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1. Vorteile und Vorbilder des Anwalts-FranchisingDie bisherigen Überlegungen haben nicht nur
das enttäuschende Ergebnis gebracht, dass für den Einsatz
franchise-spezifischer Kooperationsinstrumente de lege lata angesichts
der berufsrechtlichen Restriktionen nur in Ansätzen Raum ist. Sie haben
vielmehr auch den Blick dafür geöffnet, dass unter der Voraussetzung
künftiger weiterer berufsrechtlicher Liberalisierungen durchaus
vielversprechende Perspektiven für das Franchising unter
Rechtsanwälten bestehen. Wenn man für einen Augenblick die
berufsrechtlichen Restriktionen vergisst, lässt sich eine Welt der
Anwalts-Unternehmer mit dezidiert gewerblichem Selbstverständnis ausmalen,
in der ein Anwalts-Franchising vielfältige Einsatzmöglickeiten
genießt.
Man denke an die eingangs geschilderten
Anwalts-Franchisen in den USA. Es ist durchaus vorstellbar, dass auch in
Deutschland eine Franchise-Zentrale ein Konzept der Rechtsberatung etwa für
Standardfälle des miet- oder arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes
oder für Straßenverkehrsunfallsachen, vielleicht auch für
Ehescheidungen entwirft und dafür den Beratungsablauf optimiert. Und es ist
durchaus denkbar, dass diese Zentrale ihr Organisationskonzept mit einer
Marketingstrategie verbindet und als marktgängiges Franchise-Paket
anwaltlichen Kooperationspartnern als Franchisenehmern anbietet. Die Idee des
Franchisevertriebs kann, wie das Beispiel der USA zeigt, vor allem für eine
flächendeckende, preisgünstige und mandantennahe Grundversorgung mit
Rechtsberatung und Rechtsvertretung fruchtbar gemacht werden. Für den
Bereich lukrativer Großaufträge erscheint das Franchising dagegen von
vornherein nur sehr eingeschränkt tauglich. Aber gerade in Deutschland
lassen sich vielleicht gewaltige unausgeschöpfte Marktpotentiale für
die Massenberatung in Standardfällen vermuten.
Die zahlreichen Vorteile des Anwalts-Franchising
liegen auf der Hand: Die franchisetypische corporate identity eines
Systems des Anwalts-Franchising hätte enorme Werbewirkung und könnte
die Hemmschwellen des Bürgers für den Gang zum Rechtsanwalt abbauen,
die derzeit gerade durch dessen Status als unabhängiges Rechtspflegeorgan
aufrechterhalten werden. Denn diese Hemmschwellen sind die fehlende jederzeitige
Verfügbarkeit, die fehlende Vorhersehbarkeit der Kosten, die zu hohen
Kosten für einfachen Rechtsrat und bisweilen die zu langen Zeiten der
Fallbearbeitung auch in
Standardfällen.[44]
Das Franchising kann kundennahe Marketingmethoden einsetzen, mit dem der Anwalt
dem Mandanten entgegen- und näherkommt. Franchising kann dem Anwalt helfen,
vom quasistaatlichen Rechtspflegeorgan sozusagen zum Betreuer und Freund des
Mandanten zu werden. Die Zentralisierung von EDV-Diensten, die Vernetzung der
Kooperationspartner mittels Intranet zur Ermöglichung
„papierloser“ und zeitnaher Kommunikation, die gezielte Aus- und
Weiterbildung von Anwälten innerhalb eines Anwalts-Franchisesystems –
all dies sind Rationalisierungsstrategien, die sich bei klassischen gewerblichen
Franchisesystemen des Dienstleistungsabsatzes vielfach bewährt haben.
Es lassen sich faszinierende Perspektiven von
innovativen Beratungsmöglichkeiten durch das Anwalts-Franchising
eröffnen. Man denke etwa an eine systemeigene Beratungs-Hotline mit einer
deutschlandweiten Telephonnummer, die durch ein Call-Center verwaltet wird und
die Weiterverweisung des rechtssuchenden Bürgers oder Unternehmens an einen
ortsnahen und/oder problemspezialisierten Franchisenehmer - möglichst
„rund um die Uhr“ - gewährleistet. Eine solche Hotline kann
auch als Nothilfe-Hotline etwa nach dem Vorbild der Unfallsoforthilfe der
Allianzversicherung ausgestaltet werden. Warum soll nicht ein Anwalt und
Franchisenehmer mit dem digitalen Photoapparat und vor allem dem Laptop unter
dem Arm zum Ort des Verkehrsunfalls fahren und „Erste Rechtshilfe“
leisten können?[45]
Selbstverständlich kann alternativ oder kumulativ zum Telephon auch ein
entsprechender Rechtsberatungsdienst Online eingerichtet werden. Vorstellbar ist
weiter, dass die Zentrale eines Anwalts-Franchisesystems etwa mit einer
Kaufhaus-Kette einen Rahmenvertrag schließt, um für die
Anwalts-Franchisenehmer die Standorte in den Dutzenden von Kaufhaus-Filialen zu
sichern, wo diese dann - warum nicht neben den Franchisenehmern der
„Mister Minit“-Schuster- und -Schlüsseldienste ? - ihre
Beratungsbüros eröffnen können? Die Zentrale kann hierfür in
überregionalen Tageszeitungen oder im Fernsehen werben und die Kosten
dafür auf ihre etwa 200 Anwalts-Franchisenehmer umlegen, von denen jeder
einzige allein die Gesamtsumme niemals aufbringen könnte. In allen
franichsisierten Rechtsanwaltsbüros können gleichzeitig Aktionswochen
etwa zum Straßenverkehrsrecht, zum Baurecht oder zur Testamentserrichtung
stattfinden, für die die Zentrale bundesweit wirbt, vorher die Schulung der
Franchisenehmer durchführt und das Display Material verteilt. Stichworte
wie franchisierte Rechtsberatungs-Cafés oder auch franchisierte mobile
Anwaltsbüros in Minibussen einheitlicher Aufmachung setzen weitere
Assoziationen dafür frei, wie sich die Anwaltschaft mithilfe der
Franchisekooperation das Massengeschäft zugänglich machen kann.
[44] Vgl. hierzu
Hagenkötter, Tätigkeitsbereiche innovativ, AnwBl. Sonderheft
2/2000, S. 81: „In der Regel geht der ‚einfache’ Mandant so
gerne zum Anwalt wie zum Zahnarzt.“
[45] Vgl. dazu
Hagenkötter, Tätigkeitsbereiche innovativ, AnwBl. Sonderheft
2/2000, S. 83, 84.
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