"Ich
wollte kein Neider sein"
Im Streit um die Figur
"Heinz Becker" legt Autor Bungert auch Wert auf inhaltliches Vetorecht
- Von
KATJA PREISSNER -
Wem gehört die "Familie
Heinz Becker"? Diese Frage dürfte demnächst vor Gericht verhandelt
werden, zwischen dem Kabarettisten Gerd Dudenhöffer und dem Autor
Gerhard Bungert, der den Mann mit der Batschkapp samt Anhang entscheidend
mitgestaltet haben will. Er will nun auf Anerkennung seiner Miturheberschaft
klagen. Ein Sieg vor Gericht hätte laut Bungert handfeste Folgen.
Zum einen fordert er Anteile aus früheren Honoraren Dudenhöffers
in "sechsstelliger Höhe", immerhin ist der Becker-Clan längst
auch im Fernsehen und im Kino zu sehen. Zum anderen möchte Bungert
fortan im Abspann aller Produktionen der "Familie Heinz Becker" genannt
werden ("nach einer Idee von . . . "). Bungert legt außerdem Wert
auf ein inhaltliches Vetorecht. Er will bei missliebigen Äußerungen
der Figuren einschreiten, im Notfall auch Szenen verbieten können. Der Streit zwischen Bungert
und Dudenhöffer schwelt bereits seit zwei Jahren (wir berichteten).
War damals Dudenhöffer der "Angreifer", der Bungert in die Verteidigung
zwang, hat dieser den Spieß inzwischen umgedreht und geht nun in
die Offensive. Mitte Mai soll die Klage eingereicht werden, dann ist es
an Dudenhöffer zu reagieren. Entzündet hatte sich der Streit
an einem Solo-Auftritt der früheren "Hilde"-Darstellerin Alice Hoffmann,
der Dudenhöffer allzu sehr an Beckers bessere Hälfte erinnerte.
Es folgten Abmahnungen an Hoffmann und Bungert, den Autor der Solo-Nummer.
Sie betrafen auch Hoffmanns aktuelles Alter Ego "Vanessa Backes", aber
in erster Linie sollte Bungert schriftlich bekunden, die Figuren der "Familie
Becker" nicht mitentwickelt zu haben. Wohlgemerkt: Alleiniger Urheber des
Fernseh-Trios wäre demnach Dudenhöffer selbst gewesen. Doch die
Genese des "Heinz Becker" hat Bungert anders in Erinnerung. "Im Juni 1980
hab ich mit einer Band im Saarbrücker ,Barrelhouse' gespielt", so
Bungert. Im Vorprogramm: ein junger Kabarettist namens Dudenhöffer
mit einer Dialekt-Nummer als Handwerker. "Zur gleichen Zeit suchte der
SR eine regionale Comedy-Figur für Stegreif-Sketche im Hörfunk.
Ich war als Autor vorgesehen, mir fehlte nur der passende Darsteller",
erzählt Bungert weiter. Den hatte er nun, und zu viert machte man
sich daran, ein Konzept auszuarbeiten. Beteiligt waren Bungert und
Dudenhöffer, der Autor Rainer Petto und Franz Walter Freudenberger,
Dudenhöffers damaliger Regisseur. Bungert will damals ein komplettes
Profil aller drei Kunstfiguren samt Namen vorgelegt haben, "und die anderen
drei haben es dann gemeinsam mitausgebaut". Um ein Haar hätte die
Hauptfigur übrigens Peter Müller geheißen, erinnert sich
Bungert - weil's der gebräuchlichste Name war. Zum Glück für
den aktuellen saarländischen Ministerpräsidenten entschloss man
sich jedoch, haarscharf neben das Klischee zu treffen und entschied sich
für "Heinz Becker", erzählt Bungert. Heinz Becker ging dann auch
auf Sendung, mit Sketchen von Dudenhöffer und Bungert. "Für die
Auftritte", so Bungert, "galt ein Gentlemen-Agreement: die Hälfte
des Honorars fürs Spielen, der Rest fürs Schreiben der Sketche."
Der Kontakt verlor sich, als Dudenhöffer Mitte der 80er Jahre zu Jürgen
von der Lippes TV-Show "So isses" wechselte. Wenn die Lage in Sachen "Urheberschaft"
jedoch so klar ist, warum hat Bungert keine finanzielle Beteiligung gefordert,
als die Beckers Anfang der 90er Jahre zu Fernsehstars wurden? "Weil mir
der Schaden an öffentlichem Ansehen größer schien als der
Nutzen. Ich wollte kein Neider sein, der aus der letzten Bank hervorkriecht,
wenn ein anderer erfolgreich ist. Aber Dudenhöffer wollte mich plötzlich
zum Plagiator stempeln, und das konnte ich mir nicht bieten lassen. Das
hätte auch nicht der Wahrheit entsprochen." Als Beweise für seine
Darstellung nennt Bungert unter anderem das Vorwort der "Heinz Becker-Story"
(1984 erschienen, Verfasser: Gerhard Bungert, Gerd Dudenhöffer und
Charly Lehnert), in dem Dudenhöffer Bungert ausdrücklich zu den
Mitentwicklern der Familie Becker zählt. "Im Übrigen", so Bungert,
"kann der anonyme Handwerker aus Dudenhöffers Anfangszeit kaum mit
dem Universal-Dilettanten Becker identisch sein, der noch nicht mal eine
Küche ausmessen kann." Also ließ Bungert nun seinerseits Dudenhöffer
abmahnen. Mit dem Ziel, offiziell als Miturheber anerkannt zu werden. Die
Gegenseite reagierte völlig unerwartet: Sie bot Verhandlungen an,
die nur an einer finanziellen Einigung gescheitert sein sollen. Seit 1999 stützt auch
ein juristisches Gutachten Bungerts Sicht, erstellt vom Potsdamer Urheberrechts-Experten
Professor Wilhelm Nordemann. Im Falle eines Sieges vor Gericht würde
Bungert künftig ein scharfes Auge auf Beckers Mundwerk haben? "Bei
rassistischen Sprüchen würde ich Einspruch erheben. Ich weiß,
dass Heinz Becker auch ohne Witze über Afrikaner auskommt", sagt Bungert.
"Vielleicht sieht das Publikum solche Äußerungen nicht immer
so kritisch wie Dudenhöffer selbst."
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