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Das dem Urheberrecht verwandte Schutzrecht des Herstellers, Tonträger zu
vervielfältigen und zu verbreiten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG), ist „Eigentum“ im
Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Fortführung von BVerfGE 31, 229).
Beschluß
des Ersten Senats vom 3. Oktober 1989
– 1
BvR 775/86 –
in dem
Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Firma X – Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Eberhard von Geyso, Dr. Hartwig Ahlberg, Dr. Wolfgang Lotter,
Kurt Gunkel, Karsten Albers, Dr. Erika Möller, Uwe Toben und Thomas
Hörschelmann. Lüneburger Tor 8. Hamburg 90 – gegen das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 6. März 1986 – I
ZR 208/83 –.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
Die Verfassungsbeschwerde wird
zurückgewiesen.
GRÜNDE:
I.
Die Verfassungsbeschwerde
betrifft die Frage, ob der Hersteller bespielter Tonträger dem Käufer deren
gewerbliche Vermietung untersagen kann.
1. Die Beschwerdeführerin
stellt Schallplatten her, auf denen sie Aufkleber mit Angaben über Titel und
Interpreten nebst folgendem Vermerk anbringt:
„Alle
Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Kein Verleih! Keine unerlaubte
Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung!“
Die Beklagte zu 1) des
Ausgangsverfahrens, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, hat derart
gekennzeichnete Schallplatten verbunden mit dem Angebot verkauft, sie innerhalb
von drei Tagen zu einem geringeren Preis als dem des Verkaufs zurückzunehmen.
Zurückgegebene Schallplatten hat sie als gebraucht zu herabgesetzten Preisen
erneut zum Verkauf angeboten.
Die Beschwerdeführerin sieht
in diesem Verhalten eine Verletzung ihres auf § 85 Abs. 1 UrhG beruhenden
Verbreitungsrechts, weil sie sich eine Vermietung ausdrücklich vorbehalten
habe. Sie verklagte deshalb die Beklagten auf Unterlassung.
Die Revision der
Beschwerdeführerin gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts wies der
Bundesgerichtshof durch das angegriffene Urteil zurück. Das aus § 85 Abs. 1
UrhG folgende Verbreitungsrecht sei nicht verletzt, weil die Beschwerdeführerin
mit der Veräußerung der Schallplatten dieses Recht erschöpft habe (vgl. die
Entscheidungsgründe im einzelnen in GRUR 1986, S. 736 ff. mit Anmerkung
Hubmann).
2. Mit ihrer
Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte
aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Als Herstellerin von
Schallplatten sei sie Inhaberin eines Leistungsschutzrechtes. Das ihr in § 85
Abs. 1 UrhG zugeordnete Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht unterstehe
dem Schutz der Eigentumsgarantie. Dieses werde verletzt, wenn sie sich das
davon umfaßte Vermietungsrecht nicht vorbehalten dürfe, ohne daß ihr hierfür
wie dem Urheber in § 27 UrhG ein Vergütungsanspruch gewährt werde. Die sich aus
der Eigentumsgarantie ergebende angemessene wirtschaftliche Beteiligung an der
Verwertung sei daher nicht mehr gewährleistet. Die gewerbliche Vermietung
begünstige die Herstellung von Kopien, welche – insbesondere nach dem neuen
DAT-System hergestellt – dem Original qualitativ glichen.
Die Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes liege darin, daß ihr im Gegensatz zu den in den §§ 70 bis 72
UrhG erfaßten Leistungsschutzberechtigten eine Beteiligung am Vergütungsaufkommen
des § 27 UrhG versagt werde. In jenen Bestimmungen komme der allgemeine Leitgedanke
des Urheberrechts zum Ausdruck, daß nicht nur der Urheber, sondern auch der
Leistungsschutzberechtigte möglichst umfassend am wirtschaftlichen Ergebnis
seiner Leistung beteiligt werden solle. Der Bundesgerichtshof hätte ihr nicht
das Recht absprechen dürfen, gemäß § 32 UrhG die Vermietung von Schallplatten
ohne ihre Zustimmung zu verbieten. Seine Unterscheidung, bei der Bestimmung der
Art des Inverkehrbringens trete keine Erschöpfung des Nutzungsrechts ein, wohl
aber hinsichtlich der weiteren Verwendung nach der Veräußerung, sei
willkürlich. Vermietung und Veräußerung seien gleichrangige Unterfälle des
Verbreitungsrechts im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG, sie könnten daher ohne
weiteres abgespalten und nur teilweise auf den Abnehmer übertragen werden.
3. Der Bundesminister der
Justiz, der namens der Bundesregierung Stellung genommen hat, hält die
Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Schon Urheber hätten keinen Anspruch auf
Sicherung jedweder Verwertungsmöglichkeit. Im Interesse der Allgemeinheit am
freien Warenverkehr habe der Gesetzgeber das Leistungsschutzrecht der
Tonträgerhersteller darauf beschränken können, daß nur diese über die
Erstverbreitung eines Werkstücks allein und ausschließlich bestimmen dürfen.
Der Hersteller könne seine Zustimmung zur erstmaligen Verbreitung von der
Zahlung eines angemessenen Entgelts abhängig machen. Damit würden seine
wirtschaftlichen Interessen hinreichend gewahrt.
II.
Die zulässige
Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Das Urteil des Bundesgerichtshofs
verstößt weder gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
1. Die Auffassung des
Bundesgerichtshofs, mit der Veräußerung der Schallplatten habe die
Beschwerdeführerin durch eigene Benutzungshandlung das ihr vom Gesetz
eingeräumte ausschließliche Verbreitungsrecht ausgenutzt und damit verbraucht,
die weitere Form des Verbreitens in Form des Vermietens sei mithin gemäß § 17
Abs. 2 UrhG frei geworden, ist nicht willkürlich.
Zwar wird sie nicht einhellig
vertreten. Vielmehr soll schon der Wortlaut des § 17 Abs. 2 UrhG eine
Aufspaltung des Nutzungsrechts zulassen (OLG Frankfurt, NJW 1982, S. 1653
[1654]); die Vorschrift sei nur im Zusammenhang mit § 32 UrhG zu lesen
(Brinkmann, NJW 1983. S. 599 [600]) und könne jedenfalls keinen Vorrang vor
diesem beanspruchen (LG Hamburg, FuR1 1982, S. 392 [393]; vgl. auch Poll, FuR 1982, S.
356 [359 f.]). Auch §27 UrhG spreche weder für noch gegen die Erschöpfung des
Verbreitungsrechts des Tonträgerherstellers (Poll, a.a.O., S. 360 f.) oder
lasse diesem trotz Verkaufs des Tonträgers doch das Recht, über die
nachfolgende Vermietung verbindlich zu bestimmen (vgl. näher etwa LG Hamburg,
a.a.O.; LG München 1, FuR 1982, S. 509 [510]; OLG Frankfurt, a.a.O.; Zippold,
FuR 1983, S. 384 [388]; Brinkmann, a.a.O., S. 602).
Dem steht indes eine in
Literatur und Rechtsprechung breit vertretene Meinung gegenüber, welche die
Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts, wenn
auch mit unterschiedlicher Begründung, teilt (vgl. dazu etwa OLG Hamm NJW 1982,
S. 655 [656]; LG München I, GRUR 1983, S. 763 f.; Hubmann, FuR 1984, S. 495
[498 f., 503]; Seifert, FuR 1982, S. 291 [293]; Reimer, GRUR Int. 1972, S. 221
[224 f.]; Blachian, Die Lehre von der Erschöpfung des Verbreitungsrechts im
Urheberrecht, Diss.1964, S. 94 f.: von Ungern-Sternberg, GRUR 1984, S. 262 [263
f.]; Schricker/Loewenheim. Urheberrecht § 17 UrhG Rdnrn. 8. 14 und 22).
Wird diese Frage derart
kontrovers erörtert, läßt sich hier von einer fehlerhaften Rechtsanwendung, die
auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 62, 189 [192]), nicht
sprechen.
2. Das Urteil des
Bundesgerichtshofs verletzt auch nicht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Diese Verbürgung und nicht die
in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit bildet den Prüfungsmaßstab.
Das Schwergewicht der Rüge der Beschwerdeführerin liegt bei der Frage, ob ihr
eine über den Veräußerungsakt hinausreichende Verfügungsmacht über den
Tonträger eingeräumt werden muß. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist
damit nicht ihre berufliche Tätigkeit. Vielmehr geht es darum, ob das
angegriffene Urteil in den durch eigene Leistung erworbenen Bestand
vermögenswerter Güter eingreift, welcher ihr durch die Rechtsordnung zugewiesen
ist. Insoweit beruft sie sich auf Rechte, die ausschließlich in den
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen (vgl. zur Abgrenzung von
Berufsausübung und Eigentumsgarantie: BVerfGE 30, 292 [334 f.]).
a) Das in § 85 Abs. 1 Satz 1
UrhG den Herstellern von Tonträgern zugeordnete ausschließliche Recht, den
Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten, ist Eigentum im Sinne von Art.
14 Abs. 1 GG. Für das Urheberrecht ist das vom Bundesverfassungsgericht
entschieden (vgl. BVerfGE 31, 229; 31, 248; 31, 255; 31, 270 sowie BVerfGE 77,
263). Die dort angestellten Erwägungen gelten auch für das dem Urheberrecht
verwandte Schutzrecht des § 85 Abs.1 Satz 1 UrhG (vgl. die Überschrift des
Zweiten Teils des Urheberrechtsgesetzes). Ebenso wie dem Urheber ist dem Tonträgerherstel1er
das vermögenswerte Ergebnis seiner Leistung, den Tonträger vervielfältigen und
verbreiten zu dürfen, im Wege privatrechtlicher Normierung zugeordnet worden.
Er hat die Freiheit, in eigener Verantwortung über dieses Recht zu verfügen.
Das macht den grundgesetzlich geschützten Kern dieses Leistungsschutzrechtes
aus (vgl. zum Urheberrecht BVerfGE 31, 229 [240 f.]).
b) Die Auffassung des
Bundesgerichtshofs, Hersteller von Tonträgern könnten weder die Vermietung
ihrer veräußerten Produkte verbieten noch hierfür eine Vergütung verlangen. wie
sie der Urheber nach § 27 Abs. 1 UrhG beanspruchen kann, greift nicht in
diesen eigentumsrechtlich geschützten Kern ein.
Aus der Institutsgarantie des
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgt nicht, daß jede nur denkbare
Verwertungsmöglichkeit verfassungsrechtlich gesichert ist (BVerfGE 31, 229
[241]). Das erkennt auch die Beschwerdeführerin. Wegen der sozialen Bedeutung
des Urheberrechts – hier des Leistungsschutzrechts – und seiner Natur ist der
Gesetzgeber nur verpflichtet, eine angemessene Verwertung sicherzustellen. Es
ist deshalb grundsätzlich unbedenklich, wenn der Bundesgerichtshof mit der
Veräußerung der Schallplatten eine Erschöpfung des Leistungsschutzrechts
angenommen hat, wie sie auch für das Urheberrecht in § 17 Abs. 2 UrhG verankert
ist. Die verfassungsrechtlich allein garantierte Möglichkeit angemessener
Verwertung ist in der Regel gewährleistet, wenn der Berechtigte seine
vermögensrechtlichen Belange bei der ersten Verbreitungshandlung wahren kann.
c) Eine andere
verfassungsrechtliche Beurteilung ist nicht im Hinblick darauf geboten, daß die
gewerbliche Vermietung das Erstverbreitungsrecht des Herstellers von
Tonträgern entwerten kann. Diese begünstigt zwar die Anfertigung von
Privatkopien. Denn wer einen Tonträger kopiert, wird ihn schwerlich erwerben.
Das Vermieten von Schallplatten betrifft daher nicht nur das Recht der
körperlichen Verbreitung (§ 15 Abs. 1 Nr. 2, § 85 Abs. 1 Satz 1, 2. Altern.
UrhG), auf das sich der Erschöpfungsgrundsatz allein bezieht, sondern bei
Urhebern (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und Tonträgerherstellern (§ 85 Abs. 1 Satz
1. 1. Altern. UrhG) zumindest auch das Vervielfältigungsrecht.
Den
Leistungsschutzberechtigten muß aber dennoch nicht das Recht eingeräumt werden,
die Vermietung von Tonträgern zu verbieten (dazu aa). Selbst wenn man wegen
dieses Verlustes an Verfügungsmacht einen Vergütungsanspruch von Verfassungs
wegen fordern müßte, so wäre dieser in einer dem Grundgesetz gerecht werdenden
Weise eingeräumt worden (dazu bb).
aa) Der Gesetzgeber steht bei
der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen Ausgestaltung vor der Aufgabe, die
Belange der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller wie schließlich auch der
Benutzer von Bild- und Tonträgern aufeinander abzustimmen und zu einem
gerechten Ausgleich zu bringen. Die Interessen der Allgemeinheit (Art. 14 Abs.
2 GG) gehen dahin, mit dem gekauften Werkstück nach Belieben verfahren zu
dürfen und über die an diesem noch bestehenden Rechte mit der erforderlichen
Klarheit informiert zu sein. Dem steht das Interesse des Urhebers an einer
möglichst umfassenden Zuordnung der Verwertungsmöglichkeiten gegenüber. Er kann
eine verstärkte Beachtung seiner Belange insbesondere deshalb verlangen, weil
er durch seine schöpferische Leistung den entscheidenden Beitrag zu dem
veräußerten Produkt erbringt (BVerfGE 31, 229 [246]). Mit seinen Belangen
konkurrieren die Interessen der ausübenden Künstler, welche das Werk durch
ihre Interpretation erst zum Leben erwecken und damit gleichfalls eine
schutzwürdige schöpferische Leistung erbringen.
Für den Tonträgerhersteller
gilt gleiches wie für den Verleger (vgl. dazu BVerfGE 58, 137 [149 f.]): Er
erschließt durch seine private Initiative und auf sein Risiko der
Öffentlichkeit künstlerisches Schaffen. Der wirtschaftlichen Komponente kommt
bei ihm größere Bedeutung zu als bei Urhebern und ausübenden Künstlern. Er ist
gezwungen, wirtschaftlich zu kalkulieren, und kann daher eine angemessene
Beachtung seiner finanziellen Interessen beanspruchen. Dies gilt auch und
gerade im Verhältnis zum Urheber und zum ausübenden Künstler, die häufig eher
an der Verbreitung des Werkes als am wirtschaftlichen Ergebnis der Nutzung
interessiert sind. Eine Gefährdung seines wirtschaftlichen Einsatzes erwächst
dem Tonträgerhersteller insbesondere daraus, daß Private qualitativ hoch- oder
sogar gleichstehende Klangkopien anfertigen können, ohne daß Umfang oder Anlaß
dieser Kopien von ihm kontrolliert werden könnten (vgl. Krüger-Nieland,
Festschrift für Walter Oppenhoff, 1985, S. 173 [184]). Die technischen
Errungenschaften des akustischen ,,Klonens“ sind daher geeignet, die Belange
aller am Schöpfungsprozeß Beteiligten unmittelbar oder mittelbar nachteilig zu
beeinflussen.
In diesem Interessengeflecht
hat der Gesetzgeber einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Unter Beachtung
seiner Gestaltungsfreiheit ist seine Entscheidung. so wie sie der
Bundesgerichtshof dem Urhebergesetz entnommen hat (kein Verbotsrecht), nicht zu
beanstanden. Maßgebend für die „Freigabe“ privater Kopiertätigkeit ist, daß
der private Zugriff auf fremde Urheber- und Tonträgerherstellerleistungen
weder rechtlich noch tatsächlich zu verhindern sind (Kirchhof, Der
Gesetzgebungsauftrag zum Schutz des geistigen Eigentums gegenüber modernen
Vervielfältigungstechniken, 1988, S. 27 f.), wenn ein Werkstück durch
Veräußerung in den Verkehr gelangt ist. Dies ist die entscheidende Zäsur,
welche die teilweise Vorenthaltung der Verfügungsmacht rechtfertigt. Geräte zur
Anfertigung von Privatkopien sind in einer Zahl verbreitet, die eine Kontrolle
der ferneren Werknutzung schon tatsächlich ausschließt. Rechtliches Argument
dafür, dem Urheber das Verfügungsrecht insoweit zu entziehen, ist die
Privatsphäre des Bürgers und der Schutz seiner Wohnung (BVerfGE 31, 255 [267
f.]; s. auch BGH, GRUR 1965, S. 104 [107 f.] – Personalausweise –). Die private
Kopiertätigkeit ließe sich nur mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in den
häuslichen Lebensbereich kontrollieren oder verhindern. Nachdem der
Berechtigte durch die Veräußerung die Verfügungsgewalt über sein Werk
teilweise aufgegeben hat, kann das Interesse des Bürgers, sich nicht über die
nur schwer erkennbaren Beschränkungen der Weiterverwendungsbefugnisse
unterrichten zu müssen, Vorrang vor dem Interesse des Urhebers an möglichst
umfassender Kontrolle der Werknutzung beanspruchen (von Ungern-Sternberg, GRUR
1984, S. 262 [264]).
Muß aber schon der Urheber den
teilweisen Entzug der Verfügungsgewalt durch Zulassung des privaten
Kopierzugriffs von Verfassungs wegen hinnehmen, gilt dies erst recht für den
Hersteller von Tonträgern. Hat dieser die teilweise Vorenthaltung der Verfügungsmacht
zu dulden, können den nachfolgend Berechtigten keine weitergehenden Befugnisse
eingeräumt und so zugleich die Interessen der Allgemeinheit wieder
zurückgestellt werden. Dies gilt um so mehr, als sich die Interessen der
Tonträgerhersteller im wesentlichen auf den finanziellen Bereich, weniger auf
den künstlerisch-schöpferischen beziehen.
bb) Ob der Gesetzgeber
verpflichtet ist, den verfassungsrechtlich damit unbedenklichen teilweisen
Entzug der Verfügungsmacht zugunsten der Tonträgerhersteller durch Gewährung
eines Vergütungsanspruchs auszugleichen, kann dahingestellt bleiben (offengelassen
auch in BVerfGE 31, 255 [263]). Denn selbst wenn Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine
solche Pflicht zu entnehmen wäre, hätte ihr der Gesetzgeber in einer
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise genügt.
Der Beschwerdeführerin steht
nämlich eine Vergütung zu. Diese folgt aus § 54 Abs. 1 UrhG (sogenannte Geräte-
und Leerkassettenvergütung). An jenem Vergütungsaufkommen sind neben den in
dieser Vorschrift genannten Urhebern kraft Verweisung nicht nur die ausübenden
Künstler und Veranstalter (§ 84 i. V. m. §§ 73 und 81 UrhG), sondern auch die
Tonträgerhersteller (§ 85 Abs. 3 UrhG) beteiligt. Jedem der Berechtigten steht
ein angemessener Anteil an dieser Vergütung zu (§ 54 Abs. 6 Satz 2 UrhG).
Bereits durch § 53 Abs. 5 UrhG
1965 ist die Geräteabgabe zugunsten der Urheber geschaffen worden. Dadurch
sollte ein Ausgleich für die Einbußen gewährt werden, welche der Absatz von
Schallplatten durch die private Kopiertätigkeit erleidet (vgl. BTDrucks.
IV/270, S. 71 f.). Die Urheberrechtsnovelle 1985 (Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom
24. Juni 1985, BGBl. I S. 1137), welche zur Neufassung der §§ 53 und 54 UrhG
führte, hat an diesem Ziel festgehalten. Zweck der kombinierten Leerkassetten-
oder Geräteabgabe ist die mittelbare Erfassung des Endnutzers. Derjenige soll
belastet werden, der sich durch die private Kopiertätigkeit fremde Leistung
vergegenständlichend aneignet (vgl. Äußerung des Abgeordneten Saurin,
Stenographische Berichte, 10. Wahlperiode. 140. Sitzung, S. 10337; s. auch
Engelhard. a.a.O., S. 10343). Er nimmt die Verletzungshandlung vor und soll
daher wirtschaftlich die (abzuwälzende) Abgabe tragen (BTDrucks. 10/837, S.
18).
Dies zeigt, daß der nunmehr in
§ 54 Abs. 1 UrhG normierte Anspruch das Ziel verfolgt, den am
Vergütungsaufkommen Beteiligten einen angemessenen Ausgleich dafür zu gewähren.
daß durch das Überspielen von Schallplatten auf einen anderen Tonträger (etwa
Tonband, Leerkassette oder gar Compact Disc) fremde Leistung, insbesondere die
der Urheber und Tonträgerhersteller, genutzt
wird.
Dieses Ziel wird in einem
Umfang erreicht, der den sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen
genügt.
Das Bundesverfassungsgericht
hat bereits entschieden, daß der Gesetzgeber mit den Vergütungssätzen der hier
maßgebenden Nummern 1.3. und 4. der Anlage zu § 54 Abs. 4 UrhG die widerstreitenden
Interessen von Urhebern, Geräteproduzenten, Leerkassettenherstellern und
Werknutzern in einen angemessenen Ausgleich gebracht hat (BVerfGE 79,1 [26
f.]). Daran ist im Hinblick darauf festzuhalten, daß die Tonträgerhersteller
ebenfalls an diesem Vergütungsaufkommen teilnehmen. Die Verfassungsbeschwerde
zeigt keine dem entgegenstehenden Gesichtspunkte auf.
Dem Gesetzgeber kommt auch bei
der Regelung des mehrschichtigen Interessengeflechts von Geräte - und
Leergutherstellern, Urhebern und sonstigen Berechtigten, Benutzern
(Privatkopierenden) ein weiter Gestaltungsraum zu. Er ist nicht gezwungen,
jeden zu belasten, der bei der Verbreitung von der Vervielfältigungsmöglichkeit
des Tonträgers profitiert. Bei der Ausgestaltung dürfen vielmehr auch
Praktikabilitätsgesichtspunkte eine Rolle spielen (BVerfGE 31, 255 [265 ff.,
267]). Es kann nicht beanstandet werden, daß es der Gesetzgeber bei der
Belastung der Geräte- und Leerkassettenhersteller und -importeure belassen hat.
Deren Zahl ist übersehbar, die der gewerblichen Schallplattenvermieter nicht.
Das angemessene Vergütungsaufkommen kann auf die vom Gesetzgeber gewählte
Verfahrensweise erheblich einfacher gesammelt werden.
Die Ungleichbehandlung der
Tonträgerhersteller gegenüber den in den §§ 70 und 71 UrhG genannten
Leistungsschutzberechtigten. denen ein Anspruch aus § 27 UrhG für das Verleihen
und Vermieten von Werkstücken zusteht (vgl. Schricker/Loewenheim, a.a.O., §
27, Rdnr. 13; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, Komm., 7. Aufl., 1988, § 27, Rdnr.
7), verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, der bei jeder Regelung im Sinne
des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beachtet werden muß (vgl. wiederum BVerfGE 49, 382
[395]).
Der Gesetzgeber darf die
Urheber gegenüber sonstigen Berechtigten bevorzugen, die keine schöpferische,
sondern nur eine technisch-organisatorische Leistung erbringen (vgl. BVerfGE
31, 275 [288 f. und 294]; sowie BVerfGE 31, 229 [246]). Dies rechtfertigt es
nicht nur, Tonträgerhersteller von dem Vergütungsaufkommen des § 27 UrhG auszuschließen
(ebenso Hubmann, FuR 1984, S. 495 [511]), sondern auch, die in §§ 70, 71 UrhG
erfaßten Berechtigten zu bevorzugen. Diese stehen gleichsam im Lager des
Urhebers und erbringen Leistungen, welche zwar noch nicht als schöpferisch,
wohl aber ihnen ähnlich anzusehen sind (BTDrucks. IV/270, S. 86 f.). Die
Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben bringen der Allgemeinheit Werke zur
Kenntnis, welche (jedenfalls mit diesem Inhalt) bisher unbekannt waren
(BTDrucks., a.a.O., S. 87; Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 70, Rdnr. 1). Die
Herausgeber nachgelassener Werke vermitteln der Allgemeinheit den ,,bleibenden
Besitz“ von Werken, die bisher unbekannt oder nur mündlich verbreitet worden
waren (BTDrucks., a.a.O., S. 87 f.). Es ist daher gerechtfertigt, sie gleichsam
als Geburtshelfer derjenigen Urheber anzusehen, denen es - im Gegensatz zu
sonstigen Urhebern - nicht gelungen ist, ihr Werk vollständig der
Allgemeinheit zu überliefern
(gez.) Herzog Niemeyer
Henschel
Seidl Grimm
Söllner
Dieterich Kühling