächlichen Erzeugtheit der Erzeugungs- und
Erscheinungsform der Gesetze. Sie erstreckt sich durch die Kundmachung auf das
ganze Staatsgebiet (Bundes- oder Landesgebiet). Die Verbindlichkeit ist hingegen
die spezifisch rechtliche Eigenschaft ihrer Sinngehalte. Der Zweck der Gesetze
liegt in der Verbindlichkeit ihrer abstrakten Sinngehalte. Diese sind von der
Sache her differenziert raumgebunden. Während sich die Geltung von Gesetzen
auf das ganze Staatsgebiet (Bundes- oder Landesgebiet) bezieht, erstreckt sich
die Verbindlichkeit nur auf die räumliche Reichweite der Sinngehalte. Ihre
räumliche Reichweite ist entweder ausdrücklich festgelegt oder
sinngemäß eingeschlossen. Durch die räumliche Reichweite der
Verbindlichkeit der Sinngehalte von Gesetzen sind die Einzelnen und die Organe
staatlicher Gebietskörperschaften als Adressaten des Rechtes, als
Träger von Rechten und Pflichten in Zeit und Raum unterschiedlich
erfaßt; entweder unmittelbar oder mittelbar durch das Handeln des jeweils
anderen. Die Einzelnen und die staatlichen Organe bringen als Adressaten die
räumlich differenziert verbindlichen Sinngehalte der für das ganze
Staatsgebiet geltenden Gesetze durch aufeinander abgestellte Rechtsbefolgung und
Rechtsanwendung örtlich zur Verwirklichung und Wirksamkeit. Die Geltung der
Gesetze im Staatsgebiet ist dafür eine notwendige Voraussetzung.
Die Lehre nennt für das Gesetzesrecht undifferenziert
vier Geltungsbereiche. Sie versteht darunter auch vier Verbindlichkeitsbereiche.
Die Bereiche der Verbindlichkeit werden derart mit der Geltung begrifflich
verschmolzen. In diesem Sinn unterscheidet man im Hinblick auf die Gesetze
vordergründig:
Charles Eisenmann stellte gemäß dem Zweck der
Gesetze, menschliches Verhalten zu regeln, mit gutem Grund den persönlichen
Geltungsbereich in den Vordergrund.[63] Die
anderen drei Geltungsbereiche verstand er sinnvollerweise als Modalitäten
des persönlichen Geltungsbereiches. In diesem Sinn faßte er den Raum
bloß als eine allgemeine Eigenschaft des persönlichen
Geltungsbereiches des Rechtes auf. Diese Vorstellung Eisenmanns vom
persönlichen Geltungsbereich, gemäß dem Zweck des Rechtes, zielt
sichtlich auf den Inhalt und damit auf die Verbindlichkeit der Sinngehalte
für die Adressaten und nicht auf die rechtliche Existenz oder Geltung der
Erzeugungs- und Erscheinungsform eines Gesetzes.
In der traditionellen Lehre von den Geltungsbereichen werden
Geltung, Verbindlichkeit und Wirksamkeit als Verwirklichung nicht ausreichend
voneinander unterschieden. Die Geltung von Rechtsakten ist qualitativ nicht
gleichbedeutend mit der abstrakten Verbindlichkeit und mit der konkreten
Verwirklichung der Sinngehalte. Für Gesetze bedeutet die Geltung
tatsächliche und rechtliche Bestandskraft eines Gesetzes. Die Geltung
bezieht sich auf die Einheit von Erzeugung und Erscheinung eines Gesetzes als
rechtlich erzeugter Staatsakt.
Die Verbindlichkeit bedeutet hingegen inhaltliche
Verpflichtungskraft eines Gesetzes.[64] Sie
ergibt sich aus den unterschiedlich sachbezogenen abstrakten Sinngehalten und
sind diesen gemäß auch von unterschiedlicher räumlicher
Reichweite.
Geltung und Verbindlichkeit eines und desselben Gesetzes sind
von verschiedener räumlicher Reichweite. Das B-VG bietet dafür sogar
einen klaren Hinweis. Die verbindende Kraft von Bundesgesetzen erstreckt sich,
"wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das gesamte
Bundesgebiet" heißt es dort lapidar.[65]
Durch diese Formulierung werden Geltung und Verbindlichkeit der Gesetze ab
Vollendung ihrer Erzeugung durch Kundmachung (Erlassung) grundsätzlich
für das ganze Bundesgebiet so angeordnet, als wären sie
gleichbedeutend. Der Verfassungsgesetzgeber ermöglicht aber dem einfachen
Gesetzgeber eine Einschränkung der räumlichen Reichweite der
Verbindlichkeit der Sinngehalte von Gesetzen. Dieser Umstand wird durch sachlich
differenzierte, räumliche Verbindlichkeitsanordnungen in einfachen Gesetzen
anschaulich bestätigt. Besonders deutlich tritt das in den Fällen des
sogenannten "partikulären Rechtes" in Erscheinung.
Innerhalb der räumlichen Reichweite der Geltung eines
Gesetzes als Staatsakt und innerhalb der räumlichen Reichweite der
Verbindlichkeit ihrer Sinngehalte werden die Sinngehalte eines Gesetzes durch
zweckgebundene konkrete rechtserhebliche Verhaltensweisen der Einzelnen und der
Organe des Staates örtlich verwirklicht (wirksam). So erlangt etwa ein zur
Regulierung der Donau erlassenes österreichisches Bundesgesetz durch seine
Kundmachung im Bundesgesetzblatt räumliche Geltung für das ganze
Bundesgebiet. Die räumliche Verbindlichkeit dieses Gesetzes erstreckt sich
aber gemäß seinem Regelungsinhalt nur auf die Donau. Seine
Wirksamkeit wird nach Maßgabe sachlicher Voraussetzungen durch
individuell-konkretes Verhalten der Adressaten des Rechtes als
Rechtsverwirklichung (Rechtsbefolgung und Rechtsanwendung) bloß
örtlich begrenzt herbeigeführt.
Das Recht besteht aber nicht nur aus generell-abstrakten
Gesetzen, sondern auch aus individuell-konkreten Rechtsakten und
Rechtshandlungen staatlicher Organe und des Einzelnen, die gemäß
ihren Sinngehalten gesetzt werden. Auch für diese ist die Unterscheidung
zwischen rechtlicher Existenz des Aktes (Rechtskraft, Bestandskraft),
Verbindlichkeit und Wirksamkeit seiner Sinngehalte als Verwirklichung
unerläßlich. Im konkreten rechtsförmlichen Verhalten der
Staatsorgane und im konkreten rechtlichen Verhalten des Einzelnen als Anwender
und Befolger von Gesetzen wird deutlich, daß Geltung, Verbindlichkeit und
Wirksamkeit als Verwirklichung nicht nur nach Form und Inhalt des Rechtes,
sondern auch nach dem Rang voneinander unterschieden werden müssen, weil
sie tatsächlich und rechtlich eigenständig existieren und weil sie in
ihren verschiedenen Abschichtungen für verschiedene Adressaten des Rechtes
in unterschiedlicher räumlicher Reichweite verbindlich und örtlich
begrenzt wirksam (verwirklicht) sind. In den individuell-konkreten formfreien
Rechtshandlungen des Einzelnen und der Staatsorgane verschmelzen Geltung,
Verbindlichkeit und Verwirklichung zu einer tatsächlichen und rechtlichen
Sinneinheit. Das zeigt sich besonderes anschaulich im
Gewohnheitsrecht.
Der räumliche Geltungsbereich kann vereinfacht
gewiß als das durch rechtliche Grenzen umschlossene Staatsgebiet bestimmt
werden, für welches die Gesetze kraft ihrer förmlichen Erzeugtheit
rechtlich erlassen sind und in diesem Sinn tatsächlich und rechtlich
existieren. Im Hinblick auf die unterschiedliche Reichweite von Geltung,
Verbindlichkeit und Wirksamkeit als Verwirklichung sollte es aber wohl
differenziert "räumlicher Geltungsbereich, räumlicher
Verbindlichkeitsbereich und räumlicher Verwirklichungs- und
Wirksamkeitsbereich des Rechtes" heißen. Danach umfaßt der Raum im
Rechtssinn jene rechtlichen Gebiete, innerhalb deren Grenzen das an menschliches
Verhalten gebundene Recht in den Formen des Rechtes erzeugt wird (rechtlich
existiert, gilt) für welche das Recht gemäß seinen zweckhaften
Sinngehalten verbindlich ist und innerhalb welcher das Recht örtlich
angewendet und befolgt (verwirklicht) wird und dadurch wirksam wird.
2. Das Staatsgebiet als Herrschaftsraum
Der räumliche Geltungsbereich, der räumliche
Verbindlichkeitsbereich und der räumliche (örtliche) Befolgungs- und
Anwendungsbereich oder Wirksamkeitsbereich des Rechtes der Staaten werden in der
Staatslehre, und auf dieser aufbauend auch in der Völkerrechtswissenschaft,
aus der Gebietshoheit eines Staates abgeleitet. Die staatliche Gebietshoheit
oder Souveränität wird als die ursprüngliche Herrschaftsgewalt
eines Staates über sein durch verbindliche Grenzen umschlossenes Gebiet
definiert.[66] Die Herrschaftsgewalt des
Staates gründet sich nach Maßgabe von Geltung, Verbindlichkeit, auf
Befolgung und Anwendung als Verwirklichung (Wirksamkeit) des Rechtes, auf die
vielfältigen und mehrschichtigen staatsorganisatorischen Gebietsnetze und
auf die an diese gebundenen hierarchischen Organisationsstrukturen, die
letztlich ihre raumrechtliche Grundlage im parzellenmäßig vernetzten
Eigentum haben. Der räumliche Geltungsbereich des staatlichen Rechtes
umfaßt allgemein das ganze Staatsgebiet, sein räumlicher
Verbindlichkeitsbereich und sein räumlicher Verwirklichungs- und
Wirksamkeitsbereich beziehen sich hingegen gemäß den Sinngehalten
über die vielgestaltigen und mehrschichtigen staatlichen Gebietsnetze sowie
über die eigentumsmäßigen Vernetzungen und rechtlichen Widmungen
des Bodens räumlich begrenzt auf bestimmtes menschliches Verhalten in einem
bestimmten Raum. Rechtserhebliches menschliches Verhalten entfaltet als
Rechtsbefolgung und als Rechtsanwendung (Verwirklichung) des staatlichen Rechtes
zumeist nur eine begrenzte örtliche Wirksamkeit. Im selben Sinn ist das
Staatsgebiet durch seine mehrschichtigen staatsorganisatorischen Gebietsnetze
durch öffentlich-rechtliche Gebietsnetze von Bodenwidmungen und durch
privatrechtliche Eigentumsnetze auch für das Völkerrecht ein
differenzierter Raum der Geltung, der Verbindlichkeit und der Verwirklichung als
Wirksamkeit.
Damit ist die Frage des Verhältnisses von Staatsgebiet
und Recht zwar grundsätzlich geklärt. Doch dadurch ist nur der
Kernbereich der Problematik von Staatsgebiet und Recht erfaßt. Das
Staatsgebiet im Rechtssinn ist nämlich nicht schlechthin bedeutungsgleich
mit seiner durch sichtbare Grenzen gekennzeichneten territorialen Einheit. Das
Staatsgebiet ist nicht nur staatsrechtlich geregelt und begrenzt, in der
Abgrenzung zu anderen Staaten erhält es als territoriale Einheit auch durch
das Völkerrecht einige rechtliche Besonderheiten.
Zum Staatsgebiet im staatsrechtlichen und
völkerrechtlichen Sinn gehört zunächst die Erdoberfläche
innerhalb der Staatsgrenzen, sodann der Boden unter der Erdoberfläche und
der durch einen Staat beherrschbare Luftraum über dem Erdboden. Dazu
gehören aber auch der an ein Staatsgebiet anschließende
Küstenbereich des Meeres, die Buchten sowie auf das Meer hinaus erstreckte
3, 12, 20 oder 200-Meilenzonen; ferner Wirtschaftszonen und Festlandsockel bis
an die rechtlichen Grenzen der Hohen See. Des weiteren gehören zum
Staatsgebiet Schiffe auf Hoher See, Luftfahrzeuge über dem rechtlich
begrenzten Luftraum eines anderen Staates oder über der Hohen See,
Staatsschiffe überall; schließlich exterritoriale Bereiche
diplomatischer Vertretungen und Zollfreigebiete innerhalb der Grenzen eines im
allgemeinen geschlossenen Gebietes eines anderen Staates.
Das Staatsgebiet ist innerhalb seiner rechtlichen Grenzen,
gemäß den Zwecken und Aufgaben des Staates, in zahlreiche
staatsorganisatorische und funktionelle Gebietsnetze
gegliedert.[67] Den Gebietsnetzen sind
hierarchische Organisationsstrukturen gewaltenteilend zugeordnet. Für das
Völkerrecht ist der rechtliche Raum eines Staates aber trotz seiner
Gliederung in staatsorganisatorische und funktionelle Gebietsnetze primär
ein einheitliches Gebiet und eine organisatorische Einheit als Rechtsperson,
auf welche sich die Geltung des Völkerrechtes erstreckt. Der Staat ist
durch sein Gebiet und durch seine Rechtspersönlichkeit für die Geltung
des Völkerrechtes zwar ein einheitlicher territorialer und personaler
Anknüpfungspunkt, die Verbindlichkeit und die Wirksamkeit des
Völkerrechts gründen sich letztlich aber auf die mehrschichtigen
Gebietsnetze der Staaten, auf die mit diesen verbundenen hierarchischen
Organisationsstrukturen und durch diese auf das Verhalten seiner
Organe.
Geltung, Verbindlichkeit und Wirksamkeit als Verwirklichung
des Staatsrechtes und des Völkerrechtes sind in diesem Sinn räumlich
differenziert an das Staatsgebiet und an die staatliche Souveränität
gebunden. Die mehrschichtigen staatsorganisatorischen und funktionellen
rechtlichen Gebietsnetze eines Staates, fundiert in den Eigentumsnetzen der
Katastralgemeinden, sind durch das Staatsrecht auch dem Völkerrecht
dienlich. Damit wird der Zusammenhang mit den im vorangehenden Kapitel
dargestellten differenzierten Grundkomponenten des rechtlichen Raumes auch
für das Völkerrecht erkennbar; insbesondere mit den allen rechtlichen
Räumen zugrundeliegenden rechtlichen Raummaßen, mit den rechtlichen
Raumregelungen, mit den rechtlichen Raumwidmungen und mit den rechtlichen
Raumgrenzen. Aus dieser Perspektive sei nun der Blick über das Staatsgebiet
hinaus auf die völkerrechtlichen Räume gerichtet.
3. Der rechtliche Raum der Europäischen Gemeinschaft
Europa hat durch die Gebietsnetze und Organisationsstrukturen
seiner Mitgliedsstaaten das Gepräge eines territorial vergleichbar
durchgegliederten Großstaates.[68] Die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vermitteln mit den
staatsorganisatorischen und funktionellen Gebietsnetzen innerhalb ihrer Grenzen
und mit den an diese gebundenen Organisationsstrukturen die Gesamtheit eines
dezentralisierten Bundesstaates im Werden.[69]
Die Föderation der Europäischen Union hat kein eigenes Gebiet. Sie
verfügt aber über eine allgemeine, von den Mitgliedsstaaten delegierte
Rechtssetzungsgewalt, über eine eingeschränkte allgemeine
Vollzugsgewalt, über begrenzte richterliche Kompetenzen und über
schwerpunktmäßige Finanzierungsaufgaben auf den Gebieten der
Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs, von Forschung und Wissenschaft und
des Kulturschutzes gegenüber allen Mitgliedsstaaten. Sie hat vorderhand nur
rudimentäre organisatorische Unterstrukturen. Neben Europäischen
Gesetzgebungs- und Vollzugsorganen, neben der Europäischen Zentralbank,
neben dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und neben dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mögen künftig
wohl auch noch andere Zentralorgane und diesen nachgeordnete europäische
Vollzugsorgane für Gerichtsbarkeit und Verwaltung eingerichtet werden;
insbesondere des Militärs zur Sicherung des internationalen Friedens. Der
Europol haben die Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung des international
organisierten Verbrechertums im Bereich des Suchtgifthandels, des
Menschenschmuggels und der Schwarzgeldwäsche ihre Herrschaftsgrenzen
bereits geöffnet. Da die EU kein ursprünglich eigenes
Herrschaftsgebiet und keine ausgebildete organisatorische Unterstruktur hat,
gründet sich ihre Rechtsordnung zwangsläufig auf die
Organisationsstrukturen der Mitgliedsstaaten. Diese besorgen über ihre
Gebietsnetze die nähere Ausführung und die Anwendung des
Europarechts.[70] Gemäß den
Verordnungen und Richtlinien von europäischen Organen innerhalb der auf die
sogenannten drei Säulen gegründeten rudimentären
europäischen Organisationsstrukturen bringen die Mitgliedsstaaten über
ihre mehrschichtigen Gebietsnetze und über die an diese gebundenen eigenen
Organisationsstrukturen das Europarecht zur Wirksamkeit.
Derzeit zeichnet sich eine stetige Zunahme von
organisatorischen und materiellrechtlichen Verfestigungen einer zentralen
europäischen Herrschaftsgewalt ab; wie etwa für die an der
Währungsunion voll beteiligten Mitgliedsstaaten der EU durch ihre
Zugehörigkeit zum Euro und zur Europäischen Zentralbank. Die
Staatsgrenzen der EU-Mitgliedsstaaten haben seit dem Vollwirksamwerden des
Abkommens von Schengen, infolge der expansiven Arrogierung von Staatsaufgaben
durch die EU, im Verhältnis der Mitgliedsstaaten zueinander, vielfach nur
noch den Rang von Ländergrenzen in einem Bundesstaat. Ihre
Außengrenzen sind bereits gesamteuropäische Zoll- und
Migrationsgrenzen gegenüber der übrigen Welt, vor allem gegenüber
den Nachbarstaaten der EU. Die Binnengrenzen der EU-Staaten sind durch den
Schengen-Vertrag und durch das Abkommen von Amsterdam in Fragen der Sicherheit
zueinander und gegen Europa zu rechtlichen Verbindungen arbeitsteiliger
Besorgung von gleichartigen öffentlichen Aufgaben geworden. Die EU-Staaten
sind insoweit bereits den Ländern, Kantonen oder Staaten in einem
Bundesstaat vergleichbar. Die Verstärkung der Europäischen Union durch
Liberalisierungsmaßnahmen zu Gunsten der Wirtschaft, zuletzt auf dem
Gebiet der Elektrizitätswirtschaft[71],
beschleunigt die substantielle Staatswerdung Europas kontinuierlich. Durch
Maßnahmen finanzieller Förderung von Bereichen der Wirtschaft, der
Landwirtschaft, des Verkehrs, der Wissenschaft, der Forschung und von
Kulturaufgaben in den Mitgliedsstaaten wird die Lenkung dieser Staatsaufgaben
aus den Mitgliedsstaaten auf die EU verlagert. Mit der Einführung der
europäischen Währung und mit der Errichtung der Europäischen
Zentralbank wird Europa als ein im Kernbereich vereinheitlichtes Wirtschafts-,
Währungs- und Zollgebiet
funktionsstärker.[72]
Nach Maßgabe der rasch anwachsenden, die
Eigenständigkeit der Mitgliedsstaaten einschränkenden
europäischen Rechtssetzung, Hand in Hand mit der Verdichtung und
Vereinheitlichung der Wirtschafts- Währungs- Zoll- und Budgetpolitik, aber
auch der Sicherheits- Verteidigungs- und Außenpolitik, zeichnet sich
Europa gegenüber der Staatengemeinschaft der Welt bereits jetzt als ein
souveräner Großstaat vom Typus eines staatenbündischen
Bundesstaates ab.[73] Das deutsche
Bundesverfassungsgericht hat zur Vermeidung einer terminiologischen Festlegung -
im Hinblick auf die EU - den Begriff Staatenverbund
gewählt.[74] Es gibt gewiß noch
keine zentrale europäische Hauptstadt und keine vereinheitlichten
europäischen hierarchischen Organisationsstrukturen. Europäische
Behörden haben keine eigenen Unterbehörden, und ihre Amtssitze liegen
in verschiedenen Städten von EU-Staaten. Doch die Finanzgebarung,
gravierende Wirtschaftssanktionen, die Schaffung der Europol, nicht zuletzt die
Verteidigungsgemeinschaft der älteren Mitgliedsstaaten der EU in der NATO
machen bereits eine effektive staatliche Herrschaft der EU nach innen und nach
außen sichtbar. Exorbitant hohe, willkürlich anmutende Geldstrafen
der Europäischen Organe für Verstöße gegen
Wettbewerbsvorschriften der EU in den Mitgliedsstaaten gewährleisten der
zunehmenden Herrschaftsmacht der EU bereits jetzt ein hohes Maß an
Effektivität.
Die europäischen Staaten standen vor dem Inkrafttreten
des Unionsvertrages bereits durch zahlreiche internationale multilaterale und
bilaterale Übereinkommen in koordinierten, die Staatsgrenzen
überbrückenden Rechtsvereinheitlichungen und Funktionsverbindungen,
wie etwa auf den Gebieten des Verkehrs, der Währung, der Wirtschaft und des
Sozialen, von Wissenschaft und Kultur sowie des Umweltschutzes. Die Entwicklung
des Europarechtes zur Vereinheitlichung von Gemeinschaftsaufgaben und die
Tendenz zur Verstärkung der organisatorischen Staatlichkeit Europas hat
zwar materiell bereits in älteren multilateralen Abkommen ihre Wurzeln, sie
führt nun aber durch gesetzesgleiche europäische Verordnungen und
Richtlinien auch zu einer funktionellen Vereinheitlichung, die gleichsam von
oben zentral gelenkt ist. Staatliches Recht wird durch eine beunruhigend
ausufernde bürokratische Rechtssetzung europäischer Organe mehr
und mehr überwuchert und verdrängt. Die staatlichen
Gesetzgebungsorgane werden vielfach zu Durchführungsorganen der EU
degradiert. Das ursprünglich zugunsten der Staaten festgelegte
Subsidiaritätsprinzip richtet sich nun mehr und mehr gegen die Staaten und
immer weniger gegen die EU. Die EU gewinnt gegenüber der Gesetzgebung der
Mitgliedsstaaten zunehmend an Priorität. Dabei stellt sich unabweichlich
die Frage, welcher Stellenwert den Grund- und Freiheitsrechten, den
Menschenrechten der EU-Bürger gegenüber der EU künftig zukommen
wird.
Außenminister und diplomatische Repräsentanten, als
Botschafter der einzelnen Mitgliedsstaaten in Brüssel, mit Privilegien und
Immunitäten ausgestattet, erweisen sich angesichts des
Integrationsprozesses der Europäischen Union und angesichts der Tendenz zu
einer unmittelbaren demokratischen Vertretung der Staaten in den
europäischen Gesetzgebungs- und Vollzugsorganen, sowie infolge der Zunahme
der Aufgaben von Vertretern der unmittelbar verpflichtbaren hierarchischen
Organisationsstrukturen der Staaten bei den Leitungsorganen der
europäischen Staatenföderation in Brüssel mehr und mehr
bloß als protokollarische Staatenvertreter. In Europa wird der bisherige
Außendienst der Diplomaten durch den Innendienst der Sachressorts von
Verwaltung und Justiz zunehmend an Bedeutung zurückgedrängt. Die
Europäische Gemeinschaft liegt rechtlich nicht außerhalb der Gebiete
der Mitgliedsstaaten. Die Staatengebiete werden mehr und mehr zu Teilgebieten
Europas.
4. Der rechtliche Meeresraum
Nach jahrhundertelangen Kämpfen der europäischen
Seemächte - vor allem Englands, Frankreichs, Spaniens und Portugals - um
die Vorherrschaft auf den Meeren und um Grenzziehungen für staatliche
Herrschaftsbereiche zwischen den Kontinenten und an den Meeresufern der Staaten
setzte sich im 19. Jahrhundert die Freiheit der Meere
durch.[75] Die über Jahrhunderte
gewohnheitsrechtlich aufgekommene Freiheit der Meere wurde um die Mitte des 20.
Jahrhunderts durch internationale Abkommen vertraglich
verfestigt.[76] Die Grenzen der freien Meere
liegen heute im Anschluß an gewohnheitsrechtlich erstreckte Meilen- und
Wirtschaftszonen der Staaten, im Anschluß an die Buchten und an die
Küstenbereiche der Staatsgebiete teilweise weit draußen auf der Hohen
See.[77]
Meer bedeutet im Sinn des Völkerrechtes
die Hohe See. Nach dem Völkerrecht ist das Meer in der
Reichweite der Hohen See eine res communis omnium. Auf der Hohen See
herrschen die Freiheit der Schiffahrt und der Nutzung (Fischfang) nach
völkerrechtlichen Regeln für alle Staaten der Welt. Die Meeresfreiheit
schließt auch die Überflugsfreiheit, das Verlegen von unterseeischen
Kabeln und Rohrleitungen und die Freiheit zur Forschung mit ein. Der
Tiefseeboden unter der Hohen See, die Abfall-Lagerung im Bereich der Hohen See
und der Umweltschutz der Meere unterliegen besonderen Beschränkungen und
Kontrollen.[78]
Schiffe verkehren von Hafen zu Hafen auf traditionellen
Schiffahrtsrouten und Meeresstraßen über die Hohe See. Der
räumliche Schutzbereich der Freiheit der Meere gilt für sie nur auf
den Gewässern der Hohen See. Die Seehäfen und die Schiffe auf Hoher
See unterstehen einem koordinierten völkerrechtlichen und staatsrechtlichen
Rechtsschutz. Schiffe unterliegen auf Hoher See der Hoheitsgewalt eines
Registerstaates als Flaggenstaat. Staatsschiffe haben auch in nationalen
Seehäfen volle Immunität. Binnenstaaten genießen einen
völkerrechtlich geschützten freien Zugang zum Meer durch das
Hoheitsgebiet von
Anliegerstaaten.[79]
5. Der rechtliche Luftraum
Gemäß dem staatlichem Recht und dem
Völkerrecht erstreckt sich die Gebietshoheit der Staaten grundsätzlich
auch auf den durch sie beherrschbaren Luftraum über seinem
Gebiet.[80] Der Luftraum besteht aus der
Atmosphäre, die bis zu einer Höhe von etwa 100 Kilometern den Erdball
umgibt, mit der letztlich auch die Anziehungskraft der Erde endet.
Überflugsrechte über fremde Staatsgebiete, innerhalb der Reichweite
der allgemeinen Flughöhe, bedürfen staatlicher Bewilligung. Sie werden
in bilateralen und multilateralen völkerrechtlichen Verträgen
vereinbart. In diesen Verträgen sind unter anderem auch bestimmte Orte als
Flughäfen und bestimmte Flugrouten rechtlich festgelegt. Die Lufthoheit der
Staaten ist durch ein Notflugrecht von privaten Staatsfremden beschränkt.
Für den nichtgewerblichen Luftverkehr gibt es grundsätzlich ein
bewilligungspflichtiges Recht des friedlichen Durchflugs. Überflugsrechte
europäischer Staaten über das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates in
Erfüllung von Beschlüssen der EG bedürfen keiner
Sondergenehmigung. Das gilt auch für Österreich, weil dessen
Neutralitätsgesetz durch den Beitritt zur EU obsolet geworden ist und weil
ihm durch Art 23 f B-VG derogiert wurde. Überflugsrechte von staatlichen
Organen in Erfüllung von Aufgaben der Vereinten Nationen, insbesondere zum
militärischen Einsatz, haben ihre Rechtsgrundlagen gleichfalls in den
Mitgliedschaftspflichten der Staaten und in Beschlüssen des
Sicherheitsrates gemäß der Satzung der Vereinten Nationen.
Die Jurisdiktion über Straftaten an Bord von Flugzeugen
in der Luft liegt beim Registerstaat. Die widerrechtliche Inbesitznahme von
Flugzeugen ist aufgrund internationaler Abkommen durch die Vertragsstaaten
verfolgbar, sofern das Flugzeug auf ihrem Gebiet landet oder der Täter sich
dort aufhält. Straftaten gegen Flugzeuge, gegen Flughäfen und gegen
Flughafeneinrichtungen sowie der Luft-Terrorismus sind gleichermaßen
verfolgbar.[81] Staatsflugzeuge genießen
volle Immunität. Besondere räumliche Schutzbereiche des
internationalen Luftfahrtrechtes sind Luftfahrzeuge,
Flugnavigationseinrichtungen, Flughäfen, Flugrouten und Lufträume.
Internationale Abkommen regeln den überregionalen Umweltschutz des
Luftraums.
6. Der rechtliche Weltraum
Das internationale Recht des Weltraums hat - wie das ganze
Völkerrecht - seinen territorialen Grundbezug in den Staatsgebieten.
Während sich das allgemeine Völkerrecht auf die rechtlichen
Vernetzungen der Staatsgebiete und auf die an diese gebundenen hierarchischen
Organisationsstrukturen der Staaten und durch sie teilweise auch auf den
einzelnen Menschen bezieht, sind die rechtlichen Raumregelungen des Weltalls
vorderhand noch den Staaten der Welt
vorbehalten.[82] Zielsetzungen und
Möglichkeiten des Weltraumrechtes richten sich nach den Möglichkeiten
und Grenzen effektiver Herrschaft von Staaten über den Weltraum. Der
Einzelne kann zwar in den Weltraum fliegen, im Weltraum die Erde umkreisen und
auf dem Mond landen, eine effektive Herrschaft von Einzelnen über den
Weltraum und über das Territorium eines der anderen Planeten ist vorderhand
aber unmöglich. Doch Raumfahrtorganisationen reklamieren bereits neben den
Staaten einen unmittelbaren rechtlichen Zugang zum Weltraum. Der Weltraum ist
gleich der Hohen See eine res communis omnium; eine Sache die
niemandem gehört, weil sie allen gehört. Die Himmelskörper und
ihre Ressourcen sind ein rechtlich erklärtes "Erbe der Menschheit".
Im besonderen Schutzbereich des internationalen
Weltraumrechtes liegen Verkehrsmittel (Raumschiffe und Satelliten) und
Verkehrswege (Weltraumrouten um die Erde und Flugwege von der Erde zu anderen
Planeten) sowie Kommunikationswege für Informationen über Satelliten
und Raumstationen. Raumschiffe und Satelliten im Weltraum zählen gleich den
Schiffen auf Hoher See zum staatlichen Territorium des Entsendestaates. Sie
stehen unter der Herrschaft des Entsendestaates. Raumkapseln, Raumsatelliten und
Raumschiffe genießen im Weltraum einen besonderen rechtlichen Status. Das
internationale Weltraumrecht gewährleistet das staatliche Eigentumsrecht an
Raumschiffen und Satelliten. Für die Umlaufbahnen der künstlichen
Himmelskörper (Satelliten) um die Erde gibt es Schutz- und
Haftungsvorschriften. Das Haftungsrecht für den Weltraum umfaßt auch
den Umweltschutz.
Der Weltraum ist für die Staaten der Welt
grundsätzlich ähnlich frei zugänglich wie die Hohe See. Ein
besonderer rechtlicher Schutz besteht für Raumstationen, für
Raumschiffe und für Satelliten als bewegliche rechtliche Raumkörper im
Weltraum, im besonderen für ihren freien Zugang zum Weltraum und für
die Rückkehr zur Erde. Der Schutz erstreckt sich ferner auf
Kommunikationswege und auf Flugbahnen von Raumstationen und Satelliten. Die
Analogien zum internationalen Luftrecht und zum internationalen Seerecht liegen
auf der Hand.
Das internationale Weltraumrecht beinhaltet realistische und
utopistische Regelungsperspektiven. Es ist zur Zeit hauptsächlich ein
Raumfahrtrecht der Staaten, ein Verkehrsrecht für Raumschiff- und
Satellitenrouten, ein Kommunikationsrecht für Informationen der Staaten
über Wellenlängen; es ist ein Umweltschutzrecht und (noch?) kein
Wohnsitz- und Aufenthaltsrecht einzelner Menschen.
7. Raumordnung und Kartographie
Das Staatsgebiet wird mit seinen Grenzen und Gebietsnetzen auf
amtlichen Landkarten dargestellt. Staatliche Landkarten erfassen aufgrund der
behördlichen Vermessungen von Katastergrenzen die mehrschichtigen
staatsorganisatorischen Gebietsnetze von Gemeinden, Bezirken (Kreisen) und
Ländern (Provinzen) mit deren Grenzen, sowie die Straßennetze und die
durch diese miteinander verbundenen Ortschaften.
Staatliche Grenzen und Gebietsnetze sind aber nicht der
einzige Entstehungsgrund für die kartenmäßige Darstellung der
Erdoberfläche. Ältere Impulse stammen aus dem Handel und aus Kriegen.
Zu Beginn der Neuzeit waren Entdeckungsdrang, Abenteuerlust und imperiale
Landnahme über die Meere wichtige Antriebskräfte. Schon in der Antike
gab es für die Schiffahrt kartographische Darstellungen vom Mittelmeer und
von den daran anschließenden Territorien nach Längengraden und
Breitengraden. Zahlreiche Erfahrungsberichte von Handel treibenden Seefahrern
lieferten dafür die Informationen. Von den Griechen sind bereits aus
vorchristlicher Zeit skizzenhafte Karten überliefert. Sie dienten der
Schiffahrt zwischen dem 30. und dem 40. nördlichen Breitengrad, die an den
Säulen des Herkules vorbei aus der Ägäis zu den
Glücklichen (Kanarischen) Inseln führte. Ihr Null-Meridian lag
zunächst auf Kreta, später auf den "Glücklichen Inseln". Die
Römer benutzten Karten, auf welchen die durch Meilensteine gekennzeichneten
Straßen dargestellt waren (Itinerarien), für das militärische
Versorgungs- und Postwesen ihres riesigen Imperiums.
Die Entdeckung der "neuen Welt" ab 1500 - aus Entdeckerdrang,
Abenteuerlust, Goldgier und Eroberungssucht, aber auch aus allgemeinen
wirtschaftlichen Gründen - führte zu ersten planimetrischen
Darstellungen der ganzen Welt. Man fertigte kreisförmige Karten an und
schuf den kugelförmigen Globus, um die Erdoberfläche naturgetreu
darzustellen. Infolge der Zunahme des Handels über die Meere der Welt wurde
die Kartographie maßstabgerecht zu einem Hochstand entwickelt. Heute
repräsentiert sie mit ihren tausendfach bis millionenfach
maßstabsgerechten Verkleinerungen der Darstellung der Erdoberfläche
ein Höchstmaß an Genauigkeit.[83]
Karten gründen sich allgemein auf die planimetrischen Netze der einander
schneidenden Längen- und Breitengrade des Globus. Sie sind gemäß
den durch Triangulation vom Äquator zu den Polen genau meßbaren
Meridianen und in Ausrichtung nach Breitengraden vom Äquator zum Nordpol
und zum Südpol vorgenommenen rechtsverbindlichen Vermessungen des Erdbodens
durch Staaten hergestellt. Mit der Entwicklung der Kartographie wurden auch die
Voraussetzungen für die Land- und Meeresvermessung verbessert. Heute sind
die natürlichen und rechtlichen Boden- und Meeresraumbereiche weitgehend
kartographisch erfaßt, nach Längen- und Breitengraden in
Planquadraten vernetzt und maßstabgerecht dargestellt.
Die Kartographie entwickelte sich von der
maßstabgerechten planimetrischen Darstellung der Erdoberfläche und
der Meere zur reliefartigen Erfassung von Höhen und Tiefen des Erdbodens
und des Meeresbodens. Computerprogramme halten ihren Einzug in die Herstellung
von kartographischen Darstellungen. Sie erschließen dem Benutzer von
Karten in der Reichweite menschlicher Erfahrung die Vielfalt der Erde, des
Luftraumes über der Erde und des Weltraums mit großer Genauigkeit und
informativer Anschaulichkeit. Luftaufnahmen zeigen die nach den geometrischen
Maßen der Kugel ausgerichteten kartographischen Darstellungen der
Erdoberfläche in naturgetreuen Abbildungen.
Die Darstellung der Erdoberfläche nach den geometrischen
Gebietsnetzen der Planquadrate, in Orientierung an den Netzen der einander
schneidenden Längen- und Breitengrade, erfolgt heute entweder durch
staatliche Karten oder durch Privatkarten. Die Karten dienen unterschiedlichen
Zwecken: als topographische Landkarten und Weltkarten für Schulen und
für jedermann, als Seekarten für die Schiffahrt, als Orts- und
Stadtpläne für Touristen, als Territorialkarten für den
Eisenbahnverkehr, für den Straßenverkehr und für die Luftfahrt.
Es gibt ferner politische Karten, militärische Karten, wirtschaftliche,
statistische, geologische (Bodenschätze) und ethnographische Karten. Karten
erfassen Orte und ihre Verbindungen durch Wege auf dem Land ebenso wie durch
Routen auf dem Wasser und in der Luft. Ortspläne, Stadtpläne,
Straßenkarten, Regionalkarten, Landeskarten, Kontinentalkarten,
Meereskarten und Weltkarten stellen natürliche, rechtliche, kulturelle,
politische, historische, wirtschaftliche, ethnographische und andere Daten und
Fakten sowie die vielfältigen und mehrschichtigen sachlichen und
organisatorischen Gebietsnetze der Staaten in ihren räumlichen Ausdehnungen
dar.
Den staatlichen Karten kommt aufgrund von verbindlich
vorgegebenen Vermessungen, von rechtsverbindlichen Grenzziehungen und
Grenzvermarkungen die objektive Wahrheit von öffentlichen Urkunden zu.
Sammlungen von gedruckten Karten in Buchform erschienen
erstmals im Jahr 1595. Die älteren Bezeichnungen für Kartensammlungen
in Buchform, wie "Theatrum", "Speculum", "Tabulae Geographicae" und
"Prospectus", wurden im Lauf der Zeit durch den "Atlas"
verdrängt.[84] Nach dem wegweisenden
Vorbild von Mercator[85] erscheinen heute
Atlanten als buchförmige Sammlungen von thematisch aufeinander
abgestellten Einzelkarten von Orten und Städten, von Regionen und Staaten,
von Kontinenten sowie von der ganzen Erde. Neben den allgemeinen topographischen
Atlanten der ganzen Erde gibt es welche über Geschichte, Politik,
Bevölkerungsstruktur, Wirtschaft, Verkehr, Klima, Bodenschätze und
Vegetation.
Der Fortschritt der modernen Kommunikationsmittel führte
zur Herstellung von Luftbild- und Satellitenbildatlanten. Aufgrund von
Satellitenaufnahmen gibt es Bild-Atlanten von der Erde und von den durch
Satelliten erforschten anderen Planeten. Es gibt Atlanten von
Himmelskörpern im Weltraum, von der Milchstraße und von anderen
Galaxien im Weltraum.
IV. Mensch und Staat im rechtlichen
Raum
1. Naturraum und Recht
Der Mensch lebt im irdischen Raum. Er wirkt gemäß
seiner zeitgebundenen psycho-physischen Existenz in den räumlichen
Naturbedingungen der Erde. Aufgang und Untergang der Sonne
bestimmen nicht nur den existentiellen Rhythmus von Schlaf und Wachsein, sondern
auch das Ruhen und Wohnen, das Wirken und Wandern des Menschen in den
Räumen der Erde. Auch der wandernde Mensch ist ortsgebunden und von Natur
aus seßhaft. Das gilt letztlich sogar für Nomaden, Seefahrer und
Weltraumfahrer. Wenn sie auf Wanderschaft gehen, führen sie zwar ihre
Häuser, das Zelt, das Schiff und die Raumkapsel mit sich, sie kehren
aber naturbedingt immer wieder an einen Ort ihrer Seßhaftigkeit
zurück. Früher einmal wohnte der Mensch in Baumnestern, in
Pfahlbauten, in Hütten und in Zelten; heutzutage wohnt er in gemauerten
Häusern, zunehmend in Hochhäusern.
Der Mensch haftet der Erde existentiell an. Sein Lebensraum
ist zuallererst ein bestimmter Ort auf der Erde. Von diesem aus begibt er sich
auf Wegen in andere Orte und Gebiete; über Flüsse und Meere in andere
Kontinente der Erde; in den Luftraum um die Erde. Er strebt aus der
Atmosphäre der Erde sogar in den luftleeren Weltraum; zum Mond und zu
anderen Himmelskörpern des Sonnensystems im inneren Bereich des dritten
Ringes der Milchstraße. Wie im 16. Jahrhundert Vasco da Gama als Entdecker
neuer Erdteile über die Meere, stößt der Mensch in seinem
Entdeckerdrang heute durch die Atmosphäre der Erde auch in den Weltraum
vor, um diesen nach seinen Zwecken zu entdecken, zu erforschen und vielleicht
auch zu beherrschen.
2. Der freie Mensch in den rechtlichen Räumen
Der Mensch gehört als eine frei geborene Person zur
Rechtsgemeinschaft eines Staates und damit auch zum Staatsgebiet. Er lebt an
einem rechtlichen Ort, in vielgestaltigen und mehrschichtigen rechtlichen
Gebietsnetzen. Er wandert auf rechtlichen Wegen von einem rechtlichen Ort zum
andern, von einem rechtlichen Gebiet in das andere, über Meere und durch
den Luftraum. Dabei ist der von Natur aus freie Mensch räumlich
unterschiedlich und vielfach dem Recht unterworfen. Er ist an allen
Orten, auf allen Wegen, in allen Gebieten und in allen Räumen auf der Erde,
auf dem Meer und in der Luft zugleich rechtlich frei und rechtlich gebunden. Das
ist seine rechtliche Grundsituation als Adressat des Rechtes.
Der Mensch ist in erster Linie an jenen Ort rechtlich
gebunden, in dem er seßhaft ist; in zweiter Linie an den Ort seines
Aufenthaltes, schließlich an jenen Ort, in dem er bloß rechtliche
Handlungen setzt. Vom Ort seiner Seßhaftigkeit aus entfaltet der rechtlich
freie und rechtlich gebundene Mensch vorwiegend seine persönlichen,
beruflichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen, seine
gesellschaftlichen und rechtlichen, im besonderen aber seine
staatsbürgerlich-politischen Lebensbeziehungen in zahlreichen rechtlichen
Bindungen. Dieser Ort liegt im parzellenmäßig vermessenen,
eigentumsmäßig vernetzten, differenziert rechtlich gewidmeten und
rechtlich verbauten Gebiet einer bestimmten Gemeinde, eines bestimmten Bezirkes
oder Kreises, eines Landes oder einer Provinz und des Gesamtstaates, in dem
durch Grenzen zur rechtlichen Einheit umschlossenen Staatsgebiet.
Innerhalb der staatsorganisatorischen und funktionellen
Gebietsnetze verbinden rechtliche Wege rechtliche Orte mit rechtlichen Orten,
rechtliche Gebiete mit rechtlichen Gebieten: Forstwege, Wirtschaftswege,
Bringungswege; Gehwege, Gassen, Gemeindewege, Landesstraßen,
Bundesstraßen, Autobahnen und Fernstraßen; Straßenbahnwege,
Seilbahnwege, Eisenbahnwege, Wasserwege und Flugwege. Das gilt sogar für
Wanderwege und Skipisten.[86] Die rechtlichen
Wege von rechtlichen Orten zu rechtlichen Orten, von rechtlichen Gebieten in
rechtliche Gebiete von geringerer oder größerer Ausdehnung,
ermöglichen dem Menschen rechtliche Begegnungen mit anderen Menschen zur
Entfaltung ihrer kulturell-sozialen Existenz in der Rechtsgemeinschaft des
Staates und in der Völkergemeinschaft.
Der von Natur aus freie Mensch ist aus rechtlicher Freiheit
und rechtlicher Bindung in Raum und Zeit Adressat des Rechtes. Als solcher ist
ihm in der modernen Demokratie an allen rechtlichen Orten, auf allen rechtlichen
Wegen und in allen rechtlichen Gebieten seiner Existenz und seines Verhaltens
direkt oder indirekt auch der besondere rechtliche Schutz der Verfassung
gewährleistet. Gemäß den staatsrechtlichen und
völkerrechtlichen Grundrechtskatalogen genießt der Mensch als
Rechtsperson gegen gesetzlose Eingriffe der behördlichen Organe eines
Staates in seiner raumbezogenen Existenz in räumlicher Hinsicht einen
erhöhten Schutz. Durch die Verfassung sind ihm aber nur begrenzte
rechtliche Freiheiten zugesichert. Diese sind zwar in seiner allgemeinen
natürlichen Freiheit begründet, sie bedeuten aber nicht dasselbe. Sie
sind weder allgemein noch unbeschränkt, sie sind in vieler Hinsicht vor
allem räumlich begrenzt (siehe oben Kapitel II und III). In diesem Sinn ist
der Mensch gegenüber dem Staat durch die Verfassung raumrechtlich
geschützt:
Daran
schließen zahlreiche andere rechtliche Freiheiten an:
Solche
verfassungsgesetzliche Regelungen gewährleisteten nur besondere Freiheiten
und keine allgemeine Freiheit. Im Gemeinschaftsinteresse unterliegen alle
Freiheitsrechte sachlichen Einschränkungen durch verfassungsrechtliche
Gesetzesvorbehalte. Diese bedeuten ungleich mehr Eingriffsermächtigungen
als Eingriffsschranken für den Gesetzgeber; durch dessen
Ermächtigungen, vor allem auch raumrechtliche Eingriffsermächtigungen
für die Vollzugsorgane des Staates, die aufgrund von Gesetzen zur Anwendung
der Gesetze gegenüber dem Einzelnen berufen sind. Die Beschränkungen
der an sich schon begrenzten rechtlichen Freiheit des Einzelnen sind durch eine
Flut von Rechtsvorschriften, neuerdings vor allem aus der EU inhaltlich
ausgeweitet und verstärkt. Durch unzählige bürokratische
Vollzugsakte im Dienst an der Besorgung von gesetzlich geregelten
Gemeinschaftsaufgaben wird der Einzelne heutzutage mehr denn je an die
rechtlichen Gebietsnetze und durch diese an die hierarchischen
Organisationsstrukturen eines Staates gebunden. Innerhalb der mehrschichtigen
Gebietsnetze gibt es für den Einzelnen gegenüber den hierarchischen
Organisationsstrukturen des Staates auch im Bereich verfassungsgesetzlich
gewährleisteter Freiheiten weder eine schrankenlose noch eine allgemeine
Freiheit.
Der Einzelne kann sich dem Handeln staatlicher Organe
innerhalb der an die mehrschichtigen staatsorganisatorischen und an funktionelle
Gebietsnetze gebundenen hierarchischen Organisationsstrukturen nicht entziehen.
Er ist immer und überall auf mehrfache Weise ein rechtlich freier und
zugleich rechtlich abhängiger Adressat des Rechtes, ein selbstbewegliches
rechtliches Zubehör eines bestimmten rechtlichen Ortes innerhalb
eines begrenzten rechtlichen Gebietes, dem er als seßhafter Mensch auch
rechtlich qualifiziert angehört. Der Mensch unterliegt sogar auf dem in
seinem Eigentum stehenden Grund und Boden, aber auch auf dem freien Meer, im
Luftraum und im Weltraum grundsätzlich der eigentumsähnlichen
Souveränität oder Herrschaftsgewalt und der besitzförmigen
Hoheitsgewalt eines Staates. Aus der Perspektive von Gegenwart und Zukunft
erscheint die reduzierte Grundrechtsbindung der Rechtssetzung der EU
besorgniserregend. Es ist hoch an der Zeit, die Frage nach dem Stellenwert der
Menschenrechte des Einzelnen gegenüber der EU zu stellen, ehe die
individuellen Freiheiten vom Kollektiv eines europäischen
Großraumstaates absorbiert werden.
3. Der Hauptwohnsitz als ein qualifizierter
Bezugsfaktor für den rechtlich handelnden Menschen Der Mensch unserer Tage ist aber nicht nur natürlich und
rechtlich an den Boden gebunden, er hat sogar einen bestimmten Ort zum
verfassungsrechtlich gewährleisteten und zwingend vorgeschriebenen
Hauptwohnsitz.[88] Dieser qualifizierte
rechtliche Ort des dauernden Aufenthaltes liegt im rechtlich begrenzten Gebiet
einer bestimmten Gemeinde im Gesamtstaat. Der Hauptwohnsitz ist nach dem
österreichischen Verfassungsrecht als ein qualifizierter rechtlicher
Wohnsitz der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen jedes Menschen, der im
Staatsgebiet lebt. Durch ihn gehört auch der Staatsfremde einem bestimmten
rechtlichen Ort im Staatsgebiet rechtlich qualifiziert an.
Durch den Hauptwohnsitz an einem bestimmten rechtlichen Ort,
in einem bestimmten rechtlichen Gebiet innerhalb des Staates, ist der Mensch
zuallererst ein rechtlicher Angehöriger einer bestimmten Gemeinde, sodann
eines mehrere Gemeinden umschließenden Bezirkes (Kreises), eines mehrere
Bezirke umschließenden Landes (einer Provinz) und des umfassenden
Gesamtstaates. Innerhalb des durch rechtliche Grenzen bestimmten Gebietes ist
der Staatsangehörige aufgrund seines dauernden Hauptwohnsitzes aber auch
ein demokratischer Bürger einer Gemeinde, in Bundesstaaten auch eines
Landes (Kantons); jedenfalls ist er Bürger des Gesamtstaates, neuerdings
auch der föderativen Europäischen
Union.[89]
Die rechtliche Zugehörigkeit (Mitgliedschaft) des
Staatsbürgers zu einer Gemeinde, zu einem Land (Kanton) und zum Gesamtstaat
wurde im Bundesstaat Österreich demokratisch vereinheitlicht. Durch die
Hauptwohnsitzregelung wurden das alte Heimatrecht und die
Landesbürgerschaft offenbar endgültig auf eine allgemeine
Wohnsitzbürgerschaft reduziert. Die demokratischen Bindungen des
Staatsbürgers an die Gebietskörperschaften der Gemeinden und
Bundesländer bestehen zwar grundsätzlich weiter. Das Kriterium der
Zugehörigkeit zu einer demokratischen Gebietskörperschaft ist aber nur
noch der qualifizierte Hauptwohnsitz und nicht mehr die frühere dreifache
Mitgliedschaft zu einer Gemeinde, zu einem Bundesland und zum Bund als
Gebietskörperschaften. Der Staatsbürger kann - wie jedermann - den
Hauptwohnsitz zwar frei wählen, er muß sich aber als politischer
Bürger für einen bestimmten Ort in einer Gemeinde in einem bestimmten
Bundesland entscheiden.[90]
In diesem Sinn ist die Existenz des Menschen, ist alles
rechtliche Verhalten, sogar sein rechtliches Untätigbleiben, innerhalb der
mehrschichtigen Gebietsnetze und gegenüber den hierarchischen
Organisationsstrukturen des Staates öffentlich-rechtlich und
privatrechtlich raumgebunden. Der Ort des dauernden Hauptwohnsitzes in einer
Gemeinde überragt für den Einzelnen als Adressaten des Rechtes alle
Orte seines Aufenthaltes und seines zeitweiligen örtlichen Verhaltens an
rechtlicher Bedeutung. Dort ist er polizeilich gemeldet und dort erhält er
amtliche Zustellungen. Als Eigentümer einer Liegenschaft, als Mieter eines
abgegrenzten Wohnraums, als beruflich Erwerbstätiger, als Inhaber einer
rechtlichen Beriebsstätte ist der Einzelne gemäß seinem
Hauptwohnsitz auch ein rechtlich verpflichteter Steuerzahler. Von seinem
Hauptwohnsitz aus beansprucht er besondere staatliche Handlungskompetenzen, etwa
die Ausstellung eines Reisepasses oder eines Staatsbürgerschaftsnachweises.
Vom Hauptwohnsitz aus begründet und beendet er Rechte und Pflichten,
Rechtsverhältnisse und Rechtszustände in den äußeren
Rahmenbedingungen seiner raumrechtlich qualifiziert gewährleisteten
Freiheiten, rechtlich eingeschränkt durch unzählige Aufgaben des
Staates.
Auch im demokratischen freiheitlichen Staat ist der Einzelne
an den rechtlichen Hauptwohnsitz gebunden, mag er auch über zahlreiche
verfassungsgesetzlich gewährleistete raumrechtliche Freiheiten
verfügen. Als demokratischer Bürger benötigt er von Rechts wegen
den Hauptwohnsitz als maßgeblichen und dauerhaften rechtlichen
Bezugspunkt, um von diesem aus am politischen Geschehen des Staates teilnehmen
zu können. In diesem Sinn kann der demokratische Bürger auch im
europäischen Großraumstaat nur beschränkt frei sein. Seine
Freizügigkeit ist zwar europaweit größer, durch die Zunahme der
bürokratischen Rechtssetzung aus dem Bereich der EU werden seine rechtliche
Bindungen aber umfangreicher und enger.
4. Amtssitz und Amtssprengel behördlicher Staatsorgane
Im Hinblick auf den an einem bestimmten rechtlichen Ort
rechtlich seßhaften oder bloß rechtlich handelnden Menschen gibt es
ortsgebunden auf Dauer eingerichtete Ämter und Dienststellen für
behördliche Organe des Staates. Diese nehmen von ihren ortsgebundenen
Amtssitzen aus, gemäß den Rechtsvorschriften und nach räumlich
begrenzten Aufgabenbereichen, vielfältige Staatsaufgaben wahr. Die
behördlichen Organe des Staates haben einen festen Amtssitz an einem
bestimmten Ort. Ihre sach- und gebietsbezogenen Aufgaben erstrecken sich
als örtliche Zuständigkeiten oder Handlungsbefugnisse vom Ort
des Amtssitzes aus auf ihren durch Grenzen umfaßten
Amtssprengel. Amtssitz und Amtssprengel haben rechtliche Namen. Die
namensgebundenen Amtssprengel fungieren als räumliche
Zuständigkeitsbereiche amtssitzgebunden handelnder Organe. Das ganze
Staatsgebiet ist durch seine mehrschichtigen Gebietsnetze in Amtssprengel von
unterschiedlicher rechtlicher Bedeutung gegliedert. Die Amtssprengel decken sich
mit den staatsorganisatorischen Gebietsnetzen; zunächst einer Gemeinde oder
eines Bezirkes (Kreises), sodann eines Landes (Kantons oder einer Provinz) und
schließlich des Gesamtstaates.
Die amtssitzgebundenen örtlichen Organe der Gemeinden und
Bezirke handeln amtssprengelbezogen in erster Instanz. Ihnen sind auf
Landesebene Organe zweiter oder dritter Instanz amtssitzgebunden und
amtssprengelmäßig hierarchisch übergeordnet: den Gemeindeorganen
die Bezirksorgane (Kreisorgane), den Bezirksorganen die Landesorgane
(Provinzorgane). Die Spitze der hierarchischen Organisationsstrukturen bilden
die obersten Organe als Gesamtstaatsorgane: das Parlament, die Regierung, die
Höchstgerichte, der Rechnungshof und das Staatsoberhaupt. Sie haben ihren
Amtssitz in der Hauptstadt des Staates; ihr Amtssprengel umfaßt das
gesamte Staatsgebiet als räumlicher Zuständigkeitsbereich.
Staatliche Ämter sind gemäß den Schichten der
staatsorganisatorischen Gebietsnetze hierarchisch-instanzenmäßig
eingerichtet. Sie sind nach Gesichtspunkten der Arbeitsteilung und der
Gewaltenteilung zur Setzung von Staatsakten unterschiedlich räumlich
zuständig und über hierarchische Organisationsstrukturen
aufgabenmäßig und räumlich zu Funktionseinheiten miteinander
verbunden. Dabei kommt den erstinstanzlichen Organen der Gemeinden und der
Bezirke (Kreise) für die in ihren Amtssprengeln rechtlich an den
Hauptwohnsitz gebundenen Menschen eine vorherrschende Bedeutung zu. Die
Wirksamkeit des Rechtes liegt begreiflicherweise in den untersten Amtssprengeln.
Vor allem der an seinen Wohnsitz gebundene Einzelne ist als Adressat des Rechtes
den Amtssitzen der amtssprengelmäßig zuständigen
erstinstanzlichen Staatsorgane unmittelbar zugeordnet; primär durch seinen
rechtlich qualifizierten Hauptwohnsitz, sekundär durch den Berufsort und
durch einen zeitweiligen Wohnsitz, letztlich aber überhaupt durch jeden Ort
seines rechtlichen Verhaltens (der Rechtsgeschäfte, der Rechtshandlungen,
der Straftaten).
Die wohnsitzgebunden handelnden Einzelnen und die
amtssitzgebunden handelnden Organe sind durch eine Vielfalt von rechtlichen
Regelungen räumlich aneinander gebunden. Gemäß seinem
Hauptwohnsitz erscheint der Einzelne rechtlich vor dem
amtssprengelmäßig zuständigen Gericht oder vor der
amtssprengelmäßig zuständigen Verwaltungsbehörde am Ort des
Amtssitzes. Er setzt vor den im Hinblick auf seinen Hauptwohnsitz oder
Handlungsort örtlich, sachlich und instanzenmäßig
zuständigen Organen zur Amtszeit rechtsverbindliche Handlungen.
Geschäftsort, Berufsort und allgemeiner rechtlicher Handlungsort, Ort des
Rechtsgeschäftes, der Straftat u.a. sind durch die Materiengesetze und
Verfahrensordnungen des Staates nach dem Ort des Amtssitzes verschiedenen
amtssprengelmäßig zuständigen Behörden zugeordnet. Amtssitz
und Amtssprengel staatlicher Organe bilden durch ihre gebietsmäßigen
Begrenzungen mit dem Wohnsitz und mit dem Handlungsort des Einzelnen
raum-rechtliche Handlungseinheiten. Rechtliche Verhaltensweisen von Einzelnen,
die an einem Ort innerhalb eines bestimmten Amtssprengels gesetzt werden, sind
durch die gebietsmäßig und hierarchisch mehrschichtig angelegten
Tätigkeitsbereiche staatlicher Behörden als Amtssprengel örtlich
und gebietsmäßig unterschiedlich an das Gebiet des Staates gebunden.
Das ergibt sich aus materiell-rechtlichen Regelungen, aus allgemeinen
Zuständigkeitsvorschriften und schließlich aus unzähligen
Vollzugsklauseln der Verfahrensgesetze und der Materiengesetze, die
örtliche und instanzenmäßige Zuständigkeiten von
amtssitzgebundenen Organen begründen oder auf solche verweisen.
5. Rechtsbefolgung und Rechtsanwendung im rechtlichen Raum
Die Angehörigen der Rechtsgemeinschaft des Staates sind
unmittelbare und mittelbare Adressaten des Rechtes. Gemäß den
Sinngehalten der Vorschriften setzen sie Akte der Rechtsbefolgung in den
Bereichen des Privatrechtes und des öffentlichen Rechtes unmittelbar auf
Grund der Gesetze. Die vielfältigen Handlungen der Rechtsbefolgung werden
im Rahmen der räumlichen Verbindlichkeit von Gesetzen örtlich gesetzt.
Sie sind gemäß ihrer Eigenart und Bedeutung durch rechtliche Orte und
Wege mit den Gebietsnetzen und hierarchischen Organisationsstrukturen des
Staates raumrechtlich verbunden. Das ortsgebundene Handeln der Einzelnen als
örtliche Rechtsbefolgung korrespondiert den ortsgebundenen Rechtsakten
staatlicher Organe aufgrund von Gesetzen. Die Organe des Staates sind teils
mittelbare, teils unmittelbare Adressaten des Gesetzesrechtes. Sie setzen
gegenüber dem Einzelnen als Adressaten des Rechtes ortsgebundene Akte der
Rechtsanwendung.[91]
In den staatsorganisatorischen Gebietsnetzen werden die Organe
des Staates zur Erfüllung ihrer Aufgaben in hierarchischen und
instanzenmäßigen Organisationsstrukturen entweder
verfahrensmäßig förmlich oder informell rechtlich tätig.
Von den örtlichen Amtssitzen aus und innerhalb der räumlich begrenzten
Amtssprengel wenden kompetenzmäßig handelnde staatliche Organe als
Adressaten des Rechtes, gemäß dem Organisationsrecht sowie
gemäß den Vorschriften des materiellen Rechtes und des
Verfahrensrechtes, gegenüber den ortsgebunden handelnden Menschen als
Adressaten des Rechtes durch Akte hoheitlicher Herrschaftsgewalt das Recht
räumlich differenziert an. Sie verschaffen den generell-abstrakten
räumlichen Geltungs- und Verbindlichkeitsbereichen von Gesetzen ihre
individuell-konkrete örtliche Wirksamkeit. Innerhalb der mehrschichtigen
und vielfältigen Gebietsnetze vollziehen Organe der
Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungskörper in hierarchischen
Organisationsstrukturen die Gesetze des Staates gegenüber dem Einzelnen
räumlich differenziert, entweder von amtswegen oder auf Antrag.
Die materiellrechtlichen, organisationsrechtlichen und
verfahrensrechtlichen Vorschriften eines Staates haben für die
Rechtsanwendung und für die Rechtsbefolgung die Raumtypen rechtlicher Orte,
rechtlicher Wege und rechtlicher Gebiete zum sinn- und zweckhaften Bezug. Das
Recht verbindet über rechtliche Orte, Wege und Gebiete aufeinander bezogene
rechtliche Verhaltensweisen der Einzelnen und der Staatsorgane als seine
Adressaten zu raumgebundenen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen
Rechtsverhältnissen und Rechtszuständen.
Analoges gilt für Orte, Gebiete und Wege der Meere, des
Luftraums und des Weltraums, deren rechtliche Gewährleistung letztlich bei
den mehrschichtig gebietsmäßig vernetzten hierarchischen
Organisationsstrukturen staatlicher Herrschafts- und Hoheitsgewalt liegt. Die
rechtlichen Orte, die rechtlichen Wege und die rechtlichen Gebiete (Räume)
haben aber auf den Meeren, im Luftraum und im Weltraum für die in
Rechtsbefolgung handelnden Einzelnen und für die in Rechtsanwendung
handelnden behördlichen Organe des Staates naturgemäß eine
andere rechtliche Bedeutung als auf dem festen Boden der Erde.
Der Mensch unserer Zeit wohnt also nicht nur tatsächlich
an einem bestimmten rechtlichen Ort und handelt nicht bloß
tatsächlich in einem begrenzten rechtlichen Gebiet. Er wohnt und handelt
als schlichter Adressat des Rechtes und als Bürger von seinem Wohnsitz
(Berufsort) aus durch Rechtsbefolgung. Staatliche Organe setzen als
rechtlich qualifizierte Adressaten des Rechtes von ihren Amtssitzen aus
innerhalb der mehrschichtigen Gebietsnetze und hierarchischen
Organisationsstrukturen Akte der Rechtsanwendung. Handlungsort des
Einzelnen und Amtsort staatlicher Organe sind durch das rechtliche Tun und
Lassen beider Arten von Adressaten des Rechtes durch mehrschichtige Gebietsnetze
und hierarchische Organisationsstrukturen rechtlich miteinander verbunden. Die
parzellenmäßige Einteilung und die eigentumsförmige Aufteilung
des Bodens, die staatsaufgabengemäßen Raumwidmungen und die
rechtlichen Orts- und Wegenetze sind wesentliche räumliche
Bestimmungsgründe für Reichweite und Grenzen des rechtlichen
Verhaltens beider.
6. Staatsgrenzen und Gemeinschaftsaufgaben
Die zahlreichen Gemeinschaftsaufgaben der Staaten,
insbesondere in den modernen Rahmenbedingungen der Wirtschaft, des
Umweltschutzes und der Raumplanung, einschließlich des Natur- und
Landschaftsschutzes, haben für ihr Funktionieren die mehrschichtigen
Gebietsnetze der grenzenumschlossenen Staaten und die an diese gebundenen
hierarchischen Organisationsstrukturen zur notwendigen Voraussetzung.
Aus den Gebietsnetzen der Staaten erstrecken sich neue und
alte Gemeinschaftsaufgaben zunehmend über die Staatsgrenzen hinaus, auf
zwischenstaatliche Regionen, auf Staatenverbindungen und von diesen über
Meere und Lufträume in die durch vernetzte Staatsgebiete gegliederten
Kontinente der Erde.
In funktioneller und organisatorischer Verbindung der
vielfältigen rechtlichen Gebietsnetze und hierarchischen
Organisationsstrukturen werden unzählige Organe der Staaten zur Besorgung
von Gemeinschaftsaufgaben auch gemäß dem Völkerrecht tätig.
Die Gebiete der Staaten sind durch rechtliche Grenzen zwar noch immer
räumlich begrenzte Einheiten, sie sind durch diese Grenzen heute aber
ungleich mehr miteinander verbunden als voneinander getrennt. Vor allem die
europäischen Staaten öffnen ihre Grenzen mehr und mehr zueinander und
in den Großraum der Europäischen Union; einzeln für sich und als
Staatengemeinschaft auch in den globalen Raum der rechtlichen Weltgemeinschaft.
Rechtliche Gebiete werden über rechtliche Orte und rechtliche Wege durch
das rechtserhebliche Handeln der Staaten und der Einzelnen zu weltweiten
rechtlichen Funktionsnetzen miteinander verbunden. Die Staaten erscheinen nun
auch nach außen als nachbarrechtlich und gemeinschaftsrechtlich
miteinander verbundene überregionale Verbandseinheiten, die durch Grenzen
zwar voneinander abgegrenzt aber auch miteinander verbunden sind.
Innerhalb der zur Besorgung der Staatsaufgaben
nachbarschaftlich und gemeinschaftlich miteinander verbundenen Gebietsnetze der
Staaten befolgt der Mensch von heute auch das Recht internationaler
Organisationen, der EU und der Völkergemeinschaft, wenden staatliche und
zwischenstaatliche Organe staatliches Recht auch gemäß den
völkerrechtlichen Übereinkommen und nach den Prinzipien materieller
Reziprozität in einer zunehmenden globalen Öffnung an. Die
europäischen Staaten werden mit ihren mehrschichtigen Gebietsnetzen
aufgrund von internationalen Sinn- und Zweckvorgaben zunehmend zum territorialen
Unterbau der mehrgestaltigen überregionalen Föderation der
Europäischen Union und in ihrer Gesamtheit zu einer großräumigen
völkerrechtlichen Herrschaftsregion innerhalb der Staatengemeinschaft unter
der Organisation der Vereinten Nationen.
Mit der zunehmenden völkerrechtlichen Öffnung der
staatlichen Gebietsnetze und der an diese gebundenen hierarchischen
Organisationsstrukturen zu regionalen Gemeinschaften von Staaten und durch diese
zur Weltgemeinschaft der Staaten wird auch der einzelne Mensch in seinem
Verhalten mehr und mehr zum unmittelbaren Adressaten des europäischen und
des internationalen Rechtes. Das gilt besonders auf den Sachgebieten der
Wirtschaft, der Raumordnung und des Umweltschutzes. Die funktionelle Erstreckung
der Verbindlichkeit der Rechtsordnungen der Staaten in Nachbarstaaten, in
überregionale Staatengemeinschaften und in die Weltgemeinschaft fand schon
bisher ihre rechtlichen Ansätze in den traditionellen "internationalen"
Rechtsgebieten. Das Internationale Privatrecht und das internationale
öffentliche Recht erfahren gemäß dem Anwachsen
staatsgrenzenüberschreitender Rechtsbeziehungen eine verstärkte
Einbeziehung in die staatlichen Rechtsordnungen. Durch rechtliches Handeln
Privater außerhalb ihres Heimatstaates werden nun vor allem
wirtschaftliche Rechtsbereiche anderer Staaten in die nationalen Rechtsordnungen
erstreckt (internationalisiert):
Die differenzierten räumlichen
Geltungs- Verbindlichkeits- und Wirksamkeitsbereiche der staatlichen
Rechtsordnungen sind seit langem aber auch durch zwischenstaatliche Rechtshilfe-
und Auslieferungsabkommen funktionell über die Staatsgrenzen hinaus
erstreckt. Internationale Übereinkommen und universelles
Völkervertragsrecht verbanden schon bisher neben dem internationalen
Privatvertragsrecht und neben dem internationalen Verwaltungsrecht etwa seit dem
Ende des vergangenen Jahrhunderts die Staaten der ganzen Welt zunehmend
funktionell miteinander. Die Internationale Meridian-Convention, die
Internationale Meter-Convention, das Eisenbahnverkehrsübereinkommen, der
Weltpostvertrag, die Weltwirtschaftsübereinkommen im Rahmen der WTO etc.
sind Beispiele dafür. Nun aber öffnen die Staaten ihre Grenzen
zueinander auch direkt. Es gibt bereits staatliche und völkerrechtliche
Handlungsermächtigungen an Exekutivorgane von Nachbarstaaten (Abkommen von
Schengen) sowie die Delegation von Handlungsbefugnissen an Organe
internationaler Organisationen (Art 9 Abs 2[92]
und Art 23 f Abs 2 B-VG, Abkommen von Amsterdam, Abkommen über
Europol).
Die vielfachen Gebietsnetze und hierarchischen
Organisationsstrukturen der europäischen Staaten, vernetzt durch rechtliche
Wege von einem rechtlichen Ort zum anderen, aus einem rechtlichen Gebiet in das
andere, stehen zwar noch immer unter der gebietskörperschaftlichen Hoheit
von Staaten, sie werden heute aber bereits durch überregional und
international sich ausweitende rechtliche, politische und wirtschaftliche
Organisationen in Dienst genommen. Die aneinander anschließenden und
einander schichtenmäßig überlagernden staatsorganisatorischen
und vielfältigen materiengebundenen Gebietsnetze werden mit den
hierarchischen Organisationsstrukturen der Staaten im Trend zur
"Globalisierung", über die Grenzen der Staaten hinweg nach Europa und
gegenüber der ganzen Welt, vor allem den wirtschaftlichen Verhaltensweisen
von privatrechtlichen Organisationseinheiten organisatorisch und funktionell
geöffnet. Im staatsgrenzenüberschreitenden Verkehr, im Handel und in
der Wirtschaft zeichnen sich neue Formen staatsgrenzenüberschreitender
Gebietsnetze ab. Diese Tendenzen werden durch weltweite Privatisierungen
staatlicher Wirtschaftsunternehmen und durch die zunehmende Verlagerung von
Staatsaufgaben aus dem gemeinwirtschaftlichen in den erwerbswirtschaftlichen
Bereich quantitativ und qualitativ erheblich verstärkt. Das zeigt sich in
den globalen Ausweitungen der großen Industriekonzerne, der Handelsketten,
der Versicherungsunternehmen und der Großbanken. Internationale "Giganten"
der Industrie, des Handels, der Banken und der Versicherungen sind durch ihre
konzernhaft angelegten hierarchischen Herrschaftsstrukturen und durch die
großen Zahlen der von ihnen betriebsabhängigen Mitarbeiter bereits
Konkurrenten der Staaten. Sie bilden neben den staatlichen Gebietsnetzen und
Organisationsstrukturen staatsgrenzenüberschreitende Gebietsnetze und
Herrschaftsstrukturen besonderer Art. Sie sind immer weniger auf rechtliche
Garantien durch einzelne Staaten angewiesen. Auf der Grundlage der
Vertragsfreiheit des Privatrechtes genießen sie eine transnationale
Autonomie. Kraft dieser Autonomie bestimmen sie über die Orte ihrer
Investitionen, über Schwerpunkte ihrer Produktion, über
Beschäftigung und Freisetzung von Arbeitnehmern nach reinen Gewinnkriterien
und ohne Verpflichtung gegenüber dem Einzelnen und gegenüber
Gemeinschaftsinteressen der Staaten. Sie tragen ihre Streitigkeiten über
eigene internationale Schiedsgerichte aus. Ihnen stehen unternehmensgleiche
internationale Anwaltsgemeinschaften zur Seite. Massenmedien und
Kommunikationsmittel sorgen für ein positives Image.
Die Staatsbanken werden als nationale Währungshüter
durch globale Wirtschaftsverflechtungen von Industriekonzernen und
transnationale Bankenimperien in ihrer Bedeutung zurückgedrängt. Die
Kontrolle über das internationale Wirtschafts- und Währungswesen
erfolgt zunehmend über die aleatorischen Aktionen und Finanzspekulationen
der Eigentümer von Wertpapieren in den großen Börsen der Welt.
Angesichts dessen erscheint das junge föderale Jus Europaeum
friedlicher Völkerverständigung und Staatenvereinbarungen in seiner
Bedeutung für die anhaltende Verfestigung des europäischen
Großraumes zu einer neuen Staatlichkeit vorderhand relativiert.
Staatsgrenzenüberschreitende Rechtsbeziehungen zwischen
weltweit wirkenden Wirtschaftskonzernen fordern den Staaten eine zunehmende
internationale Dienfunktion ab. Über das örtliche und regionale
Nachbarrecht hinaus entwickelt sich neben den die Staatsgrenzen
überschreitenden Gemeinschaftsaufgaben nun ein besonderes europäisches
und internationales Wirtschaftsrecht, das wegen seiner Grundlegung in der
Privatautonomie zu den Anliegen des Umweltschutzes und der öffentlichen
Raumordnung der staatlichen und internationalen Gemeinschaften in einem
wachsenden Spannungsverhältnis steht. Infolge demokratischer
Handlungsschwächen von Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft
erlangen Aktionen der Greenpeace-Bewegung eine zunehmende Bedeutung
(Demonstrationen gegen Erdölbohrungen auf dem Festlandsockel, gegen
Atom-Abfalltransporte und gegen Atomabfall-Lagerungen auf Hoher See, gegen
Atomkraftwerke etc).
Staaten tendieren in unserer Zeit zu regionalen und
kontinentalen politischen Unionen (Europas, Nordamerikas, Lateinamerikas,
Afrikas und vielleicht auch Asiens). Sie werden mehr und mehr aber auch
wirtschaftlich miteinander verbunden (WTO). Im Dienst an der Weltwirtschaft
wirken sie auch als Garanten der Stabilität der führenden
Währungen der Welt. Der Großmachtverband des Gipfels der Sieben (in
ferner Zukunft vielleicht unter Hinzufügung Europas, Rußlands und
Chinas?) bildet ein gebietsmäßig strukturiertes,
wirtschaftspolitisches Weltmachtgefüge, das in regelmäßigen und
spontanen wirtschaftspolitischen Weltgipfel-Gesprächen wirtschaftslenkende
Impulse setzt.
Die Welt besteht zwar noch immer aus Territorialstaaten mit
vergleichbar vielgestaltigen und mehrschichtigen Gebietsnetzen und
instanzenmäßig angelegten hierarchischen Organisationsstrukturen. Die
einstmals durch ihre Grenzen gebietsmäßig gegeneinander
abgeschlossenen und militärisch gegeneinander geschützten Staaten
werden nun aber auf friedliche Weise wirtschaftlich mehr und mehr zueinander
geöffnet. Durch die modernen Mittel der Telekommunikation sind
staatsorganisatorische und funktionelle Gebietsnetze mit den an sie gebundenen
hierarchischen Organisationsstrukturen zeitlich und räumlich einander
derart näher gerückt, daß die Staaten mit ihren Gebietsnetzen
und mit den an diese gebundenen bürokratischen Organisationsstrukturen
übergeordnete organisatorische Großraumgefügen hervorzubringen
begonnen haben.
Koloniale und imperiale Landnahmen mit militärischen
Mitteln zur Bildung von
Großraum-Herrschaften[93] sind seit dem
II. Weltkrieg durch moderne Formen von politischen Bündnissen und
wirtschaftlichen Hegemonien abgelöst worden. Die militärische
Neutralität von Staaten hat in jüngerer Zeit nicht nur innerhalb von
Europa, sondern weltweit ihren ursprünglichen Sinn verloren. Die modernen
politischen Spannungsfelder haben von Westen nach Osten und von Norden nach
Süden globale Dimensionen erreicht. Mächtige Wirtschaftskonzerne
bringen computergesteuert neue wirtschaftliche Gebietsnetze und damit auch neue
Herrschaftsräume zur Entstehung. Den modernen wirtschaftlichen und
politischen Herrschaftsstrukturen sind die staatlichen Gebietsnetze zwar
dienlich, staatliche Gebietsgrenzen stehen aber ihrer expansiven
privatrechtlichen Autonomie organisatorisch und funktionell wenig wirksam
entgegen. Die transnationalen Wirtschaftskonzerne liegen infolge ihrer
privatrechtlichen Autonomie jenseits der Reichweite demokratischer
Kontrollmöglichkeiten einzelner Staaten. Ihre Ordnungsprinzipien ergeben
sich aus den Sachgesetzlichkeiten der gewinnstrebenden, wachstumsorientierten
und wettbewerbsoffenen Wirtschaft, durch die nicht nur der rechtlich freie
Mensch, sondern auch souveräne Staaten in die Pflicht genommen werden.
Die Veränderung räumlicher Realfaktoren
Die Raumtypen des rechtlichen Ortes, des rechtlichen Weges und
des rechtlichen Gebietes unterliegen für die Menschen als Adressaten des
Rechtes seit geraumer Zeit einem Bedeutungswandel. Grund dafür ist
einerseits die Zunahme der Weltbevölkerung und andererseits der Fortschritt
der Technik. Die zivilisatorischen Änderungen in den Lebensbedingungen des
Menschen infolge des technischen Fortschritts und die Vermassung der
Bevölkerung in bestimmten Gebieten der Welt sind von einschneidender
Bedeutung für das raumrechtliche Verhalten; nicht nur der Einzelnen,
sondern auch der Staaten und der wirtschaftlichen Weltkonzerne. Raumordnung und
Umweltschutz sind bereits zu einer globalen Herausforderung geworden. Die
Fortschritte der Technik und die Vermehrung der Bevölkerung haben
gleichermaßen ihren Anteil daran.
Stadt und Land sind unterschiedlich bevölkert. Die
Weltbevölkerung ist im 20. Jahrhundert auf sechs Milliarden angewachsen. In
vielen Staaten ist wegen der Dichte der Bevölkerung in den
Siedlungsgebieten der Wohnraum knapp geworden. Die Menschen leben weltweit in
städtischen und regionalen Ballungszentren zunehmend enger zusammen. Ganze
Landstriche sind entlang von hochfrequentierten Fernstraßen und
Eisenbahnlinien dicht besiedelt, verhüttelt und verstädtert;
wie etwa das Inntal in Tirol, das Rheintal in Nordrhein-Westfalen oder die Ebene
zwischen Osaka und Kyoto in Japan. Die Räume der Großstädte
werden immer enger und dichter mit riesigen Raumkörpern von
Hochhäusern bebaut (New York, Chicago, Tokyo, Hongkong, Shanghai). Der
Erdboden ist nicht nur in den Ballungszentren der modernen Großstädte
eng geworden - wie etwa in Hongkong, Tokyo, Shanghai, Buenos Aires, New York,
Paris, Rom und Berlin - sondern auch in dicht besiedelten Landbereichen - wie
etwa in Belgien und auf Taiwan. Die Autobahnen der Industriestaaten sind mehr
und mehr überfüllt. Der Luftraum und die Meere zeigen bereits
Alarmsignale von Überbelastung und Umweltverschmutzung durch Verkehr und
Industrie. Nur noch Wüsten, Steppen, Tundren, Hochgebirge und die
Polargebiete sind ähnlich menschenleer wie vor Jahrtausenden weite Gebiete
der Sammler, der Hirten und der Jäger. Dort ist der Raum für das Recht
unproblematisch. Dort gibt es viel Raum und wenig Menschen, dort ist die Umwelt
noch naturbelassen.
Andererseits hat die Öffnung der staatlichen Gebietsnetze
und hierarchischen Organisationsstrukturen zueinander durch das internationale
Funktionsrecht mit Hilfe der Technik unvorstellbar zugenommen. Die Entwicklung
zur Globalisierung verstärkt sich in letzter Zeit mit zunehmender
Beschleunigung. Die Schaffung von Computernetzen und -wegen in Gebäuden
(der Intranets), ihre Ausweitung über Ortsbereiche auf Landesbereiche,
Regionen und Kontinente, weltweit über den Internetverbund im
Cyberspace[94], tragen wesentlich zu dieser
Entwicklung bei. Engmaschige Netze der drahtlosen Kommunikationsmittel
umschließen die ganze Welt. Weit voneinander entfernte Räume
rücken durch die Schnelligkeit der modernen Kommunikation zeitlich
näher zusammen. Rechtliche Kommunikationswege sind zunehmend weniger
körperlich zu bewältigende Verkehrswege. Sie werden mehr und mehr
durch den Telegraphen, durch das Telephon und durch den Computer
ersetzt.[95] Die
Nachrichtenübermittlung benötigt kaum noch Wegzeit, weil sie durch
Mittel der Telekommunikation über Satelliten im Weltraum (im
Cyberspace)[96] auf größte
Entfernungen nahezu ohne Zeitverlust erfolgt. Bereits heute erspart die moderne
Kommunikationstechnik der Bild- und Tonübermittlung dem Menschen viele
seiner körperlichen Wanderungen über Bodenwege, Seewege und Luftwege,
die mit einem enormen Zeitaufwand verbunden wären. Von einem rechtlichen
Ort zum anderen, von einem rechtlichen Gebiet in das andere, über
rechtliche Wege der Schiffahrt und des Luftverkehrs, kann der Mensch über
die modernen Kommunikationsmittel, insbesondere über das Internet und mit
Hilfe der Satellitensender im Cyberspace ohne großen Zeitaufwand weltweit
rechtlich verbindliche Verhaltensweisen setzen. Die Räume auf der Welt sind
in vieler Hinsicht enger und die Entfernungen sind zeitlich kürzer und
teilweise sogar unerheblich geworden.
Rudolf v. Jhering hat die zukunftsträchtige Bedeutung der
Kommunikationsmittel des Zeitalters der Technik für den Raumfaktor im Recht
schon vor mehr als hundert Jahren trefflich charakterisiert:
"Welche Bedeutung das Problem der Überwindung des Raums
für die Geschichte der Erfindungen, des Handels ja für die
Culturgeschichte überhaupt hat, und was der menschliche Erfindungsgeist auf
diesem Gebiet geleistet hat, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt dürfte
sein, daß und wie auch das Recht sich mit demselben Problem hat
abmühen müssen. Die Schwierigkeiten, mit denen das Recht zu ringen
hatte, lagen nicht in der Außenwelt, der Natur, sondern im Menschen
selbst, aber sie waren darum nicht minder groß, und es hat nicht weniger
Zeit und Anstrengung gekostet, sie zu bewältigen als diejenigen, welche die
Mechanik und die Naturwissenschaften zu überwinden hatten. Der Abstand
zwischen dem Einst und Jetzt, dessen letztere sich rühmen können,
wiederholt sich auch für das Recht - wer das heutige mit dem
altrömischen vergleicht, wird ihn kaum weniger erheblich nennen, als den
zwischen dem Eisenbahn und Telegraphenwesen der heutigen Zeit und dem
Schneckengang der Posten und Fuhrwerke in der Vergangenheit.
Was ist für unser heutiges Recht die Entfernung, und was
war sie einst! Einst ein absolutes Hinderniß für die Vornahme eines
jeden Rechtsgeschäfts, ist sie heutzutage für den Verkehr
rechtlich[97] fast ohne allen Einfluß.
Contracte schließen, Besitz und Eigenthum erwerben und übertragen,
Prozesse führen u.s.w., alles das kann man von jeder beliebigen Entfernung
aus - Stellvertreter und Briefe ersparen uns die Mühe des eigenen
Erscheinens. Ein alter Römer würde sich vielleicht nicht weniger
darüber wundern, was man heutzutage mit Papier und Dinte, als was man mit
Dampf und Electrizität ausrichtet. Papier und Dinte vertreten bei uns nicht
bloß die Person, sondern auch die Sache, wenigstens die wichtigste
derselben: das Geld. Wechsel, Anweisungen, Banknoten, Papiergeld machen es
unserem heutigen Verkehr möglich, das Gewicht einer Million auf wenige
Lothe zu reduzieren; gegenüber den Summen, die täglich in dieser
luftigen und duftigen Gestalt den Raum durcheilen, verschwindet die Masse des
versandten Metallgeldes fast in nichts. Das Gemeinsame unseres gesamten heutigen
Systems der Raumüberwindung im Gegensatz zu dem früherer historischer
Epochen besteht in der Ersetzung lebendiger Kräfte durch mechanische. Die
Locomotive hat das Lastthier, der Telegraph den Boten, die Feder den Menschen
ersetzt - Dampf, Electricität und Dinte sind die völlig
unentbehrlichen Vermittler des heutigen Verkehrswesens geworden."
[98]
Die Entwicklung zivilisatorischer und technischer
Errungenschaften hat die Lebensbedingungen und die Verhaltensweisen der Menschen
intensiviert, die physischen Wege entweder überflüssig gemacht oder
zeitlich verkürzt und die Gebietsgrenzen der Staaten überbrückt.
Lange Wege sind infolge moderner Verkehrs- und Kommunikationsmittel zeitlich zu
kurzen Strecken geworden. Der moderne Mensch ist wegen des unaufhaltsamen
Fortschritts der Technik auf eine neue Weise seßhaft geworden. Er bekommt
vieles in sein Haus geliefert, wofür man einstens weite Wege zeitaufwendig
beschreiten mußte. Sogar der Weltraum ist durch das Fernsehen dem
Wohnsitzbürger nahe gerückt (gleichsam ins Haus gebracht).
Abenteuerlust, Weltraumeroberungsdrang und Entdeckerneugierde finden für
eine Vielzahl von Menschen innerhalb ihrer vier Wände vor den Bildschirmen
der Fernsehgeräte und der Computer ihre Erfüllung.
Den heutigen Menschen drängt aber auch eine zunehmende
Reiselust mehr als je zuvor über große Distanzen zur Wanderschaft in
die weite Welt. Neben den Reiselustigen, den Politikern, den Diplomaten und den
Wirtschaftsmanagern ist anscheinend nur noch den Wirtschaftsflüchtlingen
und den Opfern politischer Verfolgung kein Weg zu weit, um größte
Entfernungen räumlich zu überwinden. Im Lauf des letzten Jahrhunderts
nahmen mit dem Fortschritt der Technik Reichweite und Geschwindigkeit der
Beweglichkeit des Menschen nahezu unvorstellbar zu. Die Entfernungen wurden nach
Maßgabe zunehmender Geschwindigkeit wesentlich kürzer. Der Mensch
kann sich rascher bewegen; er kann mit Hilfe der Technik schneller fahren, er
kann höher und weiter fliegen als je zuvor. Durch die Verkürzung der
Zeit für die Überwindung von Entfernungen sind entlegene Orte und
Gebiete dem Menschen nähergerückt. Trotz größerer
Beweglichkeit, trotz schneller werdender und zunehmend weiter reichender
Bewegungsmittel, trotz Verkürzung von Entfernungen durch Zeitgewinn kann
der Mensch aber der Erde nicht entrinnen. Letztlich muß er immer wieder an
den Ort seiner Seßhaftigkeit zurückkehren. Er ist in seiner Existenz
nach wie vor an den Boden der Erde gebunden. Er ist noch immer ein
natürliches Zubehör des Erdbodens. Er lebt in
größerer wirtschaftlicher Abhängigkeit von neuen Kollektiven,
die nur ihrem Eigennutz und nicht der sozialen Wohlfahrt der Allgemeinheit
verpflichtet sind. Der Mensch von heute unterscheidet sich daher trotz seiner
größeren Beweglichkeit und trotz staatsrechtlicher und
europarechtlicher Garantien von Grundfreiheiten und Menschenrechten nur
vordergründig von der Bodengebundenheit und von der rechtlichen
Unterworfenheit seiner Urväter unter übermächtige
Herrschaftsstrukturen und Kollektive.
V. Der Raum in der
Rechtswissenschaft
1. Eine Bestandsaufnahme
Der Raum bietet sich durch das Recht und im Recht - gleich der
Zeit - gemäß den Sinngehalten generell-abstrakter Vorschriften, vor
allem des Staatsrechtes und des Völkerrechtes nach unterschiedlichen
Zweckbindungen differenziert dar. Der Raum wird durch unzählige
staatsrechtliche und völkerrechtliche Vorschriften in einer schier
unübersehbaren Vielfalt rechtlich erfaßt; vorwiegend als Ort, als Weg
und als Gebiet. In vielen Sinngehalten der Vorschriften des Rechtes ist der Raum
als rechtlicher Ort, als rechtlicher Weg und als rechtliches Gebiet entweder
selbst ein differenzierter rechtlicher Gegenstand oder bloß ein
verbindlicher Anknüpfungspunkt materiellrechtlicher, verfahrensrechtlicher
und organisationsrechtlicher Regelungen. Die generell-abstrakten Sinngehalte der
Rechtsvorschriften erfassen die Raumphänomene nicht nur explizit sondern -
gleich jenen der Zeit - durch unzählige sachgebundene Zweckhaftigkeiten
rechtlicher Regelungen vielfach auch implizit und indirekt, unbestimmt und
abstrakt; entweder allgemein oder spezifisch, punktuell oder linear erstreckt,
flächenhaft und körperlich begrenzt oder unbegrenzt. Zu den
Sinngehalten generell-abstrakter Raumregelungen fügt sich eine Vielfalt von
individuell-konkreten rechtlichen Raumbindungen durch konkretes Verhalten der
Adressaten des Rechtes, als konkrete raumrechtliche Verwirklichung dieser
Sinngehalte durch Befolgung und Anwendung in der kulturell-sozialen
Wirklichkeit.
Für die Wissenschaften vom Staatsrecht und vom
Völkerrecht ist der Raum vor allem das von rechtlichen Grenzen umschlossene
Staatsgebiet, als staatsorganisatorisch und funktionell vernetzter
räumlicher Geltungsbereich und Verbindlichkeitsbereich, als
Anwendungsbereich und Befolgungsbereich zur Verwirklichung des Rechtes. Eine
Bestandsaufnahme in Lehrbüchern zu den verschiedenen Wissensgebieten vom
Recht erbringt gleichwohl ein inhomogenes Ergebnis. Der Raum ist - gleich der
Zeit - den Rechtsdogmatikern zumeist kein allgemeines Thema, kein rechtliches
Grundanliegen; vielleicht wegen seiner natürlichen Anschaulichkeit und
Existenz, vielleicht wegen der Vielfalt und Besonderheiten der Sinngehalte von
generell-abstrakten und individuell-konkreten Erzeugungs- und Erscheinungsformen
des Rechtes, vielleicht infolge von verfehlten methodologischen Prämissen
der Rechtstheorie oder aber wegen der allgemeinen erkenntnistheoretischen
Schwierigkeiten seiner empirisch-rationalen Erfassung, Deutung und
Erklärung. Gemäß den Sinngehalten der generell-abstrakten
Rechtsvorschriften und wohl auch unter Bedachtnahme auf die mit diesen
korrespondierenden, individuell-konkreten Verwirklichungen durch Rechtsanwendung
und Rechtsbefolgung verstehen Vertreter verschiedener Wissensgebiete des
positiven Rechtes den allgemeinen Raum dennoch zumeist vereinfacht als
territorialen Geltungsbereich generell-abstrakter Vorschriften, der auch
Verbindlichkeitsbereich bedeutet. Sie erfassen die differenzierten
Raumregelungen des Rechtes unter vielerlei Sachbezeichnungen darüber hinaus
zumeist nur spezifisch. Von den Bereichen der Verwirklichung und Wirksamkeit des
Rechtes ist nicht gesondert die Rede. Dabei setzen sie den Raum als ein
natürliches außerrechtliches Phänomen für das Recht
stillschweigend voraus. In den Schlagwortverzeichnissen rechtswissenschaftlicher
Lehrbücher kommt der allgemeine Begriff vom Raum eher selten vor. Es
scheint, als hätte der Raum für die Rechtswissenschaft nur eine
außerrechtliche Existenz; als gäbe es zwar rechtliche Orte, Wege,
Gebiete und Grenzen; als wäre der Raum aber nur ein natürliches und
nicht auch ein allgemeines sinn- und zweckhaftes rechtliches Phänomen.
Gemäß den Regelungen des Rechtes findet man in den allgemeinen Lehren
wohl Hinweise auf spezifische räumliche Zweckbezüge, wie Orte, Wege
und Gebiete ebenso wie Gebietsgrenzen. Auch Untersuchungen von besonderen
Raumregelungen in den Sinngehalten von Gesetzen, etwa in den
verfahrensrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften für behördliche
Organe oder in den Regelungen von Rechtsmaterien, etwa des Wegerechtes, des
Baurechtes, des Bergrechtes, des Forstrechtes, des Agrarrechtes, des
Grundverkehrsrechtes, des Umweltschutzrechtes und des Naturschutzrechtes kommen
vielfach vor. Die Forschungen zum modernen Raumordnungsrecht haben ein neues
differenziertes Raumrechtsbewußtsein
hervorgebracht.[99] Der Vorstoß des
Menschen in den Weltraum hat das rechtliche Raumbewußtsein erweitert und
eine Flut von Weltraumrechtsliteratur hervorgerufen. Dennoch fehlen zum Begriff
vom natürlichen Raum und zu einem allgemeinen Begriff vom rechtlichen Raum
ebenso wie zu ihrer Bedeutung füreinander zumeist grundlegende Aussagen.
Daß der Raum nicht nur ein natürliches sondern auch
ein allgemeines rechtliches Phänomen ist, daß er in den
wirklichkeitsbezogenen Begriffen der Vorschriften des Rechtes auch in seiner
Allgemeinheit zum Ausdruck kommt oder vorausgesetzt ist, daß er selbst
rechtlich geregelt ist und daß er demgemäß auch ein allgemeiner
Gegenstand des Rechtsdenkens sein sollte, wurde bisher nur von wenigen
Rechtstheoretikern beachtet. Zu den bemerkenswertesten Ausnahmen zählt Karl
Engisch.[100] In manchen allgemeinen Lehren
zu den großen Rechtsgebieten des Verwaltungsrechtes, des
Verfassungsrechtes und des Völkerrechtes wird der Raum zwar allgemein
hervorgehoben und reichlich durch Beispiele veranschaulicht, aber kaum einmal
empirisch-rational hinterfragt. Er wird vielfach als ein natürliches
Phänomen schlechthin vorausgesetzt und in diesem Sinn als eine
rechtserhebliche Tatsache gedeutet. Das gilt vor allem für
raumbewußte Vertreter der Fächer des öffentlichen Rechtes. Dazu
im Folgenden einige Beispiele von Aussagen über Staat, Recht und Raum aus
der Literatur zur Allgemeinen Staatslehre, zum Verwaltungsrecht, zur allgemeinen
Rechtslehre und zum Völkerrecht.
Georg Jellinek[101] wendet
dem Verhältnis von "Raum" und "Staat" in seiner Allgemeinen
Staatslehre aus soziologischer und juristischer Sicht ein besonderes
Augenmerk zu. Er unterscheidet zwischen dem natürlichen Raum als Land und
dem rechtlichen Raum als Gebiet.
Dem Staat ist nach G. Jellinek ein Gebiet wesentlich, "dh. ein
ihm ausschließlich zuständiger Herrschaftsbereich, nämlich ein
abgegrenzter Teil des Festlandes, zu dem in den Uferstaaten ein schmaler
Streifen des Küstenmeeres neben anderen geringfügigen Meeresteilen
hinzutritt. Das Gebiet als ein Element des Staates wirkt auf den ganzen
Lebensprozeß des Staates bestimmend ein", meint G. Jellinek. Dabei spricht
er von den "Naturbedingungen" des Gebietes (75). "Das Gebiet ist zugleich das
tote und das unsterbliche Element des Staates. Es überlebt - wenn es nicht
ins Meer sinkt - jeden Staat der sich auf ihm bildet ..."(78).
Gebiet und Seßhaftigkeit von Menschen kennzeichnen den
modernen Staat (176). Willensverhältnisse von Menschen entstehen, bestehen
und vergehen in zeitlicher und in räumlicher Identität (176 f) sowie
in teleologischer Kontinuität (178). Der Staat ist demgemäß im
soziologischen Sinn eine mit ursprünglicher Herrschermacht ausgestattete
Verbandseinheit seßhafter Menschen (181) oder im juristischen Sinn eine
Gebietskörperschaft (183): "Das Land, auf welchem der staatliche Verband
sich erhebt, bezeichnet seiner rechtlichen Seite nach den Raum, auf dem die
Staatsgewalt ihre spezifische Tätigkeit, die des Herrschens entfalten kann.
In diesem rechtlichen Sinne wird das Land als Gebiet bezeichnet" (394).
Kriterium für das Gebiet ist der Wohnsitz des Bürgers (395).
Walter Jellinek[102]
versteht im Sinn von Georg Jellinek den Raum als eine rechtserhebliche Tatsache
und andererseits als einen Bestandteil des geltenden Rechtes selbst. Der Raum
ist nach ihm ein Rechtszustand. Das Recht beinhaltet "Verweisungen" auf den Raum
als Wirklichkeit (18 f). In diesem Sinn ist der Raum ein Stück Natur.
Wirklichkeiten haben für W. Jellinek aber Rechtssatzwirkung. "Den Rahmen
der Wirklichkeit bilden Raum und Zeit. Ohne Raum und Zeit ist das
Tatsächliche nicht vorstellbar; ebensowenig das Gesetz". "Es gibt keine
raum- und zeitlosen Rechtssätze" (20).
Im Hinblick auf die Wirklichkeit meint W. Jellinek ferner:
"Raum und Zeit werden ausgefüllt durch Gegenstände der Wahrnehmung"
(21). Der Raum kann wie eine Rechtsquelle wirken. Das Recht entsteht und
erlischt mit den Tatsachen (Inseln und Völker können vergehen und mit
ihnen auch das Recht). Der Raum ist empirisch erfaßbar. "Die
Erdoberfläche, mit allem was zum Leben nötig ist, und der Mensch tritt
uns vor Augen". "Das sind Wirklichkeiten, die die Geltung eines Rechtssatzes
beeinflussen ...." (21). "Das Gesetz tritt in Kraft für ein bestimmtes, der
Wirklichkeit angehöriges Gebiet" (102).
W. Jellinek qualifiziert in diesem zweifachen Sinn den Raum
als Naturphänomen und als Quelle des
Verwaltungsrechts[103] (110-147). Er handelt
von der räumlichen Herrschaft der Verwaltungsrechtssätze; ferner vom
räumlichen Inkrafttreten und Außerkrafttreten eines
Rechtssatzes:
Ernst
Forsthoff[104] meint im Hinblick auf Raum und
Zeit gegenüber Georg und Walter Jellinek ohne nähere Begründung
einschränkend: "Rechtlich relevante Tatsachen sind keine Rechtsquellen,
sondern lediglich empirischer Stoff, mit dem das Verwaltungsrecht
allerwärts zu tun hat" (126). - Ist es wirklich so einfach? Ist der Raum
nur eine natürliche Tatsache und nicht auch ein rechtliches
Phänomen?
Walter Antoniolli[105]
zählt in einer Orientierung an W. Jellinek Raum und Zeit zu den
rechtserheblichen Tatsachen eines Sachverhaltes (188 ff). Er stellt den
(rechtserheblichen) Sachverhalt als eine Gesamtheit von Tatsachen dem Tatbestand
als Inhalt von Normen gegenüber. Raum und Zeit sind nach Antoniolli
rechtserhebliche Tatsachen der äußeren Welt. Tatsachen sind durch
Raum und Zeit bestimmt, aber auch durch Zahlen, meint Antoniolli (188 f).
Der Raum zeigt sich im Verwaltungsrecht - so Antoniolli -
durch seine Grenzen als Staatsgebiet, als räumlicher Geltungsbereich von
Rechtsnormen (89), als Verwaltungssprengel (192) und als örtliche
Zuständigkeit. Das Verwaltungsrecht bezieht sich auf Örtlichkeiten,
die durch Namen und Nummern bezeichnet sind (Baulichkeiten, Orte, Gemeinden,
Straßen, Fluren, Flüsse, Seen, Berge). Zur Bestimmung des Raumes
regelt das Verwaltungsrecht nicht nur die Raum- und Flächenmaße,
sondern es bestimmt auch Länge, Fläche, Raum, Rauminhalt, Raumwinkel,
Maße etc. (193).
Den Verwaltungsakt und das öffentlich-rechtliche
Rechtsgeschäft zählt Antoniolli zu den Rechtstatsachen in Raum und
Zeit. Dasselbe meint er auch für Gesetz und Verordnung und zweifellos auch
für die schlichten Rechtsakte der Staatsorgane sowie für
Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen des Einzelnen. Demnach
erscheint das Recht durch seine Erzeugungsformen insgesamt als ein Komplex von
vielfältigen sinn- und zweckhaften Rechtstatsachen im Raum (188).
Raum und Zeit gehören nach Antoniolli zweifellos zum
Sachverhalt, gehören sie aber nicht gleichermaßen auch zum
Tatbestand? Sachverhalt und Tatbestand stehen zueinander jedenfalls in einer
sinn- und zweckhaften Korrelation. Antoniolli richtet daher mit seiner
doppeldeutigen Gegenüberstellung des Raumes im Sachverhalt und im
Tatbestand die Frage nach dem Verhältnis von Raum und Recht jedenfalls auf
den wesentlichen Punkt.
Hans Kelsen[106] scheint in
seiner Allgemeinen Staatslehre G. und W. Jellinek korrigieren zu wollen.
Für ihn ist der Staat gleich Recht, das Recht gleich dem Sollen und das
Sollen gleich der Norm. Daher weist er die Zeit und den Raum schlechthin den
Tatsachen zu. Zeit und Raum können nach ihm nicht dem Sollensbereich
sondern nur dem Seinsbereich angehören. Sie sind seinshafter Inhalt von
Rechtsnormen. Zunächst heißt es völlig plausibel im Sinn der
traditionellen Rechtslehre: "Das menschliche Verhalten, aber auch alle anderen
Tatbestände, die die Normen der staatlichen Ordnung regeln, spielen sich in
Raum und Zeit ab. Dem Sinne der Rechtsnorm nach muß ein Mensch irgendwo,
in einem möglichen Raum, und irgendwann, in einer möglichen Zeit,
einen Tatbestand setzen, damit - wiederum irgendwo und irgendwann - ein anderer
Tatbestand[107] als Folge gesetzt werden
soll. Die Geltung der die staatliche Ordnung bildenden Rechtsnormen ist somit
eine raum-zeitliche Geltung in dem Sinne, daß diese Normen
raum-zeitliche Vorgänge zum Inhalt haben. Darin liegt im
übrigen kein den Rechtsnormen spezifisches Moment. Vielmehr muß jede
Norm, jedes Sollen, das irgendwie menschliches Verhalten zum Inhalt hat, sich
mit diesem seinen Inhalt auf Raum und Zeit beziehen, in denen die Handlungen und
Unterlassungen der Menschen vor sich gehen".
Dann aber besinnt sich Kelsen auf seine
erkenntnistheoretischen Prämissen und setzt wie folgt fort: "Daß
darum der Gegensatz von Sollen und Sein aufgehoben ist, weil Zeit und Raum
Anschauungsformen des Seins - als der Naturwirklichkeit - sind, das anzunehmen
wäre ein Irrtum. Würde man Raum und Zeit als Inhalt der Rechtsnormen
leugnen, würde man also nicht zugeben, daß die Rechtsnorm irgendwo
und irgendwann gelte (in dem Sinne, daß sie irgendwo und irgendwann sich
abspielende Tatbestände miteinander sollmäßig verknüpft:
wenn hier und jetzt etwas geschieht, soll dort und dann etwas anderes
geschehen), bedeutete dies, daß die Norm nirgendwo und
nirgendwann, also gar nicht gelten würde. Sie hätte keinen
möglichen Inhalt und somit auch keine mögliche Geltung. Da aber die
zum Inhalt der Norm wesentlichen Momente des Raumes und der Zeit a priori [?]
unbegrenzt sind, gilt die Norm, sofern sie nicht selbst in ihrem Inhalt in
räumlicher oder zeitlicher Hinsicht Beschränkungen setzt,
überall und immer. Wo immer und wann immer der näher bestimmte
Tatbestand gesetzt wird, soll auf ihn - wo immer und wann immer - die Folge
eintreten. Das ist der Sinn der Norm, wenn sie keine besondere Raum- und
Zeitbestimmung enthält. Sie gilt dann nicht etwa ohne Raum und
ohne Zeit, sondern nur: nicht für einen bestimmten Raum und
nur: nicht für eine bestimmte Zeit" (137).
In Außerachtlassung seiner These der Trennung von Sollen
und Sein beschreibt Kelsen sodann das rechtliche Staatsgebiet als eine
naturräumliche Geltungsbeschränkung der staatlichen Rechtsordnung. Er
charakterisiert das Staatsgebiet als Fläche und als einen dreidimensionalen
Raum; als eine "Fläche, auf welcher der Staat wie ein Körper aufruht"
(139). Unter dem Staatsgebiet und diesem zugehörig sieht Kelsen aber auch
einen "kegelförmigen Raum", der bis zum Erdmittelpunkt reicht.
Das geschlossene Staatsgebiet bedeutet keine
Undurchdringlichkeit des Staates (142), meint Kelsen entgegen G. Jellinek. Durch
das Gebiet sind die Staatskörper nicht notwendigerweise fest voneinander
abgegrenzt (142). Nach Kelsen ist im Hinblick auf Nomadenvölker (=
Wandervölker) auch die Seßhaftigkeit kein zwingendes Kriterium des
Staates, obwohl Nomadenvölker, nach seiner Definition vom Staat als Recht,
mangels organisatorischer Zentralisation gar kein Staat sein
können.
Alfred Verdross[108] sieht
im Staatsgebiet einen wesentlichen Anknüpfungspunkt des Völkerrechtes.
Im Sinn Kelsens deutet er die Geltung des Völkerrechtes aus den staatlichen
Geltungsbereichen (178 ff). Dennoch unterscheidet er neben dem zeitlichen
Geltungsbereich (179 ff) und dem persönlichen Geltungsbereich
der Staaten (234 ff) einen räumlichen Herrschaftsbereich der
Staaten (201 ff). Merkwürdigerweise ordnet er das Gebiet dem
"Herrschaftsbereich des Staates" zu (201), die Zeit und die Rechtsperson jedoch
den "Geltungsbereichen" des Staates und nicht des Rechtes. Grundsätzlich
führt er zum räumlichen Geltungsbereich des Völkerrechtes
zutreffend aus, daß dieser nicht mit der Summe der Staatsgebiete der
Völkerrechtssubjekte zusammenfällt. Zum räumlichen
Geltungsbereich des Völkerrechtes gehören außerhalb der
Reichweite staatlicher Herrschaft auch die Hohe See, staatenloses Landgebiet,
der Luftraum und der Weltraum (164).
Das Gebietsrecht der Staaten versteht Verdross als
territoriale Souveränität gemäß dem
Völkerrecht. Die Souveränität deutet er als das Recht, über
ein bestimmtes Gebiet in vollständiger Weise zu verfügen. Verdross
vergleicht die Souveränität im Anschluß an die ältere
staatsrechtliche Literatur mit dem Eigentumsrecht als dingliches
Herrschaftsrecht an einer Sache. Davon unterscheidet er die
Gebietshoheit, für die er im privatrechtlichen Besitz als
tatsächlichen Zustand eine Analogie sieht (202
ff).[109] In diesem Sinn ist das Staatsgebiet
für ihn "jenes Gebiet, über das einem Staate nach VR die
territoriale Souveränität zusteht" (207). Das Staatsgebiet hat
demnach völkerrechtliche Grenzen. Zum Staatsgebiet zählen
Eigengewässer (209), die Luftsäule oberhalb der Staatsfläche
(210), das Küstenmeer - ursprünglich in Kanonenschußweite, im
Lauf der Zeit bis zu drei Meilen, vier Meilen, sechs Meilen und zwölf
Meilen (211) - der Kontinentalsockel (217), Schiffe und Luftfahrzeuge (217 ff).
Die Hohe See, der hohe Luftraum und der Weltraum unterliegen nur dem
Völkerrecht und sind allen Staaten gleichermaßen zugänglich (231
f und 211).
Ignaz
Seidl-Hohenveldern[110] erfaßt gleich
Verdross den Raum unter den völkerrechtlichen Regeln über die
Wesensmerkmale des Staates: Das Völkerrecht verweist in dieser Hinsicht auf
das Staatsrecht. Daher deutet auch Seidl-Hohenveldern den völkerrechtlichen
Raum aus dem Staatsgebiet. Er handelt von der territorialen
Souveränität eines Staates und definiert diese gleich Verdross als
eine rechtliche Herrschaft über das Staatsgebiet, vergleichbar dem
Rechtsinstitut des Eigentums. Er deutet die aus der Souveränität
folgende Gebietshoheit als eine tatsächliche Herrschaft über das
Staatsgebiet, vergleichbar dem Rechtsinstitut des Besitzes. Zur näheren
Bestimmung des Staatsgebietes erwähnt er als Territorialgrenzen
gegenüber der Hohen See die Eigengewässer, die
Küstengewässer, die Meeresengen, die Schutzzonen, die Wirtschaftszonen
und den Festlandsockel (Rz 1166 ff). - Seidl-Hohenveldern weist mehrfach auch
auf den völkerrechtlichen Umweltschutz hin: des Bodens, des Wassers, der
Meere (Rz 1218, 1253, 1255-1257); der Luft (Rz 1535 ff) und des Weltraums (Rz
1285-1288).
Neuhold, Hummer und Schreuer wenden unter dem Schlagwort
"räumliche Regime" dem Raum im Völkerrecht eine grundsätzlichere
Aufmerksamkeit zu[111]. In einer Vorbemerkung
zu den territorialen Aspekten des Völkerrechtes weisen die Herausgeber
ihres Handbuchs auf den Antagonismus zwischen dem vertikalen
Staatensystem und den staatsgrenzenübergreifenden, völkerverbindenden
internationalen Gemeinschaftsaufgaben hin. Sie sehen in der Zunahme der die
Staatsgrenzen überschreitenden Aufgaben mit Recht Beschränkungen der
staatlichen Souveränität. Dennoch gründen sie den territorialen
Aspekt des Völkerrechtes ebenso zu Recht auf die Staatsgebiete. Nach ihnen
übt ein Staat seine Herrschaft "nicht nur über Menschen, sondern auch
über den Raum aus, auf dem diese sich befinden, also über einen Teil
der Erdoberfläche, den Untergrund und den Luftraum über der
Erde".[112] Ein geschlossener räumlicher
Zusammenhang des Staatsgebietes ist nach ihnen nicht erforderlich. Bezogen auf
das Staatsgebiet unterscheiden sie - wie bereits vor ihnen Verdross und
Seidl-Hohenveldern - zwischen der territorialen Souveränität als einer
rechtlichen Herrschaft und der Gebietshoheit als einer tatsächlichen
Herrschaft. Mit gutem Grund heben sie hervor, daß die Vorstellung von der
territorialen Herrschaft der Staaten über ihre Gebiete durch die
Entwicklung der internationalen Rechtsordnung der Meere, des Luftraums und des
Weltraums eine andere Gestalt gewonnen hat. Dem raumbezogenen Umweltschutz
weisen sie einen besonderen Stellenwert
zu.[113] Dabei schätzen sie die noch
immer anhaltende Bedeutung der staatlichen Raumstrukturen für Geltung und
Verbindlichkeit des Völkerrechtes keineswegs gering ein.
Gerhard Hafner erklärt in Ausführung dieser
Grundgedanken in einer bemerkenswerten Weise die besonderen
völkerrechtlichen Raumbegriffe aus einer allgemeinen rechtlichen
Raumvorstellung. Die Erforschung des Weltraums durch den Menschen hat offenbar
die bis in unsere Zeit den empirischen Vorstellungen der Staatslehre verhaftete
zweidimensionale Gebietsvorstellung, die sich eigentlich nur auf den
grenzenumschlossenen Erdboden bezieht, ins Wanken gebracht. Die
Völkerrechtswissenschaft scheint in einen Aufbruch eingetreten zu sein. Sie
beginnt den Raum in seiner allgemeinen Bedeutung für das Recht zu verstehen
und die anschaubare Welt des durch die Wissenschaft vom öffentlichen Recht
zumeist bloß zweidimensional erfaßten Staatsgebietes durch Kriterien
der empirisch-rationalen Erfahrbarkeit dreidimensional zu deuten und über
den Luftraum hinaus in den Weltraum zu erweitern.
*** -
***
Die hier dargestellten Auffassungen vom Raum in den
verschiedenen Wissenschaften vom öffentlichen Recht sind durch Beispiele
zwar veranschaulicht aber erkenntnistheoretisch kaum ernsthaft hinterfragt.
Einerseits wird der Raum als ein allgemeines Phänomen, als eine
Rechtstatsache und als eine Rechtsquelle verstanden (G. und W. Jellinek, W.
Antoniolli). Andererseits wird der Raum aber als ein bloßes
Naturphänomen aufgefaßt und - wie alle Tatsachen - aus dem
Rechtsbegriff ausgeschlossen. Kelsen versteht den Raum als ein bloßes
"Sein" und nicht auch als ein "Soll(en)". Der Raum ist eine bloße Tatsache
und keine Rechtsquelle, meint ForsthofF. Der Raum ist als Gebiet einer
der Herrschaftsbereiche des Staates, sagen hingegen G. Jellinek, Verdross und
Seidl-Hohenveldern, offensichtlich ohne den Sollenscharakter des Rechtes von
dessen realen Seinsbedingungen zu trennen. In den allgemeinen Lehren vom Recht
wird der Raum häufig als eine tatsächliche Geltungsvoraussetzung des
Rechtes und insofern auch als ein natürlicher Geltungsbereich seiner Normen
gedeutet.[114]
Wissenschafter vom öffentlichen Recht erkennen also den
Raum - gleich der Zeit - zwar als einen vielgestaltigen Regelungsgegenstand des
positiven Rechtes, sie vermeiden es aber, in den Besonderheiten das Allgemeine
zu suchen und den allgemeinen rechtlichen Raum auch erkenntnistheoretisch zu
hinterfragen. Sie sehen nur die sollenshafte Vorschrift, wissen aber nicht, wie
man die Verbindung von Vorschrift und Tatsache im Hinblick auf den Raum
empirisch-rational vollziehen, verstehen und deuten kann. Ein Rechtstheoretiker
wie Kelsen, der Recht und Natur voneinander trennt, ringt ein Leben lang
vergebens um eine logisch schlüssige Erklärung des Verhältnisses
von Sein und Sollen und damit indirekt auch von Raum und
Recht.[115] Wer würde den immer wieder
mit Nachdruck auf Phänomene der Natur verweisenden Aussagen Kelsens
keinen vernünftigen Sinn abgewinnen wollen? Doch wie passen diese zu
seiner These, daß der Staat gleich Recht, daß das Recht gleich Norm
und daß diese nur ein Soll(en) und kein Sein, also etwas Ideelles, eine
bloße Form ist und daher grundsätzlich zeitlos und raumlos sein
muß? Und wie fügen sich die durchwegs plausiblen
phänomenologischen Aussagen Kelsens über den Staat, über das
Staatsgebiet und über rechtliche Tatbestände in der gleichzeitigen
Bedeutung von Sachverhalten, in sein methodologisches Postulat der Trennung von
Sein und Soll(en), von Inhalt und Form, in ihrer Gleichsetzung mit der Trennung
von Tatsachen und Recht? Und was bedeuten die dialektischen Aussagen Kelsens
über die Trennung des Rechtes von Raum und Zeit als bloße
Seinsphänomene, wenn der konkrete Sachverhalt und der abstrakte Tatbestand
im Rechtsdenken nicht voneinander unterschieden, sondern synkretistisch
ineinander verschmolzen werden. In seiner Methode postuliert Kelsen doch die
Trennung von Sein und Sollen! - Eine Theorie, die nicht zwischen dem abstrakten
Tatbestand rechtlicher Regelungen und dem konkreten Sachverhalt
tatsächlichen menschlichen Verhaltens unterscheidet, gleichzeitig aber das
Sein der Wirklichkeit und das Sollen des Rechtes voneinander trennt, setzt sich
doch selbst außerstande, den Raum als ein natürliches Phänomen
und als Begriff des Rechtes voneinander zu unterscheiden und in der Synthese
eines staatlichen Rechtsaktes oder eines privatrechtlichen Rechtsgeschäftes
gemäß den Sinngehalten von Rechtsvorschriften dennoch logisch
schlüssig miteinander zu verbinden.[116]
Das Verhältnis von konkreter räumlicher Wirklichkeit und abstrakten
raumgebundenen Sinngehalten des Rechtes ist offenbar nur den Praktikern des
Rechtes bei der Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter einen abstrakten
Tatbestand ohne weiteres Nachdenken eine Selbstverständlichkeit.
Durch die Vordergründigkeit ihrer Raumvorstellungen
provozieren Rechtsdogmatiker und Rechtstheoretiker dennoch wesentliche Fragen
nach dem Verhältnis von Raum und Recht: Ist der Raum überhaupt etwas
Rechtliches? Ist er auch eine Rechtstatsache oder nur eine Naturtatsache oder
ist er beides in einem? Ist das Recht nicht auch eine an den Naturraum gebundene
Tatsache der Kultur? Gibt es einen spezifisch rechtlichen Raum? Ist der
rechtliche Raum anschaubar? Ist er empirisch erfahrbar und rational
erfaßbar? Ist das Recht überhaupt ein erfahrbares, anschaubares und
wahrnehmbares kulturell-soziales Phänomen?
2. Theoretische und praktische Problemaspekte
In den inhomogenen Vorstellungen der Rechtswissenschaft vom
Raum zeigt sich nicht nur ein methodologisches, sondern auch ein
erkenntnistheoretisches Dilemma. Einerseits wird das positive Recht vornehmlich
als generell-abstraktes Gesetzesrecht verstanden, andererseits wird es aber auch
als ein komplexes, empirisch erfaßbares Kulturphänomen besonderer Art
gedeutet. Das Recht wird aber auch als eine bloß gedachte, als eine
denkbare und erdachte Idealität von Norm und Sollen rein normativistisch
aufgefaßt. Einschränkungen der juristischen Betrachtungsweise die auf
rein ideellen Kriterien des Rechtsdenkens, die auf der Trennung von Sein und
Sollen fußen, bedeuten notgedrungen auch eine Trennung der
kulturell-sozialen Wirklichkeit vom Recht. Normativistische Rechtstheorien
versperren dadurch sich selbst den Weg zu einer logisch schlüssigen
Erklärung des phänomenalen Raumes in seiner Bedeutung für das
Recht, vor dem Recht und im Recht. Wenn man das Recht den natürlichen und
kulturell-sozialen Tatsachen - einschließlich Raum und Zeit - auf die es
sich gründet, denen es selbst in einer besonderen Weise auch räumlich
und zeitlich angehört und die es verbindlich regelt, schlechthin als
qualitätsungleich trennend gegenüberstellt, dann kann es keine
logisch schlüssige Synthese geben.
Wenn der Raum bloß eine Naturtatsache wäre, wie
wäre es dann zu erklären, daß sich das Recht nicht nur vielfach
auf den Raum bezieht, sondern daß es auch die Raummaße regelt,
daß es rechtlich gemessene Räume gibt und daß die rechtlichen
Raumtypen der Orte, der Wege und der Gebiete zum Erlebnisalltag jedes Menschen
gehören? Wie kann man angesichts der Regelungen der rechtlichen
Raummaße und angesichts der rechtlichen Raumordnungen, der rechtlichen
Raummessungen und der rechtlichen Raumeinteilungen der Meinung sein, daß
der Raum schlechthin außerhalb des Rechtes liegt? Wenn man hingegen
gegenstandsgerecht zwischen dem Raum der Natur und dem Raum des Rechtes
empirisch-rational bloß unterscheidet - so scheint es jedenfalls
- dann kann man beide auch logisch schlüssig miteinander in
Verbindung bringen.
Vorderhand sei einmal dahingestellt, ob der Raum wirklich nur
eine Tatsache der Natur ist. Man zögert nämlich offensichtlich mit
guten Gründen, die Richtigkeit der bloß auf den ersten Blick
einleuchtenden Trennung von Recht und Natur, von Sollen und Sein zu bezweifeln,
weil man ihre erkenntnistheoretische Begründbarkeit für evident
hält. Worauf stützt man aber eine solche Trennung? Auf einen
kategorialen Gegensatz von Sollen und Sein, der mit dem Gegensatz von
Recht und Natur gleichgesetzt wird? Auf einen logischen Gegensatz von
Tatsachen einerseits von empirischen Begriffen und von apriorischen Kategorien
oder reinen Denkformen andererseits? Auf eine begrifflich kategoriale
Ursprünglichkeit und Eigenständigkeit von Sein einerseits und von
Sollen andererseits?
Daraus ergeben sich weitere Fragen. Verstehen wir die Natur
wirklich nur als ein sinn- und zweckloses Sein? Ist das Recht wirklich nur ein
ideelles, seinsloses Sollen? Ist das sollenshafte Recht in Wahrheit nicht auch
seinshaft; ein real existierender, ein empirisch erfaßbarer, seins- und
sollenshafter Teil der wert- und zweckhaften Kultur in der zweckhaften Natur?
Ist demgemäß die Rechtswissenschaft in diesem Sinn nicht auch eine
naturgebundene Kulturwissenschaft besonderer
Art?[117]
Die Rechtswissenschaft ist gewiß von der allgemeinen
Soziologie verschieden. Darf man aber in der Rechtsbetrachtung auf die
Einbeziehung jeder soziologischen Perspektive, dh. auf die methodologische
Berücksichtigung der empirisch erfaßbaren, sinn- und zweckhaften
Tatsächlichkeit des Rechtes, insbesondere des tatsächlichen Verhaltens
des Menschen in Raum und Zeit von vornherein verzichten? Wie ist ein staatliches
Gesetz nach Form und Inhalt als ein Erzeugnis menschlichen Verhaltens deutbar,
wenn man für die Erklärung seiner tatsächlichen und rechtlichen
Existenz (Geltung) nur den für Gesetze in der Verfassung tatbestandlich
abstrakt vorgezeichneten Sinn und nicht auch die gleichfalls in der Verfassung
geregelten und gemäß diesen konkret vollzogenen, aufeinander
folgenden sinnhaften Akte seiner parlamentarischen Erzeugung, die sinnhaften
Akte seiner Erlassung und besonders die Kundmachung als phänomenale
Rechtsakte und als reale Sinnträger von generell-abstrakter
Verbindlichkeit, als nach Form und Sinngehalt empirisch-rational
erfaßbare, tatsächliche und rechtliche Tatsachen in Raum und Zeit
veranschlagt?[118] Wie sind die von Menschen
aufgrund der Verfassung tatsächlich in Raum und Zeit erzeugten Gesetze und
die aufgrund von Gesetzen in Raum und Zeit tatsächlich erzeugten Rechtsakte
logisch schlüssig deutbar und miteinander verbindbar, wenn man nur die
abstrakten tatbestandlichen Regelungen der Verfahrensordnungen über
Zuständigkeiten und über Formen ihrer Erzeugung als Recht versteht und
nicht auch die diesen entsprechenden verfahrensordnungsgemäßen,
konkreten Verhaltensweisen gesetzgebender Organe gemäß der
Verfassung? Wie sind die vom Einzelnen ortsgebunden getätigten
Rechtsgeschäfte, die von staatlichen Organen ortsgebunden gesetzten
Verwaltungsakte und die ortsgebunden gesetzten richterlichen Urteile in
Sinngehalt und Zweckbestimmung - nicht zuletzt auch die ihnen ablesbaren
möglichen Rechtswidrigkeiten - rational erklärbar, wenn man sie nicht
als empirisch erfaßbare, sinn- und zweckhafte rechtliche Tatsachen, als
tatsächliche Sinnträger und als Ausdruck rechtlicher Synthesen von
konkreter Wirklichkeit und abstrakten Sinngehalten von Rechtsvorschriften in
Raum und Zeit versteht? Die empirische Erfassung des Raumes und die rationale
Erklärung seiner Bedeutung für das Recht kann gewiß nicht durch
eine theoretische Trennung von Norm und Tatsache, von Sollen und Sein
bewältigt werden. Die Frage lautet daher: Wenn und weil das Recht
tatsächlich in Raum und Zeit erzeugt wird, wenn und weil es
gemäß seiner Bestimmung tatsächlich in Raum und Zeit
verwirklicht wird, wie kann es dann empirisch-rational begründbar
räumlich und zeitlich gleichermaßen differenziert und homogen
räumlich gedeutet werden?
Eine sinnvolle Vorstellung vom Verhältnis Raum und Recht
kann man offensichtlich nur aus dem Gegenstand selbst gewinnen. Daher gilt es
zuallererst, sich auf den Gegenstand Recht zu
besinnen.[119] Recht erscheint dem Betrachter
als eine mehrschichtige und vielfältige Einheit, von Form und Inhalt, von
Tatsache und Sinn in Raum und Zeit. Das Recht besteht nicht nur aus
tatsächlich in Raum und Zeit erzeugten generell-abstrakten Sinngehalten, es
umfaßt auch tatsächlich gesetztes individuell-konkretes rechtliches
Verhalten, Rechtsverhältnisse und Rechtszustände. In diesem Sinn ist
das Recht eine mehrschichtige und vielfältige, differenziert raumgebundene
kulturell-soziale Realität. Gemäß dem Recht, als einem
mehrschichtigen, in Raum und Zeit generell-abstrakt und individuell-konkret
sinn- und zweckhaft in Erscheinung tretenden, vielfältigen und komplexen
kulturell-sozialen Phänomen, erweist sich der Raum für das Recht nicht
nur als ein rechtlicher Begriff sondern auch als ein empirisch-rational
erfaßbares, verstehbares, deutbares und erklärbares, als ein
vielgestaltiges natürliches und rechtliches Phänomen. Wie
für die Zeit so bieten sich gemäß der Eigenart des Rechtes daher
auch für den Raum die drei eingangs hervorgehobenen
gegenstandsadäquaten Fragestellungen an:
Für
den Raum scheint es vom Gegenstand her gewiß auch sinnvoll,
gemäß dem vielgestaltigen und reichhaltigen Material des Rechtes an
die Unterscheidung zwischen materiellem Recht, Verfahrensrecht und
Organisationsrecht anzuknüpfen und diese Rechtsbereiche aus den
Perspektiven von Statik und Dynamik tatsächlichen rechtlichen Verhaltens
miteinander zu verbinden. Diesen unterschiedlichen Rechtsinhalten und deren
Synthesen im konkreten Organverhalten kann man die differenzierte Rechtlichkeit
des Raumes zweifellos sinnvoll differenziert gegenüberstellen.
Entscheidender Ansatzpunkt für die Frage nach dem Verhältnis von Raum
und Recht ist aber die viel grundsätzlichere Frage nach der Eigenart des
Rechtes als differenziert raumgebundenes, kulturell-soziales Phänomen
besonderer Art. Unerläßliche Voraussetzung dafür ist allerdings
eine empirisch-rationale Bestandsaufnahme, wie sie im Hinblick auf die
Räumlichkeit des Rechtes, auf die vielfältigen räumlichen
Sinngehalte im Recht und im Hinblick auf die Rechtlichkeit des Raumes in den
vorangehenden Kapiteln beispielhaft dargetan ist. Auf ihrer Grundlage erweisen
sich sprachliche, grammatische, logische, erkenntnistheoretische und
wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Raum, Recht
und Rechtswissenschaft als sinnvoll.[120]
3. Raumbegriff und Rechtsbegriff
Gemäß den bisherigen Ausführungen erweist sich
das Recht auch aus der Perspektive des Raumes als eine vielgestaltige und
mehrschichtige sinn- und zweckhafte, empirisch-rational differenziert
erfaßbare Ordnung für tatsächliches Verhalten von Menschen in
der Rechtsgemeinschaft eines Staates. Es ist ein komplexes kulturell-soziales
Phänomen, das durch Erzeugungs- und Erscheinungsformen in Raum und Zeit
zutage tritt, die verbindliche raum- und zeitgebundene Sinngehalte tragen: als
Gesetz, Verordnung, richterliches Urteil, als verwaltungsbehördlicher Akt,
als Rechtsgeschäft und als schlichtes rechtliches Verhalten. Derart ist das
Recht ein vielfältiges und komplexes kulturell-soziales Phänomen, das
gemäß Form und Inhalt als Tatsache und Sinn auch durch Raum und Zeit
empirisch-rational differenziert erfaßbar ist.
Das Recht ist gemäß dem Verbindlichkeitsanspruch
seiner Sinngehalte aufgrund seiner eigenen Raummaße und Raummessungen
zunächst an sein eigenes, empirisch-rational erfaßbares
Sinngefüge von rasterartigen rechtlichen Räumen, von punktuellen
Orten, von streckenmäßigen Wegen, von flächenhaften rechtlichen
Gebietsnetzen und von körperhaften Raumstrukturen gebunden. Das Recht ist
durch die in seinen Sinngehalten zur Verwirklichung als möglich
vorgezeichneten Raummaße und planhaften Gebietsnetze abstrakt
raumgebunden. Es ist durch die konkrete Verwirklichung seiner Sinngehalte in
Raum und Zeit aber auch konkret raumgebunden. Der rechtliche Raum tritt
einerseits als erfahrbare, intentional und final planhaft angelegte, sinn- und
zweckhafte Möglichkeit in den Sinngehalten der Rechtsvorschriften in
Erscheinung. Andererseits zeigt er sich im konkreten raumgebundenen menschlichen
Verhalten als Verwirklichung dieser Sinngehalte durch Befolgung und Anwendung.
Derart erweist sich das Recht als eine durch den Raum differenziert erfahrbare,
intentionale und finale, sinn- und zweckhafte Gegebenheit der kulturell-sozialen
Wirklichkeit. Die Umsetzung der raumgebundenen abstrakten Sinngehalte der
Rechtsvorschriften durch konkrete raumgebundene Rechtshandlungen des Menschen in
die kulturell-soziale Wirklichkeit macht die begrifflich abstrakt als
möglich vorgezeichneten Raumkomponenten in den Sinngehalten der
Rechtsvorschriften zu konkreten rechtlichen Phänomenen. Durch die
räumliche Verwirklichung in der Form von Staatsakten, Rechtsgeschäften
und bloßen Rechtshandlungen werden die abstrakt typisierten raumgebundenen
Sinngehalte von Rechtsvorschriften keineswegs obsolet. Mit ihrer raumrechtlichen
Umsetzung in die kulturell-soziale Wirklichkeit durch konkretes menschliches
Verhalten werden sie sinn- und zweckhaft konkret verwirklicht und konkret
existent. Die abstrakten raumgebundenen Sinngehalte des Rechtes, als
mögliche Raumbindungen, werden durch konkretes rechtliches Verhalten zu
konkret verbindlichen und verwirklichten Raumbindungen. Das kann man sich aus
dem Verhältnis von Bauordnung, Baubescheid, Errichtung und Kollaudierung
eines bewilligten Baus leicht veranschaulichen. Die generell-abstrakten sinn-
und zweckhaften Sinngehalte von Rechtsvorschriften werden durch ihre
Verwirklichung im realen Raum zu individuell-konkret erzeugten, sinn- und
zweckhaften Raumbindungen. Die Verwirklichung der abstrakt typisierten,
raumbezogenen Sinngehalte der Gesetze bedeutet rechtliche
Raumplanerfüllung. Diese manifestiert sich in den konkreten
rechtsverbindlichen Sinngebungen und Gestaltungen der Welt der Tatsachen durch
menschliches Verhalten. Darin zeigt sich anschaulich die zweischichtige
Grundanlage des Rechtes, einerseits durch die in seinen Sinngehalten planhaft
vorgezeichneten abstrakten Raumbedingungen und andererseits in den diesen
konformen konkreten Raumbindungen durch menschliches Verhalten. Die abstrakten
Sinngehalte des Rechtes sind zur konkreten zweckhaften Umsetzung in die
natürlichen und kulturell-sozialen Räume bestimmt. Sowohl die
abstrakten als auch die konkreten Raumbindungen des Rechtes sind jeweils
für sich aber auch in ihrer Homogenität empirisch erfahrbar und
rational erfaßbar.
Unter diesen Voraussetzungen versteht man, daß man der
Frage nach dem Verhältnis von Raum und Recht mehrere voneinander
verschiedene und einander entsprechende Raumbegriffe als sachgebundene
Deutungsschemata zuordnen muß, nämlich
Durch die Analyse des Rechtsmaterials versteht
man also auch die Raumbegriffe der Rechtswissenschaft als gegenstandsgebundene
Deutungsschemata für Sinn und Zweck der raumgebundenen Sinngehalte in den
Regelungen des Rechtes einerseits und in den entsprechenden
Tatsächlichkeiten rechtserheblichen menschlichen Verhaltens in den
Räumen von Kultur und Natur andererseits. Dem grundsätzlich
zweischichtigen Gegenstand Recht gemäß beziehen sich die
differenzierten Raumbegriffe der Rechtswissenschaft, sowohl auf planhaft
vorgezeichnete räumliche Möglichkeiten in den generell-abstrakten
Sinngehalten des Rechtes, wie auch auf die diesen entsprechenden, durch
menschliches Verhalten hervorgerufenen Wirklichkeiten von individuell-konkreten
Raumbindungen in Kultur und Natur. In diesem Sinn ist eine differenzierte
abstrakte und konkrete Begrifflichkeit rechtswissenschaftlichen Raumdenkens nach
Sinn und Tatsache des Rechtes nicht nur plausibel, sondern sogar
unerläßlich; einerseits im Hinblick auf die von den Tatsachen der
kulturell-sozialen Wirklichkeit getragenen Sinngehalte von Vorschriften des
Rechtes und andererseits im Hinblick auf deren sinn- und zweckhafte
Verwirklichungen durch tatsächliches menschliches Verhalten in Raum und
Zeit.
In den dogmatischen Rechtswissenschaften und in der
Rechtstheorie gibt es beachtliche Schwierigkeiten, das vielgestaltige
Phänomen des Raumes durch einen allgemeinen, empirisch-rationalen Begriff
zu erfassen und diesem die vielfältigen rechtlichen Phänomene und
Begriffe vom rechtlichen Raum schlüssig zuzuordnen; vielleicht wegen der
verwirrenden Vielfalt der Raumbegriffe im Recht, vor allem aber wegen der
theoretischen und methodologischen Einschränkung des Gegenstandes Recht auf
eine reine Idealität des Soll(ens). Denn nicht zuletzt wegen der rein
sollenshaften theoretischen Prämissen wird der Raum im Rechtsdenken
allgemein als ein vorrechtliches Naturphänomen aufgefaßt und
stillschweigend vorausgesetzt. Er wird als eine natürliche Erscheinung der
empirisch erfahrbaren und rational erfaßbaren körperlichen Welt
verstanden, die außerhalb des Rechtes liegt.
Rechtstheoretiker sehen im Raum bloß eine Tatsache, die
für das Recht zwar eine wesentliche Voraussetzung aber selbst nichts
Rechtliches ist. Vielleicht weil sie sich fragen, wie der Raum etwas Rechtliches
sein kann, wenn man sich das Recht nur als ein ideelles Soll(en) und nicht auch
als ein empirisch erfaßbares Sein, nicht als ein sinn- und zweckhaftes
kulturell-soziales Phänomen denkt? Das gilt zuallererst für die reine
Rechtslehre Kelsens, für die das Recht nichts Reales sondern nur etwas
Ideelles ist. Recht kann nach dieser Lehre letztlich gar nicht räumlich
sein, weil für sie das abstrakte Soll(en) wesensgemäß ideell und
daher eo ipso raum- und zeitlos ist. Dabei bleibt der Umstand
unbeachtet, daß das Recht allein schon durch die Regelungen
rechtsverbindlicher Raummaße und durch die Verbindlichkeit der
Raummessungen in der kulturell-sozialen Wirklichkeit nach rechtlichen
Raummaßen den Raum zu einem real existierenden rechtlichen Phänomen
macht.
Zwischen den Raumregelungen des Rechtes und dem theoretischen
Rechtsdenken scheinen unüberbrückbare Gegensätze zu liegen. Das
zeigt sich vor allem dann, wenn man die Frage nach dem Raum auf das Absolute
einer transzendentalen apriorischen Denkform ausrichtet und zugleich versucht,
den zeit- und raumgebunden handelnden Menschen als Adressaten des Rechtes
gemäß den rechtlich geregelten Raumphänomenen, die für die
Rechtsbefolgung und für die Rechtsanwendung als Rechtsverwirklichung
verbindlich festgelegt sind, mit dem Recht schlüssig in Verbindung zu
bringen.
Die vielfältigen Materien des Rechtes bieten
unzählige natürliche und rechtliche Raumaspekte allgemein und
speziell, unmittelbar und mittelbar dar. Die vielfältigen raumbezogenen
Sinngehalte des Rechtes bedeuten differenzierte räumliche Kriterien
für Anwendung und Befolgung des Rechtes. Sie erfassen den Raum im Hinblick
auf das Verhalten der Menschen als Rechtsbefolgung und als Rechtsanwendung in
der Wirklichkeit der staatlichen Gemeinschaft:
Das Recht macht seine
natürlichen und kulturellen räumlichen Anknüpfungspunkte durch
die Zuordnung von geometrischen Maßen zu rechtsverbindlichen
Größen. Es macht sie zu verbindlichen Punkten und Linien, zu
verbindlichen flächenmäßigen Formen und zu verbindlichen
körperhaften Strukturen. Diese geometrischen Formen und Gestalttypen
fungieren daher in den Rechtswissenschaften - wie in den Naturwissenschaften -
als materielle Deutungsschemata für die Raumgebundenheit der Sinngehalte
des Rechtes ebenso wie des rechtlichen Verhaltens der Adressaten des Rechtes als
deren Verwirklichung durch Rechtsbefolgung und Rechtsanwendung im
Raum.
Insofern ist das generell-abstrakte Recht mit seinen
Raumkonzepten den sinn- und zweckhaften Plänen der Architektur
vergleichbar. Es enthält gleich diesen abgemessene und meßbare
abstrakte Zielvorgaben für räumlich zu ortendes, räumlich zu
setzendes und räumlich meßbares, individuell-konkretes menschliches
Verhalten. Die abstrakten sinn- und zweckhaften Pläne der Architektur sind
durch geometrische Maße und Richtmaße abstrakte räumliche
Deutungsschemata für die Sinn- und Zweckhaftigkeit konkreter menschlicher
Bautätigkeit in Raum und Zeit. Raumgebundene Sinngehalte des Rechtes sind
in ihren zukunftsweisenden abstrakten Konzeptionen und in ihren konkreten
raumgebundenen Verwirklichungen den abstrakten Sinngehalten der Baupläne
der Architektur und ihren konkreten Verwirklichungen vergleichbar. Während
jedoch den Plänen der Architektur Zahlen und Maße unmittelbar
ablesbar sind, verdecken im Recht oft unbestimmte Sachbegriffe den Umstand,
daß auch dessen sinn- und zweckhafte Raumbindungen durch Zahlen und
Maße vorbestimmt sind. Sie werden von den Adressaten des Rechtes zumeist
durch ein unreflektiertes geometrisches Zahlen- und Maßbewußtsein in
die kulturell-soziale Wirklichkeit umgesetzt.
Die abstrakten Pläne der Architektur sind in der Regel
auf eine einmalige konkrete Verwirklichung an einem bestimmten Ort abgestellt.
Das abstrakte Gesetzesrecht ist innerhalb rechtlicher Gebiete an allen
möglichen Orten durch die Adressaten seiner Sinngehalte immer wieder
konkret zu verwirklichen. Die Analogien zwischen den Plänen der Architektur
und den Vorschriften des Rechtes liegen dennoch auf der Hand. Das raumgebundene
Recht kann für das menschliche Verhalten - gleich den Plänen und
Planverwirklichungen der Architektur - in Verbindung mit der Zeit sogar
"wohnlich" geplant, verwirklicht und erlebt werden: geräumig oder eng. So
meinte es einmal Franz Gschnitzer in einer seiner legendären Vorlesungen
bildhaft, als er dem ABGB gegenüber dem BGB größere
Geräumigkeit und bequemere Wohnlichkeit zusprach.
Im Mittelpunkt des Rechtes und daher auch des praktischen
Rechtsdenkens steht der real existierende, in Raum und Zeit tatsächlich
sinn- und zweckhaft handelnde Mensch und nicht eine formal-logische Denkform.
Auf das menschliche Verhalten kommt es an: als Tun, als Dulden oder als
Unterlassen im Raum und in der Zeit. Was der Mensch im Raum Rechtens tut und
getan hat, steht in einem notwendigen Zusammenhang mit dem, was er im Raum
Rechtens tun soll, was er Rechtens tun darf und was er Rechtens tun kann; und
zwar sowohl in Übereinstimmung mit wie auch im Gegensatz zu den rechtlichen
Sinngehalten.
Das Recht ist in der Verbindung der Idealität seiner
Sinngehalte mit der Realität der Erzeugungs- und Erscheinungsformen, von
abstrakter Möglichkeit des Vorgeschriebenen und konkreter Setzung des
entsprechenden sinn- und zweckhaften menschlichen Verhaltens, ein
vielfältiges und mehrschichtig raumgebundenes Phänomen der
kulturell-sozialen Wirklichkeit. Als eine durchwegs empirisch erfaßbare,
mehrschichtige sinn- und zweckhafte Ordnung für menschliches Verhalten in
Raum und Zeit ist das Recht in Erzeugung, Erzeugtheit und Existenz (Geltung), in
abstrakter und konkreter Verbindlichkeit, vor allem aber in seiner konkreten
Verwirklichung (Wirksamkeit) stets zur Gänze, wenn auch unterschiedlich, an
die Tatsächlichkeit konkreten menschlichen Verhaltens in Raum und Zeit
gebunden. In seiner vielschichtigen und vielfältigen Erzeugungsweise und
ebensolchen Erzeugtheit, in seiner abstrakten Verbindlichkeit sowie in seinen
vielfältigen konkreten Verwirklichungen und Wirksamkeiten ist es formal und
inhaltlich durchwegs von einem konkreten tatsächlichen, sinn- und
zweckhaften menschlichen Verhalten in Raum und Zeit getragen. Es ist als ein
spezifisches kulturelles Phänomen daher auch differenziert zeit- und
raumgebunden erfahrbar. In diesem Sinn ist das Recht durch seine eigenartige
rechtliche, kulturelle und natürliche Zeit- und Raumgebundenheit sowohl des
typisiert vorgeschriebenen möglichen, als auch des diesem
gemäßen, individuell-konkreten menschlichen Verhaltens
unterschiedlich empirisch-rational erfaßbar, verstehbar, beschreibbar,
deutbar und erklärbar. Demgemäß gibt es wie für die Frage
nach dem Verhältnis von Zeit und Recht so auch für die Frage nach dem
Verhältnis von Raum und Recht mehrere empirisch-rationale
Hauptaspekte:
4. Das Recht in Praxis und Theorie
Dem praktisch denkenden Juristen ist sein Gegenstand
jedenfalls das positive Recht, wie es durch menschliches Handeln konkret erzeugt
wird, wie es durch seine Erzeugungsformen phänomenal in Erscheinung tritt,
wie es tatsächlich und rechtlich existiert (gilt), wie es den Sinngehalten
seiner eigenen Vorschreibungen gemäß generell-abstrakt verbindlich
ist, wie es individuell-konkret tatsächlich befolgt und angewendet
(verwirklicht) wird, wie es individuell-konkret wirksam ist. Der praktische
Jurist benötigt keine reine Denkform und kein theoretisches Deutungsschema,
um das Recht schlechthin in seiner Eigenart zu erfassen. Gewiß treten
zahlreiche Sinngehalte des Rechtes als imperative Sollensanordnungen abstrakt
und konkret phänomenal in
Erscheinung.[121] Das Recht besteht aber nur
zum geringsten Teil aus imperativen Sätzen. Die Sinngehalte von
Rechtsvorschriften zeigen sich dem Betrachter überdies in einer Vielfalt
von Regelungstypen. Allein schon deshalb kann der Imperativ nicht der oberste
und allumfassende Gattungsbegriff des Rechtes sein.
Im üblichen Sprachgebrauch des praktischen Juristen
bedeutet "Rechtsnorm" keine logische Form. Mit Norm meint man zumeist
einen bestimmten, rechtlich und tatsächlich existierenden (geltenden)
Rechtssatz, der individuell-konkretes Verhalten von Menschen betrifft. Der
Praktiker versteht Rechtssätze so, wie sie in ihrer tatsächlichen und
rechtlichen Existenz (Geltung) in Erscheinung treten. Unter Normen in
diesem Sinn versteht er in aller Regel Sätze in gesetzlichen Vorschriften,
die Erzeugnisse von tatsächlichem menschlichen Verhalten in Raum und Zeit
sind. Der Praktiker erkennt aus seiner Rechtserfahrung kraft Anschauung durch
Wahrnehmung, daß tatsächlich und rechtlich erzeugte Rechtssätze
der Gesetze auf ein tatsächliches menschliches Verhalten in der raum- und
zeitgebundenen kulturell-sozialen Wirklichkeit gerichtet sind, mag der
sprachliche Ausdruck der Sinngehalte und mögen die inhaltlichen
Regelungstypen des Rechtes auch vielgestaltig sein. Die Rechtssätze der
Gesetze sind deskriptiv und präskriptiv, sie sind kategorisch, assertorisch
und problematisch formuliert; sie gebieten, verbieten, erlauben und
ermächtigen; sie beschreiben, definieren und erklären. Sollen und
imperative Befehlssätze kommen in der Sprache der Gesetze
verhältnismäßig selten vor. Juristen der Praxis sehen das
Gesetzesrecht als ein phänomenales sprachliches und gedankliches
Gefüge von sinn- und zweckhaften Rechtssätzen, gerichtet auf ihre
Erfüllung in der kulturell-sozialen Wirklichkeit. Wie aber sieht der
Theoretiker das Recht?
Der Jurist pflegt die juristische Methode, so
heißt es in der Rechtswissenschaft
allgemein.[122] Der Gegenstand des
wissenschaftlichen juristischen Denkens ist jedoch nicht schlechthin das Recht,
wie es bisher dargestellt wurde. Für normativistische Rechtstheoretiker
besteht das Recht zunächst aus
Normen[123] oder formalen
Rechtssätzen.[124] Ihr Gegenstand
ist das Recht als ein formales Normen- oder Rechtssatzgefüge.
Gemäß Norm und Rechtssatz deutet man in normativistischen
Rechtstheorien das positive Recht als ein System von Normen. Die
Methode der Rechtswissenschaft kann daher gemäß der Vorstellung vom
Recht als System von Normen nur normativ sein. Diese Methode wird als die
sogenannte juristische Methode bezeichnet. Hier beginnen die
Mißverständnisse, die auch für die Vorstellungen von Raum und
Recht bedeutsam sind. Denn Norm und Rechtssatz werden auch durch
Rechtstheoretiker unreflektiert gleichgesetzt. Was ist aber eine
Norm?[125] Ein Imperativ oder ein
hypothetisches Urteil? Und was ist ein Satz des Rechtes? Ein deskriptiver oder
ein präskriptiver Satz? Eine sprachliche Aussage oder eine reine Denkform?
Eine bloße Form oder ein typisierter formaler Inhalt? Wie treten Norm und
Rechtssatz im positiven Recht in Erscheinung? Haben Norm und Rechtssatz dieselbe
Bedeutung? Rechtssatz kommt doch vom Satz des Rechtes. Ist der Satz des Rechtes
nicht zwangsläufig eine Norm? Ist die Norm ein Befehl, ein Werturteil, ein
Begriff oder nur ein Denkschema?[126] Ist die
Norm Inhalt oder Form eines Rechtssatzes?
Für Kant war die Norm ein Imperativ, dh. ein
sprachlich formulierter Befehl in der Form eines Gebotes oder Verbotes,
gerichtet an Menschen. Diese Vorstellung wurde im Lauf der Zeit auch in der
Rechtstheorie vorherrschend. Kelsen bekämpfte von der Frühzeit seines
Schaffens bis in sein hohes Alter diese Meinung als verfehlt. Er identifizierte
die Rechtsnorm ursprünglich mit dem
Rechtssatz.[127] Diesen verstand er
einerseits als Satz des Rechtes, deutete ihn aber andererseits mit
Zitelmann[128] und
Stammler[129] formal, als ein sollenshaftes
hypothetisches Urteil.[130] Kelsen
unterschied - wie Zitelmann und andere ältere Normtheoretiker -
jahrzehntelang nicht zwischen Rechtsnorm als Denkform und Rechtssatz als Satz
des Gesetzesrechtes. Überdies bekämpfte er noch bis in die
fünfziger Jahre die Auffassung von der Norm als Imperativ, bis er sich im
Jahr 1960 ausdrücklich, letztlich aber doch nur vordergründig zur
Imperativentheorie bekannte.[131] Der
Rechtssatz hat auch für den späten Kelsen noch zwei Bedeutungen.
Einerseits dient er dem Rechtsdenken als eine quasi-logische Grundform, als
sogenanntes Rechtsgesetz der Zurechnung. Andererseits verkörpert er die
allgemeine logische Form der Rechtsnorm.
Durch den Rechtssatz will Kelsen die Norm des Rechtes als
Zusammenhang von Tatbestand und Sanktion sollenshaft beschreiben. Kelsens
Vorstellung von der logischen Form des Rechtssatzes ist eine
sollensgeprägte Quasi-Analogie zum hypothetischen Urteil der
traditionellen Logik im Sinn von Kant. Unter dem Rechtssatz als sollenshaftes
Urteil versteht Kelsen eine dreigliedrige, konditionale Aussage über das
sollenshafte Verhältnis zweier Arten von Tatbeständen des Rechtes
zueinander: Des formalisierten Tatbestandes der Rechtsbedingung "wenn A [ist]"
und des formalisierten Tatbestandes der dadurch bedingten Rechtsfolge
"soll B [sein]". Zur Verbindung der beiden Urteilselemente setzt Kelsen
jedoch im Unterschied zu Zitelmann anstelle eines Ist [des Seins] im
hypothetischen Urteil der traditionellen Logik ein Soll [das Sollen] als
Kopula. Da Kelsen im Rechtssatz das Soll(en) zur Gänze in die Kopula
verlagert, weist nach ihm weder der formalisierte Tatbestand der Rechtsbedingung
noch der formalisierte Tatbestand der Rechtsfolge ein Soll(en) auf. Bedingung
und Folge sind nur formal-logische Orte für den rechtlich nicht
definierbaren Inhalt des Rechtes. Der Inhalt des Rechtes ist nach Kelsen nur ein
Sein und kein Soll(en). In den beiden Elementen des sollensförmigen
Rechtssatzes fehlt daher auch das Ist oder das Sein. Es heißt nicht: wenn
A ist soll B sein. Nach Kelsen hat nur die Form
Soll(ens)charakter, der Inhalt hingegen hat Seinscharakter.
Der Inhalt der Norm ist für Kelsen bloß ein Faktum
und nicht Recht. Er vermeidet daher bewußt die in der Rechtswissenschaft
allgemein übliche duale Terminologie "ist gesollt" und "soll sein" ebenso
wie "Gesolltsein" und "Sein-Sollen". Gegenstand der Rechtswissenschaft
können nach ihm nämlich nur logisch formalisierte, hypothetisch
konzipierte Sollformen sein und nicht deren sein(s)haften Inhalte. Kelsens
urteilsähnliche, soll(ens)haft konzipierte quasi-logische Form des
Rechtssatzes verkörpert also eine gekünstelte, rein soll(ens)hafte
Form, als logische Bedingung und als logische Folge quasilogisch miteinander
verbundene formale Elemente. Kelsen verwandelt auf seine Weise die
explikative Aussageform des hypothetischen Urteils der traditionellen
Logik in einen sollenshaft-deskriptiven, also in Wahrheit in einen
präskriptiven Satz, um ausschließlich durch diesen das Recht
more geometrico, dh. durch eine bloße Denkform als
Deutungsschema die Rechtsnormen rein und exakt "beschreiben" zu können. Er
ersetzt die Kopula Ist der traditionellen Logik nach Kant durch ein
Soll seiner hausgemachten Logik und verwandelt dadurch die
explikativ-deskriptive Aussageform in ein imperativisch-präskriptives
"Urteil".[132] Dabei hatte er offenbar
Windelbands Vorstellung vom normativen Charakter der Logik vor Augen; welch ein
fatales Mißverständnis!
Den Rechtssatz, in der Struktur einer bedingten
Soll-Aussage, versteht Kelsen nicht nur als Ausdruck der Gesetzlichkeit
des Rechtes, als sollenshaftes Rechtsgesetz zum Unterschied vom seinshaften
Naturgesetz. Er sieht in ihm zugleich ein sollenshaftes logisches Deutungsschema
für die Rechtsnorm. Kelsen glaubt seine Vorstellung vom Rechtssatz als Norm
und Rechtsgesetz aus der durch ihn postulierten absoluten
Qualitätsverschiedenheit von Natur und Recht begründen zu können.
Der zweckhaften Kausalität der Natur - als Möglichkeit und
Notwendigkeit eines Ursachen- und Wirkungszusammenhanges - stellt er die
logische Quasikausalität des Rechtes - als Möglichkeit und
Notwendigkeit eines Bedingungs- und Folgenzusammenhanges
gegenüber. Die Gegenüberstellung der "Kausalität aus
Freiheit" und der "Kausalität der Natur" nach Kant wird von Kelsen
schlechthin ignoriert. Sie paßt nicht in sein sollenshaft reines,
quasilogisches Rechtsdenken. Kelsen stellt der Denkform der natürlichen
Kausalität - als Ausdruck für die Gesetzlichkeit der Natur (des
Seins) - seine Denkform einer quasi-logischen Konsequenz - als
theoretisches Deutungsschema für die angebliche logische Gesetzlichkeit des
ausschließlich sollenshaften Rechtes - gleichwertig gegenüber. Diese
theoretische Denkform dient Kelsen zur sollenshaften Beschreibung des
Rechtes weil dieses selbst soll(ens)haft ist. Sie ist zwar sollenshaft
formuliert, soll sich aber dennoch für die Beschreibung der Normen
des positiven Rechtes eignen?[133] Derart
werden Norm und Sollen als Denkformen mit dem Gegenstand verschmolzen. Recht ist
gleich Norm. Norm ist gleich Sollen.
Zum Unterschied von Kant setzt Kelsen auch noch in seinem
posthum erschienenem Spätwerk der Kausalität der Natur nicht
die Kausalität menschlicher Verhaltensweisen aus Freiheit entgegen,
sondern die von ihm konstruierte Art einer quasi-logischen Zurechnung des
Tatbestandes einer Unrechtsfolge (der Sanktion) zu einem Tatbestand der
Rechtsbedingung.[134] Die Rechtsfolge wird
einer Rechtsbedingung formal-logisch zugerechnet. Der bedingte Tatbestand der
Rechtsfolge wird nicht als Folge für ein menschliches Verhalten mit einem
Menschen als Träger von Rechten und Pflichten gemäß dem Recht
teleologisch ursächlich sondern logisch formal
verknüpft.[135] Denn die Form der Norm
bedeutet nach Kelsen nur ein Soll(en). Der Inhalt der Norm ist kein Soll(en),
sondern nur ein Sein. Das Sein ist daher aus der normativen Form des
hypothetischen Urteils von vornherein kategorial ausgeklammert. Der Mensch und
sein Handeln in Raum und Zeit gehören weder ideell noch real zur Form des
Rechtes, sie sind als Sein nur sein Inhalt. Der Inhalt des Rechtes ist für
Kelsen beliebig.
Da Kelsen Raum und Zeit als Sein auffaßt, welches er dem
Rechtsinhalt zuweist, schließt er mit diesem beide aus dem Sollen aus. Sie
können weder Norm noch Sollen noch Recht sein und sind deshalb auch nicht
Gegenstand der Rechtstheorie. Der Gegenstand der reinen Rechtslehre als
Rechtstheorie ist ein raum- und zeitloses Soll(en), verkörpert durch die
Kopula im formal-logischen Denkgefüge des Rechtssatzes, als reines
Denkschema und als Sinnbild der rechtlichen Norm. Die Sinngehalte des positiven
Rechtes, deren rationaler Erfassung die Denkformen der traditionellen Logik als
Logik der Erfahrung dienen sollten, bleiben aus der Rechtsbetrachtung
ausgeklammert. Auf diese Weise wird auch der räumliche Geltungsbereich des
Rechtes in der Lehre Kelsens juristisch unerklärbar. Raum und Zeit sind in
der Theorie Kelsens nicht normativ erfaßbar. Und das soll eine
zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach der juristischen Methode im
gegenstandsgebundenen Denken der Juristen sein?
Seit der zweiten Auflage der Reinen Rechtslehre deutet
Kelsen die Norm des Rechtes als einen Imperativ. Er weist ihr aber auch Gestalt
und Funktion der Erlaubnis, der Ermächtigung und sogar der Derogation zu.
Demnach unterscheidet er verschiedene
Normtypen.[136] In der allgemeinen Theorie
der Normen setzt Kelsen die Norm des Rechtes schlechthin dem Imperativ gleich
und sieht in seinem hypothetischen Urteil sogar einen doppelten Imperativ.
Für den späten Kelsen bedeutet der Imperativ aber dennoch nur in
erster Linie ein Gebot, einen Befehl. Gebieten und Verbieten faßt er nicht
als die einzigen Funktionen einer Norm auf. "Auch ermächtigen, erlauben,
derogieren sind Funktionen von Normen". Dabei identifiziert er die Norm nicht
bloß mit dem Imperativ, sondern erklärt diesen unter Berufung auf
Walter Dubislav auch als Ausdruck eines
Willensaktes.[137] Als Imperativ bedeutet die
Norm ein Sollen, das ein Wollen ausdrückt und etwas vorschreibt. Mit diesem
gewollten Sollen will Kelsen die drei normativen Funktionen des Gebietens,
Ermächtigens und Erlaubens gleichermaßen
erfassen.[138] Doch auch die Derogation
bedeutet nach ihm eine spezifische Funktion des Sollens. "Sie statuiert nicht
ein Sollen, sondern ein Nicht-Sollen".[139]
Derart wird die Norm als Imperativ funktionell aufgelöst und seiner
Eigenart entfremdet.
Der späte Kelsen ordnet seinen funktionellen
imperativischen Rechtsnormbegriff des differenzierten Sollens, der sogar ein
Tun des Gesetzgebers als ein Nicht-Sollen umfaßt, letztlich aber
noch immer seinem Begriff vom Rechtssatz zu. Diesen deutet er zwar als ein
allgemeines Rechtsgesetz, will mit ihm aber auch die Eigenart der Normen des
Rechtes zum Ausdruck bringen. Der Rechtssatz spiegelt den normativen Begriff des
Rechtes wieder.[140] Ungeachtet dessen
versteht Kelsen die Rechtsnorm schlechthin als Imperativ und deutet diesen als
einen sollenshaften Befehl, als den Sinn eines Wollens, eines Willensaktes.
Seinem allgemeinen Normbegriff als Imperativ unterstellt
Kelsen auch die Normen des Rechtes. Der im Jahr 1911 von ihm als hypothetisches
Urteil formulierte Rechtssatz, als sanktionsbewehrtes hypothetisches Normschema,
wird ab 1960 vom Imperativ in den Hintergrund gedrängt. Er wird dadurch
aber keineswegs überflüssig. Der Rechtssatz gilt nach wie vor als eine
sollenshafte Beschreibung der Normen des Rechtes. Der Rechtssatz
umschließt seit der allgemeinen Theorie der Normen (1979) allerdings auch
einen nicht näher erklärten Zusammenhang von zwei
Imperativen.[141]
Die Mediatisierung der ursprünglichen Gleichsetzung des
Rechtssatzes mit der Norm des positiven Rechtes durch Kelsen ist in der zweiten
Auflage der Reinen Rechtslehre sichtbar
vollzogen.[142] Die Wende zeichnete sich aber
bereits im Jahr 1953 ab.[143] Nach seinem
Besuch in Finnland im Jahr 1952 sah sich Kelsen nämlich veranlaßt,
sich mit Henrik v. Wrights Deontik als Logik der Handlungen und Normen
auseinander zu setzen.[144] In der zweiten
Auflage der Reinen Rechtslehre aus dem Jahr 1960 definierte Kelsen die
Norm bereits allgemein als Imperativ. Damals begann er - nach dem Vorbild der
älteren, von ihm jahrzehntelang vehement abgelehnten Rechtstheorien - der
Norm neben Gebot und Verbot noch die sollenshafte Erlaubnis, die
Ermächtigung und die Derogation als Funktionen zuzuschreiben. Dabei
räumte er auch der Rechtshandlung neben der Norm einen besonderen
Stellenwert ein: Kein Imperativ ohne Imperator, kein Befehl ohne einen
Befehlshaber.[145] Da er aber die Trennung
von Sein und Sollen beibehielt, hielt er seinen Rechtssatz als theoretische und
methodologische Denkform für die Deutung der Rechtsnormen unverändert
problematisch und logisch unauflösbar
aufrecht.[146] "Daraus, daß der
Rechtssatz etwas beschreibt, folgt aber nicht, daß das Beschriebene eine
Seintatsache ist. Denn nicht nur Seintatsachen, auch Soll-Normen können
beschrieben werden".[147]
Daraus ergeben sich nun noch weitere Fragen: Wie steht es mit
der jüngeren Rechtssatzvorstellung Kelsens als doppelter Imperativ, im Sinn
von Verbot oder Gebot, vor allem wenn Imperative keine Sätze der
Rechtswissenschaft sein können?[148] Wie
passen Ermächtigungen, Erlaubnisse und Derogationen zum Normbegriff als
Imperativ? Sind Befehlen, Erlauben, Ermächtigen und Derogieren nicht
vielmehr typische zweckhafte Bedeutungen der Sinngehalte des Rechtes, die
unvertauschbar und nur inhaltlich erklärbar
sind?[149] Und was bedeuten diese
Zweckbezüge der Sinngehalte des Rechtes im wechselhaft konditionalen,
deskriptiv-explikativ-definitorischen, indikativ-assertorischen und
kategorischen sprachlichen Ausdruck von Rechtsvorschriften? Diese Fragen werden
vorerst vernachlässigt. Hier sei nur vermerkt, daß ihre Beantwortung
die ganze Fragwürdigkeit eines rein formal konstruierten Rechtsatzbegriffes
und seine Untauglichkeit als Mittel der "Beschreibung" der Eigenart des Rechtes
als Normensystem unmittelbar einsichtig macht. Die Kritik an Kelsens
Normbegriff, sein widersprüchlicher und bloß scheinbarer Wechsel vom
hypothetischen Urteil zum Imperativ kann hier auf sich beruhen.
Im vorliegenden Zusammenhang ist von Bedeutung, daß
Kelsen auch seinen späten Normbegriff auf den Rechtssatzbegriff stützt
und auf beide seinen Rechtsbegriff gründet. Recht ist danach ein
Normengefüge von sollenshaften Imperativen, erklärbar aus einem
sollenshaften hypothetischen Urteil. Die Eigenart des Rechtes wird in der
logischen Form der Norm gesehen: Recht ist gleich Norm, Norm ist gleich Sollen.
Die Norm hat zwar einen Inhalt. Dieser ist jedoch ein Sein und kein Sollen. Nach
Kelsen kann das Recht jeden beliebigen Inhalt haben. Daher prägt nur die
Form der Rechtsnorm den Rechtsbegriff. Damit könnte man einverstanden sein,
würde das Recht tatsächlich nur aus Normen als Imperative
bestehen.[150] Das Recht kann aber selbst
durch Abstraktion seiner Inhalte weder auf Imperative noch auf hypothetische
Urteile reduziert werden. Es kann daher nicht einmal formal der Norm als
Imperativ gleichgesetzt werden. Einzelne imperative Formulierungen oder bedingt
angeordnete Rechtsfolgen vermitteln vordergründig zwar den Eindruck,
daß sowohl der Imperativ als auch das hypothetische Urteil die formale
Eigenart des Rechtes widerspiegeln, doch das Recht bedeutet ungleich mehr und
anderes als ein imperatives Sollen in Verbindung mit einer durch die Verletzung
dieses Imperativs bedingten Rechtsfolge.
Darüber hinaus ist aber zu bedenken, daß die Norm
sowohl als Imperativ wie auch als hypothetisches Urteil der Rechtstheorie in
Wahrheit nur eine Denkform und ein formales Deutungsschema ist und daher nur
einer Charakterisierung der Eigenart des Rechtes dienlich sein kann. Die Norm
ist nicht Recht, sondern eine reine Denkform und ein bloßes
Deutungsschema. An diese Feststellung knüpft eine Kritik an, welche die
teilweise begründeten Bedenken gegen die Anwendbarkeit der traditionellen
Logik auf Normen als Imperative bei weitem überwiegt. Wer das Recht mit
Norm und Sollen gleichsetzt, verfehlt den Gegenstand. Wer die Sätze des
Rechtes durch formale Kategorien von Norm und Sollen deutet, verändert den
Gegenstand so sehr, daß er ihn nicht mehr logisch erklären kann. Wer
den Rechtssatz mit dem Imperativ oder mit dem hypothetischen Urteil
identifiziert, verwandelt den Gegenstand Recht in eine reine Denkform und in ein
bloßes Deutungsschema. Kelsen beschreibt daher nicht das Recht wie es ist,
sondern nur wie er es sich more geometrico, in der Frühzeit
rechtslogisch, später normlogisch und schließlich deontologisch
zurechtlegt, um eine rein formale und inhaltsneutrale Rechtstheorie pflegen zu
können. Dabei glaubt er tatsächlich, eine Gegenstandstheorie zu
liefern und nicht eine theoretische Methodologie für ein reines
Rechtsdenken.[151] "Die Logik, die die reine
Rechtslehre sozusagen erst entdeckt hat, ist eine allgemeine Normenlogik, das
heißt: eine Logik des Sollens oder der Sollsätze, die Logik einer auf
Normen, und nicht auf natürliche Realität gerichtete Erkenntnis ...
Damit komme ich zu dem Mißverständnis, daß die reine
Rechtslehre nur Logik und zwar Rechtslogik sei. Logik ist die Lehre vom Denken,
die Reine Rechtslehre ist eine Lehre vom Recht, eine Rechts- und nicht - oder
doch nicht allein und auch nicht in erster Linie - eine Denklehre. Sie
beschäftigt sich mit logischen Problemen, soweit dies für die
Erkenntnis des Rechtes, die Bestimmung seines Begriffes und die Definition der
Grundbegriffe aller Rechtserkenntnis notwendig ist."
Kelsen weist in seiner posthum erschienenen Normentheorie mit
Nachdruck und wiederholt daraufhin, daß die traditionelle Logik auf das
Sollen, auf Normen als Imperative nicht anwendbar ist. Das gilt allerdings nur
für die Rechtsnormen als Imperative, nicht aber für den Rechtssatz als
sollenshafte urteilsförmige Aussage der Rechtswissenschaft über
Normen. Wie kann man das aber schlüssig erklären, wenn man bedenkt,
daß für Kelsen Sollen und Norm, Norm und Recht, Recht und
Rechtswissenschaft eins sind? Wenn das Recht der Norm und dem Sollen
gleichgesetzt wird, dann ist die Logik doch schlechthin auf das Recht nicht
anwendbar.
5. Erwartungen gegenüber der Rechtswissenschaft
Rechtsdogmatik und Rechtspraxis können mit solchen
normtheoretischen Verfremdungen des Gegenstandes offensichtlich weder viel
anfangen noch benötigen sie überhaupt die Denkform der Norm (Imperativ
und Rechtssatz) als ein allgemeines Deutungsschema für das Recht. Sie
halten sich an das Recht, wie es durch seine Erzeugtheit in Erscheinung tritt.
Sie pflegen daher auch nur ein vordergründiges und äußerliches
konventionelles Raumrechtsdenken. Das genügt offenbar für eine
plausible Zuordnung von raumgebundenen Rechtsakten und Rechtshandlungen zu den
Sinngehalten von Raumregelungen in den rechtlichen Vorschriften. Das ist
verständlich. Im Alltag des juristischen Denkens und Wirkens geht es um
praktische, um spezifisch rechtstechnische und nicht um erkenntnistheoretische
Anliegen. Der praktische Jurist muß bloß über erlernte und
geübte Techniken des Auffindens von Rechtsvorschriften, der
gegenstandsgerechten Deutung und der fachlich-beruflichen Anwendung des Rechtes
Bescheid wissen. In diesem Sinn ist der Jurist als ein geschulter Handwerker
gefordert und nicht als ein logisch oder erkenntnistheoretisch gebildeter
Methodologe oder Rechtstheoretiker. Sein Raumrechtsdenken ist praktisch und
nicht theoretisch. Er versteht gleichsam auf den ersten Blick, wo, wann und wie
gemäß den Sinngehalten der Vorschriften des Rechtes ein rechtliches
Verhalten in Raum und Zeit gesetzt werden soll. Er weiß, wie ein in Raum
und Zeit gesetztes Handeln gemäß den Raum- und zeitgebundenen
Sinngehalten der Vorschriften des Rechtes als ein rechtliches erkannt werden
kann.
Dennoch ist es auch für den praktischen Juristen
sinnvoll, das Niveau seines fachlichen handwerklichen Wissens und Könnens
durch Bildungskomponeten aufzuwerten. Das gilt nicht nur für die
Fähigkeit zu einem differenzierten, sinn- und zweckhaften
kulturell-sozialen Denken, für ein teleologisches Verständnis der vom
Recht erfaßten Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft in Raum und Zeit,
sondern auch für die Beherrschung von Sprache und Grammatik. Das gilt aber
auch für die Kenntnis der Grundformen und Grundprinzipien richtigen oder
schlüssigen Denkens der Logik und der Erkenntnistheorie. Hier
schließt sich auch der Kreis zu den handwerklichen rechtstechnischen
Fähigkeiten, über die heutzutage jeder praktische Jurist verfügen
muß. In diese ist zumindest die routinemäßige Fähigkeit
zur Handhabung der Sprache nach den fundamentalen Regeln von Grammatik und Logik
eingeschlossen. Dazu kommen noch ein mathematisches Grundwissen und Kenntnisse
von der Datenverarbeitung, die im fortschreitenden Computer-Zeitalter mehr und
noch anderes bedeuten als die Fähigkeit zum Maschinschreiben.
In unserer Zeit ist die Formalisierung des juristischen
Denkens wieder einmal modern geworden. Allenthalben herrscht sogar ein blinder
Glaube an die formale Logik als Schlüssel zum Recht und zum Rechtsdenken.
Bei normlogisch eingestellten Theoretikern trifft man zwar auf Bemühungen
um Kenntnisse von Grammatik und allgemeiner Logik, doch von einem brauchbaren
erkenntnistheoretischen und erkenntniskritischen Vorverständnis für
ein gegenstandsadäquates formales und inhaltliches Rechtsdenken ist wenig
zu bemerken. Manche bemühen sich zwar um die Logik, stellen dann aber fest,
daß diese auf Normen als Imperative nicht angewendet werden kann, vor
allem weil ihre Sollenshaftigkeit der Wahrheitsprobe der Logik unzugänglich
ist. Man ist offenbar eher geneigt, vor einer vordergründigen
Unanwendbarkeit der formalen Wahrheitsprobe der traditionellen Logik auf Normen
als Imperative zu kapitulieren, als die Denkformen und Deutungsschemata Norm und
Sollen im Hinblick auf die Vertretbarkeit ihrer Anwendung auf Sinngehalte des
Rechtes zu hinterfragen. In manchen Lehren vom positiven Recht wird unter dem
Einfluß der normlogisch vereinfachten Denkform des Imperativs
geradezu mit Selbstverständlichkeit ein unreflektierter, nicht nur von der
Realität sondern auch von den Einsichten der Erkenntnislehre
gleichermaßen abgehobener deontologischer Diskurs gepflegt,
geradeso als wären Recht und Norm identisch. Das zeigt sich vor allem in
den Tendenzen zur unkritischen Formalisierung und zur Simplifizierung des
Rechtsdenkens, die unreflektiert an die dekonstruktionistische Rechtstheorie
Kelsens angelehnt sind.[152] Diese Tendenzen
liegen jenseits von Anschaulichkeit und Verstehbarkeit des Rechtes als einer
mehrschichtig angelegten, untrennbaren Dualität von Sollen und Sein, von
Sinn und Tatsache, von Wert und Wirklichkeit. Äquivokationen und
Synkretismen sind problematische Folgen davon. Normlogische Theorien vermitteln
zwar den Eindruck von elitärer Wissenschaftlichkeit. Doch sie sind nicht
nur für die Praxis unbrauchbar, sondern auch für ein kritisch
hinterfragtes, empirisch-rationales juristisches Denken. Das gilt insbesondere
für die reine Rechtslehre des späten Kelsen, mit ihren quasilogisch
konstruierten Begriffen, insbesondere des Imperativs und dessen Auflösung
im sollenshaften hypothetischen Urteil.[153]
Nach dem neukantianischen Denkansatz Kelsens reiner
Rechtslehre zu schließen, wonach Recht und Rechtswissenschaft eins sind,
scheinen Adressaten einer solchen Rechtstheorie bloß die
Rechtswissenschafter selbst zu sein. In ihrem normlogischen
Diskurs, in ihren formal-logisch und normativistisch angelegten analytischen
Auseinandersetzungen mit den Lehren anderer und in ihrer scheinbaren
Genügsamkeit mit einer problematischen Normen-Logik schreiben manche
Rechtstheoretiker insofern bloß füreinander und gegeneinander.
Diskursdialektik und Konventionalismus in der Handhabung von quasilogischen
normativistischen Grundbegriffen werden auf dem Abstraktionsniveau einer von der
empirisch-rational erfaßbaren, zweckhaften Rechtswirklichkeit abgehobenen
Wissenschaftssprache in gekünstelten Kategorien von Norm und Sollen
gepflegt; vielleicht sogar mit der Illusion von einer Teilhabe der Rechtstheorie
an der Zeitlosigkeit der Philosophie?
Der normlogische Diskurs scheint wichtiger zu sein, als eine
gegenstandsadäquate, wirklichkeitsorientierte Problemforschung von Raum und
Zeit, an Hand der phänomenalen Erscheinungsformen der Sinngehalte des
positiven Rechtes. Die induktive explikative Methode empirischen Forschens
scheint den Naturwissenschaften und die deduktive normative Methode den
Geisteswissenschaften vorbehalten zu sein, also auch den Rechtswissenschaften?
Kommt das etwa daher, daß man mit Karl Popper die induktive Methode
für verfehlt erachtet und daß man im Gegensatz zu Moritz v. Schlick
nur die Falsifizerung und nicht auch die Verifizierung als einen
verläßlichen empirisch-rationalen Prüfstein für das
erfahrungswissenschaftliche Denken als zielführend erachtet? Oder kommt das
aus einem mangelhaften Vorverständnis von Grammatik, Logik und
Erkenntnistheorie durch eine reine, bloß ihr selbst zur methodologischen
Reflexion genügenden, quasi apriorischen Rechtstheorie? Es braucht daher
nicht zu verwundern, daß in den normativistischen Rechtstheorien ein
gegenstandsfernes deduktives Denken dominiert, das nicht nur von den
theoretischen Prämissen her unschlüssig sondern auch praktisch
unbrauchbar ist.
Solche Fragen sollte man sich als Rechtswissenschafter vor
Augen halten, wenn man sich nicht nur einen praktischen sondern auch einen
kritischen theoretischen Zugang zu einer gegenstandsadäquaten,
empirisch-rationalen Erkenntnis vom Recht in Raum und Zeit erschließen
will. Dazu sollte man sich sinnvollerweise aber auch auf die bisher schon
angedeuteten allgemeinen Voraussetzungen eines empirisch-rationalen
wissenschaftlichen Denkens besinnen. Dabei wird man sich auch um Kenntnis und
Erprobung der Grundregeln von Grammatik und Logik bemühen müssen. Man
wird vor allem - wie schon Aristoteles - die Fragen nach dem Wo und
Wann, also nach Raum und Zeit der tatsächlichen und
rechtlichen Existenz (Geltung) von Erzeugungs- und Erscheinungsformen des
Rechtes, der räumlichen Verbindlichkeit und der räumlichen Befolgung
und Anwendung (Verwirklichung und Wirksamkeit) der Sinngehalte von Vorschriften
des Rechtes für menschliches Verhalten und von Rechtsakten zu bedenken
haben, um auf sie in Analyse und Synthese fundierte Antworten zu erhalten, die
nachprüfbare wissenschaftliche Erkenntnisse vom Recht im Raum ebenso
vermitteln wie vom Raum im Recht. Man wird sich den allgemeinen Begriff des
Raumes als eine empirisch-rationale Denkform und Anschauungsform, die
vielfältigen Begriffe des Raumes im Recht und die unzähligen
Räume der kulturell-sozialen Wirklichkeit in ihrer Homogenität
vergegenwärtigen müssen, um ebenso vernünftig wie praktisch
juristisch denken zu können.
Wer differenziert und kritisch raumbewußt denkt, dem
wird der Sinn für die praktische Erheblichkeit der Frage nach dem
Verhältnis von Naturraum und Rechtsraum aufgehen: im Hinblick auf
rechtliche Orte, auf rechtliche Wege, auf rechtliche Gebiete und auf rechtliche
Raumkörper; im Hinblick auf die rechtlich vernetzten Gebiete der Staaten
und der Kontinente; im Hinblick auf die Hohe See, auf den Luftraum und auf die
Atmosphäre der Welt; schließlich auch im Hinblick auf den Weltraum.
Wer so denkt, der wird den notwendigen Zusammenhang der natürlichen
Räume mit den rechtlichen Räumen in der Wirklichkeit, in der
Begrifflichkeit des geschriebenen Rechtes und in der Begrifflichkeit der
Rechtswissenschaft für die praktische juristische Tätigkeit besser
verstehen. Der wird auch zwischen den natürlichen und rechtlichen
Raumphänomenen einerseits und den diesen entsprechenden Raumbegriffen in
Theorie und Praxis andererseits zu unterscheiden wissen. Der wird die
rechtlichen Räume in der sinnhaften Realität der kulturell-sozialen
Wirklichkeit ebenso deuten können wie ihre Begrifflichkeit in der
realitätsbezogenen Idealität der intentional-finalen Sinngehalte von
Vorschriften des Rechtes. Der wird die abstrakte Begrifflichkeit des Raumes und
die differenzierte Realität der rechtlichen Räume nicht nur jeweils
für sich richtig deuten, sondern für das Recht auch schlüssig
miteinander in Bezug setzen können. Der wird nicht nur darüber
Bescheid wissen, wie man juristisch raumgebunden denken und handeln soll,
sondern auch darüber, wie man die vielgestaltigen rechtlichen
Raumphänomene empirisch-rational erfassen soll, um das Recht durchgehend
und allseits, dh. sowohl in den Schichten seiner abstrakten Verbindlichkeit als
auch in den Schichten seiner konkreten Verwirklichungen sowie in der
schlüssigen Verbindung beider, aus der untrennbaren Zweigestalt von Inhalt
und Form, von Idealität und Realität gleichermaßen verstehen und
deuten zu können; praktisch gesehen, um einen zweckhaften Tatbestand und
einen zweckhaften Sachverhalt in ihrer wechselseitigen Entsprechung
(Korrespondenz) und Vergleichbarkeit empirisch-rational erfassen und
schlüssig miteinander in Verbindung bringen zu können.
Der unlösbare Zwiespalt zwischen dem empirischen
Rechtsbegriff von Praktikern und dem Rechtsbegriff normativistischer
Rechtstheoretiker wird durch die apriorische geometrische Denkweise in den
Naturwissenschaften nur scheinbar bestätigt. In diesen Wissenschaften -
etwa in der Physik, in der Astronomie und in der Kosmologie - werden zumeist aus
Gründen der engen Bindung an die reinen Formen der Geometrie die
allgemeinen erkenntnistheoretischen Denkansätze einer Logik der Erfahrung
vernachlässigt. In den gegenstandsadäquaten naturwissenschaftlichen
Raumvorstellungen wird aber dennoch die Sinnhaftigkeit eines allgemeinen
empirisch-rationalen Raumdenkens erkennbar, weil diese auf die den apriorischen
Kategorien vergleichbaren Denkformen der Geometrie gegründet sind, die den
Grundformen und Grundprinzipien der traditionellen Logik als Logik der Erfahrung
konform sind.[154] Aus ihrer
Genügsamkeit mit den geometrischen Denkformen versteht man zwar den
Urzweifel von Naturwissenschaftern an der Sinnhaftigkeit der Vorstellung der
Philosophen von einer apriorisch transzendentalen Idealität des Raumes.
Doch gerade weil das geometrische Denken an und für sich logisch ist, kann
es einer unmittelbaren Fundierung in einer allgemeinen Logik der Erfahrung
entbehren. Vergleichbares könnte auch auf die Rechtswissenschaft zutreffen,
wäre ihr theoretischer Denkansatz empirisch-rational und den Grundformen
und Grundprinzipien der allgemeinen Logik und der Erkenntnistheorie
gemäß. Doch die Rechtstheorie stützt sich ausschließlich
auf die alogische Denkform, auf die alogischen Deutungsschemata der Norm als
Imperativ, gesehen durch das hypothetisches Urteil. Das Sollen des Imperativs
ist aber der Wahrheitsfrage der traditionellen Logik unzugänglich. Dieses
Argument war in seiner formalen Richtigkeit schon Julius Binder ua
geläufig[155]: der Imperativ gehört
nicht in das Gebiet der Logik.[156] - Im
Hinblick auf die verfehlte Gleichstellung des Imperativs mit der Norm als
obersten und ausschließlichen Gattungsbegriff des Rechtes sei hier nur
gefragt, wie es um die Architektur oder um andere Naturwissenschaften bestellt
wäre, würden diese ihre formalen geometrischen Deutungsschemata und
Denkformen entweder auf den Kreis oder auf das Quadrat oder auf den Winkel
reduzieren, als eine ausschließliche Denkform und als einziges
Deutungsschema für ihren Gegenstand.
Rechtswissenschafter tun daher gut daran, sich auch auf die
Bestimmungsgründe der allgemeinen Erkenntnistheorie und der traditionellen
Logik für ein empirisch-rationales wissenschaftliches Denken zu besinnen
und sich bei ihrer Gegenstandserfassung zuallererst der induktiven Denkweise
empirischer Wissenschaften zu bedienen. Derart könnten sie den Raum nicht
nur in der Wirklichkeit von Natur und Kultur sondern auch im Recht empirisch
erfahren und rational erfassen. Dann wären sie auch in der Lage, das
positive Recht aus der Vielfalt seiner räumlichen Erscheinung in der
Reichweite von Erfahrung, Anschauung und Wahrnehmung mit Hilfe aller Grundformen
und Grundprinzipien der traditionellen Logik zu deuten. Derart würden sie
begreifen, daß der rechtliche Raum von einer besonderen kulturell-sozialen
Bedeutung ist, die den natürlichen Raum zwar zur Voraussetzung hat, mit
diesem aber nicht identisch ist. Andererseits würden sie den rechtlichen
Raum aber auch aus dem natürlichen Raum erklären können. Diesen
Weg scheint sogar Kelsen in seiner Allgemeinen Staats(rechts)lehre zu weisen,
wenn er entgegen seinem formal-logischen normativistischen Reduktionismus den
Raum des Staates dreidimensional und kegelartig beschreibt und als einen
körperlichen Teil der kugelförmigen Erde darstellt.
F u ß n o t e n [1] Günther
Winkler,
Zeit und Recht, Forschungen aus Staat und Recht 100 (1995).
[2] "Raum
und Recht", gehalten im Europa-Institut der Universität des Saarlandes, am
25. November 1997.
Die hier abgedruckten
Ausführungen bilden den ersten Teil meines im kommenden Jahr im
Springer-Verlag erscheinenden Buches "Raum und Recht", in welchem die
rechtsdogmatischen und rechtstheoretischen Ausführungen durch logische,
grammatische, erkenntnistheoretische und wissenschaftstheoretische Perspektiven
des juristischen Denkens erweitert sind.
[3] Vgl.
dazu Günther
Winkler, Die absolute Nichtigkeit von
Verwaltungsakten in: Recht und Staat 223 (1960); Neudruck in: Forschungen aus
Staat und Recht 46 (1979) 25 ff.
[4] In
Wien gibt es derzeit ungefähr 150.000 Tafeln von Verkehrszeichen. Diese
enthalten allerdings zumeist keinen Hinweis auf einen bestimmten Ort ihrer
Verbindlichkeit. Sie haben daher an jedem geeigneten Ort ihrer Aufstellung (Wege
und Plätze) die ihnen aufgrund von generell-abstrakten Vorschriften
zugewiesene Verpflichtungskraft.
[5] Auf
die Besonderheiten der räumlich scheinbar universell geltenden und
verbindlichen Strafrechtsnormen und der Rechtsgebiete des sogenannten
Internationalen Privatrechtes, Strafrechtes, Verwaltungsrechtes und
Verfahrensrechtes sei hier nur mit einem Rechtssprichwort hingewiesen: Die
Nürnberger hängen keinen, es sei denn sie hätten
ihn.
[6] Marie
König, Am Anfang der Kultur. Die
Zeichensprache des frühen Menschen (1973).
[7] Andre
Pichot, Die Geburt der Wissenschaft. Von
den Babyloniern zu den frühen Griechen (1995/1996).
[8] Beispiele
für die Zeit von 4.500, 3.000 und 1.500 v. Chr. aus Vorderasien und
für die Zeit von 1.500 v Chr. aus Italien, bei
Gerald
Sammet,
Der vermessene Planet (1990) 46 ff. Auch vom alten China vor und nach der
Zeitrechnung sind Zeichnungen von exakten geometrischen Maßen und Formen
der Grundrisse von Städten mit Stadtmauern
überliefert.
[9] Euklid,
Die Elemente. Aus dem Griechischen übersetzt von
Clemens
Thaer, nach dem Text von Heiberg, in:
Ostwald´s Klassiker der exakten Wissenschaften (1933). Siehe dazu B. L.
Van der
Werden, Erwachende Wissenschaft I,
Ägyptische, babylonische und griechische Mathematik² (1966, Neuauflage
in Vorbereitung); ferner Andre
Pichot, Die Geburt der Wissenschaft. Von
den Babyloniern zu den frühen Griechen (1995/1996).
[10] Um
1800 gab es in Baden bei Wien rund 100 verschiedene Ellenlängen.
[11] Internationale
Meter-Convention vom 20. Mai 1875, RGBl. 20/1876, in der Fassung der
Internationalen Übereinkunft zur Abänderung dieser Konvention, BGBl.
46/1927, in Verbindung mit den Übereinkommen über die Gründung
einer Internationalen Organisation für das gesetzliche Meßwesen
(Eichwesen), BGBl. 171/1958, in der Fassung des BGBl. 346/1968.
[12] Le
Système International d'Unités (SI)6 (1991) 83 ff.
Siehe für das Europarecht: Richtlinie 80/181/EWG des Rates vom 20. Dezember
1979 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die
Einheiten im Messwesen und zur Aufhebung der Richtlinie 71/354/EWG, in der
Fassung der Richtlinie 89/617/EWG des Rates vom 27. November
1989.
[13] Le
Système International d'Unités (SI)6 (1991) 103
ff.
[14] Le
Système International d'Unités (SI)6 (1991) 91 ff.
[15] Siehe
für Österreich das Maß- und Eichgesetz (MEG), Bundesgesetz vom
5. Juli 1950, BGBl. 152 in der Fassung des BGBl. 657/1996, § 2 Abs 1 und 6,
§ 3; dazu siehe auch Übereinkommen über die Gründung einer
Internationalen Organisation für das gesetzliche Meßwesen (Eichwesen)
BGBl. 171/1958 in der Fassung des BGBl. 346/1968.
[16] Siehe
dazu
Gerald
Sammet,
Der vermessene Planet (1990).
[17] Aristoteles,
Über den Himmel (Schöningh 1958) Rz 285 b: "Unter der Länge des
Alls verstehe ich den Abstand von Pol zu Pol, deren einer oben, deren anderer
unten liegt".
[18] Aristoteles,
a.a.O. Rz 284 b: "Oben ist der Ursprung der Länge, Rechts der der Breite
und Vorn der der Tiefe ..."; vgl. ferner 285 a und 285 b.
[19] Die
Einteilung der Oberfläche des Erdballs in Längengrade, dargestellt
durch die in den zwei Polen einander schneidenden Kreise, erfolgte im Jahr 1884
im Sinn eines Vorschlages von
Gemma
Frisius (um 1530). Von
Gemma
Frisius stammt auch die Idee der exakten
Bestimmung der Länge eines Meridianbogens zwischen Nordpol und Südpol
durch die sogenannte Triangulierung oder Technik der Dreiecksvermessung der
Erdoberfläche.
[20] Siehe
dazu die Protokolle der Conférence Internationale, tenue à
Washington pour l'adoption d'un premier Meridian unique et d'une heure
universelle (1884). Näheres dazu bei
Ernst
Mayer, Die Geschichte des 1. Meridians und
die Zählung der geographischen Längen (1879) und
Heinrich
Haag, Die Geschichte des Nullmeridians,
Diss. Gießen (1913).
[21] Durch
Frankreich auf der Nullmeridiankonferenz von Paris im Jahr 1634 einseitig
festgelegt.
[22] Richard
Wagner, Parzifal, 1. Aufzug: Parzifal: "Ich
schreite kaum, doch wähn ich mich schon weit". Gurnemanz: "Du siehst, mein
Sohn, zum Raum wird hier die Zeit". - Siehe auch den entsprechenden Hinweis bei
Karl
Engisch, Der Raum, in: Vom Weltbild des
Juristen2 (1965) 66, mit einer Bezugnahme auf
Thomas
Mann, Meerfahrt mit Don Quixote: "Der Raum
will seine Zeit".
[23] Richtlinie
71/354/EWG. Sie wurde durch die Richtlinien 76/770 EWG, 80/181 EWG, 85/1/EWG und
89/617/EWG novelliert.
[24] Art
1 Ziff 1 der Richtlinie 85/1 EWG vom 18. Dezember 1984 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Einheiten im
Meßwesen.
[25] Die
Richtlinie wurde zuletzt durch die Richtlinie 87/355 EWG
geändert.
[26] Siehe
dazu Stefan
Griller, Europäische Normung und
Rechtsangleichung (1990).
[27] Die
Richtlinie ist eine Kodifikation der ursprünglichen Richtlinie 83/189 EWG
und ihrer Novellen. Sie wurde durch 98/48 EWG geändert.
[28] Siehe
dazu für Österreich das Normengesetz, BGBl. 240/1971.
[29] Bundesgesetz
über die Landesvermessung und den Grenzkataster (Vermessungsgesetz - VermG)
BGBl. 306/1968 in der geltenden Fassung des BGBl. I 30/1997. Siehe zur
Geschichte Gerhard
Knechtel, Die Rechtlichkeit des Raumes
dargestellt am Beispiel der österreichischen Katastralvermessung, in: FS
Winkler (1997) 461 f.
[30] Vgl
dazu die §§ 850 ff
ABGB.
[31] Bundesgesetz
vom 19. Dezember 1929 über die innere Einrichtung und die Anlegung der
Grundbücher (Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz - Allg. GAG) BGBl. Nr.
2/1930 in der Fassung des BGBl. Nr. 306/1968; Bundesgesetz vom 2. Februar 1955
über die Grundbücher (Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 - GBG 1955)
BGBl. Nr. 39/1955, in der Fassung des BGBl. I Nr. 140/1997; Bundesgesetz vom 27.
November 1980 über die Umstellung des Grundbuchs auf
automationsunterstützte Datenverarbeitung und Änderung des
Grundbuchsgesetzes und Gerichtskommissärsgesetzes
(Grundbuchsumstellungsgesetz - GUG) BGBl. Nr. 550/1980, in der Fassung des BGBl.
I Nr. 30/1997. Siehe ferner die Grundbuchsgesetze der
Länder.
[32] Siehe
dazu die Rechtsquellen im Anhang II.
[33] Siehe
dazu vor allem Peter
Pernthaler, Raumordnung und Verfassung I,
II und III (1975, 1978, 1990) in: Schriftenreihe der österreichischen
Gesellschaft für Raumforschung und Raumplanung 18, 19 und 30;
Peter
Oberndorfer -
Gustav
Fröhler, Österreichisches
Raumordnungsrecht (1975), in: Schriftenreihe des Instituts für Raumordnung
und Umweltgestaltung; Bernhard
Raschauer, Umweltschutzrecht2,
in: Studien zur Politik und Verwaltung 20 (1988). Siehe dazu auch
Georg
Lienbacher in: Bachmann u.a. Hg.,
Besonderes Verwaltungsrecht² (1998), Raumordnungsrecht 299
ff.
[34] Siehe
dazu die Rechtsquellen im Anhang III.
[35] Siehe
dazu als Beispiel das Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. 10/1997 idF
21/1998, § 1.
[36] Peter
Pernthaler, Raumordnung und Verfassung I,
Schriftenreihe der österreichischen Gesellschaft für Raumforschung und
Raumplanung 18 (1975) 29:
Siehe
dazu
Fröhler-Oberndorfer,
Österreichisches Raumordnungsrecht, Planungsnormstruktur,
Planungsträger und -instrumente, Planung und Eigentumsrecht (1975) 153 ff.
[38] Vgl.
Fröhler-Oberndorfer,
Österreichisches Raumordnungsrecht, Planungsnormstruktur,
Planungsträger und -instrumente, Planung und Eigentumsrecht(1975) 57 ff und
Pernthaler,
Raumordnung und Verfassung I, Raumordnung als Funktion und Schranke der
Gebietshoheit (1975) 210 ff. Siehe für Deutschland
Michael
Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen
Umweltrechtes (1994); Michael
Kloepfer - Ekkehard Mast, Das Umweltrecht
des Auslandes (1995).
[39] Siehe
dazu mit konkreten Beispielen
Bernhard
Raschauer, Mobilkommunikation
(1998).
[40] Siehe
dazu Krämer
Ludwig, Umweltrecht der EG² (1995)
Textsammlung; Derselbe, European Environmental Law, Casebook (1993);
Alexander Kiss - Dinah
Shelton, Manual of European Environmental
Law² (1997); Hans Werner
Rengeling (HG), Handbuch zum
europäischen und deutschen Umweltrecht (1998).
[41] Vgl
dazu Peter
Pernthaler, Raumordnung und Verfassung 3,
Neuere Entwicklungen (1990) Allgemeine Aspekte 29 ff, 36 ff, 44 ff; Probleme der
Gesetzgebungsdefizite des Bundes 330 ff.
Pernthaler
mahnte schon im Jahr 1990 wie ein Rufer in der Wüste die Schaffung einer
einheitlichen Bundeskompetenz ein. Seiner Mahnung kommt ein besonderes Gewicht
zu, weil er seit Jahrzehnten ein geradezu leidenschaftlicher Vorkämpfer
für eine verfassungsrechtliche Verstärkung des Föderalismus ist.
Zuletzt Peter Pernthaler
(Hg), Föderalistische Raumordnung
- eine
europäische Herausforderung (1994) und
Pernthaler -
Prantl, Raumordnung in der
Europäischen Integration (1994); ferner
Waldemar Hummer - Michael
Schweitzer, Raumordnung und Bodenrecht in
Europa (1992).
[42] Siehe
dazu Otto
Brunner, Landschaft und
Herrschaft4 (1959). Dazu jüngst
Helmut
Quaritsch,
Otto Brunner - Werk und Wirkungen, in FS
Winkler (1997) 825 ff.
[43] Winfried
Dotzauer, Die Deutschen Reichskreise in der
Verfassung der alten Reiches und ihr Eigenleben (1500-1806) -
(1989).
[44] Siehe
dazu die Rechtsquellen in den Anhängen.
[45] Siehe
dazu oben unter II 8. Die Schweiz könnte dafür ein Vorbild gewesen
sein. Vergleiche dazu beispielhaft die verwaltungsmäßige und
gerichtliche Gebietsvernetzung der Schweiz auf der Grundlage der
Territorialstruktur der Gemeinden und Gerichtsbezirke aus dem 18. Jahrhundert
bei Leonard
Meister, Helvetischer Kalender auf das Jahr
1799 nebst der Geschichte der Eintheilung und dem Regierungsetat der untheilbar
vereinigten Kantone vom Jahr 1789 bis zum Herbstmonat 1792 (1798). Siehe dazu
auch Gerold Meyer v.
Knonau, Der Kanton Zürich
geographisch, statistisch geschildert von den ältesten Zeiten bis auf die
Gegenwart I u. II (1844).
[46] Siehe
dazu die Rechtsquellen im Anhang IV.
[47] Siehe
dazu Fritz
Ossenbühl (Hg), Föderalismus und
Regionalismus in Europa (1996) mit Länderberichten für Deutschland,
Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz, Spanien und
England.
[48]
Siehe für Österreich den Staatsvertrag von St. Germain vom 10. Oktober
1919, BGBl 303/1920, ferner die dazu abgeschlossenen Verträge mit den
Nachbarstaaten, sowie staatliche Durchführungsgesetze und
Durchführungsverordnungen. Sowie Art 5 des Staatsvertrages von Wien, BGBl.
152/1955. Siehe dazu den Rechtsquellennachweis im Anhang I. Vgl dazu
Pernthaler,
Raumordnung und Verfassung I (1975) B. Die verfassungsrechtlichen Vorschriften
über die Grenzen in ihrer Bedeutung für die Raumordnung, 56 ff.
- Die
sogenannte "Wende" in Deutschland hat auch in Österreich eine Reihe von
Berichtigungen und Neufestlegungen von Staatsgrenzen ausgelöst (Verlauf und
Berichtigung der Staatsgrenze zu Ungarn: VG 657/990; Vertrag über die
gemeinsame Staatsgrenze mit BRD: VG 634/993; Slowenien: VG I 40/997, III 69/997;
Tschechoslowakei: K III 123/997)
[49] Die
Bundesrepublik Deutschland umfaßt 16 Länder, die föderative
Schweiz besteht aus 26 Kantonen.
[50] Derzeit
gibt es laut amtlicher Statistik 15 Bezirke von Städten mit eigenem Statut
und 84 Landbezirke, 2.350 Ortsgemeinden und 7.835
Katastralgemeinden.
[51] Siehe
für die Bezirke den Anhang IV, für die Gerichte den Anhang V und
für die Gemeinden den Anhang VI.
[52] Siehe
dazu
Antoniolli-Koja,
Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1998) 486 ff und
Pernthaler,
Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet
der Verwaltungsorganisation (1976) und Raumordnung und Verfassung I (1975) 56
ff.
[53] Siehe
dazu die Rechtsquellen in den Anhängen IV und VI.
[54] Siehe
dazu Franz
Eberhard, Die Bestandsgarantie der
Gemeinde, ÖJZ (1971) 281 ff und 315 ff.
[55] Näheres
zu den Gemeinden bei Hans
Neuhofer, Gemeinderecht² (1998) 57
ff.
[56] Gerichtsbezirke
und Verwaltungsbezirke bestanden ursprünglich nämlich als gemischte
Bezirksämter in einer organisatorischen Einheit, seit dem Jahr 1868 sind
sie getrennt.
[57] Siehe
dazu die fundierten Ausführungen bei
Peter
Pernthaler, Raumordnung und Verfassung I
(1975)B. Die verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Grenzen in ihrer
Bedeutung für die Raumordnung 56 ff.
[58] Siehe
dazu für Europa Fritz
Ossenbühl (Hg.), Föderalismus und
Regionalismus (1996).
[59]
Siehe dazu den Anhang I.
[60] Siehe
dazu unten, im Kapitel VII bei G.
Jellinek, Verdross, Seidl-Hohenveldern ua,
im Anschluß an ältere Literatur.
[61] Vgl
dazu etwa Gerhart
Husserl, Rechtskraft und Rechtsgeltung
(1925) 6 und Julius
Binder, Rechtsphilosophie (1925) 749
ff.
[62] Siehe
dazu
Kelsen,
Reine Rechtslehre (1936) 7, der diese Eigenschaft der Norm zuschreibt, obwohl
sie "nicht in Raum und Zeit" existiert. Vgl im selben Sinn auch Reine
Rechtslehre (1960) 9 ff; ferner Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, entwickelt
aus der Lehre vom Rechtssatze (1911/1923) 13 ff. Vgl. dazu aber vor allem die
erkenntnistheoretische Verfremdung der Geltung als spezifisch rechtliche
Existenz ohne Realität, in der Allgemeinen Theorie der Normen (1979) 136
ff: "Geltung ist nicht eine Eigenschaft der Norm, sondern ihre
Existenz, und Existenz ist keine Eigenschaft". (137 und 284 FN. 107).
"Dabei ist wohl zu beachten, daß der Akt, mit dem die Norm gesetzt wird,
der Akt, dessen Sinn die Norm ist, die Bedingung der Geltung, nicht aber mit der
Geltung der Norm identisch ist. Akt ist ein Sein, die Geltung der Norm ein
Sollen" (136). Zum Geltungsbegriff siehe auch die Seiten 2, 22, 39, 112 ff, 116
ff, 143 ff, 147 ff, 173, 185, 188, 189, 190 f und 203 ff; dazu vor allem die
Fußnoten 27, 28, 29 und 30, ferner 105, 106, 107, 108, 109 und
110.
[63] Charles
Eisenmann, Sur la Théorie
Kelsenienne du Domaine de Validité des Normes Juridiques, in: FS für
H.
Kelsen (1964) 59 ff.
Kelsen
scheint davon beeindruckt gewesen zu sein.
In seiner Allgemeinen Theorie der Normen aus dem Jahr 1979 ist der Adressat "der
Norm" des öfteren betont hervorgehoben: 7, 23, 40 ff, 71 ff, 242.
Eisenmann
wird allerdings nicht zitiert.
[64] Siehe
dazu Günther
Winkler, Zeit und Recht (1995). Die
Zeitlichkeit der Gesetze 187 ff, 190 ff, 194 ff, 197 ff, 204 ff, 209 ff, 215 ff,
229 ff.
[65] Art
49 Abs 1 B-VG. Siehe dazu des näheren
Günther
Winkler, Zeit und Recht (1995) 187
ff.
[66] G.
Jellinek, Allgemeine Staatslehre³
(Nachdruck 1960) 183: der Staat ist die mit ursprünglicher Herrschermacht
ausgestattete Gebietskörperschaft (Verbandseinheit seßhafter
Menschen).
[67] Ein
Blick auf die Landkarte Europas zeigt das recht anschaulich. Interessant und
aufschlußreich ist die Gegenüberstellung zu den Landkarten von
Afrika, Australien und Nord-Amerika mit ihren geometrisch anmutenden
Grenzziehungen, als Ergebnis von Planungen auf dem
Reißbrett.
[68] Vertrag
über die Europäische Union - Unionsvertrag von Maastricht 1992;
Schengener Abkommen 1985, 1990, 1995; Menschenrechtskonvention 1950;
KSZE
Schlußakte von Helsinki 1975 und Wiener Dokument 1990,
1992,
Satzung des Europarates 1949; Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1947. Siehe näheres dazu
bei Fischer -
Köck, Europarecht3 (1997)
23. Vgl dazu für Österreich Art 4 B-VG.
[69] Siehe
dazu Meinhard Hilf, Torsten Stein,
Michael Schweitzer und
Dietrich
Schindler, Europäische Union: Gefahr
oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und
der Schweiz, VVDStL. 53 (1994).
[70] Zum
Verhältnis von europäischem Gemeinschaftsrecht und staatlichem Recht
vgl. Bernhard
Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht
(1998) 120 ff; eingehend sodann
Öhlinger -
Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches
Recht. Die Anwendung des Europarechtes im innerstaatlichen Bereich (1998) und
Öhlinger,
Verfassungsfragen einer Mitgliedschaft zur Europäischen Union (1999).
[71] Für
die österreichische Entwicklung siehe
Günther
Winkler, Elektrizitätsrecht und
Wirtschaftsplanung (1999).
[72] Siehe
dazu Heinz
Schäffer, Europäische und
nationale Wirtschaftsverfassung. Die europäische Währungsunion als ein
Schritt in wirtschaftsrechtliches Neuland, in: FS Winkler (1997) 933
ff.
[73] Vgl
dazu für das bundesstaatliche Österreich Art 4 Abs 1 B-VG: "Das
Bundesgebiet bildet ein einheitliches Währungs-, Wirtschafts- und
Zollgebiet".
[74] BVerfGE
89, 155.
[75] Siehe
dazu Carl
Schmitt, Der Nomos der Erde im
Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum (1950, 3. Neudruck
1988).
[76] Genfer
Übereinkommen über das Küstenmeer, über die
Anschlußzone, über die Hohe See, über Fischerei, über die
Erhaltung der Naturschätze der See und über den Festlandsockel aus
1958.
[77] Im
Dezember 1997 beschloß das Parlament auf Taiwan die Erstreckung der
Territorialgewässer auf 12 Seemeilen und die Anschlußzone für
weitere 10 Seemeilen. Die Wirtschaftszone wurde mit 200 Seemeilen festgelegt.
Für einander überlagernde Territorialansprüche wurde eine
Mittellinie bestimmt (The China Post, vom 31. Dezember 1997).
[78] Neuhold
- Hummer - Schreuer, Österreichisches
Handbuch des Völkerrechtes I3 (1997) S. 394 ff, Rz. 2141 ff.
[79] Siehe
dazu Gerhard
Hafner, Die seerechtliche Verteilung von
Nutzungsrechten. Rechte der Binnenstaaten in der ausschließlichen
Wirtschaftszone (1987).
[80] Pariser
Luftfahrtabkommen aus 1919 und Abkommen von Warschau zur Vereinheitlichung von
Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr aus 1919
und die Vertragswerke von Chicago aus 1944.
[81] Abkommen
von Tokio über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen
begangene Handlungen (1963); Haager Übereinkommen zur Bekämpfung der
widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (1970); Übereinkommen zur
Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der
Zivilluftfahrt von Montreal (1971) und das Protokoll aus 1988. Siehe dazu
Neuhold - Hummer -
Schreuer, Österreichisches Handbuch
des Völkerrechtes I3 (1997) Rz. 1991, 370 ff; und II Rz. D
283.
[82] Weltraumvertrag
1967; Weltraumrückführungsvertrag 1968; Weltraumhaftungsvertrag 1972;
Weltraumregistrierungsvertrag 1975; Mondvertrag 1979. Siehe dazu
Neuhold - Hummer -
Schreuer, Österreichisches Handbuch
des Völkerrechts3 I (1997), Rz. 1919-1922, S. 357; Rz. 2170ff,
S. 399 ff; II Rz. 301 ff, S. 427 ff.
[83] Gerald
Sammet, Der vermessene Planet, Bilderatlas
zur Geschichte der Kartographie (1990).
Hans v.
Wolff (Hg.), Vierhundert Jahre Mercator.
Vierhundert Jahre Atlas. "Die ganze Welt zwischen zwei Buchdeckeln." Eine
Geschichte der Atlanten (1995).
Geoffrey
Barraclough (Hg.), Atlas der
Weltgeschichte5(1997). Originaltitel: The Times Concise Atlas of
World History (1978).
[84] Siehe
dazu Gerald
Sammet, Der vermessene Planet. Bilderatlas
zur Geschichte der Kartographie, in:
GEO,
Hg. H. Schreiber (1990).
[85] Hans
v. Wolff Hg., Vierhundert Jahre Mercator.
400 Jahre Atlas. Die ganze Welt zwischen zwei Buchdeckeln. Eine Geschichte der
Atlanten (1995).
[86] Michael
Malaniuk, Österreichisches
Bergsportrecht. Der freie Zugang zur Natur (1997);
Eugen
Kanonier, Rechtliche Aspekte der
Wegefreiheit im Bergland (Institut für Föderalismusforschung,
Schriftenreihe Verwaltungsrecht Bd 6) (1997).
[87] Zur
Illusion von der individuellen Freiheit im Staat siehe
Günther
Winkler, Freiheit in der modernen
Demokratie, in: Rechtswissenschaft und Politik, Forschungen aus Staat und Recht
110 (1997).
[88] Art
6 B-VG bestimmt die Landes- und Bundesbürgerschaft nach dem Hauptwohnsitz.
Gemäß Abs 3 ist der Hauptwohnsitz einer Person jener Ort, an dem sich
eine Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden
Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu
schaffen (beruflich, wirtschaftlich, gesellschaftlich); bei mehreren Wohnsitzen
ist es jener mit dem überwiegenden Naheverhältnis. Siehe dazu das
Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. 505/1994. Näheres dazu bei
Robert
Schick und
Ewald
Wiederin, Landesbürgschaft,
Gemeindemitgliedschaft und Bundesverfassung. Überlegungen zum
Wohnsitzbegriff des B-VG, ÖJZ (1998) 6 ff und
Ewald
Wiederin, Der ordentliche Wohnsitz, in:
Anmerkungen zur Versteinerungstheorie, FS Winkler (1997) 1253
ff.
[89] Siehe
dazu Peter
Fischer, Die Unionsbürgerschaft: Ein
neues Konzept im Völker- und Europarecht, in: FS Winkler (1997) 237
ff.
[90] Siehe
dazu das Bundesgesetz, mit dem der Hauptwohnsitz im Bundesrecht verankert wird
und mit dem das Meldegesetz 1991, das Wählerevidenzgesetz 1973, das
Volksbegehrensgesetz 1973, die Nationalratsordnung 1992, das
Volksbefragungsgesetz 1989 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985
geändert werden (Hauptwohnsitzgesetz) BGBl. 505/1994. Zum Wahlrecht der
Auslandsösterreicher (Briefwahl) siehe Art 26 Abs 6 B-VG, ferner § 60
der Nationalrats-Wahlordnung 1992 BGBl. 471/1992, in der Fassung BGBl. 117/1996.
Siehe dazu Ewald
Wiederin a.a.O., ferner
Schick -
Wiederin a.a.O.
[91] Siehe
zur älteren Kontroverse über die Frage des Adressaten
Julius
Binder,
Der Adressat der Rechtsnorm und seine Verpflichtung (1927, Neudruck 1970).
Nach
Binder waren nur behördliche Organe
des Staates Normadressaten. Diese Auffassung entsprang einem autokratischen
Staats- und Rechtsdenken; sie konnte sich letztlich nicht durchsetzen.
Binders
Abhandlung ist dennoch lesenswert und beinhaltet wertvolle Literaturhinweise.
Für den Rechtsgenossen als Normadressaten siehe demgegenüber
Ernst
Rudolf
Bierling, Juristische Prinzipienlehre I
(1894, Neudruck 1979) Der Begriff des Rechtes 19 - 70 und Arten der Rechtsnormen
71 - 144.
[92] Dazu
Stefan
Griller, Die Übertragung von
Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, Forschungen aus Staat und
Recht 88 (1989).
[93] Siehe
dazu Carl
Schmitt, Der Nomos der Erde im
Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum³ (1950, Neudruck 1988); ferner
Großraum und Universalismus (1939) und Der Reichsbegriff im
Völkerrecht (1939), beide problembeladenen Aufsätze in: Positionen und
Begriffe im Kampf mit Weimar - Genf - Versailles 1923-1939 (1988). Es ist
bemerkenswert, daß
Schmitt
die kriegerischen Landnahmen des Großdeutschen Reiches nicht in seine
Begriffswelt einbezieht. Vermutlich weil diesen keine völkerrechtliche
Verfestigung und Dauer beschieden war.
[94] Siehe
dazu Joseph H.
Kaiser, Das Recht im Cyberspace. Eine
spontane Ordnung noch ohne Hierarchie, in: FS Winkler (1997) 397
ff.
[95]
Vgl dazu § 13 und § 18 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991
BGBl. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I 158/1998.
[96] Joseph
H. Kaiser, Das Recht im Cyberspace. Eine
spontane Ordnung noch ohne Hierarchie, in: FS Winkler (1997), 397
ff.
[97] Nur
das Familienrecht kennt noch das Requisit der Anwesenheit - die Reise zur
Hochzeit ist heutzutage eine rechtlich notwendige Reise; das
Privatfürstenrecht hat selbst sie erlassen
(Selbstvertretung).
[98] Rudolf
v. Jhering, Geist des römischen
Rechtes auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung II 28 (1955,
1. Auflage 1858) 662 ff.
[99] Siehe
dazu oben II 8, Raumordnung und Raumplanung, insbesondere
Peter
Pernthaler, Raumordnung und Verfassung I -
III (1975, 1978, 1990).
[100] Karl
Engisch, Vom Weltbild des
Juristen2 (1965) Der Raum im Recht 44 ff. Siehe aber auch
Rudolf v.
Jhering, Geist des römischen Rechts
auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung I10 (1907, Neudruck
1968) Raum und Zeit als Element der Rechtsformen 662 ff und
Carl
Schmitt, Der Nomos der Erde im
Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum3 (1988, 1. Auflage 1950).
Siehe dazu weitere Hinweise auf Schriften von
C.
Schmitt im
Literaturverzeichnis.
[101] Georg
Jellinek, Allgemeine
Staatslehre3 (1913, Neudruck 1960) 75 ff, 176 f, 181 ff, 280, insb.
394 ff, ferner 401 ff, 653 und 738 ff; siehe dazu allgemein aber 140 ff, 144 ff
und 158 ff. Vergleiche dazu auch
Otto v.
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die
deutsche Rechtssprechung (1887, 2. Neuausgabe 1983).
[102] Walter
Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und
Zweckmäßigkeitserwägung (1913),
I. Kap. A Gesetz und Wirklichkeit 13-29.
[103] Walter
Jellinek, Allgemeines Verwaltungsrecht
(1928).
[104] Ernst
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts
I, Allgemeiner Teil10 (1973).
[105] Walter
Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht
(1954). Siehe dazu auch Walter
Antoniolli - Friedrich Koja, Allgemeines
Verwaltungsrecht³ (1996) 486 ff.
[106] Hans
Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925) 137
f.
[107] Es
sollte wohl "Sachverhalt" heißen! In der Rechtsdogmatik unterscheidet man
konsequent zwischen dem Tatbestand, als einem abstrakt-typisierten zweckhaften
Regelungsinhalt der Gesetze, und dem Sachverhalt, als einem komplexen
rechtserheblichen Sachzusammenhang, insbesondere als ein tatsächliches
rechtserhebliches Verhalten eines bestimmten Menschen zu einer bestimmten Zeit
und an einem bestimmten Ort, im Hinblick auf einen dafür in Frage kommenden
Tatbestand.
Kelsen
hat diese Unterscheidung bis an sein Lebensende abgelehnt. In seiner
Allgemeinen Theorie der Normen (1979) bezeichnet er den Sachverhalt als
"konkreten Tatbestand". Für ihn gibt es also auch keinen Tatbestand im
üblichen Sinn, sondern nur die "Norm" (Normen) und den normativen
"Rechtsbegriff"; siehe dazu insbesondere 358 FN 181. Vgl. auch Reine
Rechtslehre² (1960) 234, 244 f.
[108] Alfred
Verdross,
Völkerrecht4 (1959).
[109] Vgl.
dazu Georg
Jellinek, Allgemeine Staatslehre³
(1960) 404. Dieser meint, daß für die Staatslehre zum Unterschied von
der Völkerrechtslehre das Verhältnis des Staates zum Gebiet
personenrechtlichen und nicht sachenrechtlichen Charakters sei.
[110] Ignaz
Seidl-Hohenveldern,
Völkerrecht9 (1997) Rz. 1110 ff oder S. 205 ff.
[111] In:
Hanspeter Neuhold - Waldemar
Hummer - Christoph Schreuer,
Österreichisches Handbuch des Völkerrechtes I3 (1997) VII
Territoriale Aspekte des Völkerrechtes, 1. Kapitel: Räumliche Regime
und Nutzungen über die und jenseits der Grenzen, RZ. 1919 ff S. 357
ff.
[112] Rz.
716 ff, S. 141 ff
[113] Das
Recht der Meere Rz. 2061 ff, S. 383 ff; das Luftrecht Rz. 1991 ff, S. 370 ff;
das Weltraumrecht Rz. 2170 ff, S. 399 ff; das internationale Umweltschutzrecht
Rz. 2222 ff, 406 ff.
[114] Siehe
dazu etwa Franz
Gschnitzer, Allgemeiner Teil des
bürgerlichen Rechtes (1966) 36 ff, und
Walter
Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht
(1954) 89.
[115] Hans
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre
(1911/1923)Vorworte und 1 ff.
Derselbe,
Was ist die reine Rechtslehre, FS Giacometti (1953) 143ff ,
Derselbe,
Zum Begriff der Norm, FS Nippperdey (1965) 57 ff. Reine Rechtslehre² (1960)
5 ff, 16, 19, 102, 196, 215 ff.
Derselbe,
Allgemeine Theorie der Normen (1979) 4 ff, 7 ff, 14, 44 ff, 47, 48 ff, 52 ff, 60
ff, 112 f, 121 ff, 130 ff, 154 ff, 191 ff, 222, 238 ff, 280 ff.
[116] Siehe
dazu die trefflichen Kritiken bei
Alexander
Hold-Ferneck, Der Staat als
Übermensch. Zugleich eine Auseinandersetzung mit der Rechtslehre
Kelsens
(1925), insbes. S 15 ff über Sein und Sollen; und bei
Erich
Kaufmann, Kritik der neukantischen
Rechtsphilosophie (1921); in jüngerer Zeit
Henrik von
Wright, "Is and Ought" in: Man, Law and
Modern Forms of Life, Hg. Bulygin u.a. (1985) 263 ff.
[117] Siehe
dazu Günther
Winkler, Rechtswissenschaft und
Rechtserfahrung, Forschungen aus Staat und Recht 105 (1994).
Derselbe,
Zeit und Recht, Forschungen aus Staat und Recht 100 (1995). Siehe dazu auch
Julius
Binder, Rechtsphilosophie (1925) 836
ff.
[118] Siehe
dazu im B-VG das zweite Hauptstück, Kapitel D. Art 41 ff "Der Weg der
Bundesgesetzgebung".
[119] Siehe
dazu die reichhaltige Dokumentation wissenschaftlicher Rechtsbegriffe bei
W.
Maihofer Hg., Begriff und Wesen des Rechts
(1973).
[120] Ihre
nähere Ausführung bleibt meinem im kommenden Jahr erscheinenden Buch
über Raum und Recht vorbehalten.
[121] Das
wußten schon die alten Römer. Siehe dazu
Julius
Binder,
Rechtsnorm und Rechtspflicht (1912, Neudruck 1970) 17: iubere, vetare, imperare,
permittere, punire.
[122] Walter
Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht
(1954) 58. Georg
Jellinek, Allgemeine
Staatslehre3 (1960) 50: "Die Staatsrechtslehre ist ... eine
Normwissenschaft. Ihre Aussagen sind von den Aussagen über das Sein des
Staates als soziale Erscheinung scharf zu trennen." Ferner: "Für das
Staatsrecht gilt aber nur die juristische Methode." (51)
[123] Hans
Kelsen, Zum Begriff der Norm, in: FS
Nipperdey (1965) 57 ff;
Derselbe,
Allgemeine Theorie der Normen (1979) 197. Zur älteren traditionellen
Normentheorie siehe vor allem
Rudolf v.
Jhering, Der Zweck im Recht I (1884) 331
ff; Karl Binding,
Die Normen und ihre Übertretung I und
II (1872,
1877);
August
Thon,
Rechtsnorm und subjektives
Recht (1878);
Julius
Binder,
Vier kleine Schriften (1895, 1907, 1912, 1927, Neuausgabe in einem Band,
Scientia 1970);
Ernst
Rudolf
Bierling, Zur Kritik der juristischen
Grundbegriffe I und II (1877 -1883, Neudruck 1965);
Derselbe,
juristische Prinzipienlehre I (1894);
Ernst
Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft
(1879) 200 ff; Rudolf Stammler,
Theorie der Rechtswissenschaft (1911, 2.
Auflage 1923, Neudruck 1970) 190, 197 ff, 24 ff;
Derselbe,
Lehrbuch der Rechtsphilosophie (1922) 255 ff, 262 ff, 264 ff;
Julius
Binder, Rechtsphilosophie
(1925).
[124] Siehe
dazu insbesondere Ernst
Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft
(1879) 200 ff; Rudolf Stammler,
Theorie der Rechtswissenschaft (1911, 2.
Auflage 1923, Neudruck 1970) 190, 197 ff, 24 ff;
Derselbe,
Lehrbuch der Rechtsphilosophie (1922) 255 ff, 262 ff, 264 ff;
Hans
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre
(1911/1923),
Derselbe,
Reine Rechtslehre1 (1934);
Derselbe,
Reine Rechtslehre² (1960);
Derselbe,
Zum Begriff der Norm, in: FS Nipperdey (1965);
Derselbe,
Allgemeine Theorie der Normen (1979).
[125] Siehe
dazu die literarischen Hinweise bei
Kelsen,
Zum Begriff der Norm, in: FS Nipperdey (1965) 57 ff, insbes. FN 9 -
14.
[126] Hans
Kelsen, Zum Begriff der Norm, in: FS
Nipperdey (1965) 65 FN 10. "Die Norm ist kein Begriff. Aber mitunter wird dem
Begriff eine normative Funktion zugesprochen, der Begriff als Norm dargestellt"
... "Ist der Begriff eine Norm, dann ist die Norm - als Begriff - Funktion des
Denkens, nicht des Wollens". Siehe dazu auch die FN 9, mit den Hinweisen auf
Edmund
Husserl´s Logische Untersuchungen
I² (1913) 40 ff; danach kann das Wort "Sollen" nicht nur
vorschreibenden, sondern auch beschreibenden Charakter haben.
Daher kann die Norm nach
Kelsen
nicht nur vorschreibenden sondern auch beschreibenden Charakter
haben; als Denkakt und als Aussage, die eine Norm beschreibt.
[127] Siehe
dazu die treffliche Analyse bei
Alf
Ross, Recht und Wirklichkeit, JBl 59 (1930)
245 ff.
[128] Ernst
Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft
(1879): Das einzelne Gesetz auf dem Gebiet des Rechts ist der Rechtssatz; der
Inbegriff von Rechtssätzen ist das Recht." (265) "Das objektive Recht ist
nur eine Reihe von hypothetischen Urteilen (wenn - so), also Ist-Sätzen".
(208) "Jede Rechtsnorm ist demnach ein Urteil ..." (223) "Der Rechtssatz besteht
also darin, daß eine Rechtsfolge als Wirkung an eine Thatsache, eine
einzige, oder, was das Häufigere ist, einen Complex von Thatsachen als
Ursache angeknüpft ist." (225) "Die Kunst des juristischen Denkens besteht
gerade in der Anwendung dieser logischen Formen." (209).
[129] Rudolf
Stammler, Die Lehre vom richtigen
Rechte5, (1926, 1. Auflage 1902) 51;
Derselbe,
Theorie der Rechtswissenschaft² (1923, 1. Auflage 1911, Neudruck 1970) 190,
197 ff, 24 ff;
Derselbe,
Lehrbuch der Rechtsphilosophie2 (1928, 1. Auflage 1921) 255 ff, 262
ff, 264 ff;
Derselbe,
Wirtschaft und Recht5 (1924, 2. Auflage 1906) 331
ff.
[130] Hauptprobleme
der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze
(1911/1923).
[131] Hans
Kelsen, Was ist die Reine Rechtslehre, in:
FS Giacometti (1953) 143 ff;
Derselbe,
Zum Begriff der Norm, in: FS Nipperdey (1965) 57 ff.
[132] Siehe
dazu Reine Rechtslehre² (1960) 81. Dafür glaubte
Kelsen
in einer problematischen Fußnote
Sigwarts
zu seinem zweibändigen Werk über die Logik einen
verläßlichen Beleg gefunden zu haben; auf diesen wies er
unermüdlich immer wieder hin, zuletzt in seiner Allgemeinen Theorie der
Normen (1979) 121 und 249 ff.
[133] Nach
Kelsens
jüngster Deutung in der Allgemeinen Theorie der Normen (1979) 43, 119 ff,
123, 249 ff.
[134] Hans
Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen
(1979) 7 ff, 17 ff, 104, 115 ff, 120 f, 123 f, 149 f, 237, 315 ff, 331
f.
[135] Vgl.
dazu die problematische Erklärung in der Reinen Rechtslehre² (1960) 86
ff., insbes. 93 ff. Siehe ferner Allgemeine Theorie der Normen (1979) 72 f.
[136] Reine
Rechtslehre² (1960) 71, 77, 81 f, 83; Zum Begriff der Norm, in: FS
Nipperdey (1965) 57 ff.
[137] Hans
Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen
(1979) 1 und 76 f.
[138] A.a.O.
77. Vgl. dazu die älteren Imperativentheoretiker, wie
v. Jhering,
Binding,
Thon,
Bierling und
Binder,
in ihrer Anlehnung an die alten Römer.
[139] A.a.O.
85. Siehe dazu auch Hans
Kelsen, Derogation, in: FS Roscoe Pound
(1962) 339 ff, abgedruckt in WRS II (1968) 1429 ff.
[140] Hans
Kelsen, Reine Rechtslehre² (1960) 79ff
und Allgemeine Theorie der Normen (1979) 43 ff, 104, 124 ff, 147
ff.
[141] Allgemeine
Theorie der Normen (1979) 43. Siehe dazu die Ankündigung in
Kelsens
Abhandlung, Der Begriff der Norm, in: FS Nipperdey (1965) 57 ff, insbes. FN 9 -
14.
[142] Reine
Rechtslehre² (1960) 71 ff., insbes. 83 ff. Allgemeine Theorie der Normen
(1979) 18, 43, 104, 119 ff, 124, 150, 315, 331 f.
[143] Hans
Kelsen, Was ist die Reine Rechtslehre? in:
FS Giacometti (1953)
[144] Siehe
dazu Henrik v.
Wright, Is and Ought (1985) 269
f.
[145] Allgemeine
Theorie der Normen (1979) 71 ff.
[146] Siehe
dazu aufschlußreich Henrik
v. Wright, Is and Ought in: Man, Law and
Modern Forms of Life, Hg. Bulygin u.a. (1985) 263 ff.
[147] Reine
Rechtslehre² (1969) 83, Allgemeine Theorie der Normen (1979) 18, 104, 108,
121, 123 ff, 150, 215 f.
[148] Allgemeine
Theorie der Normen (1979) 121.
[149] Siehe
dazu für die ältere Lehre
Julius
Binder,
Rechtsnorm und Rechtsbegriff (1918), in: Vier kleine Schriften (Scientia 1970)
15 ff.;
Derselbe,
Rechtsbegriff und Rechtsidee (1925) 7 f, 125 f.
[150] Siehe
dazu Julius
Binder, Rechtsbegriff und Rechtsidee,
Bemerkungen zur Rechtsphilosophie Stammlers (1915).
Binder
führt zu einem vergleichbaren Rechtsbegriff von
Kant
wörtlich aus: "Dieser angebliche Rechtsbegriff ist also wohl nichts
anderes als eine Norm im Sinne der modernen Transzendentalphilosophie,
dh. eine apriorische Funktion des Bewußtseins, die von derselben Art ist,
wie die Normen der Sittlichkeit, der Logik, der Ästhetik und wir
können sie daher ohne Bedenken als die Norm des Rechts bezeichnen,
wenn wir uns bewußt bleiben wollen, daß sie mit der sogenannten Norm
des positiven Rechts nicht das mindeste gemein hat. Diese transzendentale Norm
des Rechts bildet in der Tat, ... das konstitutive Moment der Rechtsbegriffe. Ob
sie aber auch die andere der beiden ihr von
Kant
zugewiesenen Funktionen zu erfüllen vermag, ist mindestens zweifelhaft" 7;
siehe ferner a.a.O. 107 ff, 125 ff und 129.
[151] HANS
Kelsen, Was ist die Reine Rechtslehre, in:
FS Giacometti (1953) 150.
[152] Anscheinend
im Anschluß an
Kelsens
Credo auf eine von Ernst
Mach übernommene und unempirisch
angewendete begriffliche Denkökonomie.
[153] Vgl
dazu
Günther
Winkler,
Rechtstheorie und Erkenntnislehre, Forschungen aus Staat und Recht 90 (1990);
Derselbe,
Die reine Rechtslehre
Kelsens
als Dekonstruktionismus in: Verfassungsstaatlichkeit, Festschrift für Klaus
Stern, Hg. J.
Burmeister
u.a.(1997) 115 ff;
Derselbe,
Zeit und Recht, Forschungen aus Staat und Recht 100 (1995) 447
ff.
[154] Siehe
dazu Rudolf
Carnap, Der Raum, ein Beitrag zur
Wissenschaftslehre (1922); Moritz
v. Schlick, Raum und Zeit in der
gegenwärtigen Physik. Zur Einführung in das Verständnis der
Relativitäts- und Gravitationstheorie3 (1922);
Albert
Einstein, Geometrie und Erfahrung (1921);
Hans
Reichenbach, Philosophie der
Raum-Zeit-Lehre (1928).
[155] Julius
Binder, Rechtsnorm und Rechtspflicht
(1912), in: Vier kleine Schriften (1895, 1907, 1912, 1927, Neuausgabe in einem
Band, Scientia 1970) 15 ff, unter Hinweis auf
Christoph
Sigwart, Logik I5 (1925) FN* 18
f.
Sigwart
bezog sich dafür bloß auf das Sollen des Imperativs. Seinen Inhalt
fand er logisch erklärbar und insofern der ohnedies bloß formalen
Wahrheitsfrage der Logik zugänglich. Dabei wies er mit Recht daraufhin,
daß die grammatische Form nicht das Kriterium sein kann.
[156] Julius
Binder, a.a.O. 16.
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